Erstattung von Therapiekosten
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) pflichtversicherte Kläger begehrt die Erstattung von Kosten in Höhe von 25 623,26
Euro, die durch eine am 24. und 31.5.2012 durchgeführte ambulante transperineale 3D-Biopsie und Irreversible Electroporation
(IRE-Therapie) zur Behandlung eines diagnostizierten Prostatakarzinoms entstanden sind. Mit seinem Begehren ist er bei der
Beklagten und in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat ua ausgeführt, bei der IRE-Therapie nach vorangegangener
3D-Biopsie handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (§
135 SGB V), für die eine Kostenerstattung ausgeschlossen sei. Es fehle eine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA).
Der Kläger könne sein Leistungsbegehren auch nicht auf §
2 Abs
1a SGB V stützen, weil andere, anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethoden zur Verfügung gestanden
hätten und zur Wirksamkeit des IRE-Verfahrens keine wissenschaftlich geführten Studien existierten (Beschluss vom 4.7.2019).
Der Kläger hat Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde unter
Beiordnung des ihn vertretenden Prozessbevollmächtigten gestellt. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung
der Revision im LSG-Beschluss.
II
1. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen.
Gemäß §
73 Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 Abs
1 Satz 1
ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier
nicht der Fall (s unter 2.). Aus diesem Grund kommt eine Beiordnung von Rechtsanwalt C. nicht in Betracht (§
73 Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).
2. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG iVm §
169 Satz 3
SGG zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtmittels entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
a) Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren
und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und
über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG Beschluss vom 14.4.2010
- 1 BvR 2856/07 - juris) .
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger hat schon keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich
oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert. Das Vorbringen eines "Wertungswiderspruchs zwischen den Zielsetzungen §
13 Abs.
3 SGB V und §
135 Abs.
1 SGB V", der sich im vorliegenden Fall nicht auflösen lasse, offenbart die rechtspolitische Unzufriedenheit des Klägers mit dem
in §
135 SGB V statuierten Erfordernis einer positiven Empfehlung durch den GBA. Eine konkrete Frage zu Auslegung und Anwendung dieser oder
einer anderen Norm lässt sich seinen Ausführungen aber nicht entnehmen.
Im Übrigen fehlte es an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt ein Anspruch
auf Erstattung von Kosten einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode nach §
13 Abs
3 SGB V trotz fehlender positiver Empfehlung im Falle eines Systemmangels zB in Form unsachgemäßer oder nicht zeitgerechter Behandlung
dieser Methode durch den GBA in Betracht (vgl etwa BSG Urteil vom 7.5.2013 - B 1 KR 44/12 R - BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29). Mit dieser Rechtsprechung setzt sich der Kläger nicht auseinander. Er verweist zwar (allein) auf das Urteil des Senats vom
4.4.2006 (B 1 KR 12/05 R) zu dieser Thematik, legt jedoch nicht dar, weshalb diese Rechtsprechung das Spannungsverhältnis zwischen der Erstattung von
Behandlungskosten und dem Erfordernis einer positiven GBA-Empfehlung in seiner Fallkonstellation nicht hinreichend löse.
b) Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet,
wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene
Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht
die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 18.1.2017 - B 12 KR 61/16 B - juris RdNr 9 mwN; so schon BVerfG Beschluss vom 8.9.1982 - 2 BvR 676/81 - juris). Dem genügt das Beschwerdevorbringen nicht.
Der Kläger führt aus, das LSG knüpfe die Beurteilung der Frage, ob eine Behandlungsmethode neu im Sinne des §
135 SGB V sei, maßgeblich daran, ob die Methode als abrechnungsfähige ärztliche Leistung bereits zum Zeitpunkt ihrer Durchführung im
Einheitlichen Bewertungsmaßstab enthalten gewesen sei. Das LSG zitiere hierfür eine Passage aus einer Entscheidung des BSG, die diesen zeitlichen Bezug gar nicht herstelle. Damit bezeichnet der Kläger allenfalls ein nicht präzises Zitat, nicht
jedoch stellt er einander widersprechende rechtliche Aussagen gegenüber. Dass das BSG einen anderen zeitlichen Bezug verlange, behauptet der Kläger nicht. Angesichts der ständigen Rechtsprechung des BSG mit genau dem vom LSG zugrunde gelegten zeitlichen Bezugspunkt (vgl nur BSG Urteil vom 7.5.2013 - B 1 KR 44/12 R - BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 15; BSG Urteil vom 17.2.2010 - B 1 KR 10/09 R - SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNR 21) erscheint eine Gegenüberstellung widersprechender rechtlicher Aussagen auch schwer denkbar.
c) Der Kläger bezeichnet auch keinen Verfahrensmangel den Anforderungen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG entsprechend. Er bringt vor, obwohl bereits 2015 umfangreiche Studien zur Wirksamkeit der von ihm in Anspruch genommenen
Untersuchungs- und Behandlungsmethode bestanden hätten, habe sich das LSG der Auffassung des SG, dass kein Fall des Systemversagens vorliege, lediglich angeschlossen, ohne eigene Feststellungen hierzu zu treffen. Hierdurch
zeigt der Kläger einen Verfahrensmangel nicht auf.
Eine Verletzung der sich aus §
128 Abs
1 Satz 2 iVm §
136 Abs
1 Nr
6 SGG ergebenden Pflicht zur Begründung der Entscheidung wird durch dieses Vorbringen schon deshalb nicht bezeichnet, weil nicht
das Fehlen jeglicher Begründung, sondern erforderlicher Feststellungen und einer eigenen Prüfung bemängelt wird. Der Senat
vermag der Beschwerdebegründung daher auch keine - wenn, dann nur sinngemäße - Rüge eines Verfahrensfehlers in Gestalt der
Verletzung des rechtlichen Gehörs (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG, Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 EMRK) zu entnehmen. Auch insoweit ist allein maßgeblich, dass das Gericht den Aspekt nicht übergangen hat. Die Gerichte sind nicht
verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (vgl dazu zB BSG Beschluss vom 18.1.2017 - B 12 KR 61/16 B - juris RdNr 12 mwN; vgl auch schon BVerfG Beschluss vom 19.7.1967 - 2 BvR 639/66 - BVerfGE 22, 267, 274 ).
Auf eine Verletzung des §
103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) kann ein Verfahrensmangel nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag
bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Das Übergehen eines Beweisantrags ist aber nur dann ein Verfahrensfehler, wenn das LSG vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen
wurde, dass der Beteiligte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts noch nicht als erfüllt ansieht. Insoweit ist darzulegen,
dass ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag, mit dem sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema angegeben und aufgezeigt.
Der Kläger hat nicht behauptet, einen Beweisantrag zum Vorliegen der Voraussetzungen für einen Systemmangel gestellt zu haben.
Er hat nicht einmal dargelegt, dass sich dem LSG Feststellungen zum Vorliegen eines Systemmangels hätten aufdrängen müssen.
Angesichts der ständigen Rechtsprechung des BSG, dass für die Beurteilung eines Kostenerstattungsanspruchs allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Durchführung der Behandlung
abzustellen ist (vgl BSG Beschluss vom 8.2.2000 - B 1 KR 18/99 B - SozR 3-2500 § 135 Nr 12; BSG Urteil vom 8.3.1995 - 1 RK 8/94 - SozR 3-2500 § 31 Nr 3) genügt der in der Beschwerdebegründung vorgebrachte Hinweis, dass sich seit 2012 die Studienlage verändert habe, nicht.
d) Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG.