Sozialversicherungspflicht eines Handelsvertreters; Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob der Beigeladene zu 1) auf Grund einer Tätigkeit für die Klägerin zwischen dem 1. November 2007
und dem 31. Oktober 2008 als abhängig Beschäftigter sozialversicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung war.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die in V.-S. eine Druckerei betreibt. Der Beigeladene zu 1) ist
von Beruf Druckermeister und stellte ursprünglich in einer eigenen Druckerei Druckerzeugnisse her. Die Klägerin und der Beigeladene
zu 1) schlossen am 1. November 2007 einen Vertrag, in dem die Klägerin als Gesellschaft und der Beigeladene zu 1) als Mitarbeiter
firmieren. Der Vertrag enthält u.a. folgende Regelungen:
Der Mitarbeiter übernimmt als Außendienstmitarbeiter die Vertretung der Gesellschaft im Vertragsgebiet. Die Gesellschaft ist
jedoch berechtigt, im Vertragsgebiet selbst tätig zu werden.
Bei der Ausübung der Tätigkeit hat der Mitarbeiter die Interessen der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes
wahrzunehmen. Er hat alles in seinen Kräften stehende zur Förderung des Absatzes im Vertragsgebiet zu tun.
Das Vertragsgebiet erstreckt sich auch das südliche Baden-Württemberg und die nördliche Schweiz.
Der Mitarbeiter betreut seinen bisherigen Kundenstamm sowie die Altkunden der Gesellschaft[;] außerdem ist es seine Aufgabe[,]
neue Kunden zu gewinnen.
Der Mitarbeiter ist berechtigt und verpflichtet[,] Geschäfte für die Gesellschaft zu vermitteln.
Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Firma hat der Mitarbeiter Weisungen der Gesellschaft zu befolgen.
Der Mitarbeiter wird der Gesellschaft alle erforderlichen Nachrichten geben und sie über alle wichtigen Vorgänge im Vertragsgebiet
unterrichten.
Der Mitarbeiter ist verpflichtet[,] die Kreditwürdigkeit seiner Altkunden und möglicher Neukunden im Rahmen seiner Möglichkeiten
zu prüfen. Zweifel an der Bonität eines Kunden sind der Gesellschaft unverzüglich mitzuteilen. Die von der Gesellschaft festgelegten
Preise sind für den Mitarbeiter verbindlich. Abweichende Vereinbarungen darf er nur nach Rücksprache mit der Gesellschaft
treffen.
Der Mitarbeiter verpflichtet sich[,] über alle ihm im Rahmen seiner Tätigkeit für die Firma zur Kenntnis gelangenden Betriebs-
und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren. Diese Geheimhaltungspflicht dauert auch nach Beendigung dieses Vertrages
fort.
Die Gesellschaft wird dem Mitarbeiter bei seiner Tätigkeit nach besten Kräften unterstützen. Sie stellt ihm die für seine
Tätigkeit erforderlichen Unterlagen unentgeltlich zur Verfügung. Diese Unterlagen bleiben Eigentum der Gesellschaft.
[...]
Der Mitarbeiter hat Anspruch auf Provision nur für die Geschäfte[,] die während des Vertragsverhältnisses in oben erwähnten
Gebiet abgeschlossen werden, wenn sie ausschließlich auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. Kein Provisionsanspruch besteht
für Geschäftsabschlüsse, die die Gesellschaft direkt mit Kunden abgeschlossen hat.
Der Anspruch auf Provision entfällt, wenn und soweit die Ausführung des Geschäfts unmöglich geworden ist, ohne dass die Gesellschaft
die Unmöglichkeit zu vertreten hat oder ihr die Ausführung nicht zuzumuten ist.
Für Geschäfte, die zum persönlichen Gebrauch oder Verbrauch des Mitarbeiters bestimmt sind, besteht keine Provisionspflicht.
Der Provisionsanspruch entsteht sobald und soweit der Kunde den vollen Kaufpreis bezahlt hat. Unabhängig von der Zahlung des
Kaufpreises hat der Mitarbeiter Anspruch auf einen Provisionsvorschuss[,] wenn die Gesellschaft das Geschäft ausgeführt hat.
Der Vorschuss beträgt 50% der vereinbarten Provision.
Die dem Mitarbeiter zustehende Provision beträgt 15% des Umsatzes bei seinen bisherigen Altkunden und 15% bei Neukunden, sowie
10% bei bestehenden Kunden der Gesellschaft, sofern es sich um einen Neuauftrag handelt und dieser auf die Arbeit des Mitarbeiters
zurückzuführen ist. Handelt es sich um einen Nachdruck eines Auftrages eines bestehenden Kunden der Gesellschaft und ist dieser
ebenfalls auf die Tätigkeit des Mitarbeiters zurückzuführen, so erhält dieser eine Provision von 7,5%.
Ein Zusatz zur Provisionsvereinbarung liegt diesem Vertrag als Zusatzvereinbarung im Anhang bei.
Die Gesellschaft hat die Provision, auf die der Mitarbeiter Anspruch hat, spätestens bis zum 15. eines jeden Kalendermonats
für den Vormonat abzurechnen und gleichzeitig Zahlung der Provision zu bewirken.
Der Mitarbeiter erhält ein monatliches Provisionsfixum von pauschal € 1.750,00, jeweils zahlbar zum Monatsende. Das Provisionsfixum
wird auf die verdiente Provision nicht angerechnet. Die Erstattung weiterer Aufwendungen muss vorher schriftlich vereinbart
werden.
Dieser Vertrag tritt mit Wirkung zum 1. November 2007 in Kraft. Er wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die ersten sechs
Monate des Vertragsverhältnisses gelten als Probezeit. Während dieser Zeit kann der Vertrag von beiden Seiten mit einer Frist
von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden.
Nach Ablauf der Probezeit kann jede Partei den Vertrag unter Wahrung der gesetzlichen Frist kündigen.
Der Vertrag ist jederzeit aus wichtigem Grund fristlos kündbar. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn der Mitarbeiter in grober
Weise, insbesondere vorsätzlich gegen Bestimmungen dieses Vertrages verstößt.
Die Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
Dieser Vertrag endet mit Ablauf des Quartals, in dem der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet. Eine Vertragsverlängerung
über diesen Zeitpunkt hinaus muss spätestens sechs Monate vor Vollendung des 65. Lebensjahres des Mitarbeiters schriftlich
vereinbart sein.
Nach Beendigung dieses Vertrages ist der Mitarbeiter nicht mehr berechtigt[,] Angebote, Kalkulationsunterlagen oder sonstige
Informationen der Gesellschaft zu nutzen oder durch Dritte nutzen zu lassen. Alle von der Gesellschaft erhaltenen Unterlagen
sind innerhalb einer Frist von einem Monat nach Vertragsende zurück zu geben, ohne dass Kopien oder Reproduktionen davon zurückbehalten
werden dürfen.
Alle Ansprüche der Gesellschaft auf Rückzahlung von Provisionen und Provisionsvorschüssen verjähren in zwölf Monaten nach
dem Zeitpunkt[,] in dem die Gesellschaft von den die Rückzahlung rechtfertigenden Umständen Kenntnis erlangt hat.
