Vormerkung einer Pflichtbeitragszeit
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Streitig ist die Vormerkung einer Pflichtbeitragszeit vom 1.1.1995 bis zum 31.12.1997.
Der 1962 geborene Kläger war im streitbefangenen Zeitraum als Student immatrikuliert und zugleich als teilzeitbeschäftigter
Lagerarbeiter bei der M GmbH & Co KG (Vorgängerin der Beigeladenen zu 2; im Folgenden einheitlich Beigeladene zu 2) tätig. Mit rechtskräftigem Urteil vom 7.2.2012 verpflichtete das SG Duisburg (S 7 KR 32/10) die zu 1 beigeladene Krankenkasse festzustellen, dass der Kläger in dieser Zeit als Arbeitnehmer der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag. Es ging davon aus, dass der Kläger kein
versicherungsfreier Werkstudent, sondern in seiner Tätigkeit als Lagerarbeiter versicherungspflichtiger Beschäftigter gewesen
sei. Im Anschluss lehnte die Beklagte die Vormerkung der streitigen Zeit als Beitragszeit ab, weil Pflichtbeiträge zur gesetzlichen
Rentenversicherung nicht gezahlt worden seien. Die Beitragsforderung lasse sich wegen Verjährung nach §
25 Abs
1 Satz 1
SGB IV auch nicht mehr realisieren (Bescheid vom 10.1.2017; Widerspruchsbescheid vom 21.4.2017).
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11.9.2018 abgewiesen. Das LSG hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 18.1.2022 zurückgewiesen.
Die Beklagte habe die Vormerkung der streitigen Zeit als Pflichtbeitragszeit zu Recht abgelehnt. Es sei zwar rechtskräftig
festgestellt, dass der Kläger in diesem Zeitraum auch rentenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Pflichtbeiträge
seien dafür aber nicht gezahlt worden. Ein Tatbestand, nach dem Beiträge als gezahlt gelten, liege ebenfalls nicht vor. Die
Verpflichtung der Beigeladenen zu 2 zur Zahlung der Pflichtbeiträge sei aufgrund Verjährung nicht mehr durchsetzbar. Der Kläger
könne einen Anspruch auf Vormerkung auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.
Der Kläger hat mit einem am 19.4.2022 beim BSG eingegangenen Schreiben die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision
im Urteil des LSG beantragt.
II
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine hinreichende Aussicht
auf Erfolg (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 Abs
1 Satz 1
ZPO). Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichtsakten ist nicht zu erkennen, dass ein nach §
73 Abs
4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht
und auf dieser Abweichung beruht (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
1. Grundsätzliche Bedeutung iS von §
160 Abs
2 Nr
1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus allgemeine
Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf
(Klärungsbedürftigkeit) und in dem Verfahren geklärt werden kann (Klärungsfähigkeit) (vgl Beschluss vom 13.4.2022 - B 5 R 291/21 B - juris RdNr 7 mwN). Derartige Rechtsfragen sind nicht erkennbar. Es ergibt sich aus dem Gesetz, dass Pflichtbeitragszeiten nur solche Beitragszeiten
sind, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge gezahlt worden sind (§
55 Abs
1 Satz 1
SGB VI) oder für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (§
55 Abs
1 Satz 2
SGB VI). In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass ohne eine tatsächliche Beitragsentrichtung eine Vormerkung von Beitragszeiten - abgesehen von den hier
nicht einschlägigen Fällen einer vermuteten oder fingierten Beitragszahlung (vgl zB §
203 Abs
2 SGB VI) - nicht in Betracht kommt. Beitragszeiten hängen von der tatsächlichen Beitragsentrichtung ab (BSG Urteil vom 21.10.2021 - B 5 R 23/21 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - juris RdNr 17; BSG Urteil vom 13.8.1996 - 12 RK 76/94 - SozR 3-2400 § 25 Nr 6 S 28 = juris RdNr 28; vgl auch BSG Urteil vom 18.8.1992 - 12 RK 7/92 - SozR 3-5800 § 1 Nr 1 S 4 = juris RdNr 20 und BVerfG <Kammer> Beschluss vom 5.1.2017 - 1 BvR 967/14 - juris RdNr 15). Dieses Erfordernis wird auch vom Kläger grundsätzlich nicht in Abrede gestellt. Die Voraussetzungen des sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs sind gleichermaßen geklärt (siehe etwa BSG Urteil vom 21.10.2021 - B 5 R 28/21 R - SozR 4-2600 § 56 Nr 11 RdNr 43 f).
Soweit es dem Kläger um die Verpflichtung der Beigeladenen zu 2 zur Zahlung von Pflichtbeiträgen für seine im streitbefangenen
Zeitraum ausgeübte Beschäftigung und insbesondere um die Frage der Verjährung der Beitragsforderung geht, kommt eine Revisionszulassung
bereits deshalb unter keinem Gesichtspunkt in Betracht, weil dies nicht Gegenstand des Vormerkungsverfahrens und mithin nicht
Streitgegenstand des hier zu entscheidenden Rechtsstreits ist. Auch das LSG ist davon zu Recht ausgegangen und hat seine diesbezüglichen
Ausführungen "nur ergänzend" gemacht. Besteht wie hier kein Zweifel an der Versicherungspflicht, kommt der Arbeitgeber seiner
Zahlungspflicht jedoch aus anderen Gründen nicht nach (hier: wegen Verjährung), hat allein die Einzugsstelle darüber zu entscheiden,
ob die Beiträge noch zu zahlen sind. Der versicherte Arbeitnehmer kann das Beitragseinzugsverfahren durch einen Antrag bei
der Einzugsstelle einleiten und, wenn es erfolglos bleibt, in einem Rechtsstreit gegen die Einzugsstelle die Verpflichtung
zum Beitragseinzug klären lassen. Für eine Klage gegen die Beklagte ist deshalb insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis gegeben
(vgl BSG Urteil vom 26.9.1996 - 12 RK 37/95 - SozR 3-2400 § 28h Nr 7 S 23 f).
2. Ebenso wenig ist nach der Aktenlage zu erkennen, dass das LSG einen abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem solchen
des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (Zulassungsgrund der Divergenz, §
160 Abs
2 Nr
2 SGG).
3. Schließlich weist nichts auf das Vorliegen eines entscheidungserheblichen Verfahrensmangels hin, der gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Nach Halbsatz 2 dieser Bestimmung kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung
der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Soweit der Kläger einwendet, das LSG hätte in Bezug auf die Einzelheiten seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2 Herrn
G vernehmen müssen, macht er einen Mangel bei der Sachverhaltsermittlung (§
103 SGG) geltend. Es ist jedoch weder aus den Ausführungen des Klägers noch aus den Akten ersichtlich, dass ein solcher Mangel vorliegen
könnte. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat der vor dem LSG anwaltlich vertretene Kläger bereits keinen diesbezüglichen
Beweisantrag gestellt (zum Erfordernis s §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG). Im Übrigen ist nicht erkennbar, inwiefern die Umstände der Beschäftigung für das Verfahren der Vormerkung rentenrechtlicher
Zeiten von Bedeutung sein könnten.
Auch der Einwand des Klägers, die Beigeladene zu 2 sei nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen, lässt einen Verfahrensmangel
nicht erkennen. Die Befugnis von Vereinigungen von Arbeitgebern zur Vertretung ihrer Mitglieder in Verfahren vor dem LSG ergibt
sich aus §
73 Abs
2 Satz 2 Nr
7 SGG.
Soweit der Kläger mit seinen Ausführungen sinngemäß eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, ist für das
Vorliegen eines solchen Verfahrensmangels nichts ersichtlich. Dass dem anwaltlich vertretenen Kläger vom LSG keine Möglichkeit
gegeben worden wäre, seinen Rechtsstandpunkt (auch) in der mündlichen Verhandlung geltend zu machen, ist nicht erkennbar.
Auf die Behauptung, das Urteil des LSG sei falsch, kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 25.3.2021 - B 5 R 288/20 B - juris RdNr 14 mwN).
4. Da dem Kläger mithin PKH nicht zusteht, entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen
der PKH (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).