Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen von einem Unternehmen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung; fehlende
Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen CGZP
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen
einschließlich Umlagen nach dem bis 31. Dezember 2005 geltenden Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) und dem seit 1. Januar 2006 geltenden Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) sowie für das Insolvenzgeld (im Folgenden einheitlich Gesamtsozialversicherungsbeiträge) seitens der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin betreibt seit 2006 mit Erlaubnis nach §
1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (
AÜG) ein Unternehmen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung. Sie beschäftigt ca. 300 Leiharbeitnehmer. In den Arbeitsverträgen
wurde auf die vom Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) und der Tarifgemeinschaft Christlicher
Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) geschlossenen Tarifverträge verwiesen. Auf der Grundlage
der dort vereinbarten Vergütungen wurden Gesamtsozialversicherungsbeiträge abgeführt sowie Meldungen und Beitragsnachweise
abgegeben.
Am 27. September 2010 führte die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin eine stichprobenweise Betriebsprüfung für den Zeitraum
vom 23. Mai 2006 bis 31. Dezember 2009 durch und forderte mit Bescheid vom selben Tag Gesamtsozialversicherungsbeiträge in
Höhe von € 768,07 für die Jahre 2007 bis 2009 wegen der Privatnutzung eines Firmenfahrzeugs durch eine Arbeitnehmerin nach.
Die vom Arbeitgeber übernommenen Steueranteile seien als geldwerter Vorteil ebenfalls sozialversicherungspflichtig.
Mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 stellte das Bundesarbeitsgericht (<BAG> 1 ABR 19/10 in [...]) die Unwirksamkeit des Tarifvertrages zwischen der AMP und der CGZP fest. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2011 wies
die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hin, dass aufgrund der festgestellten Tarifunfähigkeit der CGZP die von ihr
geschlossenen Tarifverträge von Anfang an unwirksam gewesen seien, wobei guter Glaube an die Tariffähigkeit nach der Rechtsprechung
des BAG (Urteil vom 15. November 2006 - 10 AZR 665/05 - in [...]) nicht geschützt sei. Die aus der Unwirksamkeit des Tarifvertrages folgenden equal pay-Ansprüche der Arbeitnehmer
seien Grundlage für die Bemessung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Für am 14. Dezember 2010 unverjährte Beiträge gelte
eine Verjährungsfrist von 30 Jahren aus §
25 Abs.
1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV). Da die Antragstellerin für ihre Leiharbeitnehmer Tarifverträge der CGZP angewandt habe, sei diese verpflichtet, Gesamtsozialversicherungsbeiträge
nachzuzahlen, entsprechende Entgeltmeldungen abzugeben und korrigierte Lohnnachweise beim Träger der Unfallversicherung einzureichen.
Dies gelte für Beschäftigungszeiten seit Dezember 2005 und alle seit Januar 2006 fällig gewordenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge.
Gemäß §
12 Abs.
1 AÜG gehöre zu den vom Arbeitgeber zu führenden Unterlagen der Überlassungsvertrag zwischen Verleiher und Entleiher, in dem der
Entleiher anzugeben habe, welche besonderen Merkmale die Tätigkeit habe, welche berufliche Qualifikation erforderlich sei
und welche wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelts für einen vergleichbaren Stammarbeitnehmer gälten.
Die Verpflichtung zur Angabe des Arbeitsentgelts eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers gelte zwar nicht, soweit ein wirksamer
Tarifvertrag das Arbeitsentgelt des Leiharbeitnehmers regele. Da gemäß dem Beschluss des BAG vom 14. Dezember 2010 der Tarifvertrag
von Anfang an unwirksam gewesen sei, lebe diese Verpflichtung jedoch wieder auf.
Die Antragsgegnerin führte vom 30. März 2012 bis 2. August 2012 eine Betriebsprüfung über den Zeitraum 23. Mai 2006 bis 2.
