Tatbestand:
Die Klägerin begehrt in Fortsetzung einer für erledigt erklärten Leistungsklage die Feststellung, dass die durch die Beklagte
erklärte Aufrechnung eines gegen die Beigeladenen nach Durchschnittswertprüfung festgesetzten Verordnungsregresses mit klägerischen
Gesamtvergütungsforderungen rechtswidrig war.
Streitig war zunächst ein Zahlungsanspruch der KVB gegen die AOK Bayern in Höhe von 2.458,69 EUR nebst 5 % Prozesszinsen,
die diese ursprünglich im Wege der Leistungsklage verfolgte.
Gegen die beigeladenen Vertragsärzte zu 1. und zu 2. hatte der Beschwerdeausschuss Ärzte Bayern mit Bescheid vom 19. Mai 2003
einen Regress wegen Überschreitung des Arzneimitteldurchschnitts in Höhe von EUR 5.556,63 zugunsten mehrerer Krankenkassen(verbände)
festgesetzt. Ein Teilbetrag von 2.458,68 EUR entfiel dabei auf die beklagte AOK Bayern. Nachdem sich die Klägerin geweigert
hatte, diesen Betrag sofort an die Beklagte auszuzahlen, erklärte jene die Aufrechnung mit einer fälligen Gesamtvergütungsforderung
der Klägerin, die daraufhin Leistungsklage erhob. In Parallelstreitigkeiten wurden ebenso mit Gesamtvergütungsforderungen
der Klägerin in Höhe von zunächst 780.000,00 EUR aufgerechnet. Zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung gaben Kläger und Beklagte
den derzeit streitigen Betrag mit 422.000 EUR an.
Das Sozialgericht München hat dieser Leistungsklage mit Urteil vom 8. Mai 2007 in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte
verurteilt, an die Klägerin den geforderten Betrag nebst Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen sowie die Kosten
des Verfahrens zu tragen. Die Berufung wurde nicht ausdrücklich zugelassen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin
hat der Senat durch Beschluss vom 9. Januar 2008 die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Mai 2007
zugelassen.
Gegen das sozialgerichtliche Urteil hat die beklagte AOK Bayern Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt.
Die beklagte AOK meint, die Klägerin sei mit Bekanntgabe der Beschwerdeausschussentscheidung rechtlich verpflichtet gewesen,
den ihr zustehenden Teil der Schadensersatzfestsetzung nach Verrechnung mit dem Honorarkonto des geprüften Arztes an sie abzuführen,
weil Klagen von geprüften Ärzten gegen Verordnungsregresse nach Durchschnittswerten keine aufschiebende Wirkung hätten. Zwar
bestimme der mit dem 6.
SGG-Änderungsgesetz eingefügte §
106 Abs.5 Satz 7
SGB V, dass (nur) die Klage gegen eine vom Beschwerdeausschuss festgesetzte "Honorarkürzung" keine aufschiebende Wirkung habe.
Jedoch sei aus der Rechtsentwicklung zu schließen, dass der Begriff der "Honorarkürzung" in einem generellen Zusammenhang
als jede "das Honorar tangierende Prüfmaßnahme" zu verstehen sei. Durch das 6.
SGG-Änderungsgesetz sei die bisherige Rechtslage nicht dahingehend geändert worden, dass im Gegensatz zum bisherigen Zustand
nunmehr eine Klage gegen den Widerspruchsbescheid nach §
106 SGB V aufschiebende Wirkung zeitigen solle.
Die Einfügung des Satzes 7 sei deshalb erfolgt, weil mit dem 6.
SGG-Änderungsgesetz das Regel-/Ausnahmeverhältnis bzgl. des Eintritts aufschiebender Wirkung (bis dahin: grundsätzlich keine
aufschiebende Wirkung) gleichsam umgekehrt wurde. Nach den neuen §§ 86a, b
SGG entfalle heute die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs nur dann, wenn dies im Gesetz geregelt sei. Unter diesem Gesichtspunkt
habe der Gesetzgeber eine Ergänzung im Sinne eines Festhaltens am alten Zustand vorgenommen. Auch der 14. Ausschuss (BT-Drs.
1471/70 S.16) gehe in der Begründung seiner Beschlussempfehlung zum ABAG wie selbstverständlich davon aus, dass sich an der
bisherigen Rechtslage nichts geändert habe. Eine Änderung im Sinne der Einführung einer aufschiebenden Wirkung für Verordnungsregresse
sei mit der Einfügung des Satzes 7 nicht beabsichtigt worden. Auch sei auf die BT-Drs. 1463/35 S.33 zu verweisen.