Vereinbarungen außerhalb dieses Vertrages wurden nicht getroffen. Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu
ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
Ebenfalls am 1. November 2007 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) eine Zusatzvereinbarung zum "Arbeitsvertrag",
in der die Staffelung der Provisionen geregelt wurde.
Der Beigeladene zu 1) wurde zwischen dem 1. November 2007 und dem 31. Oktober 2008 auf Grundlage dieser Vereinbarungen für
die Klägerin tätig. Die Klägerin zahlte dem Beigeladenen zu 1) eine monatliche Vergütung zwischen € 1.750,00 (in sieben Monaten)
sowie höchstens € 2.272,30 im September 2008. Die Beendigung der Zusammenarbeit erfolgte aufgrund einer Kündigung durch die
Klägerin.
Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg führte am 27. Januar 2009 eine Betriebsprüfung bei der Klägerin für die
Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2008 durch. Mit Bescheid vom 24. Februar 2009 setzte sie eine Nachforderung von
Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von € 277,32 fest. Hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin
enthält dieser Bescheid keine Feststellungen.
Der Beigeladene zu 1) beantragte am 15. Dezember 2010 bei der Beklagten die Feststellung, dass seine Tätigkeit vom 1. November
2007 bis zum 31. Oktober 2008 bei der Klägerin eine abhängige Beschäftigung gewesen sei. Er sei voll in den Betrieb der Klägerin
eingegliedert und ihr gegenüber weisungsgebunden gewesen. Verstöße gegen den "Arbeitsvertrag" hätten zu Sanktionen geführt.
Er sei als Außendienstmitarbeiter tätig gewesen. Seine Aufgabe sei es gewesen, Neukunden zu gewinnen. Er habe Listen bekommen,
die er habe abarbeiten müssen, oder er habe per Mail eine Aufforderung bekommen, gewisse Kunden zu besuchen. Anschließend
habe er Besuchsberichte vorlegen müssen. Hinsichtlich der zu leistenden Stunden habe er von der Klägerin keine direkten Vorgaben
erhalten. Er habe hauptsächlich im Raum Villingen-Schwenningen tätig sein müssen. Da auch Interesse an seinem Kundenbestand
bestanden habe, habe er auch versucht, im Raum Singen Kunden zu gewinnen. Ein- bis zweimal pro Woche habe er im Betrieb der
Klägerin vorsprechen müssen. An einer Weiterbildung habe er einmal teilgenommen. Arbeitsmittel seien ihm seitens der Klägerin
zur Verfügung gestellt worden. Preise habe er keine machen dürfen. Ihm sei untersagt worden, selbst zu kalkulieren.
Die Klägerin beantragte im Verwaltungsverfahren festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorgelegen hat. Im streitgegenständlichen
Zeitraum sei der Beigeladene zu 1) durchgehend hauptberuflich selbständig als Inhaber einer eigenen Druckerei in Singen mit
entsprechender Gewerbeanmeldung, eigenen Geschäftsräumen, einer Buchhandlung etc. gewesen. Er habe unter dem Namen seiner
eigenen Druckerei Druckerzeugnisse verkauft, wobei er diese zum Teil gegen Rechnung extern habe drucken lassen und dann -
mit Gewinn - weiterveräußert habe. Von Anfang an habe zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1) Einigkeit darüber bestanden,
dass die maßgebliche Tätigkeit nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, sondern in freier Mitarbeit erfolgen sollte.
Damit habe Rücksicht auf die eigene hauptberufliche selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Inhaber einer eigenen
Druckerei genommen werden sollen. Es seien auch keine Gehaltsabrechnungen oder ähnliches erfolgt. Der Beigeladene zu 1) habe
vielmehr regelmäßig Rechnungen mit ausgewiesener Mehrwertsteuer über sein Tätigwerden erstellt. Das "auf dem Papier" bestehende
Kontroll- und Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort, Art und Weise der Tätigkeit sei ihrerseits nie ausgeübt worden.
Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Die Betriebsprüfung durch die Deutsche
Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 27. Januar 2009 für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 sei zu
keinem anderen Ergebnis gekommen. Der Beigeladene zu 1) habe regelmäßig selbständig über die von ihm wahrgenommenen Termin
berichtet, in der Regel per E-Mail oder telefonisch. Er sei in seiner Zeiteinteilung völlig frei gewesen und habe auch keine
bestimmte Anwesenheitszeiten zu beachten gehabt. Eine Mindestarbeitszeit sei von ihm nicht eingefordert worden. Der Beigeladene
zu 1) sei im Wesentlichen in ihrem Einzugsgebiet tätig gewesen, also im Schwarzwald-Baar-Kreis, habe aber auch darüber hinaus
Kunden gewinnen können. Eine räumliche Einschränkung sei nicht erfolgt. Er sei nicht in ihre Betriebsabläufe eingegliedert
gewesen, sondern habe völlig unabhängig gehandelt. Besprechungen seien in der Regel telefonisch oder per E-Mail erfolgt. Der
Beigeladene zu 1) habe sämtliche Termine mit dem eigenen PKW wahrgenommen.
Mit Schreiben vom 18. April 2011 kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) an, einen Bescheid
über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen.
Die Klägerin trug daraufhin vor, dass zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1) Einigkeit bestanden habe, dass der Beigeladene
zu 1) für sie selbständig tätig sein sollte. Die Initiative zum Abschluss des Vertrages sei vom Beigeladenen zu 1) ausgegangen,
der angesichts wirtschaftlicher Schwierigkeiten der von ihm betriebenen Druckerei nach geschäftlichen Alternativen gesucht
habe. Sie habe kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründen wollen. Dies habe auch den Hintergrund gehabt, dass der
Beigeladenen zu 1) weiterhin als Inhaber seiner Druckerei am Markt tätig gewesen sei und dieses Unternehmen auch fortgeführt
habe und nach ihrem Kenntnisstand auch immer noch betreibe. Entgegen seiner Angaben habe er seine eigene Druckerei nicht aufgegeben.