August 2012 bei der Antragstellerin durch. Diese ergab, dass nur Helfer beschäftigt waren, zu 70 % bei einem Entleiher, bei
dem der equal pay-Anspruch 11,53 % (Stundenlohn des Entleihers € 8,70, von der Antragstellerin gezahlt € 7,80) ausmachte,
bei den übrigen 16,96 %, woraus sich ein Durchschnitt von 13,79 % ergab. Dieser wurde um die unproduktiven Zeiten (29,15 %)
reduziert, woraus ein Prozentsatz von 9,77 % folgte und ein Gesamtbruttoarbeitsentgelt für die equal pay-Ansprüche von € 85.408,00
ergab. Die Antragsgegnerin löschte aus der CGZP-Datei die internen Mitarbeiter und Elektriker, Maler und Lackierer mit einem
gesetzlichen Mindestlohnanspruch, der auch gezahlt wurde. Ab Februar 2010 wurden die Mitarbeiter sukzessive auf einen anderen
Tarifvertrag umgestellt, ab Mai 2010 fiel kein Mitarbeiter mehr unter den Tarifvertrag der CGZP (Aktenvermerk der Antragsgegnerin
vom 2. August 2012).
Mit Bescheid vom 2. August 2012 forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin Gesamtsozialversicherungsbeiträge in
Höhe von € 36.159,09 nach. Nach dem im Beitragsrecht der Sozialversicherung geltenden Entstehungsprinzip sei Bemessungsgrundlage
für laufendes Entgelt das geschuldete Arbeitsentgelt, vorliegend der Arbeitsentgeltanspruch eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers
im Unternehmen des Entleihers, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer diesen geltend mache. Da im Zeitraum 1. Juni 2006 bis
31. Juni 2010 ca. 400 Beschäftigungsverhältnisse vorgelegen hätten, von denen eine große Anzahl nur bis zu drei Monaten gedauert
habe, seien die maßgeblichen Arbeitsentgelte für jeden Leiharbeitnehmer nach §
28f Abs.
2 Satz 3
SGB IV geschätzt worden, obwohl die Arbeitsentgelte bestimmten Beschäftigten hätten zugeordnet werden können. Wegen der großen Anzahl
der zu prüfenden Beschäftigungsverhältnisse, der zum Teil sehr kurzen Dauer der zu prüfenden Beschäftigungsverhältnisse, der
Anzahl der Entleiher und der Dauer der jeweiligen Überlassungszeiträume im Prüfzeitraum sei die personenbezogene Ermittlung
der geschuldeten Arbeitsentgelte - wenn überhaupt - nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich. Bei der Schätzung seien
keine Qualifikationsgruppen gebildet worden, weil fast alle Arbeitnehmer der Gruppe der Helfer zuzuordnen seien. Auf der Basis
der geleisteten Gesamtstunden aller Beschäftigten sei die Bruttolohnsumme ermittelt worden. Die Gruppenlohnsummen seien um
Lohnzahlungen, für Zeiten, in denen kein equal pay-Anspruch bestanden habe, bereinigt worden. Nach dem Zufallsprinzip sei
eine repräsentative Stichprobe unter Einbeziehung unterschiedlicher Entleiher (1 % bis 3 %, mindestens fünf Leiharbeitnehmer)
gebildet worden. Aus dieser sei ein Durchschnittswert gebildet worden. Hieraus ergebe sich für die Jahre 2006 bis 2010 ein
prozentualer Lohnabstand zu vergleichbaren Stammarbeitnehmern von 9,77 %. Dieser sei zur Ermittlung der Arbeitsentgeltdifferenz
auf alle verbliebenen Leiharbeitnehmer angewendet worden.
