Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Anschluss an ihre Einreise nach Deutschland streitig.
Die am 00.00.1985 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter der minderjährigen Kläger zu 2) bis 4) (geboren am 00.00.2018, 00.00.2015
bzw.00.00.2010). Zum Vater der Kläger zu 2) bis 4) besteht nach Angaben der Klägerin zu 1) kein Kontakt. Die Kläger sind spanische
Staatsangehörige.
Sie reisten am 14.01.2019 in das Bundesgebiet ein. Noch am selben Tag wies die Stadt Kerpen sie per Ordnungsverfügung zur
Vermeidung von Obdachlosigkeit in ein Zimmer einer Obdachlosenunterkunft in ihrem Stadtgebiet ein. Für diese Wohnung wurden
die Kläger polizeilich gemeldet. Ein Benutzungsgebührenbescheid (mtl. insgesamt 278,00 €) wurde erst für die Zeit ab Juli
2019 erlassen.
Am 16.01.2019 beantragten die - seinerzeit bereits anwaltlich vertretenen - Kläger beim beklagten Jobcenter die Gewährung
von Leistungen nach dem SGB II. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache beim Beklagten erklärte die Klägerin zu 1), sie sei mit ihren Kindern nach Deutschland
eingereist, um hier zu leben; einen anderen Grund gebe es nicht.
Der Beklagte lehnte die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II daraufhin ab (Bescheid vom 26.02.2019; Widerspruchsbescheid vom 11.03.2019). Die Klägerin zu 1) sei mit ihren Kindern in
die Bundesrepublik eingereist, um hier zu leben. Sie gehe derzeit keiner Beschäftigung nach. Damit seien die Kläger von Leistungen
des SGB II für die ersten drei Monate ihres Aufenthaltes ausgeschlossen. Im Übrigen enthielt die Begründung des Ablehnungsbescheides
folgenden Hinweis:
"Ob ein Leistungsanspruch für die Antragstellerin und die in ihrer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nach den ersten drei
Monaten ihres voraussetzungslosen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland besteht, ist erst nach Ablauf der ersten drei
Monate zu prüfen.
Wir weisen vorsorglich daraufhin, dass Frau G B dann erneut zur Antragstellung vorsprechen muss."
Die Familienkasse bewilligte der Klägerin zu 1) Kindergeld ab Februar 2019 (in Höhe von jeweils 194 € für die Kläger zu 3)
und 4) sowie 200 € für den Kläger zu 2); Bescheid vom 26.02.2019). Elterngeld in Höhe von 300,00 € mtl. erhielt die Klägerin
zu 1) für die Zeit vom 31.01.2019 bis 30.04.2020.
Zum 30.03.2019 nahm die Klägerin zu 1) eine Beschäftigung als Reinigungskraft bei der Fa. J Instandhaltungs-GmbH auf; einen
schriftlichen Arbeitsvertrag schloss sie mit der Arbeitgeberin nicht ab. Laut der persönlichen Vorsprache der Klägerin zu
1) am 04.06.2019 bei dem Beklagten, war eine monatliche Arbeitszeit von 8 Stunden vereinbart. Demgegenüber gab die Arbeitgeberin
an, dass die Klägerin zu 1) jeweils die ersten beiden Samstage eines Monats 7,5 Stunden täglich arbeiten sollte; der Stundenlohn
betrug 10,56 €. Die Klägerin zu 1) arbeitete daraufhin am 30.03.2019, 06.04.2019 (an diesem Tag für 7,75 Stunden) sowie am
13.04.2019. Zu weiteren Arbeitseinsätzen kam es nicht. Die Klägerin zu 1) erschien ab Mai nicht mehr zur Arbeit. Unter dem
24.07.2019 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum 09.08.2019. Der Lohn für März 2019 i.H.v. 77,62 € floss der
Klägerin am 12.04.2019 zu, der für April 2019 i.H.v. 157,82 € am 14.05.2019.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10.05.2019 ließen die Kläger im Hinblick auf die Arbeitsaufnahme mit einer monatlichen Arbeitsleistung
von 8 Stunden ab dem 30.03.2019 darauf hinweisen, dass ihnen SGB II-Leistungen zu gewähren seien. Der Beklagte fasste dies als Antrag auf, den er nicht beschied.
Nachdem die Klägerin zu 1) Anfang August 2019 unter Vorlage eines Arbeitsvertrages für die Zeit ab 15.07.2019 (befristet bis
31.12.2019 bei der Fa. T Hygiene GmbH mit einer Arbeitszeit von 5,45 Std/Woche) vorsprach, lehnte der Beklagte eine Leistungsgewährung
erneut ab (Bescheid vom 29.08.2019).
Die Kläger haben am 29.03.2019 Klage gegen den Bescheid vom 26.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2019
zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben.
Sie haben vorgetragen, der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II sei auf sie als spanische Staatsangehörige "denklogisch" nicht anwendbar; diese Norm gelte ausschließlich für EU-Bürger aus
Bulgarien und Rumänien. Darüber hinaus haben die Kläger geltend gemacht, dass die Beschäftigung der Klägerin zu 1) deren Arbeitnehmerstatus
begründe.
Die Kläger haben schriftsätzlich beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 26.02.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2019 zu verpflichten,
ihnen SGB-II-Leistungen nach Maßgabe des Gesetzes ab Januar 2019 zu gewähren.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat auf die Begründung seines Widerspruchsbescheides verwiesen und im Übrigen die Ansicht vertreten, ein Arbeitnehmerstatus
der Klägerin zu 1) sei aufgrund des geringfügigen Umfangs der Tätigkeit abzulehnen.
Das SG hat die Klage - im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - abgewiesen (Urteil vom 18.05.2020). Der zulässige
Klagegegenstand ergebe sich dabei aus dem Inhalt der angefochtenen Bescheide. Da der Beklagte den Antrag auf Leistungen nach
dem SGB II ausschließlich für die ersten drei Monate des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden Deutschland) abgelehnt
habe, könnten im Klageverfahren zulässigerweise nur Leistungen für diesen Zeitraum geltend gemacht werden. Bezogen auf diesen
Zeitraum sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Der Leistungsbewilligung stehe § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II entgegen. Diese Vorschrift sei anzuwenden, obwohl die Kläger zu den Staatsangehörigen des Königreichs Spanien und damit eines
Vertragsstaates des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) zählten. Denn die Bundesregierung habe im Jahr 2011 bezogen auf Leistungen
nach dem SGB II einen Vorbehalt zum EFA erklärt, der als wirksam anzusehen sei. Der Leistungsausschluss sei nach der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes (EuGH) auch mit dem Recht der Europäischen Union (EU) vereinbar. Er greife zunächst im Zeitraum vom 14.01.2019
bis zum 29.03.2019 ein, weil die Klägerin zu 1) insoweit nicht in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Der Leistungsausschluss
bestehe auch über den 29.03.2019 hinaus fort, weil die Klägerin zu 1) mit der Beschäftigungsaufnahme am 30.03.2019 keinen
Arbeitnehmerstatus im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) erworben habe. Gegen einen solchen Arbeitnehmerstatus spreche zum einen, dass die Klägerin zu 1) nicht auf der Grundlage
eines schriftlichen Arbeitsvertrages beschäftigt gewesen sei. Zum anderen habe es sich um eine geringfügige Beschäftigung
gehandelt, bei der ein Arbeitseinsatz nur an zwei Tagen pro Monat vereinbart gewesen sei. Weiterhin habe das Arbeitsverhältnis
zwar über mehrere Monate bestanden, die Klägerin zu 1) habe aber tatsächlich insgesamt nur an drei Tagen gearbeitet; ein derart
kurzfristiger Arbeitseinsatz reiche nicht aus, um einen Arbeitnehmerstatus zu begründen, der dem Leistungsausschluss entgegenstehe.
Eine Leistungsgewährung nach den Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) komme aus denselben Gründen ebenfalls nicht in Betracht.
Gegen das ihnen am 26.05.2020 zugestellte Urteil haben die Kläger am 26.06.2020 Berufung eingelegt.
Eine zeitliche Beschränkung sei dem angefochtenen Ablehnungsbescheid nicht zu entnehmen.
Die Klägerin zu 1) sei Arbeitnehmerin i.S.d Rechtsprechung des EuGH gewesen. Ohnehin ergäben sich Ansprüche aus dem EFA. Der
darauf bezogene Vorbehalt der Bundesregierung für SGB II-Leistungen gelte nur für Osteuropäer, sei aber ohnedies verfassungswidrig. Außerdem gehe die Klägerin zu 4) zur Schule und
habe in Folge dessen ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 EGV 492/2011, das einem Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II entgegenstehe und auch der Klägerin zu 1) ein anspruchsberechtigendes Aufenthaltsrecht vermittle.
Die Kläger beantragen schriftlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 18.05.2020 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 26.02.2019
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2020 zu verurteilen, ab Januar 2019 laufende Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen des SGB II zu gewähren.
Der Beklagte beantragt schriftlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Einer Leistungsgewährung stehe § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II entgegen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Sie ist der Auffassung, ein Anspruch der Kläger auf SGB XII-Leistungen komme nicht in Betracht. Es bestünden Leistungsausschlüsse nach § 23 Abs. 3 SGB XII (a.F.). Ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen bestehe schon aufgrund des den diesbezüglich relevanten Bedarf übersteigenden
Einkommens nicht.