Damit sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den Schadensersatzbetrag - nach Verrechnung auf dem Arztkonto - an die AOK auszukehren.
Da sie das nicht getan habe, sei eine Aufrechnungslage entstanden. Auch im öffentlichen Recht sei die Aufrechnung unter den
Voraussetzungen der Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit und Fälligkeit der beiderseitigen Ansprüche in entsprechender Anwendung
des §
387 BGB jedenfalls dann zulässig, wenn sich - wie hier - zwei öffentlich-rechtliche Körperschaften gleichgeordnet gegenüber stünden
und beide Forderungen dem öffentlichen Recht angehörten (BSG, Urteil vom 21. November 1986, 6 RKa 5/86). Man habe in Parallelfällen zuvor bereits mehrmals Leistungsklage gegen die KVB erhoben. Bevor jedoch darüber entschieden
worden sei, habe das Sozialgericht auf die Arztklage hin eine Entscheidung getroffen, so dass sich das Verfahren erledigt
habe. Man habe sich daher zur Aufrechnung entschlossen, um eine Klärung herbeizuführen.
Auch die Beigeladenen hatten die Entscheidung des Beschwerdeausschusses mit Klage zum Sozialgericht München angefochten. Nach
den Angaben der Beteiligten endete der Rechtsstreit im Juli 2008 dort durch Vergleich (Reduzierung des Regressbetrags). Während
die Beklagte nunmehr 2.458,68 EUR an die Klägerin leistete, schrieb die Klägerin der Beklagten den reduzierten Regressbetrag
im laufenden Kontokorrentverkehr gut.
Am 27.11.2008 erklärte die Klägerin im Hinblick auf die Zahlung die Leistungsklage als Feststellungsklage fortsetzen zu wollen
und stellte ihre Anträge entsprechend um.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 8. Mai 2007 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
die Berufung zurückzuweisen sowie festzustellen, dass die von der Beklagten vorgenommene streitgegenständliche Aufrechnung
rechtswidrig war.
Sie vertritt die Meinung, dass der Klage und der Berufung hier keine aufschiebende Wirkung zukomme. Letztendlich komme es
wegen § 52 BMV-Ä/RK und § 10 Abs. 2 Bayerischer Gesamtvertrag-Ärzte/Regionalkassen darauf nicht an. Man habe daher vor Ende
des Rechtsstreits vor dem Sozialgericht zu Recht keine Verrechung auf dem Arztkonto mit anschließender Abführung des Schadensersatzbetrages
an die AOK vorgenommen.
Das Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass die Beklagte an ihrer pflichtwidrigen Verhaltensweise nach wie vor festhalte.
Ohne den Feststellungsantrag könne man eine Klärung der Streitfrage nicht herbeiführen, weil sich die erhobenen Leistungsklagen
wegen der kürzeren Verfahrensdauer der Arztklagen, die in der Regel in nur eine Instanz abgeschlossen würden, erledigten.
In vielen Parallelverfahren bestünde eine identische Problematik.
In der Klageschrift war ausgeführt worden, dass gem. §
69 Abs.1 Satz 1
SGB V die Rechtsbeziehungen abschließend geregelt seien und eine Anwendung des §
387 BGB unstatthaft sei. Ungeachtet dessen habe die Klage des Vertragsarztes gegen den Verordnungsregress aufschiebende Wirkung.
Dies ergebe sich ab dem 2. Januar 2002 aus §
86 Abs.1 Satz 1
SGG. Die aufschiebende Wirkung entfalle nur in Ausnahmefällen, die durch das Gesetz ausdrücklich geregelt seien. Vom Gesetz vorgesehene
Ausnahmefälle seien stets eng auszulegen (vgl. §
86a Abs.2 Nr.4
SGG). In §
106 Abs.5 Satz 7
SGB V und §
106 Abs.5a Satz 6
SGB V seien solche Bestimmung getroffen worden. Die letztgenannte Norm betreffe nur das Prüfverfahren bei Richtgrößenprüfung. Die
erstgenannte Norm betreffe nur eine vom Beschwerdeausschuss festgesetzte Honorarkürzung. Auch Art.3 § 2 ABAG enthalte nichts
Abweichendes. Die von der Gegenseite zitierte Begründung im Ausschussbericht zu Art.3 § 2 ABAG beziehe sich nicht auf das
Verhältnis Verordnungsregress - Honorarregress, sondern auf die Prüfverfahren gemäß Übergangsregelung. Im Übrigen bestehe
nach § 52 BMV-Ä/RK und § 10 Abs. 2 GV-RK solange keine Forderung, wie eine sozialgerichtliche Entscheidung nicht vorliege.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte des Sozialgerichts München sowie der Verfahrensakte des Bayerischen
Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Der Übergang von der Leistungsklage zur Feststellungsklage stellt nach §
99 Abs.
3 Nr.
2 u. 3
SGG keine Klageänderung dar (Meyer-Ladewig,
SGG, §
99 Rn. 4 m.w.N.).
Auch ist das Bestehen eines Feststellungsinteresses zu bejahen. Der Senat wendet §
131 Abs.
1 S. 3
SGG auf den Fall der Erledigung einer allgemeinen Leistungsklage entsprechend an (BayVGH, BayVbl 92, 310; Meyer-Ladewig,
SGG, 9. Aufl., §
131 Rn. 7c m.w.N.). Das berechtigte Interesse ergibt sich aufgrund des Bestehens einer Wiederholungsgefahr.
Die Feststellungsklage erweist sich in der Sache als begründet, weil sich die durch die Beklagte vorgenommene Aufrechnung
mit fälligen Gesamtvergütungsforderungen der Klägerin als rechtswidrig darstellt. Die beantragte Feststellung war daher zu
treffen und die Berufung der Beklagten als unbegründet abzuweisen.
Der Senat neigt der Ansicht zu, dass seit dem 1. Januar 2004 §
387 BGB bezüglich der Voraussetzungen einer zulässigen Aufrechnung gegen die Gesamtvergütung im Verhältnis der Partner der Sicherstellung
auf Landesebene nicht mehr entsprechend anwendbar ist. Nur bis zu diesem Zeitpunkt geht der Senat davon aus, dass §
69 SGB V eine Aufrechnung einer Forderung gegen die KVB mit einer Gesamtvergütungsforderung der KVB nach Maßgabe des §
387 BGB erlaubte.
Nach §
69 Satz 1
SGB V in der ab 1.1.2000 geltenden Fassung regeln dieses (4.) Kapitel sowie die §§ 63 und 64 die Rechtsbeziehung der Krankenkassen
und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apothekern sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden
(...) abschließend. Nach Satz 2 gelten für die Rechtsbeziehungen nach den Sätzen 1 und 2 im Übrigen die Vorschriften des
BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des §
70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbart sind.
Eine Aufrechungsbefugnis findet sich im 4. Kapitel des Fünften Buches Sozialgesetzbuch nicht normiert. Allerdings sind nach
§
75 Abs.1 Satz 3
SGB V in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung die Krankenkassen zur Einbehaltung eines Teils der Gesamtvergütung befugt, wenn
eine Kassenärztliche Vereinigung ihrem Sicherstellungsauftrag aus zu vertretenden Gründen nicht nachkommt.
Davon abgesehen dürfen gem. §
106 Abs.5c Satz 2
SGB V die Krankenkassen nach Maßgabe der Gesamtverträge bei Festsetzung eines Verordnungsregresses nach Richtgrößen die Gesamtvergütung
verringern. Auch hier handelt es sich nicht um eine Aufrechnung. Im Gegensatz zur Durchschnittswertprüfung sieht die Richtgrößenprüfung
eine Umformung des Schadensersatzanspruches gegen den Arzt in einen solchen gegen die KV vor. Dieses System ist auf Durchschnittswertprüfungen
nicht übertragbar.
Eine Aufrechnungsberechtigung ergibt sich allein aus § 10 Abs. 2 des zwischen der KVB und den Regionalkassenverbänden geschlossenen
Bayerischen Gesamtvertrags - (-BayGV-Ä/RK-), die jedoch auf den laufenden Kontokorrentverkehr begrenzt ist (dazu siehe unten).
