Heizkosten; Rechnung; Nachzahlung; Verwaltungsakt; Zahlung; Zusicherung; Regelung; Widerspruch
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Übernahme seiner vollständigen Heizkostenbedarfe seit dem Jahr 2011.
Der Kläger bezieht - mit Unterbrechungen - seit dem Jahr 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld
II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seit dem 01.10.2010 bewohnt er ein kleines Haus (Kaltmiete ohne Nebenkosten: 250,00 €), zu dessen Beheizung er die Brennstoffe
(Öl und Holz) selbst zu beschaffen habe. Zudem heize er bei Brennstoffknappheit mit Strom. Im Anschluss an eine Haftentlassung
bewilligte ihm der Beklagte zuletzt laufende Leistungen mit Bescheid vom 11.12.2015 für den Zeitraum vom 24.11.2015 bis 31.10.2016
(ab 01.01.2016 monatlich 663,29 € = Regelbedarf: 404,00 € + Mehrbedarf für Warmwasser: 9,29 € + Unterkunftsbedarf: 250,00
€). Aus Anlass des Weiterbewilligungsantrages zum 24.11.2015 sicherte ihm der Beklagte bereits mit Bescheid vom 10.12.2015
eine Beihilfe für die Beschaffung von 1.000 l Heizöl sowie einen Betrag von 500,00 € für die Beschaffung von Holz bzw. Briketts
zu. Die Rechnungen der Brennstofflieferanten seien direkt an den Beklagten zu übersenden, der diese begleichen werde.
Mit E-Mail vom 19.12.2015 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass Heizöl sowie Brennholz bei Lieferung zu bezahlen seien.
Durch den Betrug, der ihm vom Arbeitsamt wiederfahren sei, könne er die Kosten nicht vorstrecken. Er werde daher bis zum Eingang
auf seinem Konto mit Strom heizen. Die dadurch evtl. erhöhten Heizkosten werde er dem Beklagten in Rechnung stellen. Mit einer
weiteren E-Mail vom 19.12.2015 machte er geltend, er habe für den Winter 2014/2015 noch keine Heizkostenzahlung erhalten.
Die Rechnungen lägen dem Beklagten vor. Die Zahlung im Herbst 2014 in Höhe von 650,00 € sei lediglich eine Nachzahlung für
den Winter 2013/2014 gewesen. Um eine Klage zu vermeiden, seien die offenen Kosten umgehend zu begleichen.
Hierauf erwiderte der Beklagte mit Schreiben vom 22.12.2015, es gebe zahlreiche Lieferanten, die auf Grundlage einer Kostenübernahmeerklärung
durch den Beklagten eine Lieferung auf Rechnung anböten. Eine Vorauszahlung durch den Beklagten sei nicht möglich. Es obliege
dem Kläger, einen Lieferanten zu suchen, der die Lieferung auf Rechnung anbiete. Gegebenenfalls könne sich der Lieferant vorab
telefonisch mit dem Beklagten in Verbindung setzen. Die Übernahme von Aufwendungen zur Beheizung mit Strom komme nicht in
Betracht, nachdem unter dem 10.12.2015 eine Zusicherung erteilt worden sei, die Kosten für die Beschaffung von Heizmaterial
zu übernehmen. Hinsichtlich der Kostenübernahme für die Beschaffung von Heizmaterial im Winter 2014/15 werde auf die Bescheide
vom 10.12.2014 und 29.12.2014 verwiesen. Mit diesen Bescheiden hatte der Beklagte dem Kläger zunächst 340,86 € (Bescheid vom
10.12.2014) und weitergehend 386,36 € (Bescheid vom 29.12.2014) für die Beschaffung von Heizmaterial bewilligt, verbunden
mit dem Hinweis, dass damit die Heizmittelbevorratung im Anschluss an die Bewilligung vom 11.10.2013 für die Zeit bis September
2015 zu decken sei. Widerspruch gegen diese Bescheide legte der Kläger nicht ein, und auf einen Anruf des Klägers, er benötige
weitere Geldmittel zur Beschaffung von Heizmaterial, verwies ihn der Beklagte auf den Bescheid vom 29.12.2014 (Schreiben vom
03.02.2015).
Bezüglich des Schreibens vom 22.12.2015 legte der Kläger am 29.12.2015 per E-Mail Widerspruch ein. Bei den Zahlungen im Dezember
2014 handle es sich um Nachzahlungen für den "Winter 2014/15". Er fordere daher die sofortige Begleichung der Schulden. Durch
das Verschulden des Beklagten könne er seine Heizmaterialien nicht mehr über den bisherigen Lieferanten beziehen. Er werde
daher weiter mit Strom heizen, wofür der Beklagte die Kosten zu übernehmen habe.
Den Widerspruch vom 29.12.2015 verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.12.2015 als unzulässig. Zum einen handle
es sich bei dem Schreiben vom 22.12.2015 nicht um einen anfechtbaren Verwaltungsakt, sondern lediglich um ein Informationsschreiben
ohne Regelungscharakter. Zum andern sei der Widerspruch nur per EMail erhoben worden und damit nicht formgerecht, denn die
Identität des Widerspruchsführers sei mangels Schriftform nicht zweifelsfrei festzustellen.
Die dagegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) ohne konkrete Anträge erhobene Klage hat das SG - nach Anhörung der Beteiligten - mit Gerichtsbescheid vom 10.08.2016 unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides
vom 30.12.2015 (§
136 Abs.
3 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) abgewiesen.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger Berufung beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Von fünf Wintern seien
ihm nur für die Hälfte der Zeit Heizkosten erstattet worden. Er fordere daher die Außenstände zu begleichen, die sein Stromzähler
aufweise. Er habe jährliche Aufwendungen für Heizkosten iHv 1.500,00 € bis 1.800,00 €. Dies sei dem Beklagten bekannt, denn
alle Rechnungen seien dort vorgelegt worden. Lediglich für zwei Winter seien ihm jeweils 1.370,00 € erstattet worden. Zudem
habe er einmal eine Zahlung iHv 650,00 € erhalten. Dementsprechend seien Aufwendungen für zwei komplette Winter noch offen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.08.2016 sowie das Schreiben des Beklagten vom 22.12.2015 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, offene Heizkostenrechnungen in Höhe
von bis zu 3.600,00 € zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das SG habe zutreffend entschieden. Mit der Klageänderung bestehe kein Einverständnis.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die die form- und fristgerechte Berufung ist zulässig (§§
143,
144,
151 SGG), in der Sache aber unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 30.12.2015 ist rechtmäßig und verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten. Das Schreiben vom 22.12.2015 stellt keinen Verwaltungsakt iSd § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) dar, den der Kläger gemäß § 62 SGB X iVm §
78 SGG anfechten könnte. Die Entscheidung des Beklagten, den dagegen am 29.12.2015 eingelegten Widerspruch als unzulässig zurückzuweisen,
ist nicht zu beanstanden.
Streitgegenstand ist allein die Anfechtung des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2015, mit dem der Beklagte den Widerspruch
vom 29.12.2015 in Bezug auf das Schreiben vom 22.12.2015 als unzulässig zurückgewiesen hat. Darüber hinaus war mit der Erhebung
der Klage vor dem SG - entgegen dessen Darstellung im Tatbestand - kein weitergehender Antrag gestellt oder ein Leistungsbegehren formuliert worden.
Auch hat das SG mit der bloßen Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides nur über die Unzulässigkeit des Widerspruches vom 29.12.2015
entschieden.
Ausgehend hiervon ist Abweisung der Klage nicht zu beanstanden, denn das Schreiben vom 22.12.2015 stellt keinen anfechtbaren
Verwaltungsakt dar. Als Verwaltungsakt anzusehen ist eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine
Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf eine unmittelbare Rechtswirkung
nach außen gerichtet ist (§ 31 Abs. 1 SGB X). Regelnden Charakter idS hat eine Entscheidung nur dann, wenn durch sie unmittelbar aufgrund eines konkreten Sachverhalts
eine verbindliche Rechtsfolge gesetzt wird, die ohne weiteren Umsetzungsakt ein Recht begründet, ändert, aufhebt oder verbindlich
feststellt bzw. die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte ablehnt. Hieran fehlt es
dem Schreiben vom 22.12.2015, denn damit hat es der Beklagte nicht ausdrücklich abgelehnt, den Heizkostenbedarf in der vom
Kläger geforderten Form zu decken, sondern ihn zum einen auf die Obliegenheiten verwiesen, die der Kläger im Rahmen der Selbstbeschaffung
von Heizmaterial zu beachten habe. Zum anderen hat der Beklagte nochmals klargestellt, dass mit dem Bescheid vom 10.12.2015
eine Grundlage dafür geschaffen worden sei, die den Kläger in die Lage versetze, seinen Heizkostenbedarf in der dort genannten
Form zu decken. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Beklagte seinem Schreiben vom 22.12.2015 im Zeitpunkt der Erstellung
lediglich Informationscharakter beigemessen hat, weil auf die Forderung des Klägers, eine Vorauszahlung zu erbringen, nicht
abschließend eingegangen worden ist, mithin eine ablehnende Entscheidung - wohl auch aus Sicht des Klägers - nicht ergangen
ist. Soweit der Beklagte in seinem Schreiben weiter ausführt, eine Übernahme von erhöhten Aufwendungen wegen der Beheizung
mit Strom komme im Hinblick auf die Zusicherung nicht in Betracht, ist auch hierin keine verbindliche Regelung eines Sachverhaltes
zu erkennen. Für die Beurteilung als Verwaltungsakt kann dahinstehen, dass der Kläger dem Schreiben - aus seiner subjektiven
Sicht - eine ablehnende Entscheidung zumindest in Bezug auf die Übernahme der Stromkosten zum Zwecke der Beheizung entnommen
hat, denn maßgeblich ist der objektive Erklärungswert der Mitteilung, wie sie ein verständiger Betrachter erfassen würde.
Auf dieser Grundlage sieht der Senat keinen Anhaltspunkt dafür, dass es der Beklagte abgelehnt hat, die - aus seiner Sicht
- angemessenen Aufwendungen für die Beheizung mit Strom abzulehnen, denn er hat lediglich darauf verwiesen, dass nur die Kostenübernahme
für erhöhte, d.h. die Zusicherung vom 10.12.2015 übersteigende Aufwendungen nicht in Betracht kommen würde. Ob derartige Aufwendungen
überhaupt entstehen würden, war dem Beklagten jedoch in dem Zeitpunkt, in dem er das Schreiben vom 22.12.2015 verfasst hat,
weder bekannt, noch hatte der Kläger den Umfang seiner eventuell erhöhten Aufwendungen zu irgendeinem Zeitpunkt konkret dargelegt,
so dass es bereits an einem zu regelnden Sachverhalt fehlt, auf den sich eine Ablehnung im Schreiben vom 22.12.2015 hätte
beziehen können. Zuletzt ist auch dem Hinweis des Beklagten auf die Bescheide vom 10.12.2014 und 29.12.2014 kein Regelungscharakter
zu entnehmen, denn der Hinweis stellt keine ablehnende Entscheidung in Bezug auf die Heizkosten für den Winter 2014/15 dar,
sondern erläutert dem Kläger, dass - entgegen seiner Auffassung - bereits Bewilligungsbescheide für den genannten Zeitraum
erteilt worden seien.
Damit kann dahinstehen, ob die Begründung des Beklagten trägt, den Widerspruch auch aus formellen Gründen als unzulässig anzusehen,
weil der E-Mail vom 19.12.2015 keine hinreichende Anhaltspunkte dafür zu entnehmen gewesen seien, beim Widerspruchsführer
handle es sich um den Kläger. Im Ergebnis hatte der Beklagte auf den Widerspruch vom 29.12.2105 daher - mangels Vorliegen
eines Verwaltungsaktes - keine Entscheidung zum Widerspruch des Klägers in der Sache zu treffen. Die Zurückweisung als unzulässig
ist damit nicht zu beanstanden.
Soweit der Kläger mit der Berufung erstmals im gerichtlichen Verfahren ausdrücklich geltend macht, ihm seien vom Beklagten
die Aufwendungen für die bislang noch nicht erstatteten Heizkosten für zwei Winter (jeweils ca. 1.500,00 € bis 1.800,00 €)
nachzuzahlen, ist hierüber nicht in der Sache zu entscheiden, denn es handelt sich um eine unzulässige Klageänderung. Maßgeblich
für die Bewertung dieses Anliegens als Antrag auf Änderung der Klage i.S.d. §
99 SGG, die auch noch im Berufungsverfahren möglich ist (vgl. B.Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl., § 99 Rn. 12 mwN), ist der Umstand, dass der Kläger vor dem SG allein den Widerspruchsbescheid vom 30.12.2015 angefochten hat, ohne weitergehende Anträge formuliert zu haben. Damit stand
im erstinstanzlichen Verfahren allein die Zulässigkeit des Widerspruches vom 29.12.2015 im Streit, worüber das SG mit seiner Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides im Ergebnis auch nur entschieden hat. Das im Berufungsverfahren
erstmals formulierte Begehren erweist sich daher als Klageänderung, die jedoch nur zulässig ist, wenn die übrigen Beteiligten
einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält (§
99 Abs.
1 SGG). Beides ist vorliegend nicht der Fall. Dabei kann dahinstehen, ob das Begehren als allgemeine Leistungsklage (i.S.d. §
54 Abs.
5 SGG) - der Kläger nennt keinen Bewilligungsbescheid, den er anzufechten wünscht - oder als Untätigkeitsklage (i.S.d. §
88 SGG) mit der Behauptung anzusehen ist, der Beklagte habe über offene Anträge oder Widersprüche im Zusammenhang mit der Bewilligung
des Heizkostenbedarfes noch nicht entschieden. Der Beklagte hat sich vorliegend auf das Begehren des Klägers nicht in der
Sache eingelassen und der Klageänderung in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich widersprochen (§
99 Abs.
2 SGG). Darüber hinaus ist eine Sachdienlichkeit (i.S.d. §
99 Abs.
1 SGG) ebenfalls nicht anzunehmen, insbesondere weil die Sachentscheidungsvoraussetzungen für eine Leistungs- oder Untätigkeitsklage
nicht ersichtlich sind.
Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt aus dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG zulassen, bestehen nicht.