Die Antragstellerin erhob mit Schriftsatz vom 15. August 2012 Widerspruch, über den bislang noch nicht entschieden ist, und
beantragte mit Schriftsatz vom 16. August 2012 beim Sozialgericht Heilbronn (SG), die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Zur Begründung trug sie vor, der rechtskräftige, nicht aufgehobene
Betriebsprüfungsbescheid vom 27. September 2010 hindere für die Jahre 2006 bis 2009 die Neufestsetzung mit dem hier angegriffenen
Bescheid. Rückwirkenden Beitragsnachforderungen sei der Aspekt des Vertrauensschutzes entgegenzuhalten. Da dem BAG-Beschluss
vom 14. Dezember 2010 gesetzesgleiche Wirkung zukomme, sei eine Rückwirkung ausgeschlossen. Die Berechnung der Nachforderung
im Wege der Schätzung begegne erheblichen Bedenken, da sie in aller Regel nur dann gestattet sei, wenn Arbeitgeber ihrer personenbezogenen
Dokumentationspflicht nicht nachkämen. Sie habe aber keine Pflichtverletzung begangen. Vorsorglich werde die Einrede der Verjährung
erhoben. Die Ansicht der Antragsgegnerin, die Verjährungsfrist von 30 Jahren sei hier anwendbar, sei irrig, da nicht zumindest
bedingter Vorsatz vorgelegen habe.
Die Antragsgegnerin trat dem entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (vgl. Urteil vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 1/04 R - in [...]) seien Rentenversicherungsträger selbst in kleinen Betrieben nicht zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen
Verhältnisse aller Versicheren verpflichtet. Betriebsprüfungen dienten der Sicherung der Beitragsentrichtung, nicht der "Entlastung"
der Arbeitgeber. Der Bescheid vom 27. September 2010 enthalte weder im Tenor noch in den Gründen eine Regelung des Inhalts,
dass keine weiteren Forderungen geltend gemacht würden. Eine förmliche Aufhebung sei daher nicht erforderlich. Vertrauensschutz
greife nicht, weil das BAG die Tarifunfähigkeit lediglich deklaratorisch festgestellt habe und der gute Glaube an die Tariffähigkeit
sei nicht geschützt. Bei der Bewertung, ob das Vertrauen der CGZP-Tarifanwender schutzwürdig sei, sei zu berücksichtigen,
dass die Tariffähigkeit der CGZP seit langem umstritten gewesen sei. Angesichts der Vielzahl der anhängig gewesenen Verfahren
hätten sich Zweifel geradezu aufdrängen müssen. Die Arbeitsentgelte seien geschätzt worden, weil sie vorliegend die Höhe der
Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand habe ermitteln können, weil im Zeitraum 1. Dezember 2006
bis 31. Dezember 2010 ca. 400 Beschäftigungsverhältnisse bestanden hätten, die zu großer Zahl lediglich bis zu drei Monaten
gedauert hätten. Wegen der Schätzung stehe ihr kein Ermessen zu, die Höhe der Schätzung habe auf nachvollziehbaren und sachlichen
Erwägungen zu beruhen. Sämtliche Berechnungen seien mit dem Geschäftsführer der Antragstellerin besprochen und von diesem
gebilligt worden. Da ab Bekanntgabe des Beschlusses des BAG zumindest bedingter Vorsatz gegeben sei, gelte für zu diesem Zeitpunkt
unverjährte Beiträge die Verjährung von 30 Jahren gemäß §
25 Abs.
1 Satz 2
SGB IV.
Mit Beschluss vom 27. September 2012 ordnete das SG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 2. August 2012 an, soweit die Antragsgegnerin
Beiträge für den Zeitraum vom 23. Mai 2006 bis 31. Dezember 2009 nachfordert. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab. Es bestünden
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides, soweit weitere Beiträge für den Zeitraum 23. Mai 2006 bis 31.
Dezember 2009 nachgefordert würden, weil die Antragsgegnerin für diesen Zeitraum bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom
27. September 2010 entschieden habe. Um nach einer neuen Betriebsprüfung einen weiteren Bescheid erlassen zu können, müsse
die Antragsgegnerin den vorangegangen Bescheid zunächst gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufheben (Verweis u.a. auf Bayrisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 18. Januar 2011 - L 5 R 752/08 - in [...]). Dies sei nicht erfolgt. Der Hinweis auf die stichprobenweise Prüfung ändere daran nichts (vgl. Bayrisches LSG,
Beschluss vom 31. Juli 2012 - L 5 R 345/12 B ER -; in [...]). Einen Widerrufsvorbehalt enthalte der Bescheid vom 27. September 2010 nicht. Die Antragsgegnerin müsse
sich fragen lassen, weshalb dergleichen nicht aufgenommen worden sei, da sie Kenntnis von der Anwendung von Tarifverträgen
der CGZP bei der Antragstellerin und bereits seit langem erhebliche Bedenken gegen deren Wirksamkeit gehabt habe. Hinsichtlich
des Zeitraums 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2010 bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides
vom 2. August 2012, weder im Hinblick auf Vertrauensschutz noch die Berechnung durch Schätzung, die vom Geschäftsführer der
Antragstellerin gebilligt worden sei.
Gegen den ihr am 4. Oktober 2012 zugestellten Beschluss erhob die Antragsgegnerin am 19. Oktober 2012 Beschwerde. Zur Begründung
wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BSG - entgegen den zitierten Entscheidungen des 5. Senats des Bayerischen LSG - ein neuer Betriebsprüfungsbescheid nicht die
Aufhebung eines für denselben Prüfzeitraum ergangenen voraussetze.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. September 2012 aufzuheben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 2. August 2010 abzulehnen.
Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt und sich nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakte, die SG-Akte und den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Da allein die Antragsgegnerin Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 27. September 2012 eingelegt hat, hat der Senat im Beschwerdeverfahren nur darüber zu entscheiden, ob die aufschiebende
Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 2. August 2012 anzuordnen ist, soweit die Antragsgegnerin
in diesem Bescheid Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 23. Mai 2006 bis 31. Dezember 2009 nachfordert. Im Übrigen
(soweit die Antragsgegnerin in diesem Bescheid Gesamtsozialversicherungsbeiträge für das Jahr 2010 nachfordert), ist im Beschwerdeverfahren
nicht zu entscheiden.
Die gemäß §
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht nach §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung zulässig. Der Beschwerdewert überschreitet den in §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG genannten Betrag von € 750,00. Denn auf den im Beschwerdeverfahren noch streitigen Zeitraum entfallen entsprechend der Anlage
zum Bescheid vom 2. August 2012 € 34.880,06.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 2. August
2012 angeordnet, soweit die Antragsgegnerin in diesem Bescheid Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 23. Mai
2006 bis 31. Dezember 2009 nachfordert.
Der von der Antragstellerin erhobene Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. August 2012 hat nicht bereits
kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Nach Abs. 1 des mit Wirkung vom 2. Januar 2002 durch Art. 1 Nr. 35 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des
Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl. I, S. 2144) eingefügten §
86a SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG entfällt jedoch - wie vorliegend - die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten
sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten.
Zu den Entscheidungen, die unter §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG fallen, gehören auch Bescheide der Rentenversicherungsträger, die - wie hier - auf der Grundlage von § 28p Abs. 1
SGB IV nach einer Prüfung beim Arbeitgeber ergehen (z.B. Beschluss des Senats vom 10. Januar 2012 - L 4 R 945/11 ER-B -, nicht veröffentlicht).
Nach §
86b Abs.
1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache aber auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Wirkung der gerichtlich
angeordneten aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs tritt rückwirkend ab Erlass des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheides
ein und endet in den Fällen, in denen Klage erhoben wird, erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Hauptsacheentscheidung
(LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 11. Mai 2011 - L 11 R 1075/11und L 11 KR 1125/10ER-B -, veröffentlicht in [...]; vgl.
auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
SGG, 10. Auflage 2012, §
86b Rdnr 19).
Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage aufgrund von §
86b Abs.
