Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kosten einer medizinischen Behandlung.
Die Klägerin betreibt das A. in H., die Beklagte ist zuständiger Träger für Sozialhilfe und Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz in H..
Am xxxxx 2013 wurde der S. (Im Weiteren: Patient) in der A1 Klinik A2 durch die volljährige georgische Staatsangehörige M.
geboren. Aufgrund der Diagnose hypotrophes Neugeborenes (Geburtsgewicht unterhalb der zehnten Perzentile) wurde der Patient
noch am selben Tag in der Klinik der Klägerin aufgenommen und dort in der neonatologischen Intensivstation behandelt.
Gegenüber dem Sozialdienst der Klägerin äußerte die Mutter des Patienten, über keinen Aufenthaltsstatus zu verfügen und obdachlos
sowie ohne Krankenversicherungsschutz zu sein. Sie führe eine Beziehung mit dem Kindsvater, der sich ebenfalls ohne Aufenthaltsstatus
in Deutschland aufhalte. Sie habe eine Wohnung in der Mutter-Kind-Einrichtung „S1“ in H., die sie noch in der Schwangerschaft
kontaktiert habe, zugesichert bekommen, wobei die Finanzierung noch nicht geklärt sei und ein Gespräch mit dem Jugendamt noch
ausstehe.
Am 14. August 2013 fand ein Gespräch zwischen der Mutter des Patienten und Vertretern des Jugendamtes sowie der Einrichtung
„S1“ statt. Die Vertreter des Jugendamtes äußerten, dass die Beklagte nur für den Patienten, nicht aber für die Mutter mit
Leistungen eintreten werde.
Am 16. August 2013 wurde der Patient in gutem Allgemeinzustand aus der Klinik der Klägerin entlassen und am 21. und 22. August
2013 in der Klinik der Klägerin ambulant behandelt.
Aus der beigezogenen Ausländerakte ergibt sich, dass die Mutter des Patienten zuvor nach Deutschland eingereist war – nach
eigenen Angaben im August 2011 –, ohne im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels gewesen zu sein. Sie hatte sich am 27. Mai
2013, nachdem sie am 24. Mai 2013 in einer Wohnung in H. durch die Polizei angetroffen worden war, bei der Ausländerbehörde
in H. gemeldet und erklärt, einen Asylantrag stellen zu wollen. Sie hatte deshalb am 27. Mai 2013 die entsprechende Bescheinigung
über die Meldung als Asylsuchende durch die Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) H. in der S2 erhalten und war aufgefordert worden,
sich unverzüglich zu der EAE B. als der für sie zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu begeben. Ihr Aufenthalt wurde auf den Bezirk
der EAE B. beschränkt. Dort war die Mutter des Patienten am 28. Mai 2013 erschienen und hatte erneut eine Bescheinigung über
die Meldung als Asylsuchende, mit Gültigkeit bis zum 4. Juni 2013 und der Aufforderung, sich am 29. Mai 2013 bei der Außenstelle
des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in B. zu melden und dort einen förmlichen Asylantrag zu stellen, erhalten.
Eine solche Vorsprache erfolgte nicht. Die Zentrale Ausländerbehörde B. (ZAB) meldete am 18. Juni 2013 dem BAMF, dass der
Aufenthalt der Mutter des Patienten seit dem 3. Juni 2013 unbekannt sei. Mit Bescheid der ZAB B. vom 8. Juli 2013, öffentlich
zugestellt am 23. Juli 2013, war die Mutter des Patienten unbefristet aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und ihr die Abschiebung
nach G. angedroht worden.