Aufgrund dessen und auch im Hinblick auf die hohen Pflichten, die das Gesetz (§
72 Abs.
2 SGB V) an die Partner der gemeinsamen Sicherstellung hinsichtlich einer reibungslosen Zusammenarbeit stellt, nimmt der Senat an,
dass niederschwelligere Pflichtverletzungen, als die in §
75 Abs.1 Satz 3
SGB V genannte Verletzung des Sicherstellungsauftrags, eine Krankenkasse nicht zu einer Einbehaltung und insbesondere nicht zu
einer auf eine entsprechende Anwendung des §
387 BGB gestützten Aufrechnung mit der Gesamtvergütungsforderung berechtigt.
Denn die Aufrechnung von (vermeintlichen) Forderungen gegen die Gesamtvergütung kann erhebliche Verwerfungen der Systemstabilität
mit sich bringen. Vor diesem Hintergrund beinhaltet §
75 Abs.
1 S. 3
SGB V einen umfassenden Interessensausgleich bei schweren Pflichtverletzungen der Ärzteseite. Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber
auch bei schweren Leistungsstörungen den Krankenkassen nur ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht zubilligt, dass
zu keinem Erlöschen von Gesamtvergütungsansprüchen führt. Da die Norm keinerlei Aufrechnungsbefugnis einräumt, stellt sich
die entsprechende Heranziehung des §
387 BGB mit seinen geringeren Voraussetzungen als unvereinbar mit dem Zweck des §
75 Abs.
1 S. 3
SGB V dar. Eine Heranziehung des §
387 BGB ist nur denkbar, soweit nicht eine Aufrechnung einer Krankenkasse mit einer Gesamtvergütungsforderung der KÄV zur Prüfung
steht.
Mithin erscheint die Begründung eines Aufrechnungsrechts der Krankenkasse gegen eine Gesamtvergütungsforderung nur auf der
Grundlage etwaiger normvertraglich vereinbarter Regelungen ohne Rückgriff auf zivilrechtliche Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches
statthaft. Im Übrigen ist ihr zuzumuten, ihre vermeintliche Forderung durch Leistungsklage durchzusetzen.
Aber selbst dann, wenn man - entgegen der Auffassung des Senats - von einer entsprechenden Heranziehung des §
387 BGB ausginge, stellt sich die Aufrechnung als rechtswidrig und unwirksam dar.
Die Aufrechung setzt das Bestehen einer Aufrechnungslage in Gestalt von sich gegenüberstehenden, gleichartigen, fälligen Forderungen
voraus. Mithin muss der Forderung der KVB auf Gesamtvergütung eine Geldforderung der Krankenkasse gegen die KVB zustehen.
Der Verordnungsregressanspruch stellt jedoch eindeutig eine Schadensersatzforderung der Krankenkasse gegen den seine Wirtschaftlichkeitspflichten
vernachlässigenden Vertragsarzt dar.
Vom Regressanspruch der Krankenkasse gegen einen Vertragsarzt zu unterscheiden ist der Weg seiner Festsetzung und Vollziehung.
Die Festsetzung des Schadensersatzanspruchs erfolgt nicht in einem Zweierrechtsverhältnis zwischen der Krankenkasse und dem
Arzt, sondern ist besonderen Prüfgremien übertragen. Erst die umsetzende Abwicklung des festgesetzten Regresses vollzieht
sich im Verrechnungs- und Auskehrungswege über die KÄV, die für die Festsetzung des Honoraranspruchs des Arztes zuständig
ist.
Das bedeutet aber keine Umformung des Schadensersatzanspruches der Kasse gegen den Arzt in einen solchen gegen die KÄV. Für
eine solche Umformung der Rechtsbeziehungen, die durch das System der Viereckbeziehung und das Fehlen einer direkten Verbindung
zwischen Kasse und Arzt motiviert sein könnte, bedarf es einer entsprechenden Norm. Eine solche Norm ist nur für die Richtgrößenprüfung
in §
106 Abs.5c
SGB V geschaffen. Diese ist für die Durchschnittswertprüfung nach dem eindeutigen Wortlaut nicht anwendbar.
Handelt es sich jedoch um einen Sekundäranspruch der Kasse gegen den Vertragsarzt, kann eine Aufrechnung gegenüber der KÄV
nicht erfolgen (BSG vom 18. Dezember 1996, 6 RKa 66/95, SozR 3-1300 § 113 Nr.3).
