Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Klägerin, eine türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Türkei, erhielt im Jahr 1985 die Hälfte der für sie in den
Jahren 1965 bis 1983 zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung gezahlten Beiträge erstattet. Sie begehrt nunmehr eine
weitergehende Beitragserstattung.
Das SG hat ihre gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.7.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.8.2019 gerichtete Klage
abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 24.4.2020). Das LSG hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 19.5.2021 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, infolge der
erfolgten Beitragserstattung seien weitere Ansprüche gemäß § 1303 Abs 7
RVO ausgeschlossen. Die Klägerin könne die begehrte Erstattung auch nicht im Rahmen eines Zugunstenverfahrens beanspruchen, sofern
ein solches angestrengt worden sein sollte. Der 1985 ergangene Erstattungsbescheid sei rechtmäßig. Sowohl nach § 1303 Abs 1 Satz 1
RVO als auch nach §
210 Abs
3 SGB VI sei eine Erstattung der Gesamtbeiträge ausgeschlossen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen.
Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Form begründet wird. Sie ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG zu verwerfen.
Die Klägerin legt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht anforderungsgerecht dar. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde
mit diesem Zulassungsgrund (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) begründet, muss in der Beschwerdebegründung dargetan werden, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig
und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss zur ordnungsgemäßen Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes daher eine Rechtsfrage
benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit)
sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen
(stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Die Beschwerdebegründung vom 27.8.2021 wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Die Klägerin formuliert darin die Frage,
"ob unter Berücksichtigung des Abkommens vom 30. April 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei
über Soziale Sicherheit sowie des Zusatzabkommens vom 02. November 1984 zum Abkommen vom 30. April 1964 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit und zu der Vereinbarung vom 02. November 1984 zur Durchführung
des Abkommens (im Folgenden: deutsch-türkisches Sozialversicherungsabkommen) bei einer Beitragserstattung von Beiträgen zur
gesetzlichen Rentenversicherung an türkische Staatsbürger, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen
Versicherung haben, neben den Beiträgen, welche die Versicherten selbst getragen haben, auch die Beiträge, welche die Arbeitgeber
getragen haben, zu erstatten sind."
Nach ihrer Auffassung geben die einschlägigen Abkommen keine Beschränkung der Beitragserstattung vor. Vielmehr würden unter
ihrer Geltung deutsche und türkische Staatsangehörige in ihren Rechten und Pflichten aus den Rechtsvorschriften der Vertragsparteien
einander gleichstehen. Nach türkischem Recht würden im Rahmen einer Beitragserstattung aber auch die vom Arbeitgeber getragenen
Beiträge erstattet.
Die Klägerin hat damit schon keine aus sich heraus verständliche Rechtsfrage zur Auslegung revisibler (Bundes-)Normen, zu
denen auch diejenigen der genannten Abkommen zählen würden, formuliert, an der das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen
der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu BSG Beschluss vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 22.4.2020 - B 5 R 266/19 B - juris RdNr 5, jeweils mwN). Sie zeigt nicht auf, inwiefern deutsch-türkische Sozialversicherungsabkommen Regelungen zum Umfang der aus der Rentenversicherung
eines Vertragsstaats zu erstattenden Beiträge enthalten könnten. Ebenso wenig führt sie nachvollziehbar aus, dass die deutschen
Rentenversicherungsträger insoweit an türkisches Recht gebunden sein könnten.
Ungeachtet dessen legt die Klägerin jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dar. Klärungsbedürftig
ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort nicht außer Zweifel steht, sich zB nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz
beantworten lässt oder nicht bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl bereits BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). In der Beschwerdebegründung muss deshalb unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgebracht werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung
getroffen wurde oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die nunmehr maßgebende Frage von grundsätzlicher
Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (aus jüngerer Zeit zB BSG Beschluss vom 6.4.2021 - B 5 RE 16/20 B - juris RdNr 6 mwN). Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin setzt sich darin nicht mit der zu § 1303 Abs 1 Satz 1
RVO bzw §
210 Abs
3 Satz 1
SGB VI ergangenen Rechtsprechung auseinander, wonach die Regelung zur lediglich anteiligen Beitragserstattung verfassungsrechtlich
unbedenklich ist (vgl zuletzt BSG Beschluss vom 31.7.2007 - B 5a/4 R 199/07 B - juris RdNr 7 mwN). Ebenso wenig untersucht sie die zu den deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen ergangene Rechtsprechung darauf, ob
sich ihr Antworten zu den aufgeworfenen Fragen entnehmen lassen. Derartige Ausführungen fehlen vollständig.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 und 4
SGG.