Der Senat hat die Kläger unter Ausschlussfrist aufgefordert, Nachweise (vorzugsweise Kontoauszüge) über sämtliche Kindergeldzahlungen
- laufende und Nachzahlungen - vorzulegen. Dem ist nicht nachgekommen worden. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Aufforderung,
dar- und ggfs. zu belegen, welche Bemühungen zur Arbeitsuche die Klägerin zu 1) unternommen hat. Außerdem ist die Klägerseite
unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 02.07.2009 (B 14 AS 54/08 R) erfolglos zur Vorlage des Nachweises einer alleinigen Sorgeberechtigung der Klägerin zu 1) für die übrigen Kläger oder
zur Vorlage einer Zustimmung des Vaters der Kläger zu 2) bis 4) zur Verfahrensführung aufgefordert worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte
des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte in Abwesenheit der Beteiligten entscheiden, obwohl keiner der Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung
erschienen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Auflage 2020, §
126 Rn. 4). Darüber hinaus haben die ordnungsgemäß zum Termin geladenen Beteiligten jeweils ausdrücklich ihr Einverständnis mit
dieser Verfahrensweise erklärt.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
A.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist statthaft (§
143 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Der Beschwerdewert nach §
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGG von mehr als 750 € wird - zumal ausgehend von dem Begehren zukunftsoffener Leistungsgewährung ab Januar 2019 (insoweit auch
§
144 Abs.
1 S. 2
SGG) - überschritten.
Das Urteil des SG ist dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 26.05.2020 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Die Berufung ist sodann
schriftlich am 26.06.2020 und damit fristwahrend beim SG eingegangen (§
151 Abs.
1,
2 S. 1
SGG).
B.
Die Berufung ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist hinsichtlich der Kläger zu 2) bis 4) unzulässig (I. 1.); im
Übrigen wäre sie auch unbegründet (II.). Für die Klägerin zu 1) ist die Klage teilweise zulässig (I. 2.), aber unbegründet
(II.).
I. 1. Die Klage ist hinsichtlich der Kläger zu 2) bis 4) in Ermangelung einer ordnungsgemäßen Vertretung nicht zulässig.
a) Einer Vertretung der derzeit drei, sechs und elf Jahre alten Kläger zu 2) bis 4) bedarf es, weil diese nicht selbst prozessfähig
i.S. des §
71 Abs.
1,
2 S. 1
SGG sind. Ein Beteiligter ist nach §
71 Abs.
1 SGG prozessfähig, wenn er sich durch Verträge verpflichten kann. Die Prozessfähigkeit natürlicher Personen knüpft damit an die
Geschäftsfähigkeit an (Roller in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Auflage 2017, §
71 Rn. 14). Bei Ausländern bestimmt sich die Geschäftsfähigkeit nach dem Recht des Staates, dem sie angehören, Art.
7 Abs.
1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (
EGBGB). Regelungsgegenstand der Kollisionsnorm ist die allgemeine Rechts- und Geschäftsfähigkeit, besondere Formen fallen ebenso
wenig in den Anwendungsbereich wie mit einer erforderlichen gesetzlichen Vertretung zusammenhängende Fragen (Lipp in MüKo,
BGB, 8. Auflage 2020, Art.
7 EGBGB Rn. 17, 49ff., 63; Ludwig in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-
BGB, 9. Auflage 2020, Art.
7 EGBGB Rn. 4f., 20ff.; Mörsdorf in Prütting/Wegen/Weinreich,
BGB, 16. Auflage 2021, § 7
EGBGB Rn. 6f. m.w.N.; Mäsch in BeckOK
BGB, 08/2021, Art.
7 EGBGB Rn. 25).
Auch in Spanien wird die volle Geschäftsfähigkeit erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres erreicht (vgl. Art. 315, 322 Códigio
Civil <Cc>; Hellwege in Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts 2009 - http://hwb-eup2009.mpipriv.de/index.php/Gesch%C3%A4ftsf%C3%A4higkeit#d.29_Handeln_f.C3.BCr_den_nicht_voll_Gesch.C3.A4ftsf.C3.A4higen;
https://e-justice.europa.eu/35998/DE/rights_of_minors_in_court_proceedings?SPAIN&member=1, jeweils abgerufen am 06.10.2021).
Eine Art beschränkte Geschäftsfähigkeit kennt das spanische Recht frühestens mit der Vollendung des 16. Lebensjahres (Art.
323 Cc; Widder, Unterschiede des deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuches im Vergleich zum spanischen Código Civil in Bezug auf Rechts- und Geschäftsfähigkeit natürlicher Personen, 2007, S. 25, 29).
Soweit Minderjährige rechtsgeschäftliche Handlungen im Übrigen ausnahmsweise und nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung
vornehmen können (Widder, a.a.O. S. 25f.; z.B. Art. 663 Cc: Testierfähigkeit ab 14. Lebensjahr), liegt darin eine von Art.
7 EGBGB nicht erfasste besondere Geschäftsfähigkeit, die jeweils demjenigen Rechtsbereich zuzuordnen ist, dem sie systematisch angehört
(vgl. Ludwig a.a.O. Rn. 24; Lipp a.a.O. Rn. 38f., 44).
b) Im Übrigen richtet sich die Prozessfähigkeit nach dem lex fori (§
71 Abs.
6 SGG i.V.m §
55 Zivilprozessordnung <
ZPO; Mörsdorf a.a.O. Rn. 7; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Auflage 2020, §
71 Rn. 4; Wagner in Hauck/Behrend,
SGG, 12/2012, §
71 Rn. 29). Auch soweit es in diesem Zusammenhang auf das Rechtsverhältnis der Kläger zu 2) bis 4) zu ihren Eltern ankommt,
ist das deutsche Recht maßgebend, da die Kläger zu 2) bis 4) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (Art. 16 Abs.
1, 4, 17 i.V.m. Art.
1 Abs.
2 des Haagener Kinderschutzübereinkommens <KSÜ>, das Art.
21 EGBGB verdrängt [Art.
3 Nr. 2 EGBGB] und hinsichtlich der gesetzlichen Zuweisung der elterlichen Sorge seinerseits nicht durch den Anwendungsbereich
des Art. 8 Abs. 1 Brüssel II a-Verordnung verdrängt wird [Art. 52 Abs. 2, 4 KSÜ]; zum Ganzen Helms in MüKo,
BGB, 8. Auflage 2020, Art.
21 EGBGB Rn. 5, 13f.; Henrich in Staudinger,
BGB, 11/2019, Art.
21 EGBGB Rn. 79ff.; Stürner in Erman,
BGB, 16. Auflage 2020, Art
21 EGBGB Rn. 1).
c) Minderjährige sind gemäß §
71 Abs.
2 S. 1
SGG in eigenen Sachen prozessfähig, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand
des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.
Die Kinder der Klägerin zu 1) sind nicht nach Vorschriften des öffentlichen Rechts handlungsfähig, weil die sozialrechtliche
Handlungsfähigkeit nach §
36 Abs.
1 S. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (
SGB I) die Vollendung des 15. Lebensjahres voraussetzt (dazu: Roller in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Auflage 2017, §
71 Rn. 30).
Nach der bürgerlich-rechtlichen Vorschrift des §
107 BGB bedarf der Minderjährige zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung
seines gesetzlichen Vertreters. Die Verfahrensführung ist für die Kläger zu 2) bis 4) indes nicht lediglich rechtlich vorteilhaft.
Dies gilt für die Geltendmachung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bereits deshalb, weil eine Leistungsgewährung zum Erlöschen der Forderung führt; außerdem bestehen ein Kostenrisiko im Rahmen
des §
192 SGG sowie das Risiko der Verursachung nicht zu erstattender Kosten (vgl. BSG Urteil vom 02.07.2009, B 14 AS 54/08 R, juris Rn. 20; BSG Urteil vom 12.06.2013, B 14 AS 50/12 R, juris Rn. 15; für einen Rentenzahlungsanspruch BSG Urteil vom 09.12.1981, 1 RJ 104/80, juris Rn. 21; Roller in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Auflage 2017, §
71 Rn. 28; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Auflage 2020, §71 Rn. 4; Hamdan in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-
BGB, 9. Auflage 2020, §
1629 Rn. 28).
Die gesetzliche Vertretung des Kindes erfolgt gemäß §
1629 Abs.
1 S. 2
BGB gemeinschaftlich durch die Eltern. Ein Elternteil vertritt das Kind nur dann allein, wenn er die elterliche Sorge allein
ausübt oder ihm die Entscheidung nach §
1628 BGB übertragen worden ist, §
1629 Abs.
1 S. 3
BGB. Trotz Aufforderung des Senates ist keine dieser Voraussetzungen nachgewiesen worden oder sonst ersichtlich.
Zwar kann auch bei einem gemeinsamen Sorgerecht nur ein Elternteil zur Ausübung der Sorge befugt und damit nach §
1629 Abs.
1 S. 3
BGB alleinvertretungsberechtigt sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die elterliche Sorge eines Elternteils ruht,
weil er geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist oder weil er sie auf längere Zeit tatsächlich nicht
ausüben kann (§§
1673-
1675 BGB). Bei gemeinsamer Sorge getrennt lebender Eltern hat außerdem derjenige Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung
des anderen Elternteiles gewöhnlich aufhält, eine gesetzliche Alleinvertretungsbefugnis in Angelegenheiten des täglichen Lebens
(§
1687 Abs.
1 S. 2
BGB). Dass der Vater der Kläger zu 2) bis 4) in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt wäre, ist nicht ersichtlich. Allein die
Angabe der Klägerin zu 1) im Verwaltungsverfahren, es bestehe zum Vater kein Kontakt, kann nicht zu der Annahme führen, dass
er die elterliche Sorge nicht ausüben kann bzw. die Klägerin zu 1) ohne weiteres das alleinige Sorgerecht innehat. Das Ruhen
der Sorge bei einem tatsächlichen Hindernis ist zudem von einer familiengerichtlichen Feststellung abhängig (§
1674 Abs.
1 BGB; Döll in Erman,
BGB, 16. Auflage 2020, §
1674 BGB, Rn. 1). Bei der Führung eines gerichtlichen Verfahrens handelt es sich zuletzt auch nicht um eine Angelegenheit des täglichen
Lebens im Sinne des §
1687 Abs.
1 S. 2, 3
BGB. Zur Alltagssorge gehört lediglich das, was im täglichen Leben der Familie anfällt (Budzikiewicz in Jauernig,
BGB, 18. Auflage 2021, §
1687 Rn. 4; Beispiele bei: Hennemann in MüKo,
BGB, 8. Auflage 2020, §
1687 Rn. 18). Um eine solche Angelegenheit handelt es sich bei der Vertretung eines Kindes im sozialgerichtlichen Verfahren nicht
(BSG Urteil vom 02.07.2009, B 14 AS 54/08 R, juris Rn. 25).