Am 9. August 2013 stellte die Klägerin, da die Mutter des Patienten als Anschrift zum Zeitpunkt der Geburt eine Adresse in
... angab, einen Kostenübernahmeantrag beim Landkreis P., den der Kreis am 14. August 2013 an sie zurücksandte. Ein entsprechender
Antrag vom 15. August 2013 beim Amt M1, ebenfalls im Kreis P. gelegen, blieb ohne Antwort. Die Klägerin wandte sich sodann
mit ihrem Antrag unter dem 5. Dezember 2013 an das Fachamt Jugend- und Familienhilfe der Beklagten. Dieses wies die Forderung
mit Schreiben vom 26. Februar 2014 zurück und verwies die Klägerin an die Stadt B.. Die Stadt B. lehnte den Antrag der Klägerin
vom 20. März 2014 ebenfalls ab, da die Mutter des Patienten dort zwar im letzten Jahr vorgesprochen, aber keinen Asylantrag
gestellt habe. Seit dem 12. Juni 2013 sei der Stadt B. der Aufenthaltsort der Mutter des Patienten nicht mehr bekannt und
die Mutter wegen illegalen Aufenthaltes in Deutschland zur Festnahme ausgeschrieben worden.
Versuche der Klägerin, die Mutter des Patienten postalisch zu erreichen, blieben erfolglos.
Unter dem 28. April 2014 stellte die Klägerin der Mutter des Patienten 11.442,69 Euro für die Behandlung vom 8. August 2013
sowie 64,63 Euro bzw. 45,86 Euro für die Behandlungen am 21. und 22. August 2013 in Rechnung.
Mit Schreiben vom 24. November 2014 wandte sich die Klägerin an das Fachamt Grundsicherung und Soziales der Beklagten, schilderte
ihre bisherigen Bemühungen, einen Ausgleich der ihr entstandenen Kosten zu erreichen, und bat um Prüfung, ob es eine Möglichkeit
gebe, die Kosten in Höhe von 11.442,69 Euro zu übernehmen. Mit Schreiben vom 23. Juli 2015 machte die Klägerin die Beklagte
erneut auf den Sachverhalt aufmerksam.
Die Beklagte versuchte daraufhin erfolglos, von der Einrichtung „S1“ nähere Auskünfte über den Fall zu erlangen.
Mit Bescheid vom 12. November 2015 lehnte die Beklagte den Kostenübernahmeantrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie
aus, sämtliche Versuche, etwas über den Aufenthalt des Patienten oder der Kindesmutter herauszufinden, seien erfolglos geblieben.
Laut Aussage des Jugendamtes habe sich die Mutter illegal in Deutschland aufgehalten, eine Anmeldung in A2 habe nicht stattgefunden.
Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch des Patienten auf Sozialhilfe vorgelegen haben, trage die
Klägerin.
Die Klägerin legte am 2. Dezember 2015 Widerspruch ein und wandte ein, sie sei davon ausgegangen, dass sich das Jugendamt
um den Fall des Patienten kümmere. Sie habe einem Neugeborenen sofortige Hilfe zukommen lassen, da Gefahr für Leib und Leben
bestanden habe, und bleibe nun aufgrund der Unfähigkeit des Jugendamtes auf den Kosten sitzen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. August 2017 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die
Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin nach §
6a Asylbewerberleistungsgesetz (
AsylbLG) lägen nicht vor. Die Beklagte sei nicht im Sinne von §
10a AsylbLG örtlich zuständig, da der Patient seinen gewöhnlichen Aufenthalt in B. habe. Denn seine Mutter sei am 27. Mai 2013 nach B.
verteilt und dort in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht worden. Nach Rücksprache mit der Ausländerbehörde befinde sich
dort auch immer noch ihr Reisepass.
Die Klägerin hat am 19. September 2017 Klage vor dem Sozialgericht erhoben.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Mutter des Patienten habe vor dessen Geburt in H. gelebt. Offensichtlich sei die „Verteilung“
der Kindsmutter vom 27. Mai 2013 bei der Aufnahme in das Krankenhaus am 8. August 2013 nicht umgesetzt worden. Unabhängig
davon aber müsse bei einem medizinisch unabweisbaren Notfall im Sinne von §
6a AsylbLG das Sozialamt am tatsächlichen Aufenthaltsort gemäß §
10a Abs.
2 Satz 3 und §
10b Abs.
1 AsylbLG vorleisten. §
6a AsylbLG sei anzuwenden. Sollte das
AsylbLG nicht einschlägig sein, wäre die Beklagte nach § 25 SGB XII zur Kostenübernahme verpflichtet.
Die Beklagte hat erstinstanzlich auf den Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend vorgetragen, §
10a Abs.
3 Satz 4
AsylbLG treffe eine Sonderregelung für zugeteilte oder zugewiesene asylsuchende Leistungsberechtigte. Der gewöhnliche Aufenthalt
der Mutter des Patienten werde ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Lebensumstände und damit abweichend von §
10a Abs.
3 Satz 1
AsylbLG gesetzlich fingiert. Als gewöhnlicher Aufenthaltsort gelte das Gebiet, in dem die leistungsberechtigte Person verpflichtet
sei, sich ihrer Verteilung oder Zuteilung entsprechend aufzuhalten. Die Fiktion bewirke, dass die Behörde, in deren Bereich
der Leistungsberechtigte verteilt oder zugeteilt sei, durchgehend örtlich zuständig bleibe.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. September 2020 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass ein Anspruch
nach § 25 SGB XII nicht bestehe, da es an einer hypothetischen Leistungspflicht der Beklagten als Sozialhilfeträger fehle. Die Mutter des Patienten
sei nämlich von Leistungen nach dem SGB XII gemäß § 23 Abs. 2 SGB XII ausgeschlossen, da sie Leistungsberechtigte nach §
1 Abs.
1 Nr.
5 AsylbLG sei. Mangels Aufenthaltstitels sei die Mutter des Patienten als vollziehbar ausreisepflichtige Person (auch wenn eine Abschiebungsandrohung
noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist) dem
AsylbLG zugewiesen. Die Mutter des Patienten habe vor der Behandlung des Patienten über eine Aufenthaltsgestattung nach § 55 Asylgesetz (AsylG) verfügt, die allerdings bis zum 4. Juni 2013 befristet war. Nach Ablauf der Frist habe die Klägerin das Bundesgebiet unverzüglich
zu verlassen gehabt. (§ 50 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz – AufenthG). Die Ausreisepflicht sei auch vollziehbar (§ 58 Abs. 2 AufenthG), da die Mutter des Patienten unerlaubt eingereist sei. Auf die Vollziehbarkeit einer Abschiebungsandrohung komme es nicht
an. Die Leistungsberechtigung nach dem
AsylbLG gelte nach §
1 Abs.
1 Nr.
6 AsylbLG auch für den Patienten.
Es ergebe sich auch kein Anspruch aus §
2 AsylbLG (in der Fassung vom 19.8.2007) in Verbindung mit den Regelungen des SGB XII, da die Mutter hierfür über 48 Monate Leistungen nach dem
AsylbLG bezogen haben müsste.
Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus §
6a AsylbLG. Die Vorschrift sei erst durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Änderung des
AsylbLG und des
SGG vom 10. Dezember 2014 in Reaktion auf ein Urteil des BSG (vom 30.12.2013 – B 7 AY 2/12 R), mit dem das Bundessozialgericht eine analoge Anwendung von § 25 SGB XII im Asylbewerberleistungsrecht abgelehnt hatte, eingefügt worden und nicht auf vor dem Inkrafttreten abgeschlossene Sachverhalte
anzuwenden. Sozialrechtliche Ansprüche seien nach dem Recht zu beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse
oder Umstände gegolten habe, soweit nicht später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich oder sinngemäß etwas Anderes bestimme.
Eine solche Bestimmung existiere nicht.
