Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.1.2017 bis zum 31.5.2017.
Die Kläger zu 1) und 2) sind verheiratet, haben die bulgarische Staatsangehörigkeit und hatten im streitigen Zeitraum drei
minderjährige Kinder (Kläger zu 3, 4) und 5). Die Kläger beantragten erstmals im Dezember 2014 die Leistungen nach dem SGB II und legten hierzu einen Arbeitsvertrag des Klägers zu 2) für die Tätigkeit als Bauhelfer bei der Firma K in Moers vom 1.11.2014
vor. Darin war ein monatliches Bruttogehalt von 500 € bei einer Arbeitszeit von 10 Stunden pro Woche vereinbart. Mit Bescheid
vom 17.2.2015 bzw. 20.3.2015 bewilligte der Beklagte die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.12.2014 bis zum 31.5.2015. Weitere Leistungen nach dem SGB II wurden vom 1.6.2015 bis zum 31.8.2015 gewährt.
Nachdem der Kläger die Verdienstabrechnungen und die ordentliche Kündigung des Arbeitsvertrages mit der Firma K zum 27.2.2015
übermittelt hatte, hob der Beklagte die zunächst erfolgte weitere Bewilligung der Leistungen ab dem 1.1.2016 mit Bescheid
vom 21.12.2015 auf. Aufgrund der Kündigung zum 27.2.2015 habe der Arbeitnehmerstatus des Klägers zu 2) nur bis zum 31.8.2015
fortgegolten.
Im Zusammenhang mit dem Weiterbewilligungsantrag vom 25.2.2016 übermittelten die Kläger u.a. den Arbeitsvertrag vom 8.2.2016
zwischen der Firma O Abbruch, Inhaber B V, und dem Kläger zu 2) über eine Tätigkeit als Bauarbeiter und Helfer. Hiernach war
eine Arbeitszeit von 10 Stunden pro Woche an den Arbeitstagen montags bis samstags je nach Bedarf bei einem monatlichen Bruttogehalt
von ca. 470 € vereinbart. Ergänzend dazu legte der Kläger zu 2) seine Lohnabrechnungen für Februar und März 2016 und eine
Einkommensbescheinigung des Arbeitgebers über die Tätigkeit ab dem 12.2.2016 vor.
Auf Anfrage des Beklagten teilte die Krankenkasse des Klägers zu 2) mit, dass dort keine Anmeldung durch den neuen Arbeitgeber
vorliege. Die Krankenkasse erinnerte daraufhin am 13.5.2016 die im Arbeitsvertrag genannte Firma O Abbruch an die Anmeldung.
Mit Bescheid vom 13.07.2016 lehnte der Beklagte den Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab, da die Kläger
ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland allein zum Zweck der Arbeitssuche hätten. Hiergegen erhoben die Kläger
über ihren Bevollmächtigten Widerspruch. Offenbar habe der Arbeitgeber des Klägers zu 2) pflichtwidrig die Anmeldung bei der
Krankenkasse unterlassen. Der Kläger zu 2) reichte hierzu seine Mitgliedsbescheinigung nach §
175 SGB V durch die Krankenkasse ein sowie die entsprechende Anmeldung zur Sozialversicherung nach.
In einem Aktenvermerk vom 31.8.2016 hielt der Beklagte nach Überprüfung dazu fest: "Nach Vorlage der Mitgliedsbescheinigung
durch die Krankenkasse und die zusätzliche fernmündliche Bestätigung kann der Arbeitnehmerstatus nicht weiterhin abgelehnt
werden. Ermittlungen des Hauptzollamtes wurden nicht eingeleitet."
Im weiteren Verlauf wurden Lohnabrechnungen des Klägers zu 2) für die Monate Februar 2016 bis November 2016 übermittelt, in
denen durchgehend ein monatliches Gehalt von i.d.R. 460 € unter Abzug der entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge und ein
Nettoverdienst von 408 € ausgewiesen wurden. In den Lohnabrechnungen ab April 2016 wurde jeweils festgehalten, dass eine Barzahlung
erfolgt sei.
Mit Bescheid vom 15.9.2016 bewilligte der Beklagte den Klägern die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.2.2016 bis zum 31.12.2016.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers zu 2) wurde durch die Firma O Abbruch mit Schreiben vom 8.11.2016 zum 30.11.2016 gekündigt.
