Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Bezeichnung des Verfahrensmangels der Verletzung
des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Gründe:
Die Beschwerde ist unzulässig. Die vorgebrachten Zulassungsgründe - Verfahrensfehler des Landessozialgerichts (LSG), Abweichung
von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) - sind nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) gebotenen Weise bezeichnet.
1. Zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels, auf dem das Urteil des LSG beruhen kann (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), sind die den Verfahrensmangel (angeblich) begründenden Tatsachen substanziiert und schlüssig darzutun (vgl BSG SozR 1500
§ 160a Nr 14; SozR 3-1500 § 73 Nr 10; stRspr). Das BSG muss allein anhand der Begründung darüber entscheiden können, ob ein
die Revisionsinstanz eröffnender Verfahrensmangel in Betracht kommt (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 4). Wird als Verfahrensmangel
die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt, muss die Beschwerdebegründung aufzeigen, welcher Vortrag entweder nicht zur
Kenntnis genommen oder verhindert worden ist und dass alle prozessualen Möglichkeiten der Gehörsverschaffung ausgeschöpft
waren (vgl ua BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22). Inwiefern das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen
kann, ist unter Darstellung der sachlich-rechtlichen Auffassung des LSG schlüssig darzulegen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36;
SozR 4-1500 § 160a Nr 3; stRspr).
Den genannten Anforderungen wird die vorgelegte, umfangreiche Beschwerdebegründung vom 30./31.8.2010 - deren Gliederung gefolgt
wird - nicht gerecht.
a) Der Kläger, der im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG vom 6.5.2010 persönlich anwesend war, macht zwar (unter
I.) geltend, das LSG sei "nach Maßgabe des Sitzungsprotokolls vom 6.5.2010" nicht ordentlich - nämlich nur mit dem Vorsitzenden
Richter am LSG G. und der Richterin am LSG N. - besetzt gewesen. Er behauptet indes selbst nicht, die angegriffene Entscheidung
sei nicht in ordnungsgemäßer Besetzung des Gerichts - mit drei Berufs- und zwei ehrenamtlichen Richtern - ergangen. Die Unrichtigkeit
des Sitzungsprotokolls, in dem der Name des Vorsitzenden Richters G. fehlerhaft zweimal auftaucht - einmal für den Vorsitz,
einmal als Beisitzer -, kann aber jederzeit (auch nach Einlegung eines Rechtsmittels) auf Antrag berichtigt werden, §
122 SGG iVm §
164 Abs
1 Zivilprozessordnung. Die fehlerhafte Protokollierung der anwesenden Richter stellt hingegen keinen Fehler im Verfahren des LSG dar.
b) Soweit der Kläger Verfahrensmängel bei der "Aufklärung" und Gehörsverstöße rügt (unter II. 1. und 2., 13. sowie Schriftsatz
vom 31.1.2010) verkennt er die Darlegungserfordernisse. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, auf eine Verletzung des §
103 SGG (Untersuchungsmaxime) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung
nicht gefolgt ist. Dafür genügt nicht die Behauptung, der Kläger habe schriftsätzlich vor dem LSG einen Beweisantrag gestellt,
den das LSG übergangen habe. Vielmehr muss er den Beweisantrag noch im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung wiederholt
bzw in Bezug genommen haben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 29; stRspr). Dies hat der Kläger nicht dargelegt und hätte es im
Übrigen ausweislich der Sitzungsniederschrift auch nicht dartun können.
Auch mit seinem Vorbringen (unter II. 2.), das LSG hätte ihm einen Hinweis geben müssen, dass es von der Annahme ausgehen
wolle, er sei seit 1976 als selbstständiger Rechtsanwalt tätig gewesen, legt er nicht hinreichend dar, dass das LSG Hinweispflichten
gemäß §
106 Abs
1, §
112 Abs
2 SGG verletzt habe. Das Tatsachengericht ist nicht verpflichtet, auf die Stellung von Beweisanträgen hinzuwirken (vgl BSG SozR
1500 § 160 Nr 13; BSG NZS 1997, 592). Schließlich können über den Umweg des §
106 Abs
1, §
112 Abs
2 Satz 1
SGG die Vorgaben des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG hinsichtlich der Notwendigkeit eines Beweisantrags im Berufungsverfahren nicht umgangen werden (BSG, Beschluss vom 5.5.2010
- B 5 R 26/10 B - RdNr 10). Dasselbe gilt für die damit im Zusammenhang gerügte Gehörsverletzung. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 Grundgesetz, §
62 SGG) garantiert weder ein Rechtsgespräch in der mündlichen Verhandlung (vgl BVerfGE 31, 364 ff, 370), noch gibt es einen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichtet, die Beteiligten vor einer Entscheidung
auf eine in Aussicht genommene, bestimmte Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise
leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (vgl BSG SozR 3-1500 § 112 Nr 2; BSG, Beschlüsse vom 24.9.2003 - B 8 KN 6/02 B -, vom 21.9.2006 - B 12 KR 24/06 B - und vom 5.3.2007 - B 4 RS 58/06 B). Er hat im Übrigen selbst vorgetragen, das LSG habe lediglich "Zweifel" an seiner Arbeitslosigkeit geäußert. Es ist nach
dem Beschwerdevorbringen somit nicht erkennbar, dass das LSG seiner Entscheidung den angeblichen neuen rechtlichen Gesichtspunkt,
dh eine fehlende Verfügbarkeit, zugrunde gelegt hat.