§ 25 SGB XII sei auch nicht analog anzuwenden. Eine Regelungslücke habe nicht bestanden. Im Bereich des SGB XII grenze sich der Nothelferanspruch und der eigene Leistungsanspruch des Hilfebedürftigen in zeitlicher Hinsicht über die Erlangung
der Kenntnis des Sozialhilfeträgers im Sinne von § 18 SGB XII ab. Nach erworbener Kenntnis stünden nur dem Hilfebedürftigen selbst Sozialhilfeleistungen zu. Dies bedeute, dass ein Anspruch
des Nothelfers – bezogen auf denselben Bedarf – nicht neben einem Anspruch des Hilfebedürftigen bestehen könne. Vor dem Hintergrund
dieser Bedeutung des § 18 SGB XII für den Nothelferanspruch würde die Übertragung des § 25 SGB XII (vor Inkrafttreten von §
6a AsylbLG) auf das
AsylbLG zwingend vorausgesetzt haben, dass der Hilfebedürftige mangels Kenntnis des Leistungsträgers nach dem
AsylbLG keinen Anspruch auf Kranken- bzw. Krankenhausbehandlung habe. Der sogenannte Kenntnisgrundsatz des § 18 SGB XII müsste mithin im
AsylbLG ebenfalls analoge Anwendung finden. Nur dann wäre eine Regelungslücke denkbar gewesen, die durch eine entsprechende Anwendung
des § 25 SGB XII im
AsylbLG hätte geschlossen werden können. § 18 SGB XII sei jedoch im
AsylbLG gerade nicht analog anzuwenden. Denn im
AsylbLG bestünde, anders als im SGB XII, kein Bedürfnis nach einer Regelung, die das Einsetzen der Leistung normiere. §
1 AsylbLG koppele die „Leistungsberechtigung“ vielmehr an den Aufenthaltsstatus, nicht aber an die Kenntnis vom Bedarfsfall. Scheide
danach eine Anwendung des § 18 SGB XII aus, bestünde auch für eine analoge Anwendung des § 25 SGB XII kein Raum, weil sich der Leistungsanspruch des Hilfebedürftigen und der des Nothelfers gegenseitig ausschließen würden.
Ein Anspruch aus §
4 Abs.
1 Satz 1
AsylbLG in der Fassung vom 5. August 1997 scheitere schon daran, dass diese Norm das Leistungsverhältnis zwischen dem Hilfebedürftigen
und dem Leistungsträger betreffe und der Sachleistungsanspruch nicht übertragen werden könne.
Der Hilfsantrag sei unzulässig, da die Klägerin den Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts begehre.
Die Klägerin, der das Urteil am 2. Oktober 2020 zugestellt wurde, hat am 30. Oktober 2020 Berufung eingelegt.
Zur Begründung führt sie an, dass bei einer behördlichen Entscheidung die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung
maßgeblich sei. Die Behörde entscheide daher anhand der Gesetze, die zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung in Kraft seien.
Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides sei §
6a AsylbLG bereits in Kraft gewesen. Bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen sei der maßgebliche Zeitpunkt die letzte mündliche Verhandlung
vor dem erkennenden Gericht.
Eine Veränderung der Sach- oder Rechtslage könne sich positiv oder negativ auf den Erfolg einer Klage auswirken. Der Hilfsantrag
ziele darauf ab, dass die Beklagte das Verfahren wiederaufgreife. Es bestehe eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage,
die jedenfalls dazu führen müsse, dass der Beklagten aufgegeben werde, eine neue Entscheidung zu treffen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. September 2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom
12. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2017 zu verpflichten, der Klägerin die für die Behandlung
des Patienten S., geb. xxxxx 2013, während des Krankenhausaufenthaltes vom 8. August 2013 bis zum 16. August 2013 und am 21.
August 2013 und 22. August 2013 erforderlichen Behandlungskosten in Höhe von 11.553,18 Euro zu erstatten;
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Aufhebung der oben
genannten Bescheide unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich im Wesentlichen auf die Gründe der Entscheidung des Sozialgerichts.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend die Prozessakte, die beigezogene Verwaltungsakte
des Beklagten, die beigezogene Krankenakte der Klägerin und die beigezogene Ausländerakte der ZAB B. in Bezug genommen.
I.
1.
Die Geltung eines Gesetzes in formaler Hinsicht wird durch eine Vorschrift zum Inkrafttreten bestimmt. Der Gesetzgeber kann
so durch eine rückwirkende Regelung zum Inkrafttreten die zeitliche Geltung einer Regelung bestimmen und auf Zeiträume vor
Verkündung des Gesetzes erstrecken (siehe etwa Artikel 2 Abs. 2 des Achten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Ergänzung personalrechtlicher Bestimmungen vom 28. Juli 2014 – BGBl I 2014, 1306).