Am 24.11.2016 beantragten die Kläger die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1.1.2017. Auf Anfrage gab der Kläger zu 2) an, dass die Kündigung betriebsbedingt wegen schlechter Auftragslage
erfolgt sei. Der Kläger sei noch in der Probezeit und daher sofort zur Kostensenkung kündbar gewesen. Der Arbeitgeber des
Klägers zu 2) bestätigte in der Arbeitsbescheinigung gegenüber der Bundesagentur für Arbeit die Kündigung und die Tätigkeit
des Klägers in der Zeit vom 11.2.2016 bis zum 30.11.2016 und ein gezahltes Entgelt in Höhe von 408 €. Im Januar 2017 übermittelten
die Kläger nochmals den Arbeitsvertrag vom 8.2.2016. Am 24.1.2017 bestätigte die Agentur für Arbeit in Duisburg eine unfreiwillige
Arbeitslosigkeit des Klägers zu 2).
Mit Bescheid vom 20.2.2017 lehnte der Beklagte gegenüber den Klägern die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II ab dem 1.1.2017 ab. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Leistungen, da ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland
allein zum Zweck der Arbeitssuche bestehe. Insbesondere hätten die Kläger einen entsprechenden Arbeitnehmerstatus nicht nachweisen
können. Bei der Beschäftigung bei der Firma O Abbruch habe es sich um ein fingiertes Arbeitsverhältnis gehandelt.
Hiergegen erhoben die Kläger über ihren Bevollmächtigten am 1.3.2017 Widerspruch. Die Behauptung des Beklagten, wonach das
angegebene Arbeitsverhältnis "fiktiv" gewesen sein solle, könne nicht nachvollzogen werden konnte. Der Kläger zu 2) habe bei
der Firma O Abbruch bis zu seiner Kündigung im November 2016 tatsächlich gearbeitet und Lohn erhalten.
Hierzu bat der Beklagte um die Benennung aller von dem Kläger zu 2) in Ausübung seiner Tätigkeit als Bauhelfer für die Firma
O aufgesuchten Baustellen. Arbeitgeber im Baugewerbe seien nach § 19 Abs. 1 AEntG sowie nach § 17 Abs. 1 MiLoG verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer spätestens bis zum Ablauf des siebten
auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens 2 Jahre beginnend
ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt aufzubewahren. Um die Zahlung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns
von zurzeit 8,50 € überprüfen zu können, schreibe das Mindestlohngesetz weitere Aufzeichnungspflichten für den Arbeitgeber
vor. Dieser sei gehalten, entsprechende Nachweise zu führen und seinen Arbeitnehmern zur Verfügung zu stellen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.7.2017 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Aus dem eingereichten Arbeitsvertrag ergebe
sich, dass der Kläger zu 2) ab dem 12.2.2016 als Bauarbeiter und Helfer bei der Firma O Abbruch tätig gewesen sein soll. Zuvor
sei der Kläger zu 2) ebenfalls als Bauhelfer bei einer in Moers ansässigen Firma beschäftigt gewesen. Auffällig sei jedoch,
dass der dort abgeschlossene Arbeitsvertrag sowohl hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes als auch hinsichtlich des Inhalts
mit dem Arbeitsvertrag der Firma O Abbruch nahezu identisch sei. Aus den zur Akte gereichten Lohnabrechnungen ergebe sich
die Angabe der Steuerklasse 1, obwohl der Kläger zu 2) verheiratet sei und drei Kinder habe. Der Kinderfreibetrag sei mit
0,00 ausgewiesen. Die kumulierten Gesamtverdienstwerte seien von April 2016 bis September 2016 unverändert, obwohl es sich
hier um einen aufgelaufenen Jahreswert handele. Nach Aufforderung sei der Kläger zu 2) zwar zur Krankenkasse angemeldet worden,
jedoch seien zu keinem Zeitpunkt die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung abgeführt worden. Beim Amtsgericht
Duisburg sei unter dem Az. 64 IN 274/15 ein Insolvenzverfahren gegen den Arbeitgeber anhängig. Fraglich sei daher, ob dieser zum 8.2.2016 überhaupt noch einen Arbeitsvertrag
hätte abschließen dürfen. Die Zweifel an dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Freizügigkeitsgesetzes würden sich zudem durch die Tatsache verdichten, dass die Zahlungen des Entgelts ausschließlich in bar erfolgt seien. Dies
sei zum einen für den vermeintlichen Arbeitgeber mit erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden, da stets große Geldbeträge
in bar vorgehalten werden müssten, wenn die Entgelte nicht gestaffelt, sondern in einer Summe ausgezahlt würden. Der Arbeitgeber
müsse sich außerdem vor mehrfachen Lohnforderungen durch den Arbeitnehmer schützen. Dies erfordere einen nahtlosen Quittungsprozess,
in welchem die nur durch die vermeintlichen Arbeitnehmer quittierten Belege gerade nicht als Nachweise ausreichen dürften.