Zwar sei richtig, dass der Beigeladene zu 1) seine Druckmaschinen bereits verkauft habe. Er habe jedoch nach wie vor Druckaufträge
seiner Kunden angenommen und andere Druckereien als Subunternehmer mit der Ausführung des Drucks beauftragt. Im Rahmen einer
zivilgerichtlichen Auseinandersetzung zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1) über von ihr geltend gemachte Forderungen habe
der Beigeladene zu 1) gedroht, ein Statusfeststellungsverfahren einleiten zu wollen, sollte sie sich nicht auf einen für ihn
günstigen Vergleich einlassen. Nachdem sie den Drohungen nicht nachgegeben habe und erfolgreich einen Titel gegen ihn erwirkt
habe sowie die Vollstreckung aus dem Titel angekündigt habe, habe der Beigeladene zu 1) einen Vergleich vorgeschlagen, bei
dem er angeboten habe, unter diesen Voraussetzungen den Statusfeststellungsantrag zurückzunehmen. Es dränge sich daher der
Verdacht auf, dass der Beigeladene zu 1) lediglich vor dem Hintergrund der juristischen Auseinandersetzung wegen ihrer berechtigten
Forderungen das Statusfeststellungsverfahren eingeleitet habe. Erst ausdrücklich auf Wunsch des Beigeladenen zu 1) sei ein
schriftlicher Vertrag über die Tätigkeit abgeschlossen worden. Es sei eine Formvertragsvorlage verwendet worden, ohne dabei
das Muster rechtlich auf Verwendung und Geeignetheit für den Vertrag näher rechtlich zu prüfen und anpassen zu lassen. In
dem abgeschlossenen Vertrag fänden sich deutliche Anhaltspunkte dafür, dass zwischen ihnen der Abschluss eines selbständigen
Dienstvertrages beabsichtigt gewesen sei. So sei bestimmt worden, dass der Beigeladene zu 1) bei der Ausübung seiner Tätigkeit
die Interessen der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes wahrzunehmen habe. Mit der Verwendung des Wortes
"Kaufmann" seien sie offensichtlich übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Beigeladene zu 1) als selbständiger Kaufmann
am Markt tätig sei und auftrete. Des Weiteren fehlten angesichts des Willens der Parteien, kein Arbeitsverhältnis zu begründen,
in dem Vertrag vertragstypische Elemente wie Klauseln zur Arbeitszeit, Arbeitsort, Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
etc. Das Verhältnis sei auch tatsächlich als selbständiges Dienstverhältnis gelebt worden. Der Beigeladene zu 1) sei keinem
Weisungsrecht unterlegen. Sie habe ihm lediglich mitgeteilt, welche Kunden aus ihrer Sicht besucht bzw. angesprochen werden
sollten. Bezüglich der Art, dem zeitlichen Umfang der Verrichtung seiner Tätigkeit, der Lage der Zeit seiner Tätigkeit sowie
den Arbeitsorten sei der Beigeladene zu 1) jederzeit frei gewesen. Lediglich da dieser mit ihrem Kundenumfeld nicht vertraut
gewesen sei, seien Anregungen bzw. Hilfestellungen dahingehend erfolgt, dass der Beigeladene zu 1) Kundenlisten zur Verfügung
gestellt bekommen und Hinweise erhalten habe, welche Kunden insbesondere angesprochen werden sollten. Konkrete Verpflichtungen,
Vorgaben und Weisungen seien damit jedoch nicht verbunden gewesen. Auch die Besuchsberichte habe der Beigeladene zu 1) selbständig
und weisungsfrei erstellt. Sanktionen gegenüber dem Beigeladenen zu 1) seien zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Auch seien keine
Vertragsverstöße beanstandet worden. Es habe zwischen ihnen auch Einvernehmen darüber bestanden, dass der Beigeladene zu 1)
nicht seine gesamte Arbeitskraft geschuldet habe. So sei er neben seiner Tätigkeit bei ihr bekanntermaßen weiterhin als Inhaber
seiner eigenen Druckerei mit vollem eigenem unternehmerischen Risiko am Markt tätig gewesen.
Mit Bescheid vom 11. Juli 2011 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) fest, dass dessen Tätigkeit
im Bereich der Kundengewinnung bei der Klägerin vom 1. November 2007 bis zum 31. Oktober 2008 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses
ausgeübt worden sei und Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und sowie nach dem Recht der
Arbeitsförderung ab dem 1. November 2007 bestanden habe. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis seien gewesen,
dass der Beigeladene zu 1) nur für die Klägerin habe tätig werden dürfen, dass die Klägerin ihm gegenüber weisungsberechtigt
gewesen sei, dass sie ihm Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt habe, dass er Besuchsberichte habe erstellen müssen und dass
eine monatliche, erfolgsunabhängige Pauschalvergütung gezahlt worden sei. Merkmal für eine selbständige Tätigkeit sei gewesen,
dass der Beigeladene zu 1) keinen Zeitvorgaben unterlegen sei. Bei der Gesamtwürdigung überwögen die Merkmale für ein abhängiges
Beschäftigungsverhältnis.
Hiergegen erhob die Klägerin am 12. August 2011 Widerspruch. Sie verwies auf ihr bisheriges Vorbringen und rügte, dass ihre
Ausführungen bei der Erstellung des Bescheides nicht berücksichtigt worden seien.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2011 zurück.
Bei der Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles sei der Umstand, dass der Beigeladene zu 1) für mehrere Auftraggeber
habe tätig sein können und nach den Angaben der Klägerin auch gewesen sei, für die Beurteilung dieses Vertragsverhältnisses
nicht maßgeblich. Aus der Tätigkeit für mehrere Vertragspartner könne nicht zwangsläufig auf das Nichtvorhandensein einer
abhängigen Beschäftigung geschlossen werden, da dieses auch bei abhängig Beschäftigten üblich sei. Hinsichtlich der Ausführung
der zur erbringenden Leistung sei der Beigeladene zu 1) Einschränkungen durch Vorgaben bezüglich Arbeitsort und Arbeitszeit
unterlegen. Er sei damit dem Weisungsrecht und Direktionsrecht der Klägerin unterlegen. Ein relevantes Unternehmerrisiko habe
der Beigeladene zu 1) nicht getragen. Er habe seine eigene Arbeitskraft nicht mit ungewissem Erfolg eingesetzt, da eine Vergütung
in Höhe von monatlich € 1.750,00 als Provisionsfixum erfolgt sei. Der Beigeladene zu 1) habe ausschließlich die eigene Arbeitskraft
eingesetzt und sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig gewesen. Er habe zwar frei entscheiden
können, ob er Aufträge annehme oder ablehne, bei Annahme sei jedoch eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers
erfolgt.
Hiergegen erhob die Klägerin am 16. Dezember 2011 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Sie wiederholte und vertiefte ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend führte sie aus, dass auch bei einer
Beschäftigung eines freien Handelsvertreters ein Fixum in Höhe von € 1.750,00 nicht unüblich sei. Allein auf Grund der Tatsache,
dass der Beigeladene zu 1) solch ein Provisionsfixum erfolgsunabhängig erzielt habe, könne daher nicht auf ein abhängiges
Beschäftigungsverhältnis geschlossen werden. Dass der Beigeladene zu 1) ausschließlich die eigene Arbeitskraft eingesetzt
und funktionsgerecht dienend in einer fremde Arbeitsorganisation tätig geworden sei, könne nicht zur Annahme einer abhängigen
Beschäftigung führen. Auch die Tätigkeit eines freien Handelsvertreters, der als Selbständiger anzusehen sei, sei durch den
Einsatz der eigenen Arbeitskraft gekennzeichnet. Zu keinem Zeitpunkt habe überdies eine Eingliederung in ihre Arbeitsorganisation
stattgefunden. Der Beigeladene zu 1) sei bei seiner Tätigkeit keinerlei Stundenvorgaben oder ähnlichen Vorgaben unterlegen.