Abgesehen von der fehlenden Darlegung, inwiefern das Berufungsurteil darauf beruhen kann, ist der Vortrag des Klägers, das
LSG habe denkgesetzwidrig angenommen, er habe als selbstständiger Rechtsanwalt seit 1976 der Arbeitsverwaltung nicht zur Verfügung
gestanden, unschlüssig. Denn die (angebliche) Verletzung von Erfahrungssätzen oder von Denkgesetzen bei der Ermittlung des
Sachverhalts bedeutet nach ständiger Rechtsprechung ein Überschreiten der Grenzen, die der freien richterlichen Beweiswürdigung
gezogen sind. Hierin liegt jedoch kein Zulassungsgrund iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG (vgl BSG SozR 1500 §
160 Nr
26 und Nr
41; stRspr). Denn nach Halbsatz 2 dieser Vorschrift kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des
§
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Beweiswürdigung) gestützt werden.
c) Soweit der Kläger außerdem rügt (unter II. 3.), das LSG stütze sich auf Vorbringen der Beklagten in der Berufungserwiderung
vom 12.12.2006 (zur angeblichen mangelnden Verfügbarkeit und Nichterfüllung der Vorfrist des § 192 Sozialgesetzbuch Drittes
Buch [SGB III] in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung - aF), das sie mit Schriftsatz vom 20.3.2007 ausdrücklich als auf
"falschen Tatsachen beruhende Ausführungen" gekennzeichnet und "zurückgenommen" habe, sodass der vom LSG zugrunde gelegte
Sachverhalt insoweit nicht dem "Parteivorbringen" entspreche, ergibt sich daraus ebenfalls kein schlüssiger Verfahrensmangel,
etwa in Form einer Gehörsverletzung.
Für die in diesem Zusammenhang gerügte "verfahrensfehlerhafte eigenmächtige Abänderung des Streitgegenstandes" (im Sinne der
Nichtbeachtung der Beschränkung des Streitstoffs) fehlt es bereits an einer schlüssigen Bezeichnung des Verfahrensmangels.
Wenn der Kläger ausführt, das LSG habe sich nicht mehr mit Fragen der Verfügbarkeit und der Erfüllung des Verlängerungstatbestands
des § 192 Satz 2 Nr 1
SGB III aF befassen dürfen, nachdem die Beklagte (unter Beachtung eines vor dem Sozialgericht [SG] Berlin geschlossenen Vergleichs
[S 56 AL 4106/01]) ihren Ablehnungsbescheid vom 18.3.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2003 nur noch
darauf gestützt habe, dass er, der Kläger, nicht bedürftig sei, ist schon die mögliche Entscheidungserheblichkeit des (angeblichen)
Verfahrensmangels nicht schlüssig dargetan. Denn dies setzt die Darlegung voraus, dass und warum die Entscheidung des LSG
ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem (angeblichen) Mangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3
RdNr 4 mwN). Letzteres lässt sich den bruchstückhaften Verweisen auf das LSG-Urteil und den Ausführungen, das LSG habe "Zweifel"
an seiner Verfügbarkeit geäußert und angenommen, es habe an einer Antragstellung für die Vorfristverlängerung gefehlt, nicht
entnehmen.
Der Kläger hat auch nicht schlüssig dargetan, dass ein verfahrensfehlerhaftes "Überraschungsurteil" vorliege. Eine Überraschungsentscheidung
ist dann anzunehmen, wenn das Urteil auf einen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt gestützt wird, mit dem ein sorgfältiger
Beteiligter nicht rechnen muss (vgl ua BSG, Beschluss vom 23.10.2003 - B 4 RA 37/02 B - BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 1 mwN und Beschluss vom 21.9.2006 - B 12 KR 24/06 B - mwN; BVerfGE 86, 133, 144 f; 108, 341, 345 f). Der Kläger hätte mithin darlegen müssen, dass die Entscheidung des LSG nicht vorhersehbar war.