Die Arbeitnehmer selbst müssten dann zumindest Teilbeträge wieder auf das eigene Konto einzahlen, um Miete und Energielieferanten
bezahlen zu können. Daher erscheine eine bare Gehaltszahlung lebensfremd und umständlich.
Die Kläger legten im weiteren Verlauf den Anstellungsvertrag des Klägers zu 2) bei der Firma F ab dem 19.6.2017 für die Tätigkeit
als Leergutsortierer in Teilzeit vor. Für die Zeit ab dem 17.6.2017 gewährte der Beklagte die Leistungen nach dem SGB II.
Gegen die Ablehnung der Leistungen für die Zeit vom 01.01.2017 bis zum 11.06.2017 erhoben die Kläger am 28.8.2017 Klage vor
dem Sozialgericht Duisburg.
Die Kläger haben vorgetragen, dass der Kläger zu 2) bei der Firma O tatsächlich gearbeitet und dieses auch nachgewiesen habe.
Die durch den Beklagten angemeldeten Zweifel seien hierbei ohne Belang. Insbesondere seien eventuelle Versäumnisse des Arbeitgebers
sozialrechtlich nicht zu Lasten des Klägers in Form einer Ablehnung auszugestalten, da die eigentliche Arbeitnehmereigenschaft
als solche davon nicht betroffen sei.
Die Kläger haben beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20.2.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.7.2017 mit der Maßgabe aufzuheben, dass
der Beklagte verpflichtet wird, den Klägern Leistungen im beantragten Umfang zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid verwiesen. Insbesondere seien gegen
den Arbeitgeber derzeit Ermittlungen des Hauptzollamtes Duisburg anhängig, wonach nicht nur der Kläger, sondern weitere Personen
bei der Firma O Abbruch nicht sozialversicherungspflichtig angemeldet bzw. Sozialversicherungsbeiträge für diese nicht abgeführt
worden seien. Auch im Vergleich zu dem vorher geschlossenen Arbeitsvertrag mit der Firma K vom 27.2.2015 dränge sich der Verdacht
auf, dass der Arbeitgeber O den vorherigen Arbeitsvertrag kopiert und nur unwesentlich abgeändert habe, um dem Kläger durch
ein fingiertes Arbeitsverhältnis den Zugang zu Sozialleistungen nach SGB II zu ermöglichen. Im Übrigen habe nach dem vorliegenden Insolvenzgutachten bereits im Februar 2016 eine Zahlungsunfähigkeit
des ehemaligen Arbeitgebers bestanden. Hierdurch würden sich die Zweifel an dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses verstärken,
da der Arbeitgeber nach diesem Gutachten bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages zahlungsunfähig gewesen sei.
Das Sozialgericht hat zunächst den Kläger im Termin am 26.11.2018 angehört.
Der Kläger hat im Wesentlichen angegeben, dass er auf den Baustellen Hilfsarbeiten ausgeführt habe. Er habe insbesondere Säcke
vorbereitet, damit sein Bruder diese sofort habe verwenden können. Zur Baustelle seien sie zusammen mit Herrn "L U" gefahren.
Der Kläger habe keinen Führerschein und sei daher immer zu Arbeit gefahren worden. Der Arbeitsvertrag sei auf Vermittlung
seines Bruders im Februar 2016 unterschrieben worden. Er habe in Essen und einer weiteren Stadt gearbeitet. Seinen Lohn habe
er wöchentlich in bar erhalten. Es habe an der Baustelle einen tragbaren Automaten gegeben, in dem sie ihre Karten gesteckt
hat hätten, wenn sie die Arbeit angetreten hätten oder gegangen seien. Zur Kündigung sei es gekommen, da keine Aufträge mehr
da gewesen seien. Den Lohn habe er immer gegen eine Quittung in bar erhalten.
