LSG Chemnitz, Urteil vom 09.03.2006 - 2 U 167/05
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim Versäumen der Widerspruchsfrist
1. Wenn sich die Spitzenverbände der Sozialversicherung mit einer das Versicherungsverhältnis betreffenden Auskunft oder Beratung
nicht direkt an das einzelne Mitglied wenden sondern die Information in einer Presseverlautbarung über die Medien verbreiten,
so muss unterstellt werden, dass die Nachricht diejenigen, die es angeht, tatsächlich erreicht hat. Beruft sich der Versicherte
auf die Veröffentlichung und einen dadurch begründeten Vertrauensschutz, kann ihm fehlende Kausalität nur entgegengehalten
werden, wenn sich nachweisen lässt, dass der Verzicht auf eine Anfechtung der Bewilligungsbescheide in seinem konkreten Fall
nicht durch die Presseerklärung veranlasst war.
2. Mit der Regelung in §
47 Abs.
1a SGB VII ist der Gesetzgeber in Anbetracht der schlechten Finanzsituation der Unfallversicherungsträger und der bei einer rückwirkenden
Anwendung der neuen Berechnungsvorschriften drohenden hohen Nachzahlungen von der Grundregel des § 44 Abs. 1 SGB X abgewichen, dass bei Ansprüchen auf Sozialleistungen der materiellen Gerechtigkeit auch für die Vergangenheit Vorrang vor
der Rechtsbeständigkeit behördlicher und gerichtlicher Entscheidungen und damit vor der Rechtssicherheit gebührt. [Amtlich
veröffentlichte Entscheidung]
Normenkette: SGB X § 33 Abs. 2 § 44 Abs. 1 § 88
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Vorinstanzen: SG Chemnitz 09.06.2005 S 8 U 289/03