1 Nr.
2 SGG anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des
Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Da der vorläufige
Rechtsschutz den Hauptsacherechtsschutz sichern soll, sind für diese Interessenabwägung die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache
eingelegten Rechtsbehelfs grundsätzlich ausschlaggebend. Wird der Hauptsacherechtsbehelf aller Voraussicht nach erfolgreich
sein, überwiegt regelmäßig das private Aufschubinteresse des Antragstellers, andernfalls kommt dem öffentlichen Vollziehungsinteresse
regelmäßig der Vorrang zu. Ist keiner dieser Fälle der erkennbaren Aussichtslosigkeit der Klage bzw. des Widerspruchs oder
der erkennbaren Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gegeben, so sind die beteiligten Interessen anhand sonstiger Umstände
im Einzelfall zu ermitteln und gegeneinander abzuwägen (z.B. Beschluss des Senats vom 10. Januar 2012 - L 4 R 945/11 ER-B -, nicht veröffentlicht). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen
Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem
Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch
im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der
Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer
einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Mai 2010
- L 11 R 1806/10 ER-B -, nicht veröffentlicht). Dabei sind stets die Maßstäbe des §
86a Abs.
3 Satz 2
SGG zu berücksichtigen. Demgemäß hat eine Aussetzung der Vollziehung zu erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch
überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Bei Beitragsstreitigkeiten liegen ernstliche Zweifel in Sinne des §
86a Abs.
3 Satz 2
SGG nur dann vor, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl. LSG Baden-Württemberg,
Beschluss vom 28. Juni 2010 - L 11 R 1903/10 ER-B -, nicht veröffentlicht). Andernfalls wäre in Beitragsangelegenheiten angesichts der vielfach in vorläufigen Rechtsschutzverfahren
noch ungeklärten Verhältnisse eine Vollziehung häufig nicht durchsetzbar, was die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger
beeinträchtigen könnte (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Juli 2004 - L 5 B 2/04 KR ER- m.w.N.; in [...]). Insoweit müssen erhebliche Gründe für ein Obsiegen in der Hauptsache sprechen, damit die in §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG vorgenommene gesetzliche Risikoverteilung geändert werden kann.
Solche erheblichen Gründe liegen hier nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand vor.
Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides ist § 28p Abs. 1
SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten
nach dem
SGB IV erfüllen und erlassen im Rahmen dessen Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in den einzelnen Sozialversicherungszweigen.
Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen
Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach §
253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V), §
174 Abs.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) sowie §
60 Abs.
1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28dbis 28n und 28r
SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §§
1 Abs.
1 Satz 2
SGB IV, §
348 Abs.
2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) auch für die Arbeitsförderung. Nach §
28e Abs.
1 Satz 1
SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung
nach §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V, in der Rentenversicherung nach §
1 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung nach §
25 SGB III sowie in der Pflegeversicherung nach §
20 Abs.
1 Satz 1 und Satz 2 Nr.
1 SGB XI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen
der Lohnfortzahlung werden durch Umlagen, die jeweils in einem Prozentsatz des Entgelts (Umlagesatz) festzusetzen sind, von
den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht (bis 31. Dezember 2005 § 14 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 LFZG, seit 1. Januar 2006 § 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AAG). Die Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes werden durch eine monatliche Umlage, die nach einem Prozentsatz des Arbeitsentgelts
(Umlagesatz) zu erheben ist, von den Arbeitgebern aufgebracht (§
358 Abs.
1 Satz 1, Abs.
2 Satz 1
SGB III). Als Arbeitsentgelt gelten gemäß §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht,
unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang
mit ihr erzielt werden. Um das Bestehen von Versicherungs- und Beitragspflicht sowie ggf. die Höhe der zu entrichtenden Beiträge
feststellen zu können, war es schon immer eine selbstverständliche Pflicht des Arbeitgebers, hierüber geeignete Aufzeichnungen
anzufertigen. Diese Pflicht ist seit 1989 ausdrücklich in § 28f Abs. 1 Satz 1
SGB V normiert (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, §
28f SGB IV, RdNr 3).
Seit 1. Januar 2003 haben Leiharbeitnehmer Anspruch auf Arbeitsentgelt in gleicher Höhe wie vergleichbare Stammarbeitnehmer
des Entleihers. Dies folgt aus §§
3 Abs.
1 Nr.
3, 9Nr.
2 AÜG. Abweichende Regelungen können nur in einem Tarifvertrag getroffen werden. Ist ein solcher Tarifvertrag jedoch unwirksam,
kann der Leiharbeitnehmer nach §
10 Abs.
4 AÜG vom Verleiher die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden
wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen. Die Voraussetzungen des §
10 Abs.
4 AÜG sind hier erfüllt. Mitglieder des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB) gründeten im Dezember 2002 die CGZP. Diese schloss
im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung zahlreiche Haus- und Flächentarifverträge ab, die eine Abweichung vom Grundsatz des
equal pay ermöglichten (Segebrecht in jurisPR-SozR 13/2011 Anm. 1). Diese Tarifverträge wandte die Antragstellerin für die
bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmer an. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10; in [...]) stellte das BAG jedoch fest, dass die CGZP nicht tariffähig ist. Dies gilt auch für den hier streitigen Zeitraum
(vgl. BAG, Beschlüsse vom 23. Mai 2012 - 1 AZB 58/11 und 1 AZB 67/11 -, beide in [...]) und hat zur Folge, dass die Antragstellerin den betroffenen Arbeitnehmern noch die Differenz des im (unwirksamen)
Tarifvertrag vereinbarten Entgelts und dem Entgelt, auf das ein vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers Anspruch hatte,
schuldet. Diese Entgeltansprüche wiederum begründen auch Beitragsansprüche der Antragsgegnerin. Denn die Beitragsansprüche
bemessen sich gemäß §
22 Abs.
1 Satz 1
SGB IV nach dem geschuldeten und nicht nach dem tatsächlich gezahlten Entgelt, da es sich um Ansprüche auf laufend gezahltes Entgelt
handelt (Segebrecht, a.a.O.). Deshalb ist unerheblich, ob die Leiharbeitnehmer diese Entgeltansprüche geltend machen oder
geltend machen können. Im Beitragsrecht des Sozialgesetzbuches gilt grundsätzlich das sogenannte Entstehungsprinzip und -
anders als im Steuerrecht - nicht das Zuflussprinzip (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 30 August 1994 - 12 RK 59/92 -; in [...]; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. August 2011 - L 11 R 6067/09 -; in [...]; Urteil des Senats vom 27. März 2009 - L 4 KR 1833/07 -; in [...]).
Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Antragsgegnerin vom 2. August 2012 bestehen, weil die Antragsgegnerin
die Höhe des Arbeitsentgelts geschätzt hat, ohne dass hierfür eine Rechtsgrundlage bestand. Nach §
28f Abs.
2 SGB IV kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung
von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen, wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht
nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt
werden können (Satz 1). Satz 1 gilt nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann,
dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann (Satz 2). Soweit
der prüfende Träger der Rentenversicherung die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand
ermitteln kann, hat er diese zu schätzen (Satz 3; sog. Beitragssummenbescheid). Voraussetzung für ein Vorgehen nach §
28f Abs.
2 SGB IV ist, dass der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder
Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden kann. Die Voraussetzung der Verletzung der Aufzeichnungspflicht
gilt nicht nur für den in Satz 1 der Vorschrift geregelten so genannten Lohnsummenbescheid, sondern ist auch Voraussetzung
für die Schätzungsbefugnis des Satzes 3 (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. August 2012 - L 6 R 223/12 B ER -; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20. April 2012 - L 5 KR 9/12 B ER - m.w.N.; beide veröffentlicht in [...]). Nach ihrem eigenen Vorbringen war der Antragsgegnerin die Feststellung des
beitragspflichtigen Arbeitsentgelts im vorliegenden Fall deshalb nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand möglich, weil
die Ermittlung des Equal-Pay- Arbeitsentgelts angesichts der Zahl der Beschäftigungsverhältnisse (ca. 400), die zu großer
Zahl weniger als drei Monate gedauert haben, unangemessen aufwändig erschien. Dies beruht aber nicht auf einer Verletzung
der Aufzeichnungspflicht durch die Antragstellerin.
Nach der gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des Sachverhalts lässt sich derzeit nicht feststellen, dass
die Antragstellerin ihre Aufzeichnungspflicht in einer solchen Weise verletzt hat, dass deshalb die Beitragshöhe nicht oder
nur mit unverhältnismäßig hohem Verwaltungsaufwand ermittelt werden kann und die Zuordnung der Beiträge zu bestimmten Beschäftigten
nicht möglich ist. Nach §
28f Abs.
1 Satz 1
SGB IV in der im Jahr 2009 geltenden Fassung hat der Arbeitgeber für jeden Beschäftigten Lohnunterlagen (seit 1. Januar 2012: Entgeltunterlagen)
zu führen und bis zum Ablauf des auf die letzte Prüfung nach § 28p
SGB IV folgenden Kalenderjahres aufzubewahren. Zu diesen Lohnunterlagen gehören auch die zwischen dem Verleiher und dem Entleiher
nach §
12 AÜG geschlossenen Verträge. In diesen Verträgen, die schriftlich abzuschließen sind, muss nach §
12 Abs.
1 Satz 3
AÜG u.a. angegeben werden, welche im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers wesentlichen
Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gelten. Die Einführung dieser Verpflichtung durch Art. 6 Nr. 7 Erstes
Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I, S. 4607) wurde damit begründet, dass der Verleiher mit Hilfe dieser Information seiner Verpflichtung zur Gleichbehandlung des Leiharbeitnehmers
in Bezug auf die wesentlichen Arbeitsbedingungen vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers nachkommen kann (BT-Drs. 15/25
S. 39).
Dieses Erfordernis gilt nach dem mit Art. 93 Nr. 2 Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember
2003 (BGBl. I, S. 2848) eingefügten Halbsatz 2 in §
12 Abs.
1 Satz 3
AÜG allerdings nicht, soweit die Voraussetzungen der in §
3 Abs.
1 Nr.
3 und §
9 Nr.
2 AÜG genannten Ausnahme vorliegen. Dadurch sollte klargestellt werden, dass der Auskunftsanspruch des Verleihers gegen den Entleiher
nur in dem Umfang besteht, wie dies für die Bestimmung der Arbeitsbedingungen des Leiharbeitnehmers im konkreten Einzelfall
erforderlich ist. Werden die Arbeitsbedingungen des Leiharbeitnehmers durch einen Tarifvertrag geregelt und ist der Verleiher
somit von der Gleichstellungsverpflichtung von §
3 Abs.
1 Nr.
3 und §
9 Nr.
2 AÜG entbunden, sind Auskünfte des Entleihers über die Arbeitsbedingungen vergleichbarer Stammarbeitnehmer in seinem Unternehmen
in der Regel entbehrlich (BT-Drs 15/1515 S. 132; vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. November 2012 - L 11 R 3954/12 ER-B -; in [...]).