Der Zeuge V (Inhaber der Fa. O Abbruch) hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 4.4.2019 im Wesentlichen angegeben, dass
er in der Regel ein bis zweimal pro Woche auf den Baustellen, auf denen der Kläger war, gewesen sei. Er habe dem Kläger nur
Geld gegeben, wenn er in Geldnot gewesen sei und er dieses gebraucht habe. Er habe kein Geld überwiesen, weil er bereits so
oft auf Geld angesprochen worden sei, da er im Vorhinein schon vollständig bezahlt hatte. Eigentlich habe er selbst gar kein
Geld gehabt, aber er habe weiter mit anderen Firmen arbeiten müssen, um Geld zu bekommen. Meistens habe er seine Mitarbeiter
einmal im Monat bezahlt, wenn er Geld von seinen Auftraggebern bekommen habe. Es treffe zu, dass er kein Geld gehabt habe,
um neue Arbeitnehmer einzustellen. Er habe diese aber trotzdem eingestellt, um Baustellen absolvieren zu können. Diese Aufträge
habe er zwischen Februar 2016 und Juni 2016 bekommen. Im Übrigen habe jede Person selbst aufgeschrieben, wie viel sie gearbeitet
habe. Dies sei dann aber von einer anderen Person auf der Baustelle aufgeschrieben worden. Er habe im Vorfeld Arbeitskleidung
besorgt, wenn die Arbeitnehmer keine Arbeitskleidung gehabt hätten. Die Arbeitskleidung sei von den Leuten selbst gewaschen
worden. Er habe Arbeitsschuhe, die Hosen und die Oberteile gekauft. Teilweise habe er vollbeschäftigte Arbeitnehmer gehabt,
teilweise seien Leute nur stundenweise beschäftigt worden.
Der Bruder des Klägers, der Zeuge A M, hat angegeben, dass er ab Mai/Juni 2016 bei dem Zeugen V gearbeitet habe. Es gebe Bescheinigungen
über die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen. Er habe in der Regel am Ende des Monats sein Gehalt vom Zeugen V in bar
bekommen. Arbeitskleidung habe er ebenfalls in Form einer Hose und eines Oberteils bekommen. Die Arbeitskleidung habe er dann
selbst gewaschen. Im Jahr 2016 habe er mit dem Kläger zusammengearbeitet. In der Regel seien sieben bis zehn Leute auf der
Baustelle gewesen. Er habe Abbrucharbeiten ausgeführt und Rigipsplatten abgemacht. Der Kläger selbst habe nur Hilfsarbeiten
ausgeführt und die Gipsplatten gebracht.
Der Zeuge N C hat ausgeführt, dass er mit dem Kläger bei O im Jahr bzw. im Sommer 2016 zusammengearbeitet habe. Der Zeuge
selbst habe im gesamten Jahr 2016 bei der Fa. O gearbeitet. Sie hätten auf Baustellen in Düsseldorf und Essen gearbeitet.
Eine Hose, eine Jacke und ein T-Shirt hätten sie von der Fa. O bekommen. Er sei damals der Fahrer gewesen und habe die anderen
zur Arbeit gefahren. Er habe mal drei, mal fünf Personen mitgenommen. Die Adressen der Baustellen habe er von dem Zeugen V
erhalten. Er habe nicht sehr lange mit dem Kläger zusammengearbeitet und dieser sei auch immer nur ein paar Stunden gekommen,
weil sie nicht sehr viel Arbeit gehabt hätten. In der Regel habe er 90-120 Stunden im Monat gearbeitet. Nach der Arbeit habe
er den Kläger nach Hause gebracht. Er habe die Arbeiter zu einem Sammelpunkt gebracht und von da aus seien sie nach Hause
gegangen. Das Geld für die Tätigkeit habe er überwiesen bekommen. Auch habe er nicht gesehen, dass Herr V den anderen Arbeitern
Bargeld gegeben habe.
Der Zeuge Z hat angegeben, dass er im Jahr 2016 Vorarbeiter der Firma E GmbH gewesen sei. Die Firma habe in Düsseldorf und
in Essen mit der Firma O und dem Zeugen V zusammengearbeitet. Die Firma O sei ein Subunternehmer gewesen. An die Firma O sei
nach Durchsicht seiner E-Mails zuletzt im April 2016 ein Auftrag vergeben worden. Den Kläger kenne er persönlich nