Ersatz der Kosten für die gerichtliche Geltendmachung der Rückzahlung der Vergütung einer vollstationären Krankenhausbehandlung
Sachdienlichkeit der Klageänderung
Ermessensentscheidung
1. Bei der Entscheidung des Gerichts über die Sachdienlichkeit der Klageänderung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.
2. Dabei sind die Interessen der Beteiligten und die Prozessökonomie zu berücksichtigen.
3. Eine Klageänderung kann danach als sachdienlich angesehen werden, wenn sie dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten
in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, sodass ein neuer Prozess vermieden wird oder dadurch weitere
noch anhängige Streitigkeiten erledigt oder weitgehend mitentschieden werden.
4. Gegen die Sachdienlichkeit der Klageänderung spricht hingegen, wenn sie dazu führt, dass der Rechtstreit auf völlig neue
Grundlage gestellt wird oder wenn über geänderte Klage mangels Prozessvoraussetzung sachlich nicht entschieden werden könnte.
Tatbestand
Im Streit steht der Ersatz der Kosten für die gerichtliche Geltendmachung der Rückzahlung der Vergütung einer vollstationären
Krankenhausbehandlung.
Die bei der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte C. (C.) befand sich vom 6. bis 20. November 2008
in vollstationärer Behandlung u.a. zur Anlage eines ventrikuloperitonealen Shunts in der Neurochirurgischen Abteilung der
Beklagten. Diesbezüglich stellte die Beklagte am 16. Dezember 2008 gegenüber der Klägerin eine Rechnung über den Betrag von
insgesamt 12.457,19 € auf der Grundlage der DRG BO2D, wobei von ihr u.a. erlösrelevant die Nebendiagnosen F01.1 und N30.0
kodiert wurden. Die Rechnung wurde durch die Klägerin zunächst voll beglichen. Zugleich beauftragte die Klägerin den Medizinischen
Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Rechnungsprüfung. Dieser gelangte in einer Stellungnahme nach Aktenlage vom
5. Februar 2009 zu dem Ergebnis, dass die Kodierung der vorgenannten Nebendiagnosen nach der ICD-10 nicht nachvollziehbar
sei. In Ansatz zu bringen sei insoweit allein die Nebendiagnose F03. Daraufhin teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben
vom 23. Februar 2009 mit, dass die vorgenannte Rechnungsstellung statt nach der DRG BO2D nach der DRG B20E vorzunehmen gewesen
wäre, woraus unter Berücksichtigung der Abschläge eine um 4.655,11 € geringere Zahlungsverpflichtung resultiere. Gleichzeitig
forderte die Klägerin die Beklagte auf, den überzahlten Betrag bis zum 23. März 2009 zurückzuzahlen. Dem kam die die Beklagte
anschließend nicht nach.
Am 16. Juli 2009 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht in Kassel auf Zahlung von 4.655,11 € zzgl. Zinsen erhoben. Das
Sozialgericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes zunächst die Patientenakte beigezogen. Nach der durch die Klägerin veranlassten
Auswertung durch den MDK hat dieser die Nebendiagnose N30.0 nunmehr als bestätigt gesehen, weiterhin jedoch nicht die Nebendiagnose
F01.1. Folglich könne die Behandlung unverändert allein nach der DRG B20E abgerechnet werden. Die Beklagte hat anschließend
an ihrer Rechnung festgehalten. Daraufhin hat das Gericht ein Gutachten bei dem Oberarzt und Leiter der Abteilung Medizincontrolling
der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt/Main Dr. D. vom 24. September 2013 eingeholt. Danach sei die streitige
Abrechnung im Ergebnis zu Recht auf der Grundlage der DRG BO2D erfolgt. Zwar sei die Nebendiagnose F01.1 nicht durch die Behandlungsdaten
nachgewiesen. Allerdings seien zur Nebendiagnose N30.0 zusätzlich die bislang noch nicht in Ansatz gebrachten Nebendiagnosen
B95.2! und U80.4! jeweils noch erlösrelevant zu kodieren. Hierdurch verbleibe es auch ohne Kodierung der Nebendiagnose F01.1
weiterhin bei der DRG BO2D. Nach Einwänden der Klägerin hat der Sachverständige in einer hierzu eingeholten ergänzenden Stellungnahme
vom 2. März 2014 am Ergebnis seines Gutachtens festgehalten.
Mit Urteil vom 26. November 2014 hat das Sozialgericht Kassel die Klage kostenpflichtig abgewiesen, da nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme die Rechnung nicht zu beanstanden und folglich die Beklagte nicht verpflichtet sei, der Klägerin aus Anlass
der Krankenhausbehandlung der C. die geltend gemachten Kosten auf der Grundlage eines von der Klägerin geltend gemachten öffentlich-rechtlichen
Erstattungs- bzw. Rückgewährleistungsanspruches zurückzuzahlen.
