Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende, Berücksichtigung ererbten Barvermögens als Einkommen
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschrift des §
173 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin, der das Sozialgericht Freiburg (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174
SGG), ist begründet. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 aaO. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf
den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung
eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur
Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 aaO.). Der Antrag nach §
86b Abs.
2 SGG ist auch schon vor Klageerhebung zulässig (Abs. 3 aaO.).
Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten
in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats;
vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 (beide auch in juris; jeweils m.w.N.)). Die
Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung
(Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung (
ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes
verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Anordnungsvoraussetzungen sind mithin sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund, die jedoch, gemessen
an dem mit dem Antrag verfolgten Rechtsschutzziel (vgl. BVerfG NVwZ 2004, 95; NVwZ 2005, 927), in einer Wechselbeziehung zueinander stehen, sodass sich die Anforderungen je nach dem zu erwartendem Maß des Erfolgs in
der Hauptsache, der Dringlichkeit der erstrebten vorläufigen Regelung oder der Schwere des drohenden Nachteils vermindern
können (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 4. Januar 2007 - L 7 SO 6235/06 ER-B - und zuletzt vom
16. Februar 2007 - L 7 SO 117/07 ER-B -). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die
Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung
ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Antrags abgelaufene Zeiträume
erhoben werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. November 2006 - L 7 SO 5206/06 ER-B - und vom 28. Dezember 2006 - L 7 AS 6383/06 ER-B -).
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Dem Begehren des Antragstellers, der aufgrund
des (mit Widerspruch angefochtenen) Bescheids vom 15. Dezember 2007 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis 28. Februar 2007
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von monatlich 52,08
Euro und vom 1. bis 31. März 2007 von 44,08 Euro vorläufig bewilligt erhalten hat, fehlt es bei der hier gebotenen Prüfung
jedenfalls am Anordnungsgrund; deshalb kommt es nicht mehr darauf an, dass auch der Anordnungsanspruch zweifelhaft erscheint.
Eine einstweilige Anordnung ist hier zur Abwendung wesentlicher Nachteile nicht geboten. Die Eilbedürftigkeit des Begehrens,
d.h. eine existentielle, sofortiges Handeln erfordernde Notlage (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. April 2005 - L 7 SO 970/05 ER-B
- und 21. Juli 2006 - L 7 AS 2129/06 ER-B - (beide juris; jeweils m.w.N.)); ist im vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht ausreichend glaubhaft.
Denn der Antragsteller hat aus dem Nachlass seines am Januar 2006 verstorbenen Vaters - neben dem 1/8 Anteil an dem von seiner
Mutter bewohnten Hausgrundstück in M. - Barmittel in Höhe von 5.005,59 Euro geerbt, die ihm im Zuge der Erbauseinandersetzung
auf sein Girokonto bei der D. Bank Da. im August 2006 zur eigenen Verwendung überwiesen worden sind; diese Barmittel sind
- wie der Darstellung des Antragstellers in der am 18. Dezember 2006 beim SG eingegangenen Antragsschrift entnommen werden kann - bei ihm aktuell noch vorhanden und noch nicht - auch nicht zur Rückführung
des in Anspruch genommenen Dispositionskredits in Höhe von 1.302,12 Euro (vgl. dazu aber Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
Buchholz 436.0 § 76 BSHG Nr. 32; Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. November 2006 - L 1 B 40/05 AS (juris)) - verbraucht. Der Einsatz dieser Mittel ist dem Antragsteller derzeit auch zumutbar (vgl. schon Aussetzungsbeschluss
des Senatsvorsitzenden vom 15. Februar 2007 - L 7 AS 693/07 ER -), zumal einiges für die Auffassung der Antragsgegnerin spricht, dass - vorbehaltlich nachfolgender weiterer Aufklärung
des Sachverhalts - zumindest die von den Konten des Erblassers bei der Sparkasse O. und der Volksbank O. überwiesenen Beträge
von 4.342,60 Euro und 596,25 Euro als Einkommen (§ 11 Abs. 1 SGB II) vorliegend Berücksichtigung zu finden haben.
Dies abschließend zu klären, muss freilich dem Widerspruchsverfahren und einem sich möglicherweise anschließenden gerichtlichen
Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Hierzu deshalb nur Folgendes: Einkommen sind - in Abgrenzung zum Vermögen (vgl. hierzu
§ 12 SGB II) - alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die, wenn gegebenenfalls auch nur für den nachfolgenden Verbrauch,
den Vermögensstand dessen vermehren, der solche Einnahmen hat, Vermögen demgegenüber ein Bestand von Sachen und Rechten in
Geld oder Geldeswert (vgl. Bundessozialgericht (BSG) BSGE 46, 271, 322 f. = SozR 4100 § 138 Nr. 7; BSG SozR 4100 § 138 Nr. 25; ähnlich BVerwG Buchholz 436.0 § 76 BSHG Nrn. 29 und 30; ferner Brühl in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 11 Rdnr. 6; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 11 Rdnrn. 30
ff.). Vorliegend hat der Antragsteller - neben dem Anteil am Hausgrundstück - Barmittel in einer den (von ihm nicht angegriffenen)
monatlichen Gesamtbedarf von 591,44 Euro (vgl. die Berechnung im Bescheid vom 15. Dezember 2006) ganz erheblich übersteigenden
Höhe geerbt. Ererbte Barmittel sind jedoch nach Auffassung des Senats - im Gegensatz zu durch Erbschaft angefallenem Grundvermögen
(vgl. hierzu BSG SozR 4-4300 § 193 Nr. 4) - Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II (so schon BVerwG Buchholz 436.0 § 76 BSHG Nr. 30; ferner LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. März 2006 - L 20 B 72/06 AS - (juris); Bayer. LSG, Beschluss vom 11. September 2006 - L 7 B 468/06 AS PKH - (juris); Mecke in Eicher/Spellbrink, aaO., Rdnr. 26; a.A. Brühl in LPK-SGB II, aaO., Rdnr. 9; zur Schenkung außerdem
BSGE 41, 187 ff. = SozR 4100 § 137 Nr. 1). Entgegen der Ansicht des Antragstellers sind die ererbten Barmittel daher vorliegend nicht
zum Vermögen zu rechnen, welches - wegen des höheren Grundfreibetrags nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II - hier geschont wäre.
Zwar ist hinsichtlich des Einkommenseinsatzes grundsätzlich auf den Zahlungszeitraum abzustellen (vgl. hierzu zuletzt BSG,
Beschluss vom 23. November 2006 - B 11b AS 17/06 B - (zur Veröffentlichung bestimmt); Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 11 Rdnr. 20; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, aaO.,
Rdnrn. 31, 43; Hasske in Estelmann u.a., SGB II, § 11 Rdnr. 16); dies war hier der Monat August 2006, in welchem der Antragsteller
(vgl. Bescheid vom 13. April 2004: Bewilligungszeitraum vom 1. April bis 30. September 2006) bereits im Leistungsbezug stand.
Indessen kann abweichend vom tatsächlichen Zufluss ein anderer Zufluss als rechtlich maßgeblich bestimmt werden (vgl. hierzu
BVerwGE 108, 296 ff.; Buchholz 436.0 § 76 BSHG Nrn. 29, 30 und 36); dies ist in der von der Antragsgegnerin angesprochenen Bestimmung des § 2 Abs. 3 der Verordnung zur
Berechnung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II - Alg II-V - (ebenfalls in der Fassung der Verordnung vom 22.
August 2005 - BGBl. I S. 2499 -) geschehen. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Alg II-V sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen;
abweichend von Satz 1 ist eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der auf den Monat des Zuflusses folgt, zulässig,
wenn Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht worden sind (Satz 2 aaO.). Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V sind
einmalige Einnahmen, soweit nicht im Einzelfall etwas anderes angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und
monatlich mit einem entsprechenden Betrag anzusetzen (vgl. hierzu ausführlich LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.
