Höhe der Vergütung von Leistungen der Eingliederungshilfe in einer Werkstatt für behinderte Menschen
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Im Streit ist eine Entscheidung der Schiedsstelle über die Höhe der Vergütung von Leistungen der Eingliederungshilfe in einer
Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) wegen der Sach- und Personalkosten für die Arbeit des Werkstattrats und der Frauenbeauftragen in der Zeit vom 1.1.2018 bis
31.12.2018.
Die Klägerin ist Träger der "R", einer WfbM, die im Gebiet des beklagten Landes gelegen ist und Menschen mit psychischen und/oder
seelischen, ggf zudem körperlichen Behinderungen mit dem Ziel der Eingliederung in das Arbeitsleben betreut. Für die Zeit
ab 1.1.2018 forderte die Klägerin den Beklagten zu Neuverhandlungen wegen einer Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarung
auf und machte pauschal gestiegene Personal- und Sachaufwendung geltend sowie ua erstmals die Kosten für die Arbeit des Werkstattrats
und der Frauenbeauftragten. Nachdem eine Vereinbarung mit dem Beklagten nicht zustande gekommen war, rief die Klägerin am
28.12.2017 die Thüringer Schiedsstelle nach § 80 SGB XII an und machte ua Personalkosten (in Höhe von 0,72 Euro pro Belegungstag) und Sachkosten (in Höhe von 0,20 Euro pro Belegungstag)
für die Beiratsarbeit in der WfbM und Personalkosten (in Höhe von 0,54 Euro pro Belegungstag) und Sachkosten (in Höhe von
0,25 Euro pro Belegungstag) für die Arbeit der Frauenbeauftragten der WfbM geltend.
Den zuletzt genannten Antrag trennte die Schiedsstelle im Ergebnis einer mündlichen Verhandlung am 22.5.2018 von den übrigen
Anträgen betreffend die Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarung ab und vertagte die Angelegenheit insoweit. Nachdem
mehrfach Termine nicht zustande gekommen waren bzw die Schiedsstelle nicht beschlussfähig war, bestimmte der Vorsitzende der
Schiedsstelle einen Termin auf den 26.3.2019. Im Verlauf dieser Verhandlung lehnte die Klägerin den Vorsitzenden der Schiedsstelle
(wie bereits mehrfach zuvor) wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Die Verhandlung wurde ohne Entscheidung in der Sache
geschlossen. Wegen der Niederschrift über diese Verhandlung und insbesondere der fehlenden Protokollierung des Befangenheitsantrags
stellte die Klägerin einen Antrag auf Protokollberichtung und lehnte den Vorsitzenden der Schiedsstelle in mehreren Schreiben
erneut wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Vor Beginn der mündlichen Verhandlung am 30.7.2019 lehnte die Schiedsstelle nach
Beratung den Antrag auf Protokollberichtigung ab und wies die Anträge wegen Besorgnis der Befangenheit als offensichtlich
unbegründet zurück. Die Schiedsstelle setzte sodann für die Kosten der Arbeit des Werkstattrats und der Frauenbeauftragen
einen Zuschlag von 0,68 Euro pro Belegungstag fest und wies die weitergehenden Anträge zurück (Schiedsspruch vom 30.7.2019). Die hiergegen erhobene Klage hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Thüringer Landessozialgerichts <LSG> vom 24.6.2020).