Eine Aufrechnung gem. §
387 BGB, seine entsprechende Anwendbarkeit hinzugedacht, kommt erst in Betracht, wenn die Krankenkasse aufgrund des Einziehungsverhältnisses
Arzt - KÄV eine Forderung auf Auskehrung des Schadensersatzes gegen die KÄV erwirbt und diese fällig wird. In diesem Zusammenhang
käme es auf die zwischen den Beteiligten heftig diskutierte aufschiebende Wirkung erst an, wenn eine Norm eine solche Einziehungspflicht
gegenüber dem Arzt bei Auskehrungspflicht an die Kasse an die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfes des Arztes gegen den
Regress knüpfen würde.
In diesem Zusammenhang haben die Partner der Sicherstellung auf Bundesebene in § 52 Bundesmantelvertrag Ärzte/Regionalkassen
(-BMV-Ä/RK-) normiert, dass über die Erfüllung von nachgehenden Berichtigungsansprüchen sowie Schadensersatzansprüchen aus
Feststellungen der Prüfgremien die Vertragspartner der Gesamtverträge und die Vertragspartner der Prüfvereinbarung nähere
Regelungen treffen. Nach Absatz 2 haben sie bei Ausgestaltung dieser Regelungen den Grundsatz zu berücksichtigen, dass die
Kassenärztliche Vereinigung Schadensersatzforderungen der Krankenkasse durch Aufrechnung gegen Honorarforderungen des Vertragsarztes
erfüllt, wenn in einem erstinstanzlichen Urteil eines Sozialgerichts die Forderung bestätigt wird.
Aus dem systematischen Zusammenhang der Norm im 12. Abschnitt des Bundesmantelvertrags ist zu schließen, dass die in § 52
BMV-Ä/RK enthaltenen Begriffe "festgestellte Schadensersatzansprüche" und "Schadensersatzforderungen der Krankenkassen" nicht
ausschließlich solche meinen, die auf einem sog. "sonstigen Schaden" oder einem "Behandlungsfehler" beruhen, sondern auch
Verordnungsregressforderungen umfassen, die ihrer Natur nach Schadensersatzforderungen sind. Der 12. Abschnitt ist als "Prüfung
der Abrechnung und der Wirtschaftlichkeit, Sonstiger Schaden" betitelt. Die §§ 45 - 51 BMV-Ä/RK bestimmen u.a. näheres zu
Voraussetzungen und Feststellung von Schadensersatzansprüchen aufgrund unterschiedlicher Pflichtverletzungen. So beschäftigt
sich § 47 BMV-Ä/RK mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung von Behandlungs- und Verordnungsweise, während in § 48 BMV-Ä/RK Regelungen
zum sonstigen Schaden, in § 50 BMV-Ä/RK zu Schadensersatzansprüchen aufgrund von Behandlungsfehlern und in § 49 BMV-Ä/RK zu
Schadensersatzansprüchen aufgrund weiterer Pflichtverletzungen getroffen sind. Der Regelungskontext schließt in Gestalt des
§ 52 BMV-Ä/RK mit einer Norm ab, in der vereinbart ist, in welcher Weise die Auskehrung der nach den vorangegangenen Normen
festgestellten Schadensersatzansprüche erfolgt. Zudem steht auch der Wortlaut des § 44 Abs. 1 BMV-Ä/RK der Auslegung entgegen,
dass die Terminologie des Abschnitts unter dem Begriff des Schadensersatzanspruchs nicht den Verordnungsregress erfassen will.
Denn dort werden ausdrücklich "Schadensersatzansprüche" erwähnt und diese näher erläutert als solche, "welche eine Krankenkasse
(...) gegen den Arzt geltend macht und für deren Prüfung und Feststellung nicht die Verfahren nach §§ 47, 48 und § 49, vorgeschrieben
sind ...".
§ 47 BMV-Ä/RK betrifft aber gerade Verordnungsregresse. Dieser Eingrenzung hätte es nicht bedurft, wenn Verordnungsregressansprüche
und Schadensersatzansprüche begrifflich abgrenzend zu verstehen wären.
Unter Zugrundelegung dessen ergibt sich ein gesamtvertraglicher Regelungsauftrag bezüglich Einziehung und Auskehrung, wobei
eine Verknüpfung mit der Entscheidung des Sozialgerichts herzustellen ist.