Dafür reicht es nicht aus zu schildern, dass er, der Kläger, "erkennbar" davon ausgegangen sei, dass sein Leistungsanspruch
nur noch von der Frage der Bedürftigkeit abhängig gewesen sei und er in dieser Annahme auch durch den Prozessverlauf und die
Argumentation der Beklagten bestätigt worden sei. Denn er räumt selbst ein, dass bereits das SG die Klage mangels Bedürftigkeit abgewiesen hatte. Dann aber kann eine ebenfalls hierauf gestützte Berufungsentscheidung von
vornherein nicht unvorhersehbar gewesen sein.
d) Verfahrensfehlerhaftes Handeln des LSG iS einer Gehörsverletzung ist auch nicht dadurch dargetan, dass der Kläger behauptet
(unter II. 4.), das LSG habe seine Entscheidung "contra legem" und damit greifbar gesetzwidrig begründet. Damit macht er im
Kern - wie seine weiteren Ausführungen zeigen - nur die Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG geltend. Eine (angebliche)
inhaltliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils durch fehlerhafte Rechtsanwendung betrifft indes nicht das Verfahren (error
in procedendo) und ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 und Nr 67; stRspr).
Mit der weiteren Rüge (unter II. 5.), es liege eine "verfahrensfehlerhafte Würdigung des Prozessstoffs" vor, ist schon deshalb
kein Verfahrensfehler iS des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG "bezeichnet" (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG), weil ein solcher - wie oben unter b) bereits ausgeführt - nach der ausdrücklichen Regelung des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG auf eine Verletzung des §
128 Abs
1 Satz 1
SGG nicht gestützt werden kann.
Seine weiteren Ausführungen (unter II. 6.-14.), wonach die Ausführungen des LSG zu seinem Vermögensstand denkgesetzwidrig
und unschlüssig seien sowie sein Vorbringen verfahrensfehlerhaft nicht bzw fehlerhaft berücksichtigt worden sei, zeigen auch
keinen anderen Verfahrensmangel, insbesondere keine Gehörsverletzung, schlüssig auf. Insoweit sieht der Senat von einer Begründung
ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbs 2
SGG).
2. Der vom Kläger ferner (unter III.) geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz ist ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet.
Um eine Abweichung iS des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG in einer den Anforderungen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG genügenden Weise zu bezeichnen, hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen
tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und in einer Entscheidung des BSG oder des Gemeinsamen
Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts andererseits aufzuzeigen (BSG SozR 1500 § 160a
Nr 67). Dabei muss die Beschwerdebegründung deutlich machen, dass in der angefochtenen Entscheidung eine sie tragende Rechtsansicht
entwickelt worden ist und nicht etwa nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder ein Rechtsirrtum im Einzelfall
die Entscheidung bestimmen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26; SozR 4-1500 § 62 Nr 9 RdNr 6; stRspr). Schlüssig
darzulegen ist auch, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (vgl ua BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
Die Beschwerdebegründung arbeitet schon keinen fallübergreifenden, abstrakten Rechtssatz des LSG heraus, der im grundsätzlichen
Widerspruch zu den angeführten Entscheidungen des BSG vom 3.5.2005 (B 7a/7 AL 84/04 R - SozR 4-4220 § 1 Nr 4), vom 11.2.1976
(7 RAr 159/74 - BSGE 41, 187 = SozR 4100 § 137 Nr 1) und vom 27.5.2003 (B 7 AL 104/02 R - BSGE 91, 94 = SozR 4-4220 § 6 Nr 1) steht. Der Kläger bemängelt vielmehr allein, das LSG habe die "ratio decidendi" dieser Urteile seiner
Entscheidung nicht zugrunde gelegt; seine Ausführungen hielten rechtlicher Überprüfung nicht stand bzw das LSG weiche von
der bezeichneten Rechtsprechung des BSG ab. Damit bringt er allenfalls seine Auffassung zum Ausdruck, das LSG habe im Ergebnis
rechtsfehlerhaft entschieden. Über die Richtigkeit der Entscheidung in der Sache ist aber im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde
nicht zu befinden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 67; stRspr).
3. Die Verwerfung der somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbs 2
SGG iVm §
169 Satz 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.