Ihre Kundeninformation (dazu noch unten) habe gegenüber den Kunden nur den Eindruck vermitteln sollen, dass der Beigeladene
zu 1) Arbeitnehmer sei. Diese Präsentation nach Außen gegenüber ihren Kunden ändere jedoch nichts daran, dass dieser tatsächlich
als Selbständiger für sie tätig gewesen sei. Warum der Beigeladene zu 1) im vorliegenden Verfahren eine gänzlich andere Rechtsauffassung
bekunde als beim Abschluss und bei der Durchführung des Vertrages, könne sie nicht nachvollziehen. Vorgaben hinsichtlich Arbeitszeit
und Arbeitsort seien zu keinem Zeitpunkt gemacht worden. Der Beigeladene zu 1) sei lediglich gebeten worden, zu bestimmten
Zeitpunkten bestimmte Kunden zu besuchen. Sie habe ihm gegenüber, quasi als dessen Kunde, lediglich Wünsche geäußert. Der
Beigeladene zu 1) habe auch bei Kunden Aufträge akquiriert, ohne dass sie auch nur in irgendeiner Weise zu Kundenbesuchen
beigetragen habe. Die Berichtspflicht eines freien Handelsvertreters (§ 86 Abs. 2 Handelsgesetzbuch [HGB]) begründe nicht die Arbeitnehmereigenschaft.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies auf ihren Widerspruchsbescheid. Ergänzend führte sie aus, dass die Behauptung
der Klägerin, dass zwischen den Vertragsparteien Einigkeit bestanden habe, dass der Beigeladenen zu 1) für sie selbständig
tätig werden sollte, nicht nachvollziehbar sei. Der Beigeladene zu 1) trage selbst vor, dass er in den Betrieb der Klägerin
eingegliedert gewesen sei. Gegenstand der Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg sei nicht
das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) gewesen.
Der Beigeladene zu 1) trat der Klage entgegen und verwies darauf, von der Klägerin Vorgaben hinsichtlich der von ihm zu besuchenden
Firmen und der Abgabe von Besuchsberichten erhalten zu haben. Er legte u.a. eine Kundeninformation der Klägerin, in der er
als neuer "Mitarbeiter" ("Vertriebsleiter") vorgestellt wurde, sowie zahlreiche von ihm verfasste Berichte über Besuche bei
Firmen vor.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 6. Mai 2015 ab. Der Beigeladene zu 1) sei bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen. Für
die Annahme einer abhängigen Beschäftigung spreche die ausdrücklich formulierte Weisungsbefugnis der Klägerin in dem der Tätigkeit
zu Grunde liegenden Vertrag. Die (fragliche) Nichtnutzung des Weisungsrechts beseitige dies nicht. Der Beigeladene zu 1) sei
im Weiteren nicht frei in der Preisgestaltung gewesen, vielmehr seien für ihn die festgelegten Preise verbindlich gewesen.
Typisch für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sei weiterhin die Vereinbarung einer sechsmonatigen Probezeit und der
entsprechenden Kündigungsmöglichkeiten. Weiter sei zu berücksichtigten, dass ein festes und erfolgsunabhängiges Gehalt vereinbart
worden sei. Gegen eine selbständige Tätigkeit als Handelsvertreter spreche im Weiteren - wenn auch weniger zwingend -, dass
dem Beigeladenen zu 1) seitens der Klägerin kein Gebietsschutz zugestanden worden sei. Dem gegenüber spreche keine der vertraglichen
Abreden klar für eine selbständige Tätigkeit. Auch die tatsächlichen Umstände der Tätigkeit sprächen überwiegend für eine
abhängige Beschäftigung. Der Beigeladene zu 1) sei von der Klägerin nach außen als neuer Mitarbeiter in ihrer Kundeninformation
vorgestellt worden. Auch unter Berücksichtigung manch unscharfer Formulierung seitens juristischer Laien, welcher nicht gleiches
Gewicht beizumessen sei wie der Wortwahl juristischer Fachleute, habe die Klägerin eindeutig den Eindruck vermittelt, dass
der Beigeladene zu 1) ein Angestellter und kein Selbständiger sei. Auch habe die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) einen Telefonanschluss
zur Betreuung seiner alten Kunden zur Verfügung gestellt, was eine gewisse Eingliederung in den Betrieb bedeute. Inwieweit
der Beigeladene zu 1) tatsächlich Weisungen der Klägerin habe befolgen müssen, lassen sich nicht eindeutig klären. Die Besuchsberichte
an sich sprächen für eine enge Kontrolle seitens der Klägerin.
Gegen das ihr am 5. Juni 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. Juli 2015 Berufung eingelegt. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass die tatsächlichen Verhältnisse der Vertragsbeziehungen erwiesen hätten, dass vom Wortlaut
des Vertrages abgewichen und damit eine konkludente Änderungsvereinbarung getroffen worden sei. Die tatsächliche Ausgestaltung
des Vertragsverhältnisses ergebe bei zutreffender Bewertung, dass der Beigeladene zu 1) keine fremdbestimmte Dienstleistung
erbracht habe, weil er bei der Vermittlung von Druckaufträgen tatsächlich weder weisungsgebunden noch bei der tatsächlichen
Ausgestaltung seiner Arbeit insbesondere hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art seiner Arbeitsausführung ihrem Weisungsrecht
unterlegen sei. Er sei in keiner Weise in ihrer Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. Richtig sei zwar, dass er gegenüber
ihren Kunden als "Mitarbeiter ... im Team als Vertriebsleiter" dargestellt worden sei und auch eine Telefonnummer und einen
Telefonanschluss bei ihr gehabt habe. Der Beigeladene zu 1) habe jedoch diesen Telefonanschluss zu keiner Zeit selbst genutzt.
Er habe über kein eigenes Büro und auch keinen Arbeitsplatz bei ihr verfügt. Er sei nach eigener Zeiteinteilung und nach eigenen
Vorstellungen bei potentiellen Kunden tätig geworden und habe dort völlig weisungsfrei agiert. Zu keinem Zeitpunkt seien dem
Beigeladenen zu 1) Weisungen erteilt worden. Das SG habe auch die Pflicht des Beigeladenen zu 1), Besuchsberichte vorzulegen, unrichtig bewertet. Schon nach § 86 Abs. 2 HGB seien selbständige Handelsvertreter verpflichtet, dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, ihm namentlich
von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen. Unerheblich sei auch, dass
der Beigeladene zu 1) nicht frei in der Preisgestaltung gewesen sei. Dies sei bei selbständigen Handelsvertretern in aller
Regel üblich.
Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 6. Mai 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2011 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 17. November 2011 aufzuheben sowie festzustellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) zwischen
dem 1. November 2007 und dem 31. Oktober 2008 bei ihr nicht in einem abhängigen und versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis
erfolgt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf ihr bisheriges Vorbringen.
Der Beigeladene zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene zu 1) hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Beigeladenen zu 2) bis 4) haben keine Anträge gestellt und sich nicht geäußert.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen
Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die gemäß §
143 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte und gemäß §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der
Zulassung nach §
144 Abs.
1 Satz 1
SGG; denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.
2. Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 17. November 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Unrecht festgestellt,
dass die vom Beigeladenen zu 1) für die Klägerin zwischen dem 1. November 2007 und dem 31. Oktober 2008 ausgeübte Tätigkeit
in einem abhängigen und in allen Zweiten der Sozialversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis erfolgte.
a) Nach §
7a Abs.
1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach §
7a Abs.
1 Satz 3
SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger
hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet
aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§
7a Abs.
2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. §
7a Abs.
6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des
SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem
rückwirkend zum 1. Januar 1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. 2000 I, S.
2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit der Klärung der Statusfrage erreicht werden;
zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (Bundestags-Drucksache 14/1855, S. 6).
Die Beklagte war für die vom Beigeladenen zu 1) beantragte Feststellung zuständig, weil für die streitige Zeit vom 1. November
2007 bis zum 31. Oktober 2008 zum Zeitpunkt der Antragstellung am 15. Dezember 2010 kein Verfahren zur Feststellung einer
Beschäftigung eingeleitet war. Ein Statusfeststellungsantrag ist auch nach Beendigung des Auftragsverhältnisses zulässig (BSG, Urteil vom 4. Juni 2009 - B 12 KR 31/07 R - [...], Rn. 28 ff.); §
7a SGB IV enthält keine Antragsfrist. Die Durchführung einer Betriebsprüfung bei der Klägerin durch die Deutsche Rentenversicherung
Baden-Württemberg am 27. Januar 2009 für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2008 steht dem Statusfeststellungsverfahren
ebenfalls nicht entgegen, da im Rahmen der Betriebsprüfung keine Feststellungen bezüglich der Tätigkeit des Beigeladenen zu
1) getroffen worden sind (vgl. auch BSG, Urteil vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 1/04 R - [...], Rn. 44).
b) Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach §
5 Abs.
1 Nr.
1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V), in der Rentenversicherung nach §
1 Satz 1 Nr.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI), in der Arbeitslosenversicherung nach §
25 Abs.
1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) und in der Pflegeversicherung nach §
20 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation
des Weisungsgebers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in
einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich
bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.
Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit
und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale
überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - [...], Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. April 2013 - B 12 KR 19/11 R - [...], Rn. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 17/11 R - [...], Rn. 23 -; BSG, Urteil vom 31. März 2015 - B 12 KR 17/13 R - in [...], Rn. 15, BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 12 KR 9/14 R -, in [...] Rn. 19, jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen
abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer
des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - [...], Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - [...], Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - [...], Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 17/11 R - [...], Rn. 23 ff., BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 12 KR 9/14 R -, in [...] Rn.19, jeweils m.w.N.).
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich
relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige
Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen
tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich
aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch
zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung
auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung
rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition
nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung
auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 - 11 RAr 49/94 - [...], Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen
abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 - 12/3/12 RK 39/74 - [...], Rn. 16; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 - B 12 KR 5/97 R - [...], Rn. 16; BSG, Urteil vom 10. August 2000 - B 12 KR 21/98 R - [...], Rn. 17 - jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte
Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - [...], Rn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - [...], Rn. 16).
c) Im vorliegenden Fall streiten die Beteiligten über die Abgrenzung der Tätigkeit eines selbständigen Handelsvertreters von
der eines abhängig Beschäftigten. Die Klägerin macht insoweit geltend, dass der Beigeladene zu 1) die Tätigkeit eines selbständigen
Handelsvertreters nach §§ 84 ff. HGB ausgeübt habe und deshalb nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege. Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte
zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und
seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 Satz 2 HGB). Wer, ohne selbständig im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt
als Angestellter (§ 84 Abs. 2 HGB).
Das BSG hat die maßgeblichen Kriterien für die Abgrenzung zwischen beiden Tätigkeiten in einem Grundsatzurteil vom 29. Januar 1981
(12 RK 63/79 - [...], Rn. 18 ff.) dargelegt. Daran hält es in ständiger Rechtsprechung fest (vgl. etwa BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 - B 12 KR 28/03 R - [...], Rn. 24).
Dabei geht das BSG von der Rechtsgestaltung des selbständigen Handelsvertreters nach §§ 84 ff. HGB aus, der zwar bei der Gestaltung seiner Tätigkeit auch Weisungen des Unternehmers, für den er tätig ist, unterliegen kann,
dass er sich von dem abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen gemäß § 59 HGB aber dadurch abgrenzt, dass das Weisungsrecht des Unternehmers nicht so stark ausgestaltet sein darf, dass die dadurch bewirkten
Einschränkungen seiner unternehmerischen Freiheit diese in ihrem Kerngehalt beeinträchtigen (BSG, Urteil vom 29. Januar 1981 - 12 RK 63/79 - [...], Rn. 19 f. - auch zum Folgenden). Wenn der Beauftragte seine Tätigkeit und seine Arbeitszeit wie ein Angestellter
einrichten muss, kann er nicht mehr als selbständig und damit als Handelsvertreter angesehen werden. Während der Unternehmer
über die Arbeitskraft des abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen durch einseitig erteilte Weisungen grundsätzlich unbeschränkt
verfügen kann, fehlt eine derartige persönliche Abhängigkeit beim Handelsvertreter, der seinem Auftraggeber in einem Verhältnis
persönlicher Selbständigkeit und Gleichstellung gegenüber steht.
Die persönliche Selbständigkeit des Handelsvertreters, die eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmer nicht ausschließt,
kommt vor allem in den in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB genannten Merkmalen zum Ausdruck (BSG, Urteil vom 29. Januar 1981 - 12 RK 63/79 - [...], Rn. 21 - auch zum Folgenden). Daneben können noch weitere Umstände von Bedeutung sein, soweit sie als Indizien für
das Vorliegen der ausdrücklich im Gesetz genannten Merkmale der Selbständigkeit anzusehen sind oder sich schon aus der Unternehmereigenschaft
des Handelsvertreters ergeben; zu ihnen gehört insbesondere das eigene Unternehmerrisiko, das als Gegenstück der unternehmerischen
Betätigungsfreiheit im Unternehmerbegriff mit enthalten ist. Handelsvertreter ist danach, wer von einem Unternehmer ständig
mit der Vermittlung von Geschäften betraut ist, sofern er nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit persönlich selbständig ist,
insbesondere im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann und ein entsprechendes Unternehmerrisiko
trägt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist er angestellter Handlungsgehilfe.
Von den gleichen Grundsätzen geht das BSG auch im Recht der Sozialversicherung aus (BSG, Urteil vom 29. Januar 1981 - 12 RK 63/79 - [...], Rn. 22 - auch zum Folgenden). Es betont, dass die Begriffe der Selbständigkeit und der Abhängigkeit im Handelsrecht
zwar eine andere Funktion als im Sozialversicherungsrecht haben. So dienen sie im Handelsrecht dazu, bestimmte mit Vermittlungsdiensten
betraute Personen jeweils einem besonderen Normenbereich mit den entsprechenden privatrechtlichen Ansprüchen zuzuordnen, die
Handelsvertreter den §§ 84 ff. HGB, die Handlungsgehilfen den §§ 59 ff. HGB, wobei diese Zuordnung zugleich über den jeweiligen Rechtsweg entscheidet (Zivilgerichtsbarkeit für Ansprüche der Handelsvertreter,
Arbeitsgerichtsbarkeit für solche der Handlungsgehilfen). Im öffentlichen Recht der Sozialversicherung dienen die genannten
Begriffe demgegenüber der Abgrenzung von versicherungsfreien und versicherungspflichtigen Tätigkeiten und den damit verbundenen
Rechtsfolgen. Trotz dieser unterschiedlichen Funktionen versteht das BSG die genannten Begriffe im Handels- und im Sozialversicherungsrecht als weitgehend inhaltsgleich. So wird auch im Sozialversicherungsrecht
eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und
die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet, während ein abhängig Beschäftigter typischerweise
einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung umfasst. Auch die Rechtsprechung
zur Sozialversicherung bezieht dabei für die Unterscheidung zwischen selbständigen und abhängigen Dienstleistungen alle Umstände
des Falles ein, stellt also auf das "Gesamtbild" ab, berücksichtigt allerdings auf der anderen Seite auch den Zweck der Sozialversicherung,
den abhängig Beschäftigten wegen ihrer vom Gesetzgeber unterstellten sozialen Schutzbedürftigkeit ein besonderes Sicherungssystem
des öffentlichen Rechts zur Verfügung zu stellen (BSG, Urteil vom 29. Januar 1981 - 12 RK 63/79 - [...], Rn. 23).
Nach der Auffassung des BSG schließen der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, über
dessen Normen grundsätzlich nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden kann, es aus, dass über die rechtliche Einordnung
der Tätigkeit allein die von den Vertragsschließenden getroffenen Vereinbarungen entscheiden (BSG, Urteil vom 29. Januar 1981 - 12 RK 63/79 - [...], Rn. 24 - auch zum Folgenden). Allein der Wille der Vertragsschließenden, eine mit der Vermittlung von Geschäften
beauftragte Person den Normen des Handelsvertreterrechts zu unterstellen (etwa durch die Formulierung "Handelsvertreter gemäß
§ 84 Abs. 1 HGB") kann deshalb für die Frage ihrer Versicherungspflicht dann nicht maßgebend sein, wenn diese rechtliche Einordnung den sonstigen
Bestimmungen des Vertrages oder ihrer tatsächlichen Anwendung nicht entspricht. Dabei kommt es nicht nur auf die schriftlich
niedergelegten oder ausdrücklich getroffenen Vertragsbestimmungen an; zu berücksichtigen ist vielmehr auch das schlüssige
(konkludente) Verhalten der Vertragspartner. Der im Vertrag verlautbarte Wille der Vertragspartner, die beiderseitigen Beziehungen
in einem bestimmten Sinne zu regeln, insbesondere ein Dienstverhältnis den Normen eines bestimmten Vertragstyps zu unterstellen,
ist somit für die Beurteilung der Versicherungspflicht eines der Partner nur dann maßgebend, wenn die übrigen Bestimmungen
des Vertrags und seine tatsächliche Durchführung der gewählten Vertragsform entsprechen.
d) Nach diesen Maßstäben ist der Senat unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, die in die Abwägung einzustellen
sind, zu der Überzeugung gelangt, dass der Beigeladene zu 1) für die Klägerin nicht abhängig beschäftigt war. Insbesondere
war er nicht in wesentlichem Umfang weisungsgebunden und nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert.
aa) Zwar spricht für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) auf den ersten Blick, dass die Klägerin aufgrund
des zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrages ihm gegenüber weisungsberechtigt gewesen ist. Die entsprechende Klausel im Vertrag
("Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Firma hat der Mitarbeiter Weisungen der Gesellschaft zu befolgen.") ist indes zu unbestimmt,
um daraus eine umfassende Weisungsbefugnis insbesondere in zeitlicher und örtlicher Hinsicht abzuleiten. Vielmehr ist die
Regelung nur im Sinne eines fachlichen Weisungsrechtes zu verstehen. Nur so ist auch plausibel, dass ein darüber hinaus gehendes
Weisungsrecht nach dem Vortrag der Klägerin von ihr nie ausgeübt worden ist. Dem hat auch der Beigeladene zu 1) nicht substantiiert
widersprochen, so dass zur Überzeugung des Senats feststeht, dass ein Weisungsrecht in zeitlicher und örtlicher Hinsicht nicht
ausgeübt worden ist. Der Beigeladene zu 1) hat vielmehr im Verwaltungsverfahren eingeräumt, hinsichtlich der zu leistenden
Stunden keine direkten Vorgaben der Klägerin erhalten zu haben. Der Beigeladene zu 1) hat ansonsten lediglich behauptet, voll
in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und ihr gegenüber weisungsgebunden gewesen zu sein. Konkretisiert oder gar belegt
hat er diese Behauptung nicht. Dies gilt insbesondere für die Sanktionen, die ihm gegenüber wegen Vertragsverstößen verhängt
worden seien. In der mündlichen Verhandlung konnte er auf Nachfrage den Vortrag hinsichtlich der Sanktionen nicht konkretisieren,
sondern hat den diesbezüglichen vorgerichtlichen Vortrag fallengelassen. Ein lediglich fachliches Weisungsrecht steht, selbst
wenn es ausgeübt wird, der Tätigkeit als selbständigen Handelsvertreter nicht entgegen (Emde, in: Staub [Begr.], HGB, 5. Aufl. 2008, § 84 Rn. 33).
Gegen eine abhängige Beschäftigung spricht, dass der Beigeladenen zu 1) nicht in einem bestimmten zeitlichen Umfang zur Verrichtung
seiner Tätigkeit verpflichtet war. Zwar war er nach dem mit der Klägerin geschlossenen Vertrag berechtigt und verpflichtet,
"Geschäfte für die Gesellschaft zu vermitteln." Das zeitliche Ausmaß dieser Verpflichtung, also namentlich eine bestimmte
Wochen- oder Monatsstundenzahl, war indes nicht vereinbart. Auch der Beigeladene zu 1) hat im Verwaltungsverfahren eingeräumt,
hinsichtlich der zu leistenden Stunden von der Klägerin keine direkten Vorgaben erhalten zu haben. Vielmehr sollte es ersichtlich
der Eigeninitiative und der von der in Aussicht gestellten Provision angeleiteten Motivation des Beigeladenen zu 1) überlassen
bleiben, in welchem Umfang er für die Klägerin tätig wird. Dies spricht aber gerade für eine selbständige Tätigkeit.
