Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende, Leistungsausschluss bei Unterbringung in stationärer Einrichtung
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende
- (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 14. Juni 2006. Streitig ist die Frage, ob die Klägerin sich in dieser Zeit
in einer Leistung ausschließenden stationären Einrichtung aufgehalten hat.
Die im April 1980 geborene Klägerin wurde am 2. August 2004 in das H. in I. aufgenommen. Dort verblieb sie bis zum 14. Juni
2006, zum 15. Juni 2006 bezog die Klägerin eine eigene Wohnung. Träger des J. ist die Katholische Kirche, und zwar der Katholische
K. in I. (L.). Ziel des Hilfeangebotes des J. ist es, Frauen zu einer selbstständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung
zu befähigen, die der Würde des Menschen entspricht.
Den wohnungslosen Frauen wird durch das Schaffen sozialer und wirtschaftlicher Voraussetzungen und durch den Aufbau zwischenmenschlicher
Beziehungen das Bleiben ermöglicht; weiterhin wird geboten Unterstützung bei der Überwindung der sozialen Schwierigkeiten,
allgemeine Lebensberatung, Beratung bei der Finanzplanung, Vermittlung an medizinische und soziale Fachdienste, weiterhin
Beratung in frauenspezifischen Angelegenheiten, Hilfen zur Ausbildung, Maßnahmen zur Erlangung und Sicherung eines Arbeitsplatzes,
Hinführung zum eigenständigen Wohnen, Unterstützung bei der Wohnungssuche, Hilfen zur Begegnung und zur Gestaltung der Freizeit,
Hilfe zur Selbsthilfe. Die Frauen leben in einer Wohngemeinschaft in Einzelzimmern verteilt auf drei Etagen; vorhanden sind
Gemeinschaftsräume, Küche, Sanitärbereich, Waschraum mit Waschmaschine und Trockner; insgesamt sind zwölf Plätze vorhanden.
Das H. ist als stationäre Einrichtung für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten anerkannt. Dementsprechend wurden
der Klägerin nach ihrer Aufnahme in die Einrichtung Sozialhilfe - Hilfe in besonderen Lebenslagen - nach § 72 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gewährt (Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten). Ab 1. Januar 2005 wurde diese Hilfe nach §§ 67 ff.
Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) fortgesetzt. Zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts erhielt die Klägerin
Leistungen nach § 35 SGB XII (ab 1. Januar 2005 - Barbetrag 89,70 EUR monatlich; Dispositionsbetrag von 282,00 EUR pro Jahr
für Bekleidung).
Nach Aufnahme der Klägerin in das H. wurde ein Gesamtplan erstellt. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin in schwierigen familiären
Verhältnissen groß geworden ist, in einem von häuslicher Gewalt geprägten Elternhaus. Ab dem 14. Lebensjahr lebte sie in einem
Heim. Es ist ihr danach nicht gelungen, eigenständig in wirtschaftlicher Unabhängigkeit in gesichertem Wohnraum zu leben.
Zum Zeitpunkt der Aufnahme in das H. war die Klägerin wohnungslos. Von November 2003 bis Mai 2004 lebte sie mit ihrem Säugling
in einer Eltern-Kind-Einrichtung in I ... Nach Wegnahme des Kindes durch Sorgerechtsentzug trat akut Wohnungslosigkeit ein.
Eine abgeschlossene schulische Ausbildung besitzt die Klägerin nicht. Als Hilfeziele im Gesamtplan wurden angegeben: Verhütung
einer Wohnungslosigkeit und Vermittlung in angemessene Wohnform, Klärung der Bezüge und Stabilisierung der Persönlichkeit,
um ein Leben in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen zu ermöglichen, Überprüfung der Arbeitsfähigkeit und Motivation
zur Arbeitsaufnahme mit Erarbeitung von realistischen umsetzbaren den Fähigkeiten entsprechenden Beschäftigungsmöglichkeiten,
Aufbau tragfähiger sozialer Beziehungen, Stärkung der Frustrationstoleranz und Dialogfähigkeit, Erweiterung hauswirtschaftlicher
Kenntnisse und Stärkung des Durchhaltevermögens sowie Vermittlung von Kompetenzen zwecks Durchsetzung formeller Belange, Stärkung
der Persönlichkeit und Sensibilisierung für problematische Verhaltensweisen. Körperliche bzw gesundheitliche Beeinträchtigungen
der Klägerin wurden nicht festgestellt, ebenso keine massive oder exzessive Einnahme von Drogen oder anderen Suchtmitteln.
Der Gesamtplan sah eine Betreuungszeit bis zu neun Monaten und darüber hinaus vor.
Mit Antrag vom 19. August 2004 begehrte die Klägerin Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 10. Dezember 2004 lehnte
die Stadt I. den Antrag ab, weil der Bezug von Arbeitslosengeld II für die Klägerin wegen der Unterbringung in einer stationären
Einrichtung ausgeschlossen sei, § 7 Abs 4 SGB II. Die Klägerin legte Widerspruch mit der Begründung ein, dass es sich bei
dem H. nicht um eine stationäre Einrichtung iS von § 7 Abs 4 SGB II handele. Sie sei dort weder untergebracht noch zwangsweise
eingewiesen, sie befinde sich dort vorübergehend auf freiwilliger Basis. Mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 16. Februar
2005 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Das H. sei eine stationäre Einrichtung. Der Aufenthalt werde länger
als sechs Monate andauern.
Die Klägerin hat am 7. März 2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Osnabrück erhoben. Sie hat vorgetragen, dass das H. keine stationäre Einrichtung iS des § 7 Abs 4 SGB II sei. Das ergebe
sich aus dem Hilfeangebot des Trägers des J., der L ... Danach solle den Bewohnern ermöglicht werden, ein eigenständiges und
selbstbestimmtes Leben zu führen. Es sei ähnlich gestaltet wie ein Frauenhaus, das ohne Zweifel nicht als stationäre Einrichtung
anzusehen sei. Die Beklagte hat erwidert, dass das H. anders als ein Frauenhaus strukturiert sei. Der Aufenthalt der Klägerin
sei mittlerweile bis Dezember 2005 verlängert. Das H. sei eine stationäre Einrichtung iS sozialhilferechtlicher Vorschriften,
also für Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten. Das SG hat der Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme mit Urteil vom 21. November 2005 stattgegeben und die Beklagte dem Grunde
nach verurteilt, der Klägerin Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das H. der Klägerin
nicht die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung abgenommen habe. Sie könne selbst darüber entscheiden, welche
Hilfe sie in Anspruch nehmen wolle. Nach Aufnahme werde ein Gesamtplan erstellt und festgestellt, in welchen Bereichen Hilfe
benötigt werde. Dabei wirke die Klägerin entscheidend mit. Für Bereiche, in denen nach Angaben des Hausbewohners Hilfe nicht
nötig sei, werde auch keine Hilfe gewährt. Der Tagesablauf könne frei gestaltet werden. Einige Bewohner gingen einer Beschäftigung
nach. Der Klägerin sei daher nicht die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Gestaltung der problematischen Lebensbereiche
und der sonstigen täglichen Lebensführung genommen worden. Das Urteil wurde der Beklagten am 3. Januar 2006 zugestellt.
Die Beklagte hat am 17. Januar 2006 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, dass die Klägerin wie die anderen Bewohner des J. nach
einem Hilfeplan umfangreiche therapeutische Hilfestellung und Anleitung in verschiedenen Problembereichen erhalte. Die Maßnahme
erfolge im Auftrag des niedersächsischen Landesamtes für zentrale soziale Aufgaben zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten
in stationären Einrichtungen. Das H. sei eine anerkannte stationäre Einrichtung für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten.
Eine Differenzierung des Begriffes stationäre Einrichtung zwischen dem SGB XII und dem SGB II werde nicht gesehen. Der streitige
Zeitraum umfasse die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 14. Juni 2006, da die Klägerin am 15. Juni 2006 eine eigene Unterkunft bezogen
habe. Im Hinblick auf das stattgebende Urteil seien ab 1. Januar 2006 vorläufig Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden.