Gegen das am 28. November 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Dezember 2014 Berufung eingelegt und dabei zunächst
weiterhin den erstinstanzlich eingeforderten Zahlungsanspruch geltend gemacht. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Klägerin
dann erklärt, nicht mehr an dem erstinstanzlich verfolgten Erstattungsanspruch bezüglich der Vergütung der Behandlung festzuhalten.
Stattdessen werde nunmehr die Feststellung begehrt, dass die Beklagte im Wege des Schadenersatzes verpflichtet sei, die ihr
aufgrund der Durchführung des gerichtlichen Verfahrens entstandenen und noch entstehenden Schäden zu erstatten. Die Beklagte
sei vertraglich zur ordnungsgemäßen Rechnungsstellung verpflichtet. Entgegen dieser Verpflichtungen habe sie es unterlassen,
seit Bekanntwerden der ersten Stellungnahme des MDK im Jahr 2009 ihre Abrechnung anhand der ihr selbst vorliegenden Behandlungsunterlagen
noch einmal zu überprüfen. Da ausschließlich die Beklagte über sämtliche, die Behandlung betreffenden Unterlagen bzw. Informationen
verfügt habe, sei zu verlangen, dass sie ihre Schlussrechnung vollständig, korrekt und zeitnah überprüfe und etwaige Fehler
korrigiere. Dies habe die Beklagte unterlassen. Vielmehr sei erst durch den Sachverständigen im Rahmen des Klageverfahrens
bekannt geworden, dass die den Anspruch aus der Rechnung begründenden Nebendiagnosen kodiert werden könnten.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden, welche ihr durch und im Zusammenhang
mit dem erstinstanzlichen (SG Kassel, S 12 KR 250/12) und zweitinstanzlichen (Hessisches LSG, L 8 KR 400/14) Gerichtsverfahren entstanden sind oder noch entstehen werden, zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat der Klageänderung in Form des zuletzt von der Klägerin gestellten Feststellungsantrags nicht zugestimmt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Gründe
Die im Wege der Klageänderung erhobene Feststellungsklage ist unzulässig.
Nach der Erklärung der Klägerin, die erstinstanzlich und zunächst auch im Berufungsverfahren geltend gemachte Forderung auf
Rückzahlung eines Teils der Vergütung bezüglich der vollstationären Krankenhausbehandlung der C. vom 6. bis 20. November 2008
nicht mehr weiter zu verfolgen, ist vorliegend allein noch über den mit Schriftsatz vom 24. Januar 2017 sowie in der mündlichen
Verhandlung am 26. Januar 2017 von der Klägerin gestellten Antrag zu entschieden. In Bezug auf die Abweisung des erstinstanzlich
gestellten Klageantrags durch das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 26. November 2014 sowie die zunächst Wege der Leistungsklage
geltend gemachte Erstattungsforderung wurde die Berufung im Ergebnis von der Klägerin zurückgenommen (§
158 Abs.
1 und
3 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) .
Bei der nunmehr von der Klägerin erstmals erhobenen Feststellungsklage im Hinblick auf die geltend gemachten Pflichtverletzungen
der Beklagten im Zusammenhang mit der Rechnungsstellung handelt es sich um eine Klageänderung im Sinne von §
99 SGG. Eine solche ist auch noch im Berufungsverfahren mit der Folge möglich, dass dann nur noch über eine Klage zu entscheiden
ist (Wehrhahn in Breitkreuz/Fichte,
SGG - Kommentar, 2. Auflage 2014, §
99, Rn. 19). Allerdings setzt dies voraus, dass die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich
hält (§
99 Abs.
1 SGG). Beides ist vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte hat sich ausweislich der Erklärung ihres Bevollmächtigten im Rahmen
der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht auf die geänderte Klage eingelassen und folglich nicht in die Klageänderung
eingewilligt.
Vorliegend ist die Klageänderung damit nicht zulässig, da der Senat diese nicht für sachdienlich erachtet. Bei der Entscheidung
des Gerichts über die Sachdienlichkeit der Klageänderung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Dabei sind die Interessen
der Beteiligten und die Prozessökonomie zu berücksichtigen. Eine Klageänderung kann danach als sachdienlich angesehen werden,
wenn sie dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden
kann, sodass ein neuer Prozess vermieden wird oder dadurch weitere noch anhängige Streitigkeiten erledigt oder weitgehend
mitentschieden werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, §
99, Rn. 10 f. m.w.N.). Gegen die Sachdienlichkeit der Klageänderung spricht hingegen, wenn sie dazu führt, dass der Rechtstreit
auf völlig neue Grundlage gestellt wird oder wenn über geänderte Klage mangels Prozessvoraussetzung sachlich nicht entschieden
werden könnte (BSG, Urteil vom 23. März 1993 - 4 RA 39/91, juris; Leitherer, a.a.O., Rn. 10 ff. m.w.N.).
