Leistungen der Eingliederungshilfe für Erwerb und Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Im Streit sind Leistungen der Eingliederungshilfe für den Erwerb und die Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs. Der hierauf gerichtete
Antrag des Klägers blieb bei der Beklagten und den Vorinstanzen erfolglos (Bescheid vom 6.9.2017; Widerspruchsbescheid vom 1.12.2017; Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> Freiburg vom 13.11.2018;
Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Baden-Württemberg vom 16.1.2020). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dass für den geltend gemachten Anspruch das neue Eingliederungshilferecht maßgeblich
sei, das seit 1.1.2020 im Zweiten Teil des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung
- (
SGB IX) geregelt sei. Danach stehe dem Kläger die begehrte Leistung nicht zu, weil er nicht ständig auf ein Kraftfahrzeug angewiesen
sei. Es seien voraussichtlich wöchentlich nur zwei bis drei Fahrten im Stadtgebiet der Beklagten zu berücksichtigen. Einkaufsfahrten
seien unbeachtlich. Den danach bestehenden Bedarf könne der Kläger durch Nutzung von Behindertenfahrdiensten bzw Taxifahrten
decken. Dass zwischen Taxiunternehmen und der Beklagten keine Vereinbarung nach §
95 Satz 2
SGB IX bestehe, sei unerheblich.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Grundsätzlich
bedeutsam sei die Frage, ob ein ständiges Angewiesensein iS von §
114 Nr 1
SGB IX voraussetze, dass der Leistungsberechtigte das Kraftfahrzeug nahezu täglich benötige, oder ob es genüge, wenn er dauerhaft
auf ein Kraftfahrzeug angewiesen sei, um mobil zu bleiben, es aber nur mehrmals wöchentlich nutze. Daneben stelle sich die
Frage, ob Fahrten, die allein der Versorgung mit Verpflegung und der Erfüllung von Grundbedürfnissen dienten, keinen teilhabeberechtigenden
Bedarf begründeten und deshalb bei der Beurteilung des Angewiesenseins außer Betracht zu lassen seien. Ferner sei zu klären,
ob der Leistungsberechtigte auch dann gegen seine Wünsche auf eine kostengünstigere Leistung verwiesen werden könne, wenn
für diese keine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung nach dem Achten Kapitel des Zweiten Teils des
SGB IX abgeschlossen worden sei.
II
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§
160 Abs
2 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist.
Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht klärungsfähig, weil sie vorliegend im Revisionsverfahren nicht zur Entscheidung
anstünden. Die Fragen betreffen ausschließlich die ab 1.1.2020 geltende Eingliederungshilfe nach dem
SGB IX. Leistungen der Eingliederungshilfe nach neuem Recht sind aber - entgegen der Rechtsauffassung des LSG - nicht zulässiger
Streitgegenstand des Rechtsstreits, weil der angegriffene Verwaltungsakt keine Regelung über Leistungen nach dem
SGB IX enthält, sondern sein Regelungsgegenstand sich auf Eingliederungshilfe als Leistung der Sozialhilfe nach dem bis 31.12.2019
geltenden Recht beschränkt. Wie der Senat zwischenzeitlich in seiner Rechtsprechung geklärt hat (vgl Bundessozialgericht <BSG> vom 28.1.2021 - B 8 SO 9/19 R - RdNr 19, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), handelt es sich bei der antragsabhängigen Eingliederungshilfe nach neuem Recht nicht mehr um (jetzt im
SGB IX verortete) materielle Sozialhilfe im Sinne einer existenzsichernden Leistung, sondern wegen des "Herauslösens der Eingliederungshilfe
aus dem System der Sozialhilfe" (BT-Drucks 18/9522 S 282, 320) und der personenzentrierten Neuausrichtung (BT-Drucks 18/9522 S 199 f, 330 f) der "besonderen Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderung" um ein gänzlich neues Leistungserbringungsrecht
(BT-Drucks 18/9522 S 330 f). Trotz bestehender Parallelen zu dem bis 31.12.2019 geltenden Recht ist damit eine systematisch andere Leistung im Streit,
auch wenn der heutige Eingliederungshilfeträger nach Maßgabe des Landesrechts mit dem früheren Sozialhilfeträger identisch
sein mag. Dies bedeutet zugleich, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt für die Zeit ab 1.1.2020 keine Wirkung entfaltet und
im vorliegenden Rechtsstreit Leistungsansprüche für die Zeit ab dem 1.1.2020 nicht geklärt werden können.
Auch der Zulassungsgrund der Divergenz liegt nicht vor (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG). Der Zulassungsgrund der Divergenz, bei dem es sich um einen Unterfall grundsätzlicher Bedeutung handelt (BSG vom 27.1.1999 - B 4 RA 131/98 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 = juris RdNr 10), ist gegeben, wenn das angegriffene Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht
und auf dieser Abweichung beruht. Zwar weicht die Entscheidung des LSG auch wenn dies dem LSG noch nicht bekannt sein konnte
- von der zitierten Rechtsprechung des Senats ab. Die Entscheidung beruht allerdings nicht auf der Abweichung. Wäre das LSG
der Rechtsprechung des Senats gefolgt, hätte die Klage für den von der Abweichung betroffenen Zeitraum (ab 1.1.2020) ebenfalls
keinen Erfolg gehabt. Die Klage ist - wie ausgeführt - für diesen Zeitraum unzulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.