Auch sei mit der Klägerin eine Eingliederungsvereinbarung vom 22. März 2006 nach § 15 SGB II abgeschlossen worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 21. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Maßgeblich sei darauf abzustellen, ob sie - die Klägerin - ein arbeitsuchender erwerbsfähiger
Mensch sei. Ihr Aufenthalt im H. stehe einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Trotz Unterbringung in dem H. gehe sie einem
Ein-Euro-Job nach (vom 27. März bis 26. September 2006). Sie beziehe sich weiterhin auf das Positionspapier der Bundesarbeitsgemeinschaft
Wohnungslosenhilfe zum Änderungsbedarf im SGB II. Daraus ergebe, dass Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten - wie
sie - im besonderen Maße der Betreuung von Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe bedürften, jedoch zeitgleich einer Erwerbstätigkeit
nachgingen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§
143,
144,
151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weil ihr
das anspruchsausschließende Merkmal Unterbringung in einer stationären Einrichtung erfolgreich entgegen gehalten werden kann.
Der Berufung war daher stattzugeben.
Streitige Zeit ist die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 14. Juni 2006 (Aufenthalt der Klägerin im H.). Üblicherweise legt der Senat
in Anknüpfung an die Regelung in § 41 Abs 1 Satz 3 SGB II, wonach die Leistungen jeweils für sechs Monate bewilligt und monatlich
im Voraus erbracht werden sollen, diesen Halbjahreszeitraum als streitige Zeit zugrunde. Sofern darüber hinaus Leistungen
erbracht werden sollen, setzen sie im Regelfall eine erneute Antragstellung gemäß § 37 SGB II voraus, über welchen der Sozialleistungsträger
sodann erneut zu entscheiden hat (vgl Senatsurteil vom 24. August 2006 - L 8 AS 298/05 -; siehe auch BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - Rdnr 30 im Juris-Ausdruck). Nach der BSG-Entscheidung soll unter Umständen, wenn ein erneuter Antrag auf Leistungen nach
dem SGB II abschlägig beschieden ist, dieser Bescheid in unmittelbarer Anwendung des §
96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens werden. Diese Sachverhaltsgestaltung liegt hier nicht vor, so dass eine nähere Auseinandersetzung
mit dieser Rechtsansicht nicht nötig ist. Die Erweiterung des streitigen Zeitraums über die sechs Monate hinaus beruht hier
auf einer zulässigen Klageänderung gemäß §
99 Abs
1 SGG. Dies folgt aus den Äußerungen der Beteiligten, die übereinstimmend die Zeit des Aufenthalts der Klägerin im H. vom 1. Januar
2005 bis 14. Juni 2006 als streitige Zeit ansehen. Die Klageänderung ist bei dieser Fallgestaltung auch sachdienlich, weil
der gesamten Zeit ein im Wesentlichen gleich bleibender Sachverhalt zugrunde liegt und der Streit zwischen den Beteiligten
in einem Verfahren bereinigt werden kann.
Die volljährige, in Deutschland lebende Klägerin ist dem Grunde nach anspruchsberechtigt für Leistungen nach dem SGB II. Insbesondere
bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin erwerbsunfähig iS des § 8 Abs 1 SGB II war. Danach ist erwerbsfähig,
wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Medizinische oder behinderungsbedingte Gründe in der
Person der Klägerin, die eine Erwerbstätigkeit von mindestens drei Stunden täglich verhinderten, lagen nicht vor. Das erschließt
sich aus dem Gesamtplan, der nach Aufnahme der Klägerin in das H. erstellt wurde. Grund für die Aufnahme in das H. waren soziale
Schwierigkeiten der Klägerin; der medizinische Status war unauffällig. Der psychische Status wurde als noch nicht geklärt
angesehen. Als Hilfeziele wurden Stärkung der Persönlichkeit und Sensibilisierung für problematische Verhaltensweisen angegeben
und als notwendige Maßnahmen Beratungsgespräche im Rahmen von Einzelgesprächen, im Bedarfsfall Vermittlung zu einem Therapeuten
bzw einer psychologischen Fachberatungsstelle. Daraus ergibt sich keine psychische Beeinträchtigung der Klägerin, die einer
Erwerbstätigkeit von mindestens drei Stunden täglich entgegenstand.
Das Anliegen der Klägerin könnte allerdings an fehlender Hilfebedürftigkeit scheitern, weil aufgrund der Leistungsgewährung
durch den Sozialhilfeträger während ihres Aufenthalts im H. ihr Lebensunterhalt sichergestellt war.
Leistungen für Unterkunft und Heizung stehen nicht in Streit, weil dieser Bedarf durch Leistungen des Sozialhilfeträgers während
des Aufenthaltes der Klägerin im H. gedeckt wurde. Als Einkommen ist zu berücksichtigen der Barbetrag, den die Klägerin gemäß
§ 35 Abs 2 Satz 2 SGB XII erhalten hat, also ein monatlicher Betrag in Höhe von 26 vom Hundert des Eckregelsatzes, ein monatlicher
Betrag von 89,70 EUR, der insoweit den Bedarf der Klägerin nach dem SGB II mindert. Er ist als Einkommen gemäß § 11 SGB II
anzurechnen. Das gilt ebenso für das Bekleidungsgeld. Zwar wäre der Anspruch nach § 35 Abs 2 SGB XII ausgeschlossen, wenn
die Klägerin anspruchsberechtigt nach dem SGB II ist, § 21 Satz 1 SGB XII, § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II. Da die Klägerin die Leistungen
nach § 35 Abs 2 Satz 2 SGB XII tatsächlich erhalten hat, ist dieser tatsächliche Zufluss als Einkommen nach § 11 SGB II bedarfsmindernd
zu berücksichtigen, da ansonsten im Umfang der Zahlung des Barbetrages doppelte Sozialleistungen erbracht würden, einerseits
als notwendiger Lebensunterhalt nach § 35 Abs 2 Satz 2 SGB XII andererseits Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
§ 19 Satz 1 Nr 1 SGB II.
Unter Berücksichtigung der Rechtsansicht der Klägerin - Zuständigkeit des SGB II-Leistungsträgers - wäre weiter zu bedenken,
ob dem Anspruch nicht die §§ 104, 107 SGB X entgegenstehen. Denn die Leistungserbringung durch den Sozialhilfeträger könnte zur Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X führen.
Diese Darstellung veranschaulicht den mangelnden Bedarf der Klägerin während ihrer Zeit im H ... Sie hat die ihr zustehenden
Leistungen zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts vom Träger der Sozialhilfe erhalten. Diese Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt
nach dem SGB XII entsprechen sich in der Höhe, die monatliche Regelleistung beträgt jeweils 345,00 EUR (§ 20 Abs 2 SGB II
bzw § 1 Nr 1 Verordnung über die Regelsätze nach dem SGB XII vom 25. Januar 2005, Niedersächsisches GVBl, Seite 43, in derselben
Höhe fortgeschrieben durch Verordnung vom 23. August 2005 für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2006, Niedersächsisches
GVBl, Seite 275). Auch die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung ist in vergleichbarer Weise geregelt, diese Kosten
sind vom Sozialhilfeträger tatsächlich übernommen worden. Es ist daher nicht ersichtlich, welche weiteren finanziellen Leistungen
die Klägerin vom SGB II- Leistungsträger erwartet.
Soweit die Klägerin auf Stellenangebote abhebt, kann sie diese auch ohne den Bezug von Arbeitslosengeld II erhalten. Die Agenturen
für Arbeit haben gemäß §
35 Abs
1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (
SGB III) Arbeitsuchenden Vermittlung anzubieten. Im Übrigen hat die Klägerin von der Arbeitsgemeinschaft - der Beklagten - während
ihres Aufenthaltes im H. einen so genannten Ein-Euro-Job zugewiesen erhalten, ist also in Arbeit vermittelt worden. Insoweit
kann eine rechtliche Beschwer der Klägerin nicht festgestellt werden. Der weitere Einwand der Klägerin zielt auf die in §
3 Satz 1 Nr 3a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (
SGB VI) geregelte Rentenversicherungspflicht von Arbeitslosengeld II-Beziehern. Daraus kann ein rechtlich geschütztes Interesse
im Zusammenhang im dem Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld II nicht hergeleitet werden. Denn die Versicherungspflicht
von Arbeitslosengeld II-Beziehern und die Tragung der entsprechenden Beiträge durch den Sozialleistungsträger wird im SGB
II nicht ausdrücklich als Leistung im Rahmen des Arbeitslosengeld II erwähnt. Die gesetzliche Versicherungspflicht stellt
sich daher als Annex zu dem Bezug von Arbeitslosengeld II dar. Sie ist daher nicht geeignet, im Zusammenhang mit der Geltendmachung
von Ansprüchen nach dem SGB II ein eigenständiges rechtlich geschütztes Interesse zu begründen.
Letztlich kann die möglicherweise fehlende Bedürftigkeit dahinstehen, weil der anspruchsausschließende Tatbestand des § 7
Abs 4 SGB II vorliegt. Danach erhält keine Leistungen, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht
ist oder Rente wegen Alters bezieht. Die Beklagte hat die Leistungen verweigert, weil sie den Aufenthalt der Klägerin im H.
als Unterbringung in einer stationären Einrichtung ansieht. Diese Rechtsansicht trifft zu.
Die Vorschrift des § 7 Abs 4 SGB II ist anzuwenden in der ursprünglichen oben dargestellten ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung.
Die Änderung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (vom 20. Juli 2006, BGBl I Seite 1706) findet hier keine Anwendung, weil die Änderung zum 1. August 2006 in Kraft trat, Artikel 16 Abs 1 des vorgenannten Gesetzes.
Damit erfasst die Neufassung nicht mehr den streitigen Zeitraum, der am 14. Juni 2006 endet.
Die Regelung des § 7 Abs 4 SGB II schließt Leistungen bereits dann aus, wenn nach einer Prognose zu Beginn des Aufenthalts
in der stationären Einrichtung erwartet wird, dass der Aufenthalt aller Voraussicht nach länger als sechs Monate dauern wird
(vgl LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 31. Oktober 2005 - L 7 AS 254/05 ER - NDV-RD 2006, 8). Hier bestanden keine Zweifel, dass der Aufenthalt der Klägerin im H. - der stationären Einrichtung - auf einen Zeitraum
von mehr als sechs Monaten angelegt war. Dies erschließt sich ohne weiteres aus dem nach der Aufnahme erstellten Gesamtplan,
der aufgrund der besonderen sozialen Schwierigkeiten der Klägerin einen Aufenthalt von wenigstens neun Monaten vorsah. Diese
Prognose des lang währenden Aufenthaltes wird im Nachhinein durch den tatsächlichen Aufenthalt bis zum 14. Juni 2006 bestätigt,
also ein Aufenthalt von fast zwei Jahren.
Das H. ist eine stationäre Einrichtung iS des § 7 Abs 4 SGB II. Die ursprüngliche Fassung der Vorschrift geht auf den Ausschussbericht
zurück und sollte der Anpassung an den Sprachgebrauch des SGB XII dienen, insbesondere an § 35 Abs 1 SGB XII (vgl Eicher/Spellbrink,
Kommentar zum SGB II, 2005, § 7 Rdnr 33; Hänlein in Gagel, Kommentar zum SGB III/SGB II, Loseblattsammlung Stand Dezember
2006, § 7 SGB II Rdnr 75). Da der Begriff stationäre Einrichtung im SGB II nur einmal auftaucht und nicht definiert ist, wird
zur inhaltlichen Bestimmung dieses Begriffes häufig zurückgegriffen auf Gesetzesbestimmungen des SGB XII und hier speziell
§ 13 Abs 1 Satz 2 SGB XII, wonach stationäre Einrichtungen solche sind, in denen Leistungsberechtigte leben und die erforderlichen
Hilfen erhalten. Es besteht kein Anlass, den Einrichtungsbegriff des SGB II unterschiedlich vom SGB XII zu bestimmen. Vielmehr
ist mangels Legaldefinition im SGB II hilfsweise abzustellen auf § 13 Abs 1 Satz 2 SGB XII (vgl Schumacher in Oestreicher,
Kommentar zum SGB XII/SGB II, Loseblattsammlung Stand: Juni 2005, § 7 Rdnr 27; vgl auch Peters in Estelmann, Kommentar zum
SGB II, Loseblattsammlung Stand: Februar 2005, § 7 Rdnr 38f; Senatsbeschluss vom 22. September 2005 - L 8 AS 297/05 ER). Wird dieser Einrichtungsbegriff zu Grunde gelegt, bestehen keine Zweifel an der Einrichtungseigenschaft des J ... Denn
die Klägerin hat die gesamte streitige Zeit im H. gelebt und in der gesamten Zeit die erforderlichen Hilfen erhalten. Der
Lebensunterhalt der Klägerin war durch die Zahlung der Leistungen nach § 35 Abs 1 SGB XII sichergestellt, ihre therapeutische
Betreuung wurde durch die Mitarbeiter des J. geleistet.
Zwar wird die Legaldefinition in § 13 Abs 1 Satz 2 SGB XII zur Bestimmung des Begriffs der stationären Einrichtung für ungeeignet
gehalten, weil die Erkenntnis, dass in stationären Einrichtungen Leistungsberechtigte leben und die erforderlichen Leistungen
erhalten können, für die notwendige Abgrenzung stationärer von nichtstationären Einrichtungen unbrauchbar sei (vgl Gerenkamp
in Mergler/Zink, Kommentar zum SGB II, Loseblattsammlung Stand Mai 2006, § 7 Rdnr 46; Krahmer in Lehr- und Praxiskommentar
- SGB XII, 7. Aufl 2005, § 13 Rdnr 4). Es wird daher vorgeschlagen, auf die von der früheren Rechtsprechung und Literatur
zur §§ 97 Abs 4, 100 BSHG entwickelten Auslegungsmerkmale zurückzugreifen (vgl Gerenkamp aaO., Rdnr 47; Peters in Estelmann, Kommentar zum SGB II,
Loseblattsammlung Stand Februar 2005, § 7 Rdnr 38). Das erscheint auch deshalb sinnvoll, weil § 13 Abs 1 Satz 2 SGB XII durch
das Gesetz zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze (vom 2. Dezember 2006, BGBl I Seite 2670, in Kraft ab 7. Dezember 2006, Art 3 Abs 1 dieses Gesetzes) aufgehoben worden ist. Nach der Gesetzesbegründung (Drucksache
617/06) ist das erfolgt, um klarzustellen, dass es sich beim bisherigen Satz 2 nicht um eine Definition des Begriffs "Einrichtungen"
gehandelt hat; "vielmehr greift die gefestigte Rechtsprechung zum Einrichtungsbegriff des Absatzes 2 wie bisher".
Danach ist unter einer stationären Einrichtung eine auf Dauer angelegte Kombination von sächlichen und personellen Mitteln
zu verstehen, die zu einem besonderen Zweck und unter der Verantwortung eines Trägers zusammengefasst wird und die für einen
größeren wechselnden Personenkreis bestimmt ist. Der Einrichtungsbegriff ist grundsätzlich erfüllt, wenn neben der Vollunterbringung
der Einrichtungsträger von der Aufnahme des Hilfeempfängers bis zu dessen Entlassung nach Maßgabe des angewandten Therapiekonzeptes
die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Hilfeempfängers übernimmt und Gemeinschaftseinrichtungen vorhanden
sind (vgl Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24. Februar 1994 - 5 C 24/92 - BVerwGE 95, 149; Urteil vom 24. Februar 1994 - 5 C 42/91 - FEVS 45, 52; Urteil vom 24. Februar 1994 - 5 C 17/91 - ZFSH/SGB 1995, 535; im Anschluss daran jetzt auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. März 2006 - L 13 AS 4377/05 -). Legte man diesen Einrichtungsbegriff zugrunde, ist das H. als stationäre Einrichtung anzusehen. Gerade die Entscheidung
des Bundesverwaltungsgerichts 5 C 24/92 (BVerwGE 95, 149) erging für einen Hilfesuchenden in einer sozialtherapeutischen Außenwohngruppe, der Hilfe nach § 72 BSHG erhalten hatte, also ähnlich wie die Klägerin im vorliegenden Fall.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dort näher dargelegt, dass der Hilfesuchende in der Einrichtung stationär betreut worden
sei. Der Hilfesuchende sei in der vom Sozialhilfezentrum eingerichteten Außenwohngruppe nach einem Konzept untergebracht,
das eine sozialtherapeutisch begleitete Wohnsituation bei regelmäßiger, wenn auch unterschiedlich intensiver Betreuung durch
die Mitarbeiter der Einrichtung mit dem Ziel einschloss, den Empfänger der Hilfe zu selbständiger und selbstbestimmter Lebensgestaltung
zu befähigen. Solange dieses Therapieziel noch nicht erreicht war, habe die Verantwortung für die tägliche Lebensgestaltung
des Hilfesuchenden beim Sozialzentrum gelegen, das auch begleitende Kontrollen wahrgenommen habe. Dies sei nicht nur darin
zum Ausdruck gekommen, dass der Hilfesuchende in einer vom Sozialzentrum gemieteten Wohnung und damit in den Räumen der Einrichtung
gewohnt habe; die Gesamtverantwortung des Einrichtungsträgers zeige sich vielmehr auch darin, dass der Hilfesuchende, wie
aus der Abrechnung des Gesamtaufwands des Aufenthalts in der Einrichtung über einen Tagessatz folge, die für das tägliche
Leben benötigten finanziellen Mitteln aus der Hand und damit auch unter der Kontrolle des Sozialzentrums erhalten habe. Das
Vorliegen einer stationären Einrichtung könne auch nicht deshalb verneint werden, weil die Betreuungsleistungen des Sozialzentrums
in nicht unerheblichem Umfang am Tage in Ansprechbereitschaft und abends und in der Nacht in Rufbereitschaft der Mitarbeiter
der Einrichtung bestanden habe. Denn diese Leistungen seien selbst Bestandteil des vom Einrichtungsträger praktizierten Therapiekonzepts,
wodurch dem Hilfesuchenden der erforderliche psychologische Rückhalt im Prozess des Selbständigwerdens vermittelt werden sollte.
Notfalls habe der Einrichtungsträgers korrigierend eingreifen können.
In Anwendung dieser Maßstäbe ist eine stationäre Einrichtung zu bejahen, weil die Klägerin ähnlich wie im Fall des Bundesverwaltungsgerichts
entsprechend betreut wurde. Aus dem Grunde wird das H. im Zusammenhang mit der Gewährung von Leistungen nach § 72 BSHG bzw 67 SGB XII, also bei Hilfeleistungen für Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten, als stationäre Einrichtung
angesehen und werden entsprechende Hilfeleistungen veranlasst.
Dieser Begriff der stationären Einrichtung erfährt in § 7 Abs 4 SGB II keinen Bedeutungswandel. Zwar entspricht es dogmatischen
Möglichkeiten, dass ein Begriff, je nach Sachzusammenhang, in dem er steht, eine unterschiedliche zusammenhangsbezogene Bedeutung
haben kann (vgl BSG, Urteil vom 17. Oktober 1990 - 11 RAr 109/88 - SozR 3 - 4100 § 55 a Nr 2; BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1994 - 5 C 24/92 - aaO., Rdnr 14 im Juris-Abdruck). Der Versuch, den Begriff der stationären Einrichtung in § 7 Abs 4 SGB II anders als im
SGB XII auszulegen, wird in der Weise unternommen, dass die stationäre Einrichtung des § 7 Abs 4 SGB II nur dann als stationäre
Einrichtung angesehen werden soll, wenn den darin untergebrachten Hilfebedürftigen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit iS
des § 8 Abs 1 SGB II nicht möglich sei (vgl dazu Münder/Geiger, Stationäre Einrichtungen iS des § 7 Abs 4 SGB II, Die Sozialgerichtsbarkeit
(SGb) 2007, 1, 4).
