Verwerfung einer Anhörungsrüge
Anspruch auf rechtliches Gehör
Keine allgemeine Hinweispflicht des Gerichts aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör
Vermeidung von Überraschungsentscheidungen
Gründe
Die Anhörungsrüge ist gemäß §
178a Abs
4 Satz 1
SGG als unzulässig zu verwerfen, weil sie den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
Nach §
178a Abs
2 Satz 5
SGG muss die Rüge die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Abs 1 Satz 1 Nr
2 genannten Voraussetzungen darlegen. Nach §
178a Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGG ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn das
Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Diese Darlegungen
müssen bis zum Ablauf der Frist für die Erhebung der Anhörungsrüge erfolgen und eine entscheidungserhebliche Verletzung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör schlüssig aufzeigen (BSG vom 9.9.2010 - B 11 AL 4/10 C - SozR 4-1500 § 178a Nr 10 RdNr 12 mwN). Richtet sich die Anhörungsrüge - wie hier - gegen eine Entscheidung des Revisionsgerichts über die Nichtzulassung der Revision,
muss dargelegt werden, dass das Revisionsgericht durch seine Entscheidung den Anspruch auf rechtliches Gehör neu und eigenständig
verletzt hat (BSG vom 9.9.2010 - B 11 AL 4/10 C - SozR 4-1500 § 178a Nr 10 RdNr 13).
Diesen Anforderungen wird die Anhörungsrüge der Klägerin nicht gerecht. In den Schriftsätzen vom 15.9.2021 und vom 11.10.2021
bringt die Klägerin lediglich vor, dass der Senat entgegen §
139 ZPO keinerlei Hinweis vor der Entscheidung über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erteilt habe, nachdem und
obwohl sie - die Klägerin - mit Schriftsätzen vom 14.6.2021, 24.7.2021, 14.8.2021 und 20.8.2021 umfangreich vorgetragen habe.
Nachdem die Klägerin im Schriftsatz vom 15.9.2021 wohl noch vermutet hatte, dass dem Senat die genannten Schriftsätze nicht
vollständig vorgelegen hätten, hat sie hieran - nach Akteneinsicht - nicht festgehalten, indem sie diese Vermutung zu Recht
als "vermeintlich" beschrieben hat. Mit der Behauptung, der Senat habe §
139 ZPO verletzt, hat die Klägerin indes eine Gehörsverletzung nicht schlüssig behauptet.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) enthält keine allgemeine Hinweispflicht des Gerichts (BVerfG vom 14.7.1998 - 1 BvR 1640/97 - BVerfGE 98, 218 [263] = juris RdNr 162; BSG vom 12.3.2021 - B 4 AS 378/20 B - juris RdNr 6 mwN). Etwas anderes gilt zur Vermeidung von Überraschungsentscheidungen nur, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen
an den Sachvortrag stellt oder auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger
Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf
nicht zu rechnen brauchte (stRspr; etwa BVerfG vom 7.10.2003 - 1 BvR 10/99 - BVerfGE 108, 341 [345 f] = juris RdNr 14; BSG vom 4.7.2018 - B 11 AL 22/18 B - juris RdNr 4). Hierzu hat die Klägerin nichts schlüssig vorgetragen. Ihr Verweis darauf, dass keinerlei Hinweis des Senats nach §
139 ZPO vor seiner Entscheidung erfolgt sei, genügt insoweit nicht. Das BSG ist nicht verpflichtet, einem Beschwerdeführer - auch im Fall einer Bitte des Prozessbevollmächtigten um einen richterlichen
Hinweis, falls weiterer Sachvortrag erforderlich sei - vorab auf die Unzulänglichkeit des Beschwerdevortrags aufmerksam zu
machen (BSG vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - juris RdNr 7; BSG vom 30.3.2017 - B 13 R 53/17 B - juris RdNr 6). Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, die Formerfordernisse einzuhalten; gerade dies ist ein Grund
für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß §
73 Abs
4 SGG (BSG vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - juris RdNr 7; BSG vom 20.1.2015 - B 13 R 439/14 B - RdNr 10 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 Satz 1, Abs
4 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
178a Abs
4 Satz 3
SGG).