Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von Regelaltersrente.
Die 1941 geborene Klägerin, die als deutsche Staatsangehörige in den U wohnhaft ist, beantragte im Februar 2009 Regelaltersrente.
Sie gab dazu an, von 1950 bis 1961 im elterlichen Betrieb als Artistin gearbeitet zu haben. Die Beklagte ermittelte wegen
Beitragszeiten sowohl im eigenen Kontenarchiv als auch bei der Deutschen Rentenversicherung R und der Deutschen Rentenversicherung
N erfolglos.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 2009 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Regelaltersrente ab, da die Wartezeit von 5 Jahren
nicht erfüllt sei. Die Zeit von 1950 bis 1961 könne nicht als Beitragszeit anerkannt werden, weil weder in den vorhandenen
Versicherungsunterlagen Beiträge bescheinigt seien, noch die Beitragszahlung nach dem Ergebnis der Ermittlungen glaubhaft
erscheine und Beiträge auch nicht als gezahlt gelten.
Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem geltend gemacht wurde, im Rahmen der Ausbildung zur Artistin seien von den Eltern
Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt worden, worüber allerdings Nachweise nicht auffindbar seien, und mit dem Geburtsurkunden
ihrer in den U geborenen beiden Kindern vorgelegt wurden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06. Juni 2011 zurück:
In den Archiven der Beklagten, der Deutschen Rentenversicherung Rund der Deutschen Rentenversicherung N hätten keine Beitragsunterlagen
aufgefunden werden können. Die Klägerin selbst sei nicht im Besitz von Unterlagen. Auch hätten Zeugenerklärungen nicht vorgelegt
werden können. Die Anerkennung fiktiver Pflichtbeitragszeiten nach §
247 Abs.
2 a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) für die angegebene Ausbildung zur Artistin im elterlichen Betrieb komme ebenfalls nicht in Betracht, weil das Vorliegen
eines ordentlichen Lehrausbildungsverhältnisses weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht sei. Zeiten der Kindererziehung
könnten nicht berücksichtigt werden, weil die Kinder im Ausland geboren und erzogen worden seien. Da keine Monate einer deutschen
Versicherungszeit nachgewiesen seien, sei ein Leistungsanspruch nach dem Deutsch-Amerikanischen Sozialversicherungsabkommen
(DASVA) nicht gegeben.
Dagegen hat die Klägerin am 05. Juli 2011 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben.
Sie hat vorgetragen, es sei Tatsache, dass bei einer Artistin eine Rentenversicherung zwingend notwendig gewesen sei. Ihre
Eltern hätten eingezahlt bzw. "geklebt". Die Unterlagen seien verschollen. Zeugen seien verstorben bzw. unbekannt verzogen.
Ohne eine abgeschlossene Rentenversicherung sei seinerzeit keine Genehmigung als Artistin erteilt worden. Die Klägerin hat
ihre Erklärung an Eides Statt vom 01. Dezember 2011 vorgelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 03. Juli 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung
einer Regelaltersrente gemäß §
235 Abs.
1 SGB VI, da sie die gemäß den §§
235 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2,
50 Abs.
1 Nr.
1 SGB V (gemeint VI) erforderliche allgemeine Beitragszeit von 5 Jahren, auf die Beitragszeiten angerechnet würden (§
51 Abs.
1 SGB VI), nicht erfülle. Sie habe überhaupt keine Beitragszeiten in der Deutschen Rentenversicherung zurückgelegt. Da sie somit nicht
die Mindestversicherungszeit von 18 Monaten erfüllt habe, könnten auch die in den USA zurückgelegten Versicherungszeiten nicht
für die Wartezeit berücksichtigt werden (Art. 7 Abs. 2 DASVA). Die von der Klägerin geltend gemachten Beitragszeiten von 1950
bis 1961 seien nicht glaubhaft gemacht. Nach §
286 Abs.
5 SGB VI sei eine Beschäftigungszeit als Beitragszeit anzuerkennen, wenn der Versicherte für Zeiten vor dem 01. Januar 1973 glaubhaft
mache, dass er eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt habe, die vor dem Ausstellungstag der Versicherungskarte
liege oder nicht auf der Karte bescheinigt sei, und für diese Beschäftigung entsprechend Beiträge gezahlt worden seien. Glaubhaft
gemacht sei eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel
erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich sei (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Überwiegend wahrscheinlich sei eine Tatsache, wenn mehr für als gegen ihr Vorliegen spreche. Zur Anerkennung einer (glaubhaft
gemachten) Beitragszeit sei es demnach zunächst erforderlich, dass das Vorliegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit glaubhaft
gemacht sei, die nach Art und Umfang Versicherungspflicht begründet habe. Weiterhin müsse als konstitutives Merkmal einer
Beitragszeit auch die Beitragsentrichtung glaubhaft gemacht sein, denn eine Beitragszeit liege nicht allein wegen Ausübung
einer Beschäftigung oder einer bestimmten Tätigkeit vor, sondern wegen der Entrichtung von Beiträgen. Nach diesen Maßstäben
sei eine Glaubhaftmachung der Beitragsentrichtung nicht gelungen, denn es lägen keine positiven Indizien vor, die für eine
Beitragsentrichtung sprächen. Entsprechende Versicherungsunterlagen hätten durch die Beklagte nicht ermittelt werden können.