In materieller Hinsicht kann sich die Geltung eines Gesetzes auf vor dem Inkrafttreten liegende Zeiträume erstrecken, wenn
der Gesetzgeber die Geltung anordnet, indem er eine Übergangs- oder Anwendungsvorschrift erlässt oder sich die Geltung für
einen früheren Zeitraum durch Auslegung ergibt. Auch eine Übergangs- oder Anwendungsregelung besteht nicht.
Lässt sich weder eine ausdrückliche oder in der geänderten Norm enthaltene Übergangs- oder Anwendungsvorschrift, noch ein
rückwirkendes Inkrafttreten feststellen, sind die Grundsätze des intertemporalen Rechts heranzuziehen und auf die konkrete
Norm anzuwenden.
In dem Urteil vom 9. März 2012 – B 10 EG 6/12 R führt das Bundessozialgericht aus:
„Werden materielle Anspruchsvoraussetzungen eines sozialrechtlichen Leistungsgesetzes geändert, gilt grundsätzlich das so
genannte Versicherungs- bzw. Leistungsfallprinzip. Hiernach ist ein Rechtssatz nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die
nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Spätere Änderungen eines Rechtssatzes sind danach für die Beurteilung von vor
seinem Inkrafttreten entstandenen Lebensverhältnissen unerheblich, es sei denn, dass das Gesetz seine zeitliche Geltung auf
solche Verhältnisse erstreckt. Dementsprechend geht das BSG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw. Rechtsverhältnisse
grundsätzlich nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat (vgl
BSG Urteil vom 26.11.1991 - 1/3 RK 25/90 - BSGE 70, 31, 34 = SozR 3-2500 § 48 Nr 1 S 3 f, jeweils mwN; Urteil vom 29.10.1992 - 9b RAr 7/92 - BSGE 71, 202, 208 = SozR 3-4100 § 45 Nr 3 S 14, jeweils mwN; Urteil vom 23.1.2008 - B 10 EG 5/07 R - BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1, jeweils RdNr 20; Urteil vom 27.8.2008 - B 11 AL 11/07 R - SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 13 mwN; Urteil vom 24.3.2009 - B 8 SO 34/07 R - SozR 4-5910 § 111 Nr 1 RdNr 9; Urteil vom 22.6.2010
- B 1 KR 29/09 R - SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 14; ebenso Kopp, SGb 1993, 593, 595 f: Grundsatz der Sofortwirkung und Nicht-Rückwirkung des neuen Rechts sowie Grundsatz des tempus regit actum).
Das Leistungsfall- bzw Versicherungsfallprinzip ist nicht anzuwenden, soweit später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich
oder sinngemäß etwas anderes bestimmt. Dann kommt der Grundsatz der sofortigen Anwendung des neuen Rechts auch auf nach altem
Recht entstandene Rechte und Rechtsverhältnisse zum Tragen (vgl BSG Urteil vom 27.8.1998 - B 10 AL 7/97 R - SozR 3-4100 § 141e Nr 3 S 11; ebenso eine sofortige Anwendung neuen Rechts bejahend Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07
R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, jeweils RdNr 27; Kopp, SGb 1993, 593, 597).“
Dahinstehen kann, ob wegen § 10a Abs. 3 Satz 4AsylbLG die Beklagte örtlich unzuständig ist.
2.
Der Hilfsantrag hat keinen Erfolg. Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin damit erreichen wollte, einen späteren Zeitpunkt
für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich werden zu lassen. Wie dargelegt, ist die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts
der Sach- und Rechtslage für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht maßgeblich, da sich auch aus einem weiter in die Zukunft
verlagerten maßgeblichen Zeitpunkt keine Geltung des § 6a AslybLG auf den hier zu entscheidenden Fall ergäbe.
II.
III.