Die Konsequenz dieser Ansicht führt zu einem anderen Verständnis des Begriffs der stationären Einrichtung in § 7 Abs 4 SGB
II. Danach ist eine solche Einrichtung nur anzunehmen, wenn der Antragsteller in einer Weise untergebracht ist, dass er nicht
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich am Erwerbsleben teilnehmen kann.
Nur wenn eine Einrichtung derart strukturiert sei, dass von dieser Einrichtung aus eine Erwerbstätigkeit nicht nachgegangen
werden könne, falle sie unter den Begriff der stationären Einrichtung iS des § 7 Abs 4 SGB II (vgl dazu Münder/Geiger, aaO.,
Seite 4ff). Bei Zugrundelegung dieser Ansicht wäre das H. keine stationäre Einrichtung gemäß § 7 Abs 4 SGB II und die Klägerin
anspruchsberechtigt.
Allerdings kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden. Aufgrund der oben dargelegten Verzahnungen und Verschränkungen zwischen
den Rechtsgebieten des SGB II und SGB XII ist der Begriff der stationären Einrichtung in beiden Rechtsgebieten inhaltlich
übereinstimmend auszulegen und anzuwenden. Unterschiedliche Begriffsinhalte würden zu unnötigen praktischen Schwierigkeiten
führen, wie die vorliegende Fallgestaltung anschaulich belegt. Denn nach der abweichenden Ansicht wäre dieselbe Einrichtung
je nach Rechtsgebiet einmal als stationäre Einrichtung (nach dem SGB XII) und einmal nicht als stationäre Einrichtung (nach
dem SGB II) anzusehen. Eine derartige Aufspaltung ist lebensfremd und führt zu praktischen Schwierigkeiten in der Betreuung
der Hilfebedürftigen. Würde die Anspruchsberechtigung der Klägerin nach dem SGB II bejaht, erhielte sie trotz Aufenthalts
in einer stationären Einrichtung nach dem SGB XII keine Leistungen für ihren Lebensunterhalt nach § 35 SGB XII, wie sich aus
§ 21 Satz 1 SGB XII ergibt. Der SGB II-Leistungsträger wäre zuständig für die Regelleistung an die Klägerin, also die Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung, § 19 Satz 1 Nr 1 SGB II. Damit würden
die bestehenden Leistungsvereinbarungen zwischen Sozialhilfeträger und Einrichtungsträger zum Teil hinfällig. Denn die Vereinbarungen
enthalten auch Pauschalen für Unterkunft und Verpflegung, § 76 Abs 2 Satz 1 SGB XII, Leistungen, die Bestandteil der Regelung
in § 19 Satz 1 Nr 1 SGB II sind. Weiterhin würde die wünschenswerte Betreuung der in der stationären Einrichtung Untergebrachten
aus einer Hand entfallen. Der SGB II-Leistungsträger wäre zuständig für die Leistungen zur Bestreitung des Lebensunterhalts,
der Sozialhilfeträger und der Einrichtungsträger wären zuständig für die nötigen sozialtherapeutischen Maßnahmen. Eine derartige
Zuständigkeitsaufsplitterung wird durch die einheitliche Auslegung des Begriffs "stationäre Einrichtung" vermieden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Da die Klägerin unterliegt, trägt sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Gerichtskosten werden in Sozialhilfestreitigkeiten dieser Art nicht erhoben.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen, §
160 Abs
2 Nr
1 SGG.