Kostenübernahme für ein Sachverständigengutachten nach § 109 SGG
Gründe:
I. Zu entscheiden ist, ob die Kosten für das von Dr. B. am 19.09.2007 erstattete Gutachten auf die Staatskasse zu übernehmen
sind.
Im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg begehrte die Klägerin weitere Gesundheitsstörungen, insbesondere eine
Spondylolysthese L5/S1 und eine Fraktur beim LWK 4 anzuerkennen. Die Klägerin war am Unfalltag als Schülerin beim Bodenturnen
aus einem Handstand auf den Rücken gefallen. Die erste Untersuchung nach dem Unfall am 03.05.2004 zeigte Schmerzen im Bereich
der Brust- und Lendenwirbelsäule auf, jedoch keine Lähmung und keine Gefühlsstörungen. Erst am 14.05.2004 gab die Klägerin
eine Verschlimmerung ihrer Rückenschmerzen an. Der Neurologe Dr. E. diagnostizierte am gleichen Tage eine Lumboischialgie
und Lumbago mit progredienter Sensibilitätsstörung am Bein. Die Untersuchung gab Anlass für eine operative Behandlung, bei
der die Operateure von einer traumatischen Spondylolysthese L5/S1 nach Gelenkfortsatzbruch und Querbruch am Os sacrum ausgingen.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22.04.2005 die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Er folgte der Stellungnahme
seines Beratungsfacharztes Dr. B ... Dieser wies darauf hin, die Versteifungsoperation an der Lendenwirbelsäule sei nicht
wegen eines Querfortsatzbruches erfolgt, sondern wegen Wirbelgleitens. Letzteres sei nicht durch den Unfall verursacht worden.
Auf den Widerspruch holte die Beklagte ein radiologisches Gutachten ein. Der Radiologe Dr. E. kam zum Ergebnis, eine kleine
Abrissfraktur bei LWK 4 sei zwar nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, erscheine aber eher unwahrscheinlich. Den Widerspruch
wies der Beklagte zurück. Der Stellungnahme des Leitenden Arztes der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M., Dr. B., vom
27.04.2006, der dem Unfall eine erhebliche richtungweisende Verschlimmerung des vorbestehenden Krankheitsbildes zuwies, folgte
der Beklagte im Hinblick auf Vorgeschichte und radiologische Befunde nicht.
Im hiergegen gerichteten Klageverfahren erstattete der Orthopäde Dr. F. am 23.10.2006 ein Gutachten. Er konnte keinen ursächlichen
Zusammenhang zwischen der seit 1999 bekannten Gefügestörung der Lendenwirbelsäule und dem Wirbelgleiten feststellen. Im auf
Antrag der Klägerin gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) erstatteten Gutachten vom 19.09.2007 blieb Dr. B. bei seiner früher geäußerten Meinung. Die Überführung der Spondylolyse
in eine Spondylolysthesis müsse durch eine erhebliche Gewalteinwirkung in Gang gekommen sein. Hierüber gebe es kein anderes
Ereignis als den Turnunfall.
Das Sozialgericht sah sich dadurch veranlasst, eine Stellungnahme von Dr. F. und ein radiologisches Gutachten von Dr. E. einzuholen.
Beide Sachverständigen kamen zum Ergebnis, letztendlich sei eine allenfalls diskrete Frakturlinie im Bereich des Kreuzbeins
zu erkennen, die jedoch nicht als frische Fraktur nach dem streitgegenständlichen Unfall zu definieren sei.
Mit Urteil vom 29.01.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es stützte sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen
von Dr. F., Dr. E. und Dr. B ...
Am 20.04.2009 beantragte die Klägerin, die Kosten für die Begutachtung durch Dr. B. auf die Staatskasse zu übernehmen. Die
Begutachtung habe wesentlich zur Sachaufklärung beigetragen.
Mit Beschluss vom 21.04.2009 lehnte das Sozialgericht den Antrag ab. Das Gutachten des Dr. B. habe nicht der Sachaufklärung
gedient. Es sei nur deshalb eingeholt worden, weil die Klägerin sich nicht von dem von Amts wegen eingeholten Gutachten überzeugen
konnte. Das in der Hoffnung auf eine günstige anderweitige Begutachtung eingegangene finanzielle Risiko könne daher mangels
einer objektiven Förderung des Beweisergebnisses nicht nachträglich auf die Staatskasse abgewälzt werden.
Dagegen legte die Klägerin Beschwerde ein. Das Gutachten des Dr. B. habe insofern zur Sachaufklärung beigetragen, als nach
der Begutachtung durch Dr. F. erhebliche Zweifel an der Unfallbewertung bestanden hätten. Diese Zweifel hätten durch das Gutachten
des Dr. B. geklärt werden können.
Die Klägerin beantragt,
auf ihre Beschwerde den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 21.04.2009 aufzuheben und die Kosten für die Begutachtung
durch Dr. B. der Staatskasse aufzuerlegen.
II. Die Beschwerde ist zulässig (§§
172,
173 SGG), aber unbegründet.
Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Kosten einer Begutachtung nach §
109 SGG vom Antragsteller zu tragen sind, steht im Ermessen des Gerichts. Bei der Ermessensentscheidung hat das Gericht zu berücksichtigen,
ob das Gutachten für die gerichtliche Entscheidung Bedeutung gewonnen hat, ob es die Aufklärung oder die Erledigung des Rechtsstreits
objektiv gefördert hat (Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, Kommentar zum
SGG, 9. Auflage, §
109 Anm.16a). Es kommt nicht allein auf das Ergebnis des Gutachtens und den Ausgang des Verfahrens an, sondern im Wesentlichen
darauf, ob das Gutachten das Verfahren gefördert hat. Dies ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn das Gutachten die
vorzunehmende Beurteilung auf eine breitere und damit für das Gericht und die Beteiligten überschaubarere und überzeugendere
Grundlage gestellt hat.
Eine solche Bedeutung vermag der Senat nicht festzustellen. Vielmehr liegt der Fall hier so, dass ein nach §
109 SGG eingeholtes Gutachten lediglich eine andere Bewertung von Befunden zutage brachte, ohne den Sachverhalt weiter aufzuklären.
Letztendlich hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob klinische oder röntgenologische Befunde in der ersten Zeit
nach dem Unfall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine traumatische Veränderung an der Lendenwirbelsäule dokumentieren
können. Zweifel an einem derartigen Nachweis sind auch nach der Begutachtung durch Dr. B. verblieben. Insoweit vermag der
Senat nicht zu erkennen, dass dessen Gutachten die Entscheidung auf eine breitere Grundlage gestellt hätte.
Insgesamt kommt der Senat damit zum Ergebnis, dass das Gutachten des Dr. B. vom 19.09.2007 nicht wesentlich der Aufklärung
des Sachverhalts gedient hat. Die Übernahme der Kosten für die Begutachtung durch Dr. B. erscheint nicht gerechtfertigt.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 21.04.2009 war zurückzuweisen.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).