Aufgrund des eigenen Vorbringens der Klägerin ist der Senat allerdings zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin verschiedentlich
gebeten hat, zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte Kunden zu besuchen. Hieraus lässt sich nicht entnehmen, die Klägerin habe
dem Beigeladenen zu 1) inhaltliche Weisungen erteilt. Die Klägerin gab dem Beigeladenen zu 1) insoweit nur Hinweise, wer möglicherweise
als Kunde für sie in Betracht kam. Dass die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) keine Vorgaben machte, welche Unternehmen er aufsuchen
sollte, zeigt sich darin, dass - nach dem vom Beigeladenen zu 1) zugestandenen (Schriftsatz vom 13. Dezember 2013, Bl. 196
SG-Akte) Vortrag der Klägerin - der Beigeladene zu 1) mehrere Aufträge vermittelte, ohne dass ihm die Klägerin die jeweiligen
Auftraggeber zuvor benannt hatte. Diese Aufträge stammten von früheren Kunden des Beigeladenen zu 1). Selbst wenn man darin
nicht bloß unverbindliche Wünsche, sondern Weisungen sehen würde, wäre dem Beigeladenen zu 1) gleichwohl ausreichende Zeithoheit
im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB verblieben (vgl. auch Landesarbeitsgericht [LAG] Köln, Urteil vom 20. April 2015 - 2 Sa 998/15 - [...], Rn. 47) und damit hinreichende Weisungsfreiheit, die gegen die Annahme abhängiger Beschäftigung streitet (Bundesarbeitsgericht
[BAG], Urteil vom 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - [...], Rn. 26). Auch die Beklagte ging in ihrem Bescheid vom 11. Juli 2011 noch davon aus, dass der Beigeladene zu 1) keinen
Zeitvorgaben unterlegen sei und dass dies für eine selbständige Tätigkeit spreche.
Auch eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in die Arbeitsorganisation der Klägerin erfolgte nicht. Insbesondere hatte
der Beigeladenen zu 1) keine Anwesenheitszeiten einzuhalten. Dies entspricht zwar der Natur der Tätigkeit als Handelsvertreter,
die im Außendienst zu verrichten ist, kann aber nicht gegen den selbständigen Charakter der Tätigkeit in Stellung gebracht
werden. Insofern ist eher die gesetzgeberische Wertung des § 84 Abs. 1 HGB, dass ein Handelsvertreter selbständig ist, von Bedeutung.
Eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) lässt sich entgegen der Auffassung des SG nicht daraus ableiten, dass die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) einen Telefonanschluss zur Betreuung seiner alten Kunden
zur Verfügung stellte. Die bloße Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems bzw. Netzes (Logistik) durch
einen "Systempartner" oder Diensteanbieter ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des
"Systemgebers" oder Netzbetreibers sprechender Umstände zwingt nicht (von vornherein) zu der Annahme, es liege eine arbeitnehmertypische
Eingliederung in eine von anderen vorgegebene betriebliche Ordnung vor, in der die "Systempartner" oder Diensteanbieter fremdbestimmte
Arbeit leisteten (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 17/11 R - [...], Rn. 29).
Entgegen der Auffassung der Beklagten im Ausgangsbescheid ist es kein Argument für eine abhängige Beschäftigung, dass der
Beigeladene zu 1) verpflichtet war, Besuchsberichte zu erstellen. Es entspricht bereits der gesetzlichen Verpflichtung eines
(selbständigen) Handelsvertreters aus § 86 Abs. 2 HGB, dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben (BAG, Urteil vom 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - [...], Rn. 30).
Dass der Beigeladene zu 1) bei der Preisgestaltung nicht frei war, sondern an die von der Klägerin vorgegebenen Preise bei
der Akquisition von Aufträgen gebunden war, streitet ebenfalls nicht gegen eine selbständige Tätigkeit. Denn die freie Preisgestaltung
ist keine Voraussetzung für eine Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter (Emde, in: Staub [Begr.], HGB, 5. Aufl. 2008, § 84 Rn. 33). Vielmehr ist das Recht zur eigenständigen Preisgestaltung eher untypisch für die Stellung als Handelsvertreter (Oberlandesgericht
[OLG] Köln, Beschluss vom 29. Januar 2010 - 19 U 134/09 - [...], Rn. 21).
Auch ist es für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) unergiebig, dass die Klägerin
diesen in ihrer Informationsschrift "Kundeninfo" von März 2008 als ihren "Mitarbeiter" und "Vertriebsleiter" vorgestellt hat.
Damit war ersichtlich keine rechtliche Bewertung verbunden, die im Übrigen auch nicht von Bedeutung wäre. Auch die Vorstellung
des Beigeladenen zu 1) beispielsweise als "selbständigem Handelsvertreter" in der Informationsschrift wäre für die rechtliche
Bewertung irrelevant gewesen. Der Begriff "Mitarbeiter" ist kein juristischer Begriff, insbesondere ist er nicht synonym zum
Begriff des "abhängig Beschäftigten"; daher ist die Vorstellung als "ihr Mitarbeiter" nicht nur aus Laiensicht auch gar nicht
unzutreffend: Aufgrund der vertraglichen Verbindung war der Beigeladene zu 1) tatsächlich für die Klägerin als Mitarbeiter
tätig.
Kein Argument für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist entgegen der Auffassung des SG, dass eine sechsmonatige Probezeit und entsprechende Kündigungsmöglichkeiten vereinbart worden sind. Derartige Vereinbarungen
sind zwar typisch für Arbeitsverträge, aber nicht hierauf beschränkt. Insbesondere sagen sie nichts über die nach §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV maßgeblichen Kriterien, nämlich die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation, aus.
Für eine selbständige Tätigkeit spricht indes wiederum nicht, dass keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter
Urlaub vereinbart wurden. Solche Vertragsgestaltungen sind konsequent, wenn beide Seiten eine selbständige freie Mitarbeit
wollen (zuletzt etwa Beschluss des Senats vom 20. August 2015 - L 4 R 861/13 - [...], Rn. 67 m.w.N. - auch zum Folgenden). Insofern gilt aber, dass dem keine entscheidende Bedeutung zukommen kann, wenn
die für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen Kriterien - Weisungsabhängigkeit und Eingliederung in den
Betrieb des Auftraggebers - bereits zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung führen. In einem solchen Fall werden vertragliche
Absprachen oder deren Unterlassen durch die gesetzlichen Vorschriften über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und über
Urlaubsansprüche verdrängt bzw. ersetzt.
bb) Vor diesem Hintergrund kommt der Frage, ob der Beigeladene zu 1) ein Unternehmerrisiko, das im Rahmen der Würdigung des
Gesamtbildes zu beachten ist (BSG, Beschluss vom 16. August 2010 - B 12 KR 100/09 B - [...], Rn. 10 m.w.N.; zuletzt etwa Beschluss des Senats vom 20. August 2015 - L 4 R 861/13 - [...], Rn. 65 m.w.N.), getragen hat, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko
eines Selbständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird,
der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R - [...] Rn. 29). Ein solches Unternehmerrisiko lag aber im Übrigen insoweit vor, als der Beigeladene zu 1) das Risiko einging,
Arbeitszeit zu investieren, ohne Aufträge für die Klägerin vermitteln zu können und daher keinen Provisionsanspruch generieren
zu können. Dieses Risiko wurde zwar dadurch relativiert, dass der Beigeladene zu 1) von der Klägerin ein Provisionsfixum in
Höhe von monatlich € 1.750,00 beanspruchen konnte und auch erhielt. Die Vereinbarung eines solchen Provisionsfixum ist aber
nicht unüblich (LSG Hessen, Beschluss vom 29. August 2014 - L 8 KR 376/12 - [...], Rn. 65) und steht der Annahme einer Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter nicht entgegen (vgl. etwa OLG Düsseldorf,
Urteil vom 31. März 2015 - I-16 U 70/14, 16 U 70/14 - [...], Rn. 74; OLG Hamburg, Urteil vom 17. März 2000 - 14 U 77/99 - [...], Rn. 27; LAG Köln, Urteil vom 20. April 2015 - 2 Sa 998/14 - [...], Rn. 47).
Der Annahme eines Unternehmerrisikos steht nicht entgegen, wenn der Handelsvertreter keine eigene Betriebsstätte hat und,
abgesehen vom eigenen Pkw, keine eigenen Betriebsmittel einsetzt (so aber LSG Hessen, Beschluss vom 29. August 2014 - L 8 KR 376/12 - [...], Rn. 65). Der Einsatz eigenen Kapitals bzw. eigener Betriebsmittel ist keine notwendige Voraussetzung für eine selbständige
Tätigkeit. Dies gilt schon deshalb, weil anderenfalls geistige oder andere betriebsmittelarme Tätigkeiten nie selbständig
ausgeübt werden könnten (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 R 3/12 R - [...], Rn. 25; Beschluss des Senats vom 14. Oktober 2015 - L 4 R 3874/14 - [...], Rn. 62; Beschluss des Senats vom 20. August 2015 - L 4 R 1001/15 - [...], Rn. 65 m.w.N.). Eine andere Ansicht ist zu sehr einer Sichtweise verhaftet, die lediglich gewerblichen Unternehmern
mit erheblichen Betriebsmittelbedarf die Möglichkeit selbständiger Tätigkeit zubilligt (Beschluss des Senats vom 14. Oktober
2015 - L 4 R 3874/14 - [...], Rn. 62). Dies wird weder der gesetzlichen Regelung des §
7 Abs.
1 SGB IV noch der Vielfalt des wirtschaftlichen Lebens gerecht (vgl. zur selbständigen Tätigkeit eines Piloten ohne eigenes Flugzeug
BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - [...], Rn. 16 ff.). Dass der Pkw auch privaten Zwecken des Beigeladenen zu 1) dienen mag, kann der Klägerin vor diesem
Hintergrund ebenfalls nicht entgegengehalten werden (vgl. Beschluss des Senats vom 14. Oktober 2015 - L 4 R 3874/14 - [...], Rn. 62). Umgekehrt ist es daher entgegen der Auffassung der Beklagten auch kein durchgreifendes Argument für eine
abhängige Beschäftigung, dass die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt habe, wobei die Beklagte
keinerlei Feststellungen getroffen hat, um welche Arbeitsmittel es sich gehandelt habe.
Ein Wettbewerbsverbot bestand für den Beigeladenen zu 1) nicht. Der zwischen ihm und der Klägerin geschlossene Vertrag enthält
ein solches Verbot nicht. Entsprechend ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte in ihrem Bescheid vom 11. Juli 2011
davon ausging, der Beigeladene zu 1) dürfe nur für die Klägerin tätig werden. Diese Behauptung hat sie im Widerspruchsbescheid
nicht aufrecht erhalten, sondern nun ausgeführt, es sei nicht maßgeblich, dass der Beigeladene zu 1) für mehrere Auftraggeber
tätig gewesen sei. Dies ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Zwar sind nebeneinander vorliegende verschiedene sozialversicherungsrechtlich
bedeutsame Sachverhalte grundsätzlich selbständig zu beurteilen (BSG, Urteil vom 4. November 2009 - B 12 R 7/08 R - [...], Rn. 19; Urteil des Senats vom 14. August 2015 - L 4 R 3603/13 - nicht veröffentlicht). Das bedeutet aber nicht, dass der Umstand, dass jemand auch für andere Auftraggeber tätig ist, nicht
als Indiz - für eine selbständige Tätigkeit - bei der Beurteilung der jeweiligen Tätigkeit gewertet werden kann. Entgegen
der Auffassung der Beklagten ist es im Übrigen keineswegs üblich, dass Arbeitnehmer mehrere Arbeitgeber haben. Vielmehr entspricht
es der Regel, dass Arbeitnehmer jeweils nur einen Arbeitgeber haben. So gingen etwa im Jahr 2008 im Jahresschnitt lediglich
3,7 Prozent aller Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland einer zweiten Erwerbstätigkeit nach (Mikrozensus 2008,
zitiert nach Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 35/2009, S. 599).
e) Ob der Beigeladene zu 1) auch als Selbständiger (teilweise) versicherungspflichtig war, namentlich ob er nach §
2 Satz 1 Nr. 9
SGB VI versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung war, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.
Gegenstand der von der Klägerin erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage war allein der Bescheid der Beklagten
vom 11. Juli 2011, der - als feststellender Verwaltungsakt - die Feststellung des Bestehens von Sozialversicherungspflicht
wegen einer Beschäftigung nach §
7 Abs.
1 SGB IV enthielt. Auf die Kassation allein dieses Bescheides und infolgedessen die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht
(auch) nur wegen einer Beschäftigung sind die Klage und die Berufung gerichtet (vgl. BSG, Beschluss vom 4. September 2013 - B 12 KR 87/14 B - [...], Rn. 7). Die Feststellung des Bestehens einer Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbständigen nach
§
2 Satz 1 Nr. 9
SGB VI, die zusätzlich zur Annahme von Selbständigkeit die Prüfung der (weiteren) Voraussetzungen des §
2 Satz 1 Nr.
9 SGB VI (und ggf. des §
5 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 SGB VI) in einem weiteren - hier (noch) nicht durchgeführten - Verwaltungsverfahren erforderlich macht, war deshalb vom Streitgegenstand
des gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst (vgl. BSG, Beschluss vom 4. September 2013 - B 12 KR 87/14 B - [...], Rn. 7; Sächsisches LSG, Urteil vom 8. Oktober 2014 - L 1 KR 85/11 - [...], Rn. 45).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
1, §
162 Abs.
3 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Beigeladenen zu 2) bis 4) haben keine Anträge gestellt, so dass insofern eine Kostentragungspflicht der Beklagten nicht
billig wäre. Der Beigeladene zu 1) hat zwar einen Antrag (auf Berufungszurückweisung) gestellt, ist aber zusammen mit der
Beklagten unterlegen, so dass es auch insoweit nicht billig wäre, seine außergerichtlichen Kosten der Beklagten aufzuerlegen.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§
160 Abs.
2 SGG) nicht vorliegen.
5. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1 Halbsatz 1
SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 Gerichtskostengesetz. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Auffangstreitwert von € 5.000,00, da bislang lediglich über das Bestehen eines abhängigen
Beschäftigungsverhältnisses und die hieraus folgende Sozialversicherungspflicht entschieden wurde, aber noch keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge
festgesetzt wurden.