Auch eine an sich zulässige Bevollmächtigung des Vaters für die Klägerin zu 1) zur Vertretung der Kläger zu 2) bis 4) oder
die nachträgliche Genehmigung vollmachtlosen Handelns (vgl. BSG a.a.O. Rn. 21 - zur fehlenden Vermittlung einer Vertretungsbefugnis über § 38 S. 1 SGB II oder §
73 Abs.
2 SGG: Rn. 22f.; BSG Urteil vom 12.06.2013, B 14 AS 50/12 R, juris Rn. 15) liegen nicht vor.
2. Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte (§§
54 Abs.
1,
4 und 56
SGG) Klage ist auch für die Klägerin zu 1) unzulässig, soweit mit ihr Leistungen für die Zeit vor dem 14.01.2019 und nach dem
13.04.2019 begehrt werden.
a) Gegenstand des Klage- wie auch des Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 26.02.2019 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 11.03.2019 (§
95 SGG). Mit diesem hat der Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II abgelehnt.
In zeitlicher Hinsicht beschränkt sich der zulässige Streitgegenstand damit auf diejenigen drei Monate ab Einreise der Kläger
in das Bundesgebiet, d. h. die Zeit vom 14.01.2019 bis 13.04.2019. Dies folgt daraus, dass der Regelungsgegenstand des angefochtenen
Ablehnungsbescheides entsprechend beschränkt war. Zwar ist den Klägern zuzugeben, dass der angefochtene Bescheid in seinem
Verfügungssatz keine ausdrückliche Einschränkung enthält. Eine solche ergibt sich aber hinreichend deutlich aus der Begründung
des Ablehnungsbescheides. Diese ist zur Auslegung (§§
133,
157 BGB) heranzuziehen (BSG Urteil vom 31.05.1989, 4 RA 19/88, juris Rn. 17; Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage 2017, § 31 Rn. 26). In der Begründung seines Ablehnungsbescheides hat der Beklagte sich ausschließlich auf den Leistungsausschluss für
die ersten drei Monate des Aufenthaltes der Kläger in der Deutschland (§ 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II) gestützt. Vor allem aber hat der Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Frage, ob im Anschluss an diese drei
Monate ein Leistungsanspruch bestehe, "erst nach Ablauf der ersten drei Monate zu prüfen [sei]"; die Klägerin zu 1) müsse
dann erneut zur Antragstellung vorsprechen. Dies kann bei verständiger Würdigung nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht
anders verstanden werden, als dass der Beklagte lediglich eine (ablehnende) Entscheidung für den oben genannten Streitzeitraum
treffen wollte.
b) Soweit seitens des SG bereits das Klagebegehren im Wege der Auslegung auf den soeben dargelegten zulässigen Klagegegenstand verengt worden ist,
bleibt der Senat zur Entscheidung über den gesamten prozessualen Anspruch berufen, weil kein Fall des §
140 Abs.
1 S. 1
SGG vorliegt (vgl. Hauck in Hauck/Behrend,
SGG, 03/2019, §
140 Rn. 23; Schütz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Auflage 2017, §
140 SGG Rn. 14f.).
II. Hinsichtlich des zulässigerweise streitigen Zeitraumes der ersten drei Monate des Aufenthaltes der Kläger in Deutschland
ist die Klage für die Klägerin zu 1) durch das SG zutreffend als unbegründet abgewiesen worden. Auch für die Kläger zu 2) bis 4) wäre sie unbegründet. Denn der angefochtene
Ablehnungsbescheid vom 26.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2019 ist rechtmäßig und beschwert die
Kläger nicht (vgl. §
54 Abs.
1 S. 2
SGG).
Den Klägern stehen die begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht zu (1.). Auch gegen den im Berufungsverfahren beigeladenen Sozialhilfeträger besteht kein Anspruch auf streitgegenständliche
Grundsicherungsleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (2.).
1. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestand nicht. Die Kläger unterlagen in den ersten drei Monaten ihres Aufenthaltes in Deutschland einem Leistungsausschluss
nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II (in der bis zum 31.07.2019 gültigen Fassung).
a) Das für die Grundsicherung für Arbeitsuchende maßgebliche SGB II bestimmt in § 7 Abs. 1 SGB II die nach diesem Gesetz Leistungsberechtigten. Die - im vorliegenden Fall ohne Zweifel vorliegenden - Grundvoraussetzungen
(hinsichtlich der Klägerin zu 1); für die Kläger zu 2) bis 4) alsdann § 7 Abs. 2 SGB II) sind nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II neben der Einhaltung von Altersgrenzen (Nr. 1 i.V.m. § 7a SGB II) und dem gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet (Nr. 4) die Erwerbsfähigkeit (Nr. 2 i.V.m. § 8 SGB II) und Hilfebedürftigkeit (Nr. 3 i.V.m. § 9 SGB II). § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II nimmt jedoch solche Ausländerinnern und Ausländer und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts
von dem Anwendungsbereich des Gesetzes aus, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder
Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 des FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind.
b) Mit den Ausnahmen des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II knüpft der deutsche Gesetzgeber an den Spielraum an, den der europäische Gesetzgeber in Art. 24 Abs. 2, 14 Abs. 4 b) der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen,
sich im Hoheitsgebiert der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (RL 2004/38/EG - sog. Freizügigkeitsrichtlinie), vorsieht. Auf der Ebene des Europarechts sind Fragen des Ausschlusses von Unionsbürgern
von (deutschen) Grundsicherungsleistungen durch den EuGH bereits - für die nationalen Gerichte bindend - geklärt. In den Rechtssachen
Dano (EuGH Urteil vom 11.11.2014, C-333/13, juris), Alimanovic (EuGH Urteil vom 15.09.2015, C-67/14, juris) und García-Nieto (EuGH Urteil vom 25.02.2016, C-299/14, juris) erklärte der EuGH die Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 SGB II für europarechtskonform.
Die Entscheidung zur Rechtssache García-Nieto betraf explizit die Vereinbarkeit des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II mit dem Gemeinschaftsrecht. Art. 24 Abs. 1 der RL 2004/38/EG und Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme
der sozialen Sicherheit (VO 883/2004/EG) seien dahingehend auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaates nicht entgegenstünden,
nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten, die sich in einer von Art. 6 RL 2004/38/EG (voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht in den ersten drei Monaten nach Einreise bei Besitz eines gültigen Personalausweises
oder Reisepasses eines anderen EU-Mitgliedstaates) erfassten Situation befinden, vom Bezug bestimmter "besonderer beitragsunabhängiger
Geldleistungen" i. S. d. Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004/EG, ausgeschlossen werden (EuGH a.a.O. Rn. 53).
c) Auch das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 EFA vom 11.12.1953 steht einer Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses nach
§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB II nicht entgegen. Zu den Vertragsschließenden des EFA gehört neben Deutschland zwar auch Spanien, so dass die Kläger zwar grds.
in den persönlichen Anwendungsbereich fallen können (siehe hierzu auch unter 2. b) bb).
Der seitens der Bundesregierung infolge des Urteils des BSG vom 19.10.2010 (B 14 AS 23/10 R, juris) am 19.12.2011 dem Europarat mit der Notifikation des SGB II nach Art. 16 Abs. b) S. 1 des EFA gleichzeitig erklärte Vorbehalt nach S. 2 der Vorschrift ist jedoch in seiner Wirksamkeit geklärt (grundlegend
mit eingehender Begründung: BSG Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 43/15 R, juris Rn. 18ff.; vgl. auch Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 7 Rn. 117 m.w.N.).
d) Ist der Leistungsausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II damit auf die Kläger als spanische Staatsangehörige anzuwenden, scheidet für die ersten drei Monate seit ihrer Einreise in
die Bundesrepublik Deutschland am 14.01.2019 ein Leistungsanspruch aus. Denn die Kläger, insbesondere die Klägerin zu 1),
sind in diesem Zeitpunkt keiner Erwerbstätigkeit i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II nachgegangen.
aa) Die Beschäftigung der Klägerin zu 1) bei der Fa. J Instandhaltungs-GmbH in der Zeit ab 30.03.2019 vermittelte ihr nicht
die Arbeitnehmereigenschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU.
(1) Nach der kasuistischen Rechtsprechung des EuGH ist der insoweit maßgebliche Arbeitnehmerbegriff i.S. des Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV; Arbeitnehmerfreizügigkeit; vgl. Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 7 Rn. 99f., 110ff.) ein autonomer Begriff des Unionsrechts, der nicht eng ausgelegt werden darf (EuGH Urteil vom 21.02.2013,
C-46/12 - Rs. N., juris Rn. 39 m.w.N.). Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass eine Person während
einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung
erhält. Die beschränkte Höhe dieser Vergütung oder der Umstand, dass sie nur eine geringe Anzahl von Wochenstunden Arbeit
leistet, schließen es nicht aus, dass eine Person als Arbeitnehmer i.S. des Art. 45 AEUV anerkannt wird. Allerdings ist für die Qualifizierung als Arbeitnehmer erforderlich, dass eine Person eine tatsächliche und
echte Tätigkeit ausübt, die keinen so geringen Umfang hat, dass sie sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstellt
(EuGH a.a.O. Rn. 40-42; BSG Urteil vom 27.01.2021, B 14 AS 42/19 R, juris Rn. 17). Die Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft erfordert eine Gesamtbeurteilung aller Umstände des Einzelfalles
(EuGH a.a.O. Rn. 43). Das Bestehen von Urlaubsansprüchen und Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder die
Anwendung von Tarifverträgen sprechen allerdings für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft i.S. des Art. 45 AEUV (EuGH Urteil vom 04.02.2010, C-14/09 - Rs. Genc, juris).
Diese Maßgaben konkretisierend muss die Vergütung in einem Arbeitsverhältnis nicht unterhaltssichernd sein (EuGH Urteil vom
03.06.1986, C-139/85 - Rs Kempf - juris; Urteil vom 04.02.2010, C-14/09 - Rs. Genc, juris), sie darf aber nicht nur symbolischen Charakter haben. Die Gewährung von Kost und Logis kann ausreichen,
wenn dieses im Verhältnis zu Art und Umfang der Tätigkeit nicht völlig unangemessen ist (EuGH Urteil vom 05.10.1988, C-196/87 - Rs. Steymann: Hausmeistertätigkeit; Urteil vom 24.01.2008, C-294/06 - Rs. Payir u.a.: Au-Pair mit zusätzlicher Vergütung von ca. 103 € je Woche, jeweils juris). Ein langjähriger Bestand des
Arbeitsverhältnisses ist ein Indiz für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft (EuGH Urteil vom 04.02.2010, C-14/09 - Rs. Genc. juris: Raumpflegerin über einen Zeitraum von fast vier Jahren), aber auch Beschäftigungen von kurzer Dauer können
dem Anwendungsbereich des Art. 45 AEUV unterfallen (vgl. EuGH Urteil vom 04.06.2009, C-22/08 und C-23/08 - Rs Vatsouras/Koupatantze: sieben Wochen; EuGH Urteil vom 06.11.2003, C-413/01 - Rs. Ninni-Orasche: zweieinhalb Monate als Kellnerin, jeweils juris). Ab einer Arbeitsstundenzahl von zehn Wochenstunden
ist jedenfalls in aller Regel von einem Arbeitsverhältnis auszugehen (vgl. EuGH Urteil vom 14.12.1995, C-444/93 - Rs. Megner und Scheffel: Raumpflegerin mit bis zu zwei Stunden je Werktag; Urteil vom 13.07.1989, C-171/88 - Rs. Rinner-Kühn: wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden; Urteil vom 03.06.1986, C-139/85 - Rs. Kempf: Musiklehrer mit zwölf Wochenstunden; Urteil vom 03.07.1986 - C-66/85 - Rs. Lawrie-Blum: Studienreferendarin mit bis zu elf Wochenstunden, jeweils juris). "Sehr wenige Stunden" sind ein Anhaltspunkt
für eine nur untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit (EuGH Urteil vom 26.02.1992, C-357/89 - Rs. Raulin, juris), wobei auch bei 5,5 Wochenstunden und einem Monatslohn von 175,00 € im Rahmen einer Gesamtbetrachtung
den nationalen Stellen möglich bleiben soll, dem Beschäftigten die Arbeitnehmerschaft zuzuerkennen (EuGH Urteil vom 04.02.2010,
C-14/09 - Rs Genc, juris; eine Darstellung der EuGH-Rechtsprechung findet sich auch bei Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht,
13. Auflage 2020, § 2 FreizügG/EU Rn. 45 ff.).
(2) Bei der hiernach vorzunehmenden Gesamtwürdigung ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanzen
abzustellen (BVerwG Urteil vom 19.04.2012, 1 C 10/11, juris Rn. 17), so dass sich ggfs. eine ex post Betrachtung des in Rede stehenden Arbeitsverhältnisses ergibt und nicht etwa
der Zeitpunkt dessen Begründung maßgebend ist.
Angesichts der Vorgaben des EuGH hat sich in der nationalen Rechtsprechung ein ebenfalls kasuistischer Rahmen entwickelt.
Das BSG hat einer Wochenarbeitszeit von 7,5 Stunden und einem Monatsverdienst von lediglich 100 € bei einer knapp fünfmonatigen Beschäftigung
keine der Arbeitnehmereigenschaft entgegenstehende Bedeutung beigemessen (BSG Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R, juris Rn. 3, 18; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Auflage 2020, § 2 FreizügG/EU Rn. 49; insbesondere unter Bewertung nicht eingehaltener vertraglicher Vereinbarungen strenger: LSG Mecklenburg-Vorpommern
Urteil vom 11.04.2017, L 10 AS 194/14, juris Rn. 34) und zuletzt die Arbeitnehmereigenschaft bei einem knapp einjährig bestehenden Arbeitsverhältnis und arbeitsvertraglich
vereinbarten 30 Stunden im Monat mit einer Vergütung von 100-250 € (BSG Urteil vom 12.09.2018, B 14 AS 18/17 R, juris Rn. 21f.) ebenso bejaht wie im Falle einer zweimonatigen Beschäftigung mit einer monatlichen Vergütung von 500 €
(BSG Urteil vom 27.01.2021, B 14 AS 42/19 R, juris Rn. 23).
Das LSG Niedersachsen Bremen hat unter Gewichtung weiterer Einzelfallumstände eine tatsächliche Beschäftigung über drei Monate
mit einer faktischen Arbeitszeit von 30 Stunden im ersten und jeweils rund 7 Stunden im zweiten und dritten Monat als ausreichend
erachtet (Beschluss vom 11.11.2014, L 8 SO 306/14 B ER, juris; ähnlich: Hessisches LSG Beschluss vom 07.01.2015, L 6 AS 815/14 B ER, juris Rn. 10). Das LSG Sachsen-Anhalt hat eine Dauer des Arbeitsverhältnisses von fünf Wochen bei einer wöchentlichen
Arbeitszeit von elf Stunden und einem monatlichen Bruttoeinkommen von 451 € (Beschluss vom 29.04.2016, L 4 AS 182/16 B ER, juris Rn. 35) bzw. eine wöchentliche Arbeitszeit von 4,5 Stunden bei einer stündlichen Vergütung von 8,50 € (Urteil
vom 24.06.2016, L 4 AS 249/16 B ER, juris Rn. 31) als hinreichend anerkannt. Der Bruttolohn von 165,75 € bewege sich in dem vom EuGH vorgezeichneten Bereich
und könne nicht als bloße Gelegenheitsbeschäftigung angesehen werden.
Der 19. Senat des LSG NRW (Beschluss vom 28.09.2017, L 19 AS 1540/17 B ER, juris Rn. 25) hat entschieden, dass eine berufliche Tätigkeit von drei Stunden pro Woche bei einer monatlichen Entlohnung
von 117 € nicht die Anforderungen eines rechtlich relevanten Beschäftigungsverhältnisses erfülle, dies allerdings maßgeblich
wegen einer fehlenden Anmeldung zur Sozialversicherung (vgl. zur Mindestanforderung der Anmeldung zu den Zweigen der Sozialversicherung
für eine legale und nur in diesem Fall schützenswerte Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt: BVerwG Urteil vom 19.04.2012,
1 C 10/11, juris Rn. 22; LSG NRW Beschluss vom 13.07.2017, L 2 AS 890/17 B ER, juris Rn. 21 m.w.N.).
Der erkennende Senat hat etwa einen monatlichen Verdienst von etwa 160 € aufgrund unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse
als für die Begründung des Arbeitnehmerstatus ausreichend erachtet (Senatsbeschlüsse vom 07.10.2016, L 12 AS 965/16 B ER, juris Rn. 16ff., vom 16.12.2016, L 12 AS 1420/16 B ER, juris Rn. 25 und vom 04.07.2016, L 12 AS 391/16 B ER, nicht veröffentlicht).
bb) Soweit der Beklagte starr eine Mindestwochenarbeitszeit von 8 Stunden für erforderlich hält, beachtet er die aufgezeigte
Mehrdimensionalität der Arbeitnehmereigenschaft im europarechtlichen Sinne damit zwar nicht ausreichend. Unter Zugrundelegung
des durch die aufgezeigte Rechtsprechung gesteckten Rahmens vermittelt die für den zulässig streitbefangenen Zeitraum wesentliche
Beschäftigung der Klägerin zu 1) bei Fa. J Installations-GmbH aber keine Arbeitnehmereigenschaft. In der Gesamtschau spricht
hiergegen zuvörderst die geringe Arbeitszeit. Nach den Angaben der Arbeitgeberin sollte die Klägerin zu 1) nach der mündlichen
Vertragsabrede lediglich an zwei Tagen im Monat (die ersten beiden Samstage) für jeweils 7,5 Stunden als Reinigungskraft eingesetzt
werden. Bei einem vereinbarten Stundenlohn von 10,56 € brutto hätte sich zwar ein monatlicher Bruttolohn von immerhin 158,40
€ ergeben. Dabei ist indes zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 1) innerhalb des rechtlich rund fünf Monate bestehenden
Arbeitsverhältnisses tatsächlich lediglich an drei Tagen (30.03.2019, 06.04.2019 und 13.04.2019) gearbeitet und in der Folge
für den Monat März einen Lohn in Höhe von lediglich 77,62 € und im April i.H.v. 157,82 € netto erzielt hat. Denn der Arbeitsvertrag
ist nicht über den Monat April 2019 hinaus durchgeführt worden. Die Klägerin ist ab Mai 2019 ohne weiteres nicht mehr zur
Arbeit erschienen und hat sich offenbar selbst nicht vertraglich gebunden gesehen. Auffällig ist insoweit auch das abweichende
Verständnis der vereinbarten Rahmenbedingungen. Laut persönlicher Aussage und anwaltlichem Vortrag sollte die Beschäftigung
lediglich 8 Stunden im Monat betragen. Für das Vorliegen einer lediglich untergeordneten Tätigkeit spricht flankierend das
Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrages mit ergänzenden Vereinbarungen zu Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Probezeit
und Kündigungsfristen.
e) In Ermangelung einer Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin zu 1) in den ersten drei Monaten nach der Einreise in die Deutschland
kann der Leistungsausschluss der Kläger, deren Ansicht entgegen, damit auch nicht ausgehend von einem Aufenthaltsrecht der
Klägerin zu 4) wegen eines Schulbesuches entfallen. Das damit angesprochene Recht nach Art. 10 VO 492/2011/EU (zum Verstoß
des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2c) SGB II in der bis zum 31.12.2020 gültigen Fassung gegen EU-Recht: EuGH Urteil vom 06.10.2020, C-181/19 - Rs. Jobcenter Krefeld, juris) vermittelt Kindern eines Staatsangehörigen (und in der Folge den tatsächlich sorgenden sorgeberechtigten
Elternteilen; vgl. EuGH Urteil vom 30.06.2016, C-115/15 - Rs. NA, juris Rn. 54; BSG Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 43/15 R, juris Rn. 31) nur dann ein originäres Aufenthaltsrecht zur Beendigung der Ausbildung, wenn dieser im Hoheitsgebiet eines
anderen Mitgliedstaats als Arbeitnehmer im dargelegten Sinne (d) beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist (hierzu: BSG a.a.O. Rn. 30; Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 7 Rn. 139ff.).
2. Die Kläger haben auch keinen Anspruch gegen die Beigeladene auf Leistungen nach dem SGB XII, weder auf Existenzsicherung durch Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (a) noch auf sogenannte Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 S. 3-6 SGB XII (b).
a) Die Kläger haben keinen Anspruch auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach §§ 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. 19 Abs. 1 i.V.m. 27 Abs. 1 SGB XII. Sie unterlagen insoweit dem § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II (vgl. 1. c) entsprechenden Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB XII in der seit dem 29.12.2016 gültigen Fassung (vgl. Groth in BeckOK, SGB XII, 06/2021, § 23 Rn. 16g; zur alten Rechtslage hingegen: BSG Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, juris Rn. 44ff; BSG Urteil vom 23.02.2017, B 4 AS 7/16 R, juris Rn. 27ff.). In Bezug auf dessen Europarechtskonformität sind die Ausführungen zu § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II übertragbar. Auch insoweit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EU (hier nicht durch Art. 4 VO 883/2004 flankiert) gem. Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EU einschränkbar (vgl. BSG Urteil vom 09.08.2018, B 14 AS 32/17 R, juris Rn. 33; Groth, a.a.O. Rn. 16j; Brall in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB I, 3. Auflage 2018, Art. 3 VO 883/2004/EG Rn. 77).
b) Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 des EFA steht einer Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses nicht entgegen (zur möglichen
Vermittlung eines Leistungsanspruches auch seit der ab 29.12.2016 gültigen Rechtslage: Senatsbeschluss vom 26.03.2021, L 12
SO 385/20 B ER, juris Rn. 21; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, 07/2021, § 23 Rn. 51; Siefert in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, § 23 Rn. 74), weil sich die Kläger im maßgeblichen Zeitraum nicht "erlaubt" i.S.d. Art. 11 EFA in Deutschland aufgehalten haben (vgl. zum erlaubten Aufenthalt: BSG Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 59/13 R, juris Rn. 23ff.). Insoweit bestand - nachdem insbesondere ein materielles Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin der Klägerin
zu 1) nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU auszuschließen ist (vgl. 1 d) - auch keine materielle Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU; dazu sogleich bb).
aa) Für den zur Anwendung des Gleichbehandlungsgebots des Art 1 EFA erforderlichen "erlaubten" Aufenthalt genügt die von den
materiellen Freizügigkeitsberechtigungen zu unterscheidende generelle Freizügigkeitsvermutung für EU-Ausländer, für deren
rechtmäßige Einreise nach Deutschland ein gültiger Pass reicht (§ 2 Abs. 5 FreizügG/EU - voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht in den ersten drei Monaten), nicht. Aufgrund der generellen Freizügigkeitsvermutung
muss der Aufenthalt eines EU-Ausländers zumindest solange als rechtmäßig angesehen werden, bis die zuständige Ausländerbehörde
das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts aufgrund von § 5 Abs. 4 FreizügG/EU bzw. der Missbrauchstatbestände in § 2 Abs. 7 FreizügG/EU festgestellt und damit nach § 7 Abs. 1 FreizügG/EU die sofortige Ausreisepflicht begründet hat. Diese generelle Freizügigkeitsvermutung allein eröffnet indes nicht nur keinen
Zugang zu Leistungen nach dem SGB II bzw. steht dem Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II nicht entgegen (vgl. BSG Urteil vom 30.08.2017, B 14 AS 31/16 R, juris Rn. 23; BSG Urteil vom 09.08.2018, B 14 AS 32/17 R, juris Rn. 20), sondern beinhaltet auch keine "Erlaubnis" des Aufenthalts im Sinne des EFA, die den Zugang zur Inländergleichbehandlung
eröffnet und für die eine materielle Freizügigkeitsberechtigung (§ 2 Abs. 2 FreizügG/EU) oder ein anderes Aufenthaltsrecht erforderlich ist (vgl. BSG Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 59/13 R, juris Rn. 25; BSG Urteil vom 09.08.2018, B 14 AS 32/17 R, juris Rn. 35).
bb) Ein materielles Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche lässt sich nicht feststellen. Der Begriff der Arbeitsuche ist in diesem
Kontext freizügigkeitsrechtlich geprägt (BSG Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, juris Rn. 17). Die Vorschrift vermittelt das Recht, sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben und sich zu diesem
Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen. Die Annahme, dass der Betreffende begründete Aussicht hat, eingestellt
zu werden, ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn der Unionsbürger nachweisen kann, dass er - objektivierbar nach außen
hin zum Ausdruck gebracht - ernsthaft und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht (LSG NRW Beschluss vom 09.09.2015,
L 19 AS 1260/15 B ER, juris Rn. 22 mit Nachweisen aus der EuGH-Rspr.; Hessisches LSG Beschluss vom 07.04.2015, L 6 AS 62/15 B ER, juris Rn. 49; Sächsisches OVG Beschluss vom 02.02.2016, 3 B 267/15, juris Rn. 10; OVG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 23.06.2016, 2 O 165/15, juris Rn. 6; zum alten Recht noch: Bayerischer VGH Beschluss vom 11.02.2014, 10 C 13.2241, juris Rn. 5; dazu auch: Tewocht in BeckOK, AuslR, 07/2021, § 2 FreizügG/EU Rn. 29, unter Verweis auf: GA Lenz Schlussanträge vom 14.01.1987, C-316/85 - Rs. Lebon, juris Rn. 47). Zum Nachweis eines solchen Aufenthaltsrechts genügt damit nicht allein, dass ein Unionsbürger
erklärt, sich zur Arbeitsuche in der Deutschland aufzuhalten; vielmehr sind ernsthafte Bewerbungsbemühungen über eine Antragstellung
beim Grundsicherungsträger hinausgehend sowie eine begründete Erfolgsaussicht zu belegen bzw. zu konkretisieren (Senatsbeschluss
vom 26.03.2021, L 12 SO 385/20 B ER, juris Rn. 16; LSG NRW Beschluss vom 06.07.2015, L 19 AS 931/15 B ER, juris Rn. 25).
Gleichwohl die Klägerin zu 1) zum 30.03.2019 eine kurzfristige Beschäftigung aufgenommen hat, sind diese Voraussetzungen nicht
erfüllt; zumal diese Beschäftigung als Reinigungskraft - wie dargelegt - ob ihrer Geringfügigkeit keine Arbeitnehmereigenschaft
begründete. Dass die Klägerin mit begründeter Aussicht auf Erfolg eine entsprechende Beschäftigung (in den ersten drei Monaten
ihres Aufenthaltes) gesucht hätte, ist nicht dargetan. Auf die Aufforderung des Senates, näher vorzutragen, wie es zu dem
Beschäftigungsverhältnis bei der J GmbH gekommen ist, ob sich die Klägerin eigeninitiativ beworben oder sie auf eine Stellenanzeige
geantwortet hat bzw. wie sie dem Arbeitgeber vermittelt worden ist, und die Bitte darzulegen, ob daneben (noch andere) Bemühungen
zur Arbeitsuche unternommen worden sind und etwaige Nachweise vorzulegen, ist klägerseitig trotz Erinnerung nicht reagiert
worden. Nachweise oder Anhaltspunkte für eine Ausbildung der Klägerin zu 1), die die Aussicht auf eine Beschäftigung erhöhen
könnten, fehlen. Das Verhalten der Klägerin zu 1) im Rahmen ihrer Beschäftigung bei der J GmbH lässt ein ernsthaftes und mit
begründeten Erfolgsaussichten versehenes Bemühen um Erlangung eines Arbeitsverhältnisses fernliegend erscheinen. So ist die
Klägerin zu 1) nach etwas mehr als einem Monat Beschäftigung mit lediglich drei Einsatztagen nicht mehr zur Arbeit erschienen,
so dass ihr schließlich arbeitgeberseitig gekündigt worden ist.
c) Die Kläger haben zuletzt auch keinen Zahlungsanspruch auf Überbrückungsleistungen aus § 23 Abs. 3 S. 3-6 SGB XII gegen die Beigeladene für den zulässig streitigen Zeitraum. Weder sind entsprechende Leistungen Streitgegenstand (aa) noch
liegen - mangels Ausreisebereitschaft - die tatbestandlichen Voraussetzungen vor (bb).
Gemäß § 23 Abs. 3 S. 3 SGB XII werden hilfebedürftigen Ausländern, die § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII n.F. unterfallen, bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren
nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist
beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen nach S. 3. Gemäß § 23 Abs. 3 S. 5 SGB XII umfassen die Überbrückungsleistungen (1.) Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege,
(2.) Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe, einschließlich der Bedarfe nach §
35 Abs. 4 und § 30 Abs. 7 SGB XII, (3.) die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich
der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten
oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen und (4.) Leistungen nach § 50 Nr. 1 bis 3 SGB XII (Hilfen bei Schwangerschaft und Mutterschaft). Gemäß § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII werden, soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, Leistungsberechtigten nach S. 3 zur Überwindung einer besonderen
Härte andere Leistungen im Sinne von Abs. 1 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu
erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung
einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist.
aa) Der Senat hält an der Auffassung fest, dass derartige Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 S. 3 bis 6 SGB XII als "aliud" regelmäßig einen eigenständigen, nicht einbezogenen Streitgegenstand im Verhältnis zu einem Anspruch auf laufende
Grundsicherungsleistungen zum Lebensunterhalt darstellen (Senatsbeschluss vom 21.06.2017, L 12 AS 807/17 B ER, juris Rn. 29; so auch: LSG NRW Urteil vom 19.11.2020, L 19 AS 1204/20, juris Rn. 61; LSG NRW Beschluss vom 31.08.2017, L 20 SO 319/17 B ER, juris Rn. 50; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom
26.05.2017, L 15 AS 62/17 B ER, juris Rn. 21; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, 07/2021, § 23 Rn. 86; Deckers in Grube/Wahrendorf/Flint, 7. Auflage 2020, SGB XII § 23 Rn. 70; Birk in LPK-SGB XII, 12. Auflage 2020, § 23 Rn. 38; in Bezug auf den Streitgegenstand anders: LSG NRW Beschluss vom 28.01.2018, L 7 AS 2299/17 B, juris Rn. 15; möglicherweise auch: BSG Urteil vom 27.01.2021, B 14 AS 25/20 R, juris Rn. 36, allerdings unter Bezugnahme auf Hessisches LSG Beschluss vom 21.08.2019, L 7 AS 285/19 B ER, juris Rn. 51). Denn der Bezug der Überbrückungsleistungen ist im Grundsatz - anders als bei laufenden Leistungen -
auf den Zeitraum von einem Monat beschränkt und er dient der Vorbereitung der Ausreise aus dem Bundesgebiet (vgl. bb; LSG
NRW Beschluss vom 14.11.2018, L 19 AS 1434/18 B ER, juris Rn. 25; Hessisches LSG a.a.O.; Siefert in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, § 23 Rn. 115). Entsprechend stellen diese Leistungen nicht lediglich ein "Minus" innerhalb des auf laufende Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhaltes gerichteten prozessualen Anspruches dar, wie sie die Kläger gegenüber dem Beklagten beantragt haben
(so aber Hessisches LSG Urteil vom 01.07.2020, L 4 SO 120/18, juris Rn. 58). Dabei ist es unerheblich, dass § 23 Abs. 3 SGB XII im Gegenüber zu § 23 Abs. 3a SGB XII kein Antragserfordernis enthält und insofern der Kenntnisgrundsatz (§ 18 Abs. 1 SGB XII) gilt (a. A. Hessisches LSG a.a.O., s. andererseits Rn. 61). Denn die Frage nach einem Antragserfordernis ist von der Frage
zu unterscheiden, auf welche Leistungen das (Klage)begehren zielt (§
123 SGG). So unterliegt es keinen Zweifeln, dass selbst innerhalb laufender Leistungen zum Lebensunterhalt abtrennbare Streitgegenstände
möglicher Gegenstand eines Klage- aber auch Verwaltungsverfahrens sein können (BSG Urteile vom 10.11.2011, B 8 SO 18/10 R, juris Rn. 12; vom 04.06.2014, B 14 AS 42/13 R, juris Rn. 12 ff. und vom 06.08.2014, B 4 AS 55/13 R, juris Rn. 12: Kosten der Unterkunft und Heizung; BSG Urteil vom 26.08.2008, B 8/9b SO 10/06 R, juris Rn. 12ff.; BSG Urteil vom 18.07.2019, B 8 SO 4/18 R, juris Rn. 11: besondere Bedarfe). Soweit sich ein Hilfesuchender - wie hier - zur Gewährung
laufender Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende an den SGB II-Träger gewandt und gegen diesen Klage erhoben hat, ist zwar nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§
133,
157 BGB) davon auszugehen, dass sein Begehren sich (hilfsweise) auch auf eine Gewährung dem entsprechender Leistungen zum Lebensunterhalt
nach dem Dritten (ggfs. ergänzt um Leistungen nach dem Fünften) Kapitel des SGB XII bezieht (vgl. insoweit die gesetzliche Wertung in §
75 Abs.
2 Alt. 2
SGG), abseits besonderer Konstellationen, also im Regelfall aber nicht, dass er auch auf Leistungen zielt, deren Inhalt und Zweckrichtung
gerade nicht einem laufenden Bezug entsprechen. Jemand, der dauerhaft im Bundesgebiet bleiben möchte und laufende Sozialleistungen
beantragt, wird im Regelfall nicht zugleich Leistungen wollen, die seine Ausreise voraussetzen und nur die Zeit bis dahin
überbrücken sollen (Siefert in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, § 23 Rn. 115). Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass ein Anspruch nach § 23 Abs. 3 S. 3 SGB XII im Grundsatz nur einmal in zwei Jahren besteht und es dem disponierenden Willen des Hilfesuchenden widersprechen kann, ihm
den Zeitpunkt der Inanspruchnahme "meistbegünstigend" (Hessisches LSG a.a.O. Rn. 61) aufzudrängen. Auch in diesem Lichte ist
ausdrücklich vorgesehen, dass der Hilfesuchende über Möglichkeit und Grenzen der Inanspruchnahme von Überbrückungsleistungen
zu unterrichten ist (§ 23 Abs. 3 S. 4 SGB XII; eine Erläuterung fehlt in der Gesetzesbegründung, BT-Drs 18/10211, S. 15f.; vgl. Groth in BeckOK, SGB XII, 09/2021, § 23 Rn. 17c).
Aus systematischen und teleologischen Gründen ergibt sich auch für Härtefallleistungen nach § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII nichts anderes (a. A. Siefert in Schegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, § 23 Rn. 115). Die Härtefallregelungen knüpfen schon hinsichtlich des personellen Anwendungsbereiches an die Überbrückungsleistungen
des § 23 Abs. 3 S. 3 SGB XII an. Voraussetzung ist insofern, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 23 Abs. 3 S. 3 SGB XII erfüllt sind (LSG Baden-Württemberg Urteil vom 07.11.2019, L 7 SO 934/19, juris Rn. 49). Aus der systematischen Verklammerung
folgt zugleich, dass auch die Härtefallleistungen final auf die Ausreise gerichtet bleiben und hiernach kein Minus innerhalb
eines auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt gerichteten Begehrens darstellen.
bb) In tatbestandlicher Hinsicht setzen § 23 Abs. 3 S. 3, 5, 6 SGB XII korrespondierend zudem mindestens eine Ausreisebereitschaft voraus (vgl. auch Bayerisches LSG Beschluss vom 24.04.2017, L
8 SO 77/17 B ER, juris Rn. 44; Siefert in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, § 23 Rn. 100). Hieran fehlt es bei den Klägern im streitigen Zeitraum, die gerade erst eingereist waren - nach eigenem Bekunden
- allein um in Deutschland zu leben.
Soweit dem Erfordernis der Ausreisebereitschaft der Wortlaut entgegengehalten wird, der ein entsprechendes nicht aufstelle
(Hessisches LSG Urteil vom 01.07.2020, L 4 SO 120/18, juris Rn. 65; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 11.07.2019, L 15 SO
181/18, juris Rn. 61; Siefert in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, § 23 Rn. 100), ist zwar zuzugeben, dass ein subjektives Moment nicht ausdrücklich festgelegt ist. Es ist jedoch notwendige Bedingung
der im Gesetzestext deutlich zum Ausdruck gebrachten objektiven Zweckrichtung der Überbrückungsleitungen. Entsprechend lässt
der Wortlaut als Grenze jeder Auslegung das Verständnis nicht nur zu, sondern impliziert es vielmehr in der Formulierung,
es werde eine eingeschränkte Hilfe gewährt, "um" den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken. Auch der durch das Gesetz angebrachte
Begriff der "Überbrückungsleistungen" lässt an der Intention des Gesetzgebers keinen Zweifel (LSG Baden-Württemberg Urteil
vom 07.11.2019, L 7 SO 934/19, juris Rn. 49; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 06.02.2019, L 2 AS 507/18 B ER, juris Rn. 61). Die Überbrückungsleistungen dienen dem Ziel, EU-Ausländern, die kein Aufenthaltsrecht oder allein ein
Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche haben bzw. ihren Aufenthalt auf § 2 Abs. 5 FreizügG/EU stützen können, eine Ausreise zu ermöglichen respektive sie hierzu zu bewegen, ohne - wie im Falle eines Aufenthaltsrechtes
zur Arbeitsuche oder des voraussetzungslosen Aufenthaltes während der ersten drei Monate ohnedies nicht möglich - eine Ausreisepflicht
zu vollziehen (vgl. BT-Drs. 18/10211, S. 16; unbeachtet von LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 11.07.2019, L 15 SO 181/18,
juris Rn. 66). Insofern ist die Ausreisebereitschaft notwendige Voraussetzung zur Erreichung des Gesetzeszweckes. Anders gewendet,
liegt daher für den hier zulässig streitbefangenen, abgeschlossen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum keine § 23 Abs. 3 S. 3, 5 SGB XII entsprechende Bedarfslage vor (LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 06.02.2019, L 2 AS 507/18 B ER, juris Rn. 61).
Aus nachfolgenden Gründen (vgl. 3.) wird ein abweichendes Verständnis auch nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung
(insbesondere über die Härtefallregelung in § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII) diktiert. Ohnehin steht der im Wortlaut verdeutlichte evidente Gesetzeszweck (Groth in BeckOK, SGB XII, 06/2021, § 23 Rn. 17b; BT-Drs. 18/20211, S. 14) Bestrebungen (Hessisches LSG Urteil vom 01.07.2020, L 4 SO 120/18, juris Rn. 74ff.; Siefert
in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, § 23 Rn. 108) entgegen, aus verfassungsrechtlichen Gründen die Ansprüche auf Überbrückungsleistungen in laufende Leistungen zum
Lebensunterhalt zu transformieren (vgl. die Konstellation BVerfG Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, juris Rn. 89; ferner: BVerfG Beschluss vom 16.12.2014, 1 BvR 2142/11, juris Rn. 86; BVerfG Beschluss vom 06.06.2018, 1 BvL 7/14, juris Rn. 73; wie hier: LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 27.11.2019, L 7 SO 3873/19 ER-B, juris Rn. 27; SG Darmstadt
Beschluss vom 14.01.2020, S 17 SO 191/19 ER, juris Rn. 588).
3. Der Senat vermag sich nicht davon zu überzeugen (vgl. zum Maßstab BVerfG Beschluss vom 18.06.2008, 2 BvL 6/07, juris Rn. 44; BVerfG Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, juris Rn. 60), dass der festzustellende vollständige Leistungsausschluss von laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
gegen das
Grundgesetz (
GG), namentlich das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art.
1 GG i.V.m. Art.
20 Abs.
1 GG (vgl. insb. BVerfG Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, juris Rn. 62 ff.; jüngst: BVerfG Urteil vom 05.11.2019, 1 BvL 7/16, juris Rn. 117, 120, 124) oder den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art.
3 Abs.
1 GG verstößt (so bereits Senatsbeschluss vom 21.06.2017, L 12 AS 807/17 B ER, juris Rn. 30f.; ebenso: LSG NRW Beschluss vom 16.03.2017, L 19 AS 190/17 B ER, juris Rn. 43ff.; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 07.11.2019, L 7 SO 934/19, juris Rn. 50; Bayerisches LSG Beschluss
vom 24.04.2017, L 8 SO 77/17 B ER, juris Rn. 36; vgl. auch Schleswig-Holsteinisches LSG Beschluss vom 08.07.2021, L 6 AS 92/21 B ER, juris Rn. 26; noch zur Rechtslage vor dem 29.12.2016: Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, WD 6-3000
- 025/16 vom 09.03.2016 mit Darstellung des Meinungsstandes; vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 17.03.2016,
L 9 AS 1580/15 B ER, juris Rn. 79; a. A. SG Darmstadt Beschluss vom 14.01.2020, S 17 SO 191/19 ER, juris Rn. 598ff.).
a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich als Menschenrecht aus Art.
1 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art
20 Abs.
1 GG (BVerfG Urteil vom 05.11.2019, 1 BvL 7/16, juris Rn. 117; BVerfG Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09 u.a., juris Rn. 133). Das BVerfG hat dieses insbesondere mit seinem Urteil vom 09.02.2010 zur Verfassungswidrigkeit der Bestimmung
der Regelbedarfsleistungshöhe für Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch konkretisiert und Anforderungen
für dessen Gewährleistung herausgearbeitet; es als Gewährleistungsrecht im Sozialrecht aktiviert (siehe anschließend: BVerfG
Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11; Beschluss vom 23.07.2014, 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, jeweils juris; Buchholz in JuS 2021, 503f.).
Das Menschenwürdeprinzip aus Art.
1 Abs.
1 GG wird dabei als eigentliche Anspruchsgrundlage herangezogen, während das Sozialstaatsgebot des Art.
20 Abs.
1 GG im Sinne eines Gestaltungsgebots mit erheblichem Wertungsspielraum verstanden wird (vgl. BVerfG Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, juris Rn. 62; BVerfG Urteil vom 05.11.2019, 1 BvL 7/16, juris Rn. 118, 120ff.). Das auf dieser Grundlage bestimmte Grundrecht aus Art.
1 Abs.
1 GG habe in Verbindung mit Art.
20 Abs.
1 GG demnach neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art.
1 Abs.
1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es sei dem Grunde nach unverfügbar und müsse durch den Gesetzgeber
eingelöst werden. Dieser objektiven Verpflichtung aus Art.
1 GG korrespondiere ein individueller Leistungsanspruch, da das Grundrecht die Würde jedes einzelnen Menschen schützte, die in
Notlagen nur durch materielle Unterstützung gesichert werden könne (BVerfG Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, juris Rn. 63). Dieser Anspruch bedürfe aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung. Die Legislative habe die zu
erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen sowie der
konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen auszurichten. Dabei stehe ihr ein Gestaltungsspielraum zu. Der Umfang des Anspruches
könne im Hinblick auf die Arten des Bedarfes und die dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet
werden (BVerfG Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09 u.a., juris Rn. 133, 138; Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, juris Rn. 66).
aa) Die grundlegenden Entscheidungen des BVerfG hinsichtlich der Konturierung des Rechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums zur Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfsleistungen der Grundsicherung und der Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz (AsybLG) hatten dabei allerdings jeweils zum Gegenstand, ob der durch den Gesetzgeber geschaffene Leistungsanspruch der Höhe
nach evident (BVerfG Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, juris Rn. 80) unzureichend oder nicht auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig
zu rechtfertigen war (BVerfG Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09 u.a., juris Rn. 142; Beschluss vom 23.07.2014, 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, juris Rn. 76, 80). Sie betrafen Konstellationen, in der die Frage der Anspruchsberechtigung des Adressatenkreises der jeweilig
zu prüfenden Normen auf existenzsichernde Leistungen dem Grunde nach nicht zur Debatte stand. Aber auch die Entscheidung des
BVerfG zum möglichen Umfang von Sanktionen respektive zur Verfassungswidrigkeit von Leistungsminderungen i.H.v. 60% oder mehr
des maßgebenden Regelbedarfes (BVerfG Urteil vom 05.11.2019, 1 BvL 7/16, juris Rn. 158ff., 189ff., mit der Einschränkung in Rn. 209 im Falle der bereiten Selbsthilfemöglichkeit) lässt keine Rückschlüsse
darüber zu, inwiefern es dem Gesetzgeber möglich ist, Personen ohne Aufenthaltsrecht Sozialleistungen zu verwehren (BVerfG
Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, juris Rn. 74 knüpft z. B. an ein bestehendes Aufenthaltsrecht an) oder Personen mit einem bestimmten Aufenthaltsrecht -
das nicht seinerseits aus Art.
1 Abs.
1 (i.V.m. Art.
20 Abs.
1)
GG oder auf das Asylrecht aus Art.
16a GG zurückzuführen ist (z. B. dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche) - vom Sozialleistungsbezug auszuschließen (vgl. Wissenschaftlicher
Dienst des Deutschen Bundestages, WD 6-3000 - 025/16 vom 09.03.2016, S. 9), zumal das BVerfG seine Position bisher nicht konsequent
universalistisch ausgerichtet hat. Es fehlen Vorgaben, dass und wie die deutsche Staatsgewalt das oberste Verfassungsziel
der Menschenwürde, soweit hieraus konkrete sozialrechtliche Standards abgeleitet werden, in transnationalen Sachverhalten
umfassend zu realisieren hätte (so Thym, Stellungnahme für die öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages
am 12.10.2015, S. 18 - http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Thym_AsylG_2015.pdf, zuletzt abgerufen am 06.10.2021)
Richtervorlagen (Art.
100 GG) zu § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII hat das BVerfG ebenso als unzulässig verworfen wie eine Verfassungsbeschwerde wegen der Anwendung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (BVerfG Beschluss vom 04.12.2019, 1 BvL 4/16, juris; BVerfG Beschluss vom 26.02.2020, 1 BvL 1/20, juris; BVerfG Beschluss vom 04.10.2016, 1 BvR 2778/13, juris), immerhin aber darauf hingewiesen, dass neben Ermessensleistungen auch sonstige Öffnungsklauseln - wie sie der Gesetzgeber
in § 23 Abs. 3 S. 3, 5 und insb. 6 SGB XII vorgesehen hat - nicht von vorne herein verfassungswidrig sind (BVerfG Beschluss vom 04.12.2019, 1 BvL 4/16, juris Rn. 18 unter Verweis auf BVerfG Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, juris Rn. 89 und die Öffnungsklausel in § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII).
bb) Eine Anspruchsberechtigung auf existenzsichernde Leistungen dem Grunde nach, als aus Art.
1 Abs.
1 i.V.m. Art.
20 Abs.
1 GG abgeleitetes subjektives Recht, lässt sich aber nur in unmittelbarer Verbindung zu einer ihrerseits aus Art.
1 Abs.
1 i.V.m. Art.
20 Abs.
1 GG bzw. aus dem, als Menschenrecht (vgl. Art.
14 UN-Menschenrechtscharta) in innerer Korrespondenz hierzu stehenden, Grundrecht auf Asyl aus Art.
16a GG (vgl. zur Überlagerung dieses Grundrechts durch die Genfer Flüchtlingskonvention: Frerichs in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, §
1 AsylbLG Rn. 20f. m. w. N.) folgenden Aufenthaltsberechtigung begründen. Für die Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 SGB II, § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, 2 SGB XII ist hingegen bereits Voraussetzung, dass feststeht, dass ein solches Recht nicht besteht (siehe demgegenüber die klarstellende
Rückausnahme in § 23 Abs. 3 S. 2 SGB XII im Falle einer Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen, die sich mit Leistungsberechtigungen
nach dem
AsylbLG zum Teil überschneiden; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, 07/2021, § 23 Rn. 50). Die Leistungsausschlüsse greifen nur ein, wenn entweder überhaupt kein Aufenthaltsrecht besteht oder lediglich eines
zur Arbeitsuche. Dieses Aufenthaltsrecht ist aber ersichtlich nicht aus Art.
1 Abs.
1 oder Art.
16a GG zu entleihen, sondern lediglich auf Art. 45 Abs. 3 AEUV zurückzuführen.