Vorliegend steht der Zulässigkeit des von der Klägerin gestellten Feststellungsantrags entgegen, dass es dieser insoweit an
dem erforderlichen Feststellungsinteresse mangelt.
Dabei ist die Feststellungsklage zunächst nach §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG statthaft, weil der gegen die Beklagte geltend gemachte Schadenersatzanspruch, mithin der Streit über das Bestehen einer
Forderung, ein Rechtsverhältnis darstellt, über das die Beteiligten streiten. Die Feststellungsklage darf allerdings nicht
zur Umgehung anderer rechtlicher Vorgaben, insbesondere der Bindungswirkung von Urteilen oder von Verwaltungsakten benutzt
werden. Daher ist die Feststellungsklage unzulässig, wenn durch eine andere Klageart dasselbe oder sogar mehr erreicht werden
könnte. Ist eine solche an sich statthafte vorrangige Klage aus prozessrechtlichen Gründen nicht erfolgversprechend, dann
ist auch die Feststellungsklage unzulässig. Kein Rechtsschutzbedürfnis besteht weiterhin, wo eine sachliche Prüfung des Begehrens
bereits im Anfechtungs- und Leistungsverfahren erreicht wird (Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, a.a.O. § 55, Rn. 14). Die
Feststellungsklage ist danach unzulässig, wenn bereits im Rahmen einer anhängigen Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Leistungsklage
über die Sach- und Rechtsfragen zu entscheiden ist, die der begehrten Feststellung zugrunde liegen, ohne dass ein weitergehendes
Feststellungsinteresse besteht (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 55, Rn. 19a).
Vorliegend war über die Tragung der Kosten des gerichtlichen Verfahren ohnehin durch den Senat gem. §
197a SGG i.V.m. §§
154 ff.
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) zu entscheiden. Dabei räumt die Norm des §
155 Abs.
4 VwGO auch die Möglichkeit ein, die Kosten des Verfahrens unabhängig vom Erfolg der Klage bzw. eines eingelegten Rechtsmittels
der in der Hauptsache obsiegenden Partei aufzuerlegen, soweit diese schuldhaft die Entstehung der Kosten zu verantworten hat.
Ein darüber hinausgehendes berechtigtes Interesse der Klägerin an einer (nochmaligen) Feststellung der Kostenlast im Rahmen
eines Schadenersatzanspruchs vermag der Senat nicht zu erkennen.
Im Rahmen der Kostenentscheidung nach §
197a SGG war zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Ergebnis in beiden Instanzen unterlegen ist und die Berufung von ihr ohne Erfolg
eingelegt wurde (§
154 Abs.
1 und
2 VwGO). Der Senat vermochte sich auch nicht davon zu überzeugen, dass die Beklagte gemäß §
155 Abs.
4 VwGO schuldhaft zum Rechtsstreit beigetragen hat, indem von ihr bei der Rechnungsstellung eine nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
unzutreffende Kodierung in Ansatz gebracht wurde. Insoweit wurde von dem Sachverständigen Dr. D. in seinem Gutachten vom 24.
September 2013 sowie der ergänzenden Stellungnahme vom 2. März 2014 allein dargelegt, dass durch die von ihm ausgewertete
Patientenakte nicht der Nachweis erbracht konnte, dass (auch) die Voraussetzungen für eine erlösrelevante Kodierung der Nebendiagnose
F01.1 vorlagen, da eine für die gesicherte Diagnose erforderliche Kernspintomografie im streitigen Behandlungszeitraum nicht
durchgeführt wurde. Von der Beklagten wurde insoweit vorgetragen, dass die betreffende Diagnose aus ihrer Sicht bereits aufgrund
der vorliegenden Vorbefunde der überweisenden neurologischen Fachklinik als gesichert angesehen werden konnte und eine für
die Behandlung der C. nicht indizierte Kernspintomografie allein aus Abrechnungsgründen nicht durchgeführt werden konnte.
Dies bedurfte keiner weiteren Aufklärung durch den Senat, da es für den ursprünglich geltend gemachten Rückzahlungsanspruch
der Klägerin hierauf nicht mehr ankam. Da folglich nicht nachgewiesen ist, dass die Beklagte die Erhebung der Klage durch
schuldhaftes Verhalten zu verantworten hat, hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, die Beklagte gem. §
155 Abs.
4 VwGO anteilig an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.