Als gesamtvertragliche Norm, die eine Umsetzung des Regelungsauftrags nahelegt, stellt sich allein § 10 Abs. 2 BayGV-Ä/RK
dar. Während § 10 Abs. 1 BayGV-Ä/RK die Zahlung der Gesamtvergütung und die einschlägigen Zahlungstermine betrifft, regelt
dessen Absatz 2, dass Beträge aus rechtswirksamen Honorarkürzungen, auf deren Rückzahlung die Krankenkasse Anspruch hat, sowie
Regress- und Schadensbeträge im laufenden Kontokorrentverkehr verrechnet werden und ohne Einfluss auf die Zahlungsfrist sind.
Die Regelung bedarf der Interpretation. Sie gewährt nach ihrem Wortlaut zunächst eine sofortige Aufrechnungsbefugnis und -verpflichtung,
die an sich keine ausdrückliche Aufrechnungserklärung voraussetzt, wobei die "Verrechnung" nur innerhalb des laufenden Kontokorrentverkehrs
und nicht außerhalb dessen, etwa durch Aufrechnung gegen fällige Gesamtvergütung erfolgen darf. Gegenforderung und Verrechnung
sollen ausdrücklich die fristgerechte Zahlung der Gesamtvergütung nicht verhindern oder vermindern ("und sind ohne Einfluss
auf die Zahlungsfrist"). Auch bei fälligen Auskehrungsansprüchen soll die Gesamtvergütung ungekürzt gezahlt werden. Mithin
stützt auch § 10 Abs. 2 BayGV-Ä/RK eine Aufrechnung gegen fällige Gesamtvergütung nicht. Eine Heranziehung des §
387 BGB würde dieser normvertraglichen Regelung zu widerlaufen.
Dagegen wird der Zeitpunkt der Fälligkeit des Auskehrungsanspruchs der Krankenkasse gegen die KÄV nicht ausdrücklich bestimmt.
Der Senat entnimmt jedoch dem Wortlaut "rechtswirksamen (...) Regressbeträge" eine Bezugnahme auf die durch § 52 Abs. 2 BMV-Ä/RK
vorgegebene Anknüpfung an die erstinstanzliche Entscheidung. Damit tritt die Fälligkeit des Auskehrungsanspruchs erst zum
Zeitpunkt der Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung des Sozialgerichts über die Klage des Arztes gegen die Schadensersatzfestsetzung
ein, sofern eine solche erhoben ist. Die durch die Bundesmantelvertragspartner vereinbarte Risikoverteilung zur Einziehung
und Auskehrung ist auch Inhalt der gesamtvertraglichen Vereinbarung zwischen Klägerin und Beklagten. Ein früherer Eintritt
der Fälligkeit würde selbst dann nicht eintreten, wenn man - mit der Beklagten - von einer sofortigen Vollziehbarkeit des
Regressbescheids aufgrund Durchschnittswertprüfung trotz dagegen fristgerecht erhobener Klage ausgehen würde. Umgekehrt zerstört
eine Fortsetzung des Rechtsstreits in höheren Instanzen die Fälligkeit des Auskehrungsanspruchs nicht. Sollte an diesem Interessenausgleich
aufgrund fortschreitender Rechtsentwicklung nicht mehr festgehalten werden, obliege es der Autonomie der Bundesmantelvertragspartner,
den § 52 BMV-Ä/RK zu ändern, indem man z.B. die Fälligkeit des Auskehrungsanspruchs bei Nicht-Richtgrößenprüfungen an die
Vollziehbarkeit des Beschwerdeausschussbescheids anknüpft.
Aber selbst dann, wenn man "rechtswirksam" als Eintritt der Vollziehbarkeit im Sinne des Fehlens aufschiebender Wirkung und
zusätzlich die bundesmantelvertragliche Anknüpfung nur als Festlegung des spätesten Zeitpunkts für die Fälligkeit des Auskehrungsanspruchs
verstehen würde, käme eine Aufrechnung außerhalb des laufenden Kontokorrentverkehrs nicht in Betracht. Auf die Frage des Eintritts
aufschiebender Wirkung einer Klage gegen die Regressfestsetzung bei Durchschnittswertprüfung ist im Rahmen dieses Verfahrens
nicht einzugehen.
Daher waren nach Übergang der Klägerin von der Leistungsklage zu einer fortsetzenden Feststellungsklage festzustellen, dass
die durch die Beklagte vorgenommene Aufrechnung des (gegen die Beigeladenen mit Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 19.
Mai 2003) festgesetzten Verordnungsregresses mit der Gesamtvergütung rechtswidrig war und die Berufung der Beklagten abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 VwGO.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).