November 2006 - L 8 AS 325/06 ER - (juris)); diese Regelung ist nach § 2b Alg II-V auf sonstiges Einkommen, d.h. nicht solches aus nichtselbständiger oder
selbständiger Arbeit im Sinne der §§ 2, 2a Alg II-V, entsprechend anzuwenden.
Der Senat erachtet die vom Antragsteller ererbten Barmittel jedenfalls in der von der Antragsgegnerin der Berechnung des Leistungsanspruchs
zugrunde gelegten Höhe von 4.938,85 Euro als einmalige Einnahmen in diesem Sinne, denn jener hat die Mittel wertmäßig dazuerhalten,
sie haben seinen Vermögensbestand vermehrt; die Bagatellgrenze des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V ist überschritten. Zwar sind
diese Barmittel nicht im Bewilligungszeitraum (1. Oktober 2006 bis 31. März 2007), sondern bereits im August 2006 zugeflossen.
Der Senat neigt jedoch der Auffassung zu, die Regelung des § 2b i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V - entsprechend dem normativ
damit verfolgten Zweck, der Nachrangigkeit der Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II im Fall anderweitiger Möglichkeiten
zur Bedarfsdeckung umfassend Rechnung zu tragen (vgl. zur Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II) als grundlegender
Voraussetzung der Leistungsberechtigung Senatsbeschluss vom 16. Februar 2007 aaO.; ferner BSG, Urteile vom 7. November 2006
- B 7b AS 10/06 R - und vom 23. November 2006 - B 11 AS 1/06 R - (beide zur Veröffentlichung bestimmt)) - zumindest auch auf die Fallgestaltungen anzuwenden, wo sich - wie hier - ein
Bewilligungszeitraum nahtlos an den anderen anschließt. Denn durch den Zufluss im August 2006 konnte der Antragsteller anteilig
auch seinen Lebensunterhalt in den folgenden Monaten (mit)bestreiten. Bestätigt sieht sich der Senat insoweit durch die Rechtsprechung
des BSG zur Berücksichtigung von außerhalb des Bewilligungsabschnitts gezahlten Erträgen aus Kapitalvermögen bei der Arbeitslosenhilfe
(vgl. BSGE 88, 258 ff. = SozR 3-4300 § 193 Nr. 3; vgl. auch § 2b i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 3 Alg II-V), denn auch dort stellte sich die Frage der
Nachrangigkeit der Leistung, der mit der geschehenen Einkommensanrechnung zu entsprechen war. Die Antragsgegnerin dürfte mithin
zu Recht für den vorliegenden Bewilligungszeitraum - für die Zeit davor ist eine kassatorische Entscheidung soweit ersichtlich
bislang nicht ergangen (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 23. November 2006 - B 11b AS 17/06 B -) - eine anteilige Einkommensanrechung vorgenommen haben, wobei die (fiktive) Aufteilung auf insgesamt acht Monate (August
2006 bis März 2007) beim gegenwärtigen Erkenntnisstand schon in Anbetracht dessen, dass nur auf diese Weise der Kranken- und
Pflegeversicherungsschutz des Antragstellers erhalten geblieben ist (vgl. hierzu Brühl in LPK-SGB II, aaO., Rdnr. 73; Hengelhaupt
in Hauck/Noftz, aaO., K § 13 Rdnr. 81k; ferner Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit zu § 11 (dort 11.62)), angemessen
erscheint. Den Absetzbetrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R - (zur Veröffentlichung bestimmt)) hat die Antragsgegnerin beachtet; sonstige abzugsfähige Positionen sind nicht ersichtlich
und vom Antragsteller derzeit auch nicht geltend gemacht.
Nach allem sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung hier nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 Abs.
1 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 §
193 Nr.
6).
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).