Bis zum Beschluss des BAG vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10, a.a.O.) war die Antragstellerin deshalb nicht verpflichtet, in den Verträgen mit den Entleihern Angaben über das Arbeitsentgelt
für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers aufzunehmen, weil die Vertragsparteien angesichts der zwischen dem AMP
und der CGZP geschlossenen Tarifverträge davon ausgehen durften, dass dadurch die in §
3 Abs.
1 Nr.
3 AÜG und §
9 Nr.
2 AÜG genannten Ausnahmen vorliegen. Dem steht nicht entgegen, dass die Tarifunfähigkeit der CGZP und damit die Unwirksamkeit der
mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge rückwirkend anzunehmen ist. Daraus folgt zwar, dass objektiv eine Pflicht bestanden
hatte, in den Verträgen nach §
12 AÜG anzugeben, welche im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers wesentlichen Arbeitsbedingungen
einschließlich des Arbeitsentgelts gelten. Dennoch lag eine Pflichtverletzung der Antragstellerin nicht vor. Denn eine Pflichtverletzung
setzt die Kenntnis der Obliegenheit voraus. Fehlt den Vertragsparteien des Vertrages nach §
12 AÜG diese Kenntnis, geht die Obliegenheit ins Leere (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. November 2012 - L 11 R 3954/12 ER-B - unter Verweis auf Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 16. September 2009 - IV ZR 246/08 -; beide in [...]). Bis zum Beschluss des BAG vom 14. Dezember 2010 hatten die Vertragsparteien keine Kenntnis davon, dass
die in §
3 Abs.
1 Nr.
3 AÜG und §
9 Nr.
2 AÜG genannten Ausnahmen nicht vorliegen. Die Frage der Kenntnis von einer Obliegenheit - hier: Pflicht zur Aufnahme von Angaben
über das Arbeitsentgelt für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers in den Verträgen nach §
12 AÜG - ist zu trennen von der Frage, ob eine Verletzung der Pflicht Verschulden voraussetzt (vom BSG im Urteil vom 7. Februar 2002 - B 12 KR 12/01 R -, in [...], verneint). Geht eine Obliegenheit ins Leere, kann sie schon tatbestandlich nicht verletzt werden. Die Frage
des Verschuldens stellt sich in diesem Fall nicht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. November 2012 - L 11 R 3954/12 ER-B - in [...]).
Andere Gründe für die Berechtigung der Antragsgegnerin, die Höhe der Arbeitsentgelte zu schätzen, sind nicht ersichtlich.
Der Vortrag der Antragsgegnerin, der Geschäftsführer der Antragstellerin sei bei der Schlussbesprechung nach der Betriebsprüfung
mit dieser Vorgehensweise einverstanden gewesen, genügt hierfür nicht. Dahinstehen kann, ob eine vergleichsweise Regelung
auf der Grundlage einer Schätzung möglich und von der Antragstellerin nicht anfechtbar gewesen wäre. Jedenfalls wenn eine
Behörde mittels Verwaltungsaktes in die Rechte eines Betroffenen eingreift, gilt der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
und der Gesetzesvorbehalt. Die Behörde benötigt eine Ermächtigungsgrundlage, deren Grenzen sie zu beachten hat.
Da der Senat bereits aus den genannten Gründen ernste Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids der Antragsgegnerin vom
2. August 2012 hinsichtlich des im Beschwerdeverfahrens noch streitigen Zeitraums hat, kommt es auf die Frage nicht an, ob
die Beklagte den vorangegangenen Bescheid über eine Betriebsprüfung vom 27. September 2009 hätte aufheben müssen oder nicht.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird nach § 197 aSGG i.V.m. §§ 63 Abs. 1, 52Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) entsprechend der ständigen Praxis des Senats auf ein Viertel der Nachforderung aus dem Bescheid vom 2. August 2012, abzüglich
der auf den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2010 entfallenden Beitragsnachforderungen (nach der Anlage zu Bescheid
insgesamt € 1.279,03), die nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, weil das SG insoweit den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt hatte, festgesetzt. Dies sind € 34.880,06, ein Viertel
mithin € 8.720,01. Gleichzeitig wird die Streitwertfestsetzung erster Instanz (bisher: € 18.079,55) von Amts wegen auf € 9.039,77,
ein Viertel der Gesamtsumme der Beitragsforderung € 36.159,09, geändert (§ 63Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177SGG).