Eine tragfähige Begründung dafür, dass der Gesetzgeber auch Personen, die sich ohne ein auf die Menschenwürde rückführbares
Recht in Deutschland aufhalten, existenzsichernde Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu erbringen hat, lässt sich
nicht erkennen. In einem europäischen Freiheitsraum muss die Gewährleistung der Menschenwürde letztlich nicht notwendig in
Deutschland und nach dem dortigen Standard erfolgen (Thym a.a.O., S. 21; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 04.02.2015, L 2 AS 14/15 B ER, juris Rn. 40; in diesem Sinne auch: LSG NRW Beschluss vom 16.03.2017, L 19 AS 190/17 B ER, juris Rn. 45; LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 11.02.2016, L 3 AS 668/15 B ER, juris Rn. 20; Bayerisches LSG Beschluss vom 13.10.2015, L 16 AS 612/15 ER, juris Rn. 31ff.).
cc) Soweit die Gegenauffassung aus dem Urteil des BVerfG zum
AsylbLG vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, juris) den Schluss zieht, ein Recht auf die Gewährung von existenzsichernden Leistungen hänge letztlich allein vom tatsächlichen
Aufenthalt eines im (einfachrechtlichen Sinne) Hilfebedürftigen im Bundesgebiet ab (insb. SG Mainz Beschluss vom 18.04.2016,
S 3 AS 149/16, juris Rn. 508, 517, nachfolgend BVerfG Beschluss vom 04.12.2019, 1 BvL 4/16, juris; Hessisches LSG Urteil vom 27.11.2013, L 6 AS 378/12, juris Rn. 63; Siefert in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, § 23 Rn. 99; auch Kötter, info also 2016, S. 3, 6; Wunder, SGb 2015, S. 620, 622 f.; Frerichs, ZESAR 2014, S. 279, 283, 287; Kingreen, NVwZ 2015, S. 1503, 1506; ders. SGb 2013, S. 132, 137 f.; in diese Richtung ebenfalls, jedoch allein im Rahmen der Auslegung des einfachen Rechts: BSG Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, juris Rn. 57; ohne verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Leistungsausschluss nach dem SGB II trotz unklarem Anspruch nach dem SGB XII: BSG Urteil vom 23.02.2017, B 4 AS 7/16 R, juris Rn. 26), wird nicht verständlich, weshalb die Abschiebung eines Menschen ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland in
einen anderen Staat ungeachtet der Tatsache rechtmäßig möglich bleiben soll, ob dort ein (dem deutschen vergleichbares) Existenzsicherungssystem
vorhanden ist (vgl. SG Mainz, a.a.O., Rn. 508). Es überzeugt nicht, dass der mittelbare und mildere faktische Zwang zur Ausreise
durch einen Ausschluss von existenzsichernden Leistungen "fundamental" mit dem Menschenwürdeprinzip unvereinbar sein soll,
während ein aufenthaltsrechtlich erzeugter und unmittelbar mit hoheitlicher Staatsgewalt durchgesetzter Ausschluss von der
Existenzsicherung in Deutschland auf keine Bedenken stößt (vgl. auch Oppermann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, §
1a AsylbLG Rn. 154; wie hier: Luthe in Hauck/Noftz SGB XII, 05/2020, K § 1 Rn. 8a). Soweit - ohne dass dagegen grundrechtliche Bedenken erhoben werden - im Ausländerrecht die allein
nachteilige wirtschaftliche Situation im Herkunftsland kein Umstand ist, der zur Gewährung eines Aufenthaltsrechtes oder dem
Schutz vor Abschiebung führen kann (vgl. hierzu OVG NRW Beschluss vom 06.09.2007, 11 A 633/05 A, juris Rn. 16, 28-32, zur Zumutbarkeit einer Abschiebung nach Sierra Leone trotz völlig fehlender sozialer Sicherungssysteme
und einer Arbeitslosenquote von 70 %; vgl. auch BVerwG Beschluss vom 19.10.2005, 1 B 16/05, juris Rn. 4), ist es unter Berücksichtigung des Gedankens der Einheit der Rechtsordnung auch nicht denkbar, solche nachteiligen
Lebensumstände im Herkunftsland bei der Prüfung der sozialrechtlichen Zumutbarkeit einer Rückkehr anzuführen.
dd) Hinzu tritt, dass das BVerfG mit seinen nach dem Urteil zum
Asylbewerberleistungsgesetz gefassten Beschlüssen vom 03.09.2014 (1 BvR 1768/11, juris) sowie vom 08.10.2014 (1 BvR 886/11, juris) einen durch den Leistungsausschluss für Schüler und Studenten nach § 7 Abs. 5 SGB II verursachten faktischen Zwang, das Studium oder die Ausbildung abbrechen zu müssen, um in den Genuss von SGB II-Leistungen zu gelangen, als mit dem Recht auf Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimumms vereinbar erachtet hat. In
diesen Zusammenhang lässt sich auch § 24 Abs. 1 S. 2 SGB XII stellen, der auch Deutschen im Ausland in der Regel zumutet, ins Inland zurückzukehren. Daraus wird zunächst erkennbar, dass
die von der Gegenauffassung angeführte Aussage (u.a.) in dem Urteil des BVerfG zum
AsylbLG, der elementare Lebensbedarf der Leistungsberechtigten sei in dem Augenblick zu befrieden, in dem er entstehe (Urteil vom
09.02.2010, 1 BvL 1/09 u.a., juris Rn. 140), nicht damit gleichgesetzt werden kann, es genüge der tatsächliche Aufenthalt in Deutschland allein.
Denn der gem. § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossene Studierende, dessen Studium dem Grunde nach nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) förderungsfähig ist (und für den auch kein Leistungsanspruch nach dem SGB XII bereit gehalten wird), der aber aufgrund persönlicher Ausschlussgründe keine Leistungen nach dem BAföG erhält, hat so lange keinen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen, wie er sein Studium noch nicht abgebrochen hat, ohne
dass darin ein Verstoß gegen Art.
1 Abs.
1 i.V.m. Art.
20 Abs.
1 GG gesehen würde. Weiter lässt sich den o. a. Beschlüssen des BVerfG entnehmen, dass der faktische Zwang, die bisherige Lebensführung
zur Sicherung des Existenzminimums ändern zu müssen, nicht zur Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums führt, sondern vielmehr das Grundrecht, das diese vom Hilfebedürftigen anvisierte Lebensgestaltung schützt
(in den Fällen 1 BvR 1768/11 und 1 BvR 886/11 die teilhaberechtliche Dimension des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art.
3 Abs.
1 und dem Sozialstaatsgebot aus Art.
20 Abs.
1 GG - s. BVerfG Beschluss vom 03.09.2014, 1 BvR 1768/11, juris Rn. 24; in der vorliegenden Konstellation die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art.
2 Abs.
1 GG) (Bayerisches LSG Beschluss vom 01.10.2015, L 7 AS 627/15 B ER, juris Rn. 31ff.) Soweit dem entgegengehalten wird, die nach § 7 Abs. 5 SGB II Ausgeschlossenen unterlägen dem BAföG, so dass es nicht zu einem "menschenunwürdigen Totalausschluss" komme (Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages,
WD 6-3000 - 025/16 vom 09.03.2016, S. 9) wird übersehen, dass diese gerade nicht notwendig einen Anspruch nach dem BAföG haben, weil sie ggfs. aus in ihrer Person liegenden Gründen - vgl. Abschnitt II. des BAföG - ausgeschieden werden.
b) Auch ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot im Hinblick auf die Vergleichsgruppe der nach dem
AsylbLG Leistungsberechtigten ist nicht gegeben (a. A. Kingreen, SGb 2013, S. 132, 139; Frerichs, ZESAR 2014, S. 279, 280 ff.; vgl. auch SG Mainz Beschluss vom 18.04.2016, S 3 AS 149/16, juris Rn. 515). Es fehlt die Vergleichbarkeit mit den von den Leistungsausschlüssen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 SGB II, § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII Betroffenen (zum Verhältnis des Art.
3 Abs.
1 GG zu Art.
1 Abs.
1 GG: Frerichs in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, §
1 AsylbLG Rn. 41ff.).
Insofern ist zu bedenken, dass der persönliche Anwendungsbereich nach §
1 Abs.
1 AsylbLG konzeptionell (d. h. mit Ausnahme der nach Nr.
5 Berechtigten, deren Anspruch ggfs. nach §
1a Abs.
1-3
AsylbLG eingeschränkt ist) Drittstaatsangehörige adressiert, die sich (allein) auf politische, humanitäre oder völkerrechtliche Aufenthaltsgründe
berufen können (Frerichs in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, §
1 AsylbLG Rn. 18). Mit der im Schwerpunkt menschenrechtlichen Prägung der Aufenthaltsrechte korrespondiert ein Anspruch auf existenzsichernde
Leistungen in Deutschland. Das
AsylbLG ist weiterhin insofern ein eigenes, spezielles Leistungssystem zur Sicherung des Lebensbedarfs, als es primär an den ungesicherten
Aufenthaltsstatus anknüpft (vgl. BVerfG Beschluss vom 11.07.2006, 1 BvR 293/05, juris Rn. 44; Siefert in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, § 23 Rn. 57; Oppermann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, §
1a AsylbLG Rn. 22). Der Adressatenkreis des
AsylbLG unterscheidet sich daher maßgeblich von einem Unionsbürger, dem - auch im Wege des Günstigkeitsvergleiches nach dem AufenthG (BSG Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 43/15 R, juris Rn. 27) - kein Aufenthaltsrecht oder nur ein solches zur Arbeitsuche zusteht und der insofern in sein Heimatland
zurückkehren kann bzw. muss (SG Dortmund Beschluss vom 11.02.2016, S 35 AS 5396/15 ER, juris Rn. 57; a.A. Siefert in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, § 23 Rn. 97f.).
Sofern Leistungen nach dem
AsylbLG gem. §
1 Abs.
1 Nr.
5 AsylbLG auch Personen erhalten, die vollziehbar ausreisepflichtig sind (vgl. § 50 AufenthG), ist zu beachten, dass §
1a Abs.
1 AsylbLG insbesondere für diese Personengruppe Anspruchseinschränkungen vorsieht. Vergleichbare Leistungen können den vom Leistungsausschluss
der §§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB II, 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII erfassten Personen allerdings nach § 23 Abs. 3 S. 3-6 SGB XII unter den oben beschriebenen Voraussetzungen erbracht werden (vgl. BT-Drs. 18/10211, S. 16).
D.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§
183,193 Abs.
1 SGG.
E.
Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der höchstrichterlich bislang ungeklärten Fragen, ob ein vollständiger
Leistungsausschluss nach §§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB II, 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII in der ab dem 29.12.2016 gültigen Fassung (jeweils insbesondere nach Nr. 1 der Vorschrift) verfassungsgemäß ist sowie ob
und in welchem Umfang bei einer auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt gerichteten Klage Überbrückungsleistungen nach
§ 23 Abs. 3 S. 3-6 SGB XII zu erbringen sind, zuzulassen (§160 Abs. 2 Nr. 1
SGG).