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil und macht eine
grundsätzliche Bedeutung der Sache geltend.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung
(§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
- ggf sogar des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb eine Klärung
dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte
Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (Bundessozialgericht <BSG> vom 2.3.1976 - 12/11 BA 116/75 - SozR 1500 § 160 Nr 17 und BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7; BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 13; BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31; BSG vom 19.1.1981 - 7 BAr 69/80 - SozR 1500 § 160a Nr 39; BSG vom 9.10.1986 - 5b BJ 174/86 - SozR 1500 § 160a Nr 59 und BSG vom 22.7.1988 - 7 BAr 104/87 - SozR 1500 § 160a Nr 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer eine konkrete Frage formulieren, deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit
und (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (Breitenwirkung)
darlegen (vgl nur BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Zwar formuliert die Klägerin die Rechtsfrage, ob die Nichtprotokollierung und die im weiteren Verfahren nicht erfolgte Bescheidung
eines gegen den Vorsitzenden einer Schiedsstelle gerichteten Befangenheitsantrags zur formellen Rechtswidrigkeit eines danach
erfolgten Spruchs der Schiedsstelle führt. Die Klägerin stellt die zur Entscheidung stehende (abstrakt klärungsbedürftige)
Rechtsfrage aber nicht ausreichend dar. Zunächst erwähnt sie lediglich, dass die Thüringer Verordnung über die Schiedsstelle
nach § 80 SGB XII (nicht revisible) Regelungen über die zu fertigende Niederschrift enthält. Es fehlt indes jede Darlegung, welche Grundsätze
das Landesrecht für die Erstellung der Niederschrift in Schiedsstellenverfahren aufstellt und welche der Entscheidung durch
das BSG zugängliche bundesrechtlichen Fragen sich daneben noch stellen sollten. Erst ausgehend von solchen Darlegungen könnte der
Senat aber entscheiden, ob - wie die Klägerin meint - die landesrechtlichen Vorschriften lückenhaft sind und (in Auslegung
von Bundesrecht) auf die Grundsätze des §
160 Abs
2 Zivilprozessordnung (
ZPO) zurückzugreifen wäre und - wie die Klägerin weiter meint - von der Schiedsstelle gegen diese Grundsätze verstoßen worden
ist. Auch mit der Rechtsprechung und Literatur zu §
160 Abs
2 ZPO, wonach neben den in §
160 Abs
1,
3 und
4 ZPO ausdrücklich benannten Vorgängen solche Vorgänge als wesentlich im Sinne von §
160 Abs
2 ZPO in ein Protokoll aufzunehmen sind, die für das Verfahren entscheidungserheblich sein können (vgl zu §
160 Abs
2 ZPO allgemein Bundesgerichtshof <BGH> vom 26.4.1989 - I ZR 220/87 - juris RdNr 13; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
122 RdNr 4e), setzt sich die Klägerin nicht auseinander. Damit wird auch nicht erkennbar, weshalb (die Überprüfbarkeit der Vorschriften
über die Niederschrift in einem Schiedsstellenverfahren anhand bundesrechtlicher Maßstäbe vorausgesetzt) eine Entscheidung
des Senats zur grundsätzlichen Maßstabbildung im Anwendungsbereich des §
160 Abs
2 ZPO erforderlich sein sollte. Weshalb es sich bei der von ihr gestellten Frage, ob die Protokollierung eines Ablehnungsgesuchs
zu den wesentlichen Vorgängen iS des §
160 Abs
2 ZPO gehört oder nicht, nicht lediglich um eine Frage des Einzelfalls handelt, legt die Klägerin nicht dar. Ebenso fehlen Darlegungen
dazu, weshalb die Frage, ob sich aus der unterbliebenen Protokollierung die Besorgnis der Befangenheit ergeben könnte, von
grundsätzlicher Bedeutung sein sollte. Mit den insoweit heranzuziehenden Maßstäben des § 17 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) (zur Geltung dieser Maßstäbe im Verwaltungsverfahren einer Schiedsstelle bereits BSG vom 7.10.2015 - B 8 SO 1/14 R - SozR 4-3500 § 77 Nr 2 RdNr 14) setzt sich die Klägerin nicht im Ansatz auseinander.
Schließlich fehlt es an der Darstellung der konkreten Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage im Einzelfall. Dazu hätte es insbesondere
einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Auffassung des LSG bedurft, das die Auffassung der Klägerin zwar teilt, wegen
der Protokollierung seien §§
159 ff
ZPO ergänzend heranzuziehen, nach dessen weiterer Begründung aber vorliegend allein entscheidend für die formelle Rechtmäßigkeit
des Schiedsspruchs sei, dass (nach Wiederholung des Gesuchs im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 26.3.2019) wegen
sämtlicher geltend gemachten Befangenheitsgründe eine Entscheidung von der Schiedsstelle herbeigeführt worden sei. Darlegungen,
weshalb diese Auffassung rechtlich fehlerhaft und die aufgezeigte Frage nach der Protokollierung des Gesuchs sich überhaupt
stellt und entscheidungserheblich sein sollte, fehlen aber gänzlich. Die Klägerin behauptet mit ihrer Fragestellung (indirekt)
nur, dass nicht über sämtliche Befangenheitsanträge eine Entscheidung herbeigeführt worden sei ("und die im weiteren Verfahren
nicht erfolgte Bescheidung eines gegen den Vorsitzenden einer Schiedsstelle […] gerichteten Befangenheitsantrags"), ohne darzulegen,
woraus das zu schließen ist.