Die Klägerin selbst habe keine Unterlagen vorgelegt, noch Zeugen benannt, die detaillierte Angaben über die Ausübung der Tätigkeit
hätten machen können. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung sei insoweit auch deshalb nicht überwiegend wahrscheinlich,
weil es sich bei der Ausübung auch um eine familienhafte Mitarbeit gehandelt haben könnte. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung
des Umstandes, dass die Klägerin zu Beginn der geltend gemachten Beitragszeit im Jahre 1950 erst 8 bzw. 9 Jahre alt gewesen
sei. Darüber hinaus seien nach den seinerzeit geltenden Regelungen (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 Angestelltenversicherungsgesetz - AVG) versicherungsfrei gewesen, wer für seine Beschäftigung nur freien Unterhalt erhalten habe. Bei der von der Klägerin im elterlichen
Betrieb ausgeübten Tätigkeit als Artistin könne es sehr wohl der Fall gewesen sein, dass sie kein Entgelt, sondern allein
freien Unterhalt erhalten habe. Zwar seien seit dem 01. Januar 1957 gemäß § 2 Nr. 4 AVG auch selbständige Artisten rentenversicherungspflichtig gewesen. Aber auch insoweit setze die Anerkennung einer Beitragszeit
voraus, dass die Beitragsabführung glaubhaft gemacht sei. Es fehlten jegliche positive Indizien dafür, dass tatsächlich Beiträge
abgeführt worden seien. Daher spreche nicht mehr für als gegen eine Beitragsabführung. Darüber hinaus sei die Anerkennung
einer Kindererziehungszeit gemäß §
56 Abs.
1 SGB VI ebenfalls nicht möglich. Zwar habe die Klägerin Kinder geboren und erzogen. Eine Kindererziehungszeit könne jedoch gemäß
§
56 Abs.
1 Nr.
2 SGB VI nur dann berücksichtigt werden, wenn die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt sei oder einer solchen
gleichstehe. Die Kindererziehung in den USA stehe einer Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland jedoch nicht gleich.
Gegen den ihrem damaligen Prozessbevollmächtigten am 09. August 2012 zugestellten, ihm jedoch bereits zwei bis drei Tage nach
dem 03. Juli 2012 bekanntgegebenen Gerichtsbescheid richtet sich die am 31. Juli 2012 eingelegte Berufung der Klägerin.
Sie weist darauf hin, dass sie damals von ihrem Vater zur Auswanderung gezwungen worden sei. Sie könne sich an "Rentenklebekarten"
gut erinnern. Ihre Berufung sei auch aus humanitären Gründen zu prüfen.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 03. Juli 2012 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 20. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Juni 2011 zu verurteilen, der Klägerin Regelaltersrente
zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (...), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligen haben hierzu ihr Einverständnis erklärt (§
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 20. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 06. Juni 2011 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Regelaltersrente, denn sie hat die allgemeine
Wartezeit von fünf Jahren mit Beitragszeiten nicht erfüllt.
Der Senat folgt dem Sozialgericht aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und sieht insoweit von einer weiteren Begründung
ab (§
153 Abs.
2 SGG). Klarstellend weist der Senat - ohne dass dies insoweit entscheidungserheblich wäre - jedoch daraufhin, dass der vom Sozialgericht
genannte § 2 Nr. 4 AVG erst zum 01. März 1957 wirksam geworden war, denn nach Art. 3 § 7 Satz 2 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) sind u. a. die §§ 2 bis 9 AVG (erst) am ersten Tag des auf die Verkündung des AnVNG (vom 23. Februar 1957) folgenden Monats in Kraft getreten.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch die weiteren in Betracht kommenden Vorschriften des
SGB VI nicht erfüllt sind.
Machen Versicherte glaubhaft, dass der auf sie entfallende Beitragsanteil vom Arbeitsentgelt abgezogen worden ist, so gilt
der Beitrag als gezahlt (§
203 Abs.
2 SGB VI). §
203 Abs.
2 SGB VI gilt für Zeiten vor dem 01. Januar 1973 mit der Maßgabe, dass es einer Eintragung in die Versicherungskarte nicht bedarf
(§
286 Abs.
6 SGB VI).
Es mangelt auch insoweit an einer Glaubhaftmachung.
Die von der Klägerin vorgelegte Erklärung an Eides Statt vom 01. Dezember 2011 ist weder nach dieser Vorschrift noch nach
der vom Sozialgericht benannten Vorschrift für eine Glaubhaftmachung ausreichend. Darin wird von der Klägerin erklärt, "dass
mein Vater, J W, im Zeitraum von 1954 bis 1960 für mich Rentenversicherungsbeiträge eingezahlt haben muss. Ansonsten wäre
die Zulassung als Artistin auch nicht möglich gewesen. Leider gingen die Unterlagen durch die Auswanderung in die USA verloren...."
Aus dieser Erklärung an Eides Statt ergibt sich nicht einmal, dass die Klägerin aus eigener Kenntnis sicher davon ausgeht,
dass für sie Rentenversicherungsbeiträge gezahlt wurden. Sie schlussfolgert dies lediglich unter Hinweis auf die Zulassung
als Artistin, in dem darauf verwiesen wird, dass deswegen ihr Vater "eingezahlt haben muss". Damit gibt die Klägerin zu erkennen,
dass sie selbst weder über den Vorgang der Einzahlung von Rentenversicherungsbeiträgen, noch über das Vorhandensein von Unterlagen
dazu ihre Person betreffend aus eigener Kenntnis berichten kann. Mit der Berufung wird zwar ergänzend vorgetragen, sie könne
sich an "Rentenklebekarten" gut erinnern. Dieser Vortrag bleibt jedoch angesichts der Erklärung an Eides Statt völlig vage,
zumal jegliche Konkretisierung fehlt. Ungeachtet dessen erscheint diese Erklärung an Eides Statt auch deswegen für eine Glaubhaftmachung
nicht ausreichend, weil im Übrigen keine einzige weitere Tatsache glaubhaft gemacht ist, die für das Vorbringen der Klägerin
spricht.
Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung sind auch Zeiten, in denen in der Zeit vom 01. Juni 1945 bis
30. Juni 1965 Personen als Lehrling oder sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt waren und grundsätzlich Versicherungspflicht
bestand, eine Zahlung von Pflichtbeiträgen für diese Zeiten jedoch nicht erfolgte (Zeiten einer beruflichen Ausbildung) (§
247 Abs.
2 a SGB VI).
Unabhängig davon, dass von der Klägerin eine Zahlung von Pflichtbeiträgen gerade behauptet wird, so dass diese Vorschrift
dem Grunde nach bereits nicht anwendbar ist, wird jedenfalls vorausgesetzt, dass eine Beschäftigung als Lehrling oder sonst
zur Berufsausbildung erfolgte und grundsätzlich Versicherungspflicht bestand.
Diese Voraussetzungen können vorliegend für eine Zeit vor dem 01. März 1957 schon nicht erfüllt sein, da nicht "grundsätzlich
Versicherungspflicht" bestand. Mit den Personen, die "sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt waren", sind die Personen
gemeint, die erst durch § 1227 Abs. 1 Nr. 1
Reichsversicherungsordnung (
RVO) i. d. F. des Art 1 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG), § 2 Abs. 1 Nr. 1 AnVNG zum 1. März 1957 in die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung einbezogen und dort neben den Lehrlingen aufgeführt
wurden (Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 23. September 1999 - B 12 RJ 1/99 R, abgedruckt in SozR 3 - 2600 § 247 Nr. 2). Die letztgenannten Ausbildungsverhältnisse sind daher nicht schon ab 01. Juni
1945 erfasst (BSG, Urteil vom 21. August 2008 - B 13 R 109/07 R, abgedruckt in SozR 4 - 2600 § 247 Nr. 2). Zu ihnen zählen insbesondere Anlernlinge, d. h. Beschäftigte, die zur Berufsausbildung
- also im Unterschied zu den Lehrlingen - nicht in einem Lehrberuf (z. B. nicht zum Facharbeiter oder Handwerker), sondern
in einem anderen Fachgebiet beschäftigt waren (Gürtner in Kasseler Kommentar zum Sozialersicherungsrecht, 78. Erg.-Lieferung
2013,
SGB VI, §
247 Rdnr. 10).
Es fehlen im Übrigen tatsächliche Anhaltspunkte für ein Berufsausbildungsverhältnis.
Diese Voraussetzung ist außerdem nachzuweisen; eine Glaubhaftmachung reicht nicht (Gürtner in Kasseler Kommentar, aaO.,
SGB VI, §
247 Rdnr. 15). Beweismittel für einen Nachweis im Sinne eines Vollbeweises stehen jedoch nicht zur Verfügung.
Die Gewährung einer Regelaltersrente aus humanitären Gründen, insbesondere weil die Klägerin vom Vater zur Auswanderung gezwungen
worden sei, sieht das Gesetz nicht vor. Das Gericht, das nach Art.
20 Abs.
3 Grundgesetz (
GG) an Recht und Gesetz gebunden ist, ist daher gehindert, gleichwohl eine solche Rente zuzusprechen.
Die Berufung muss mithin erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 Abs.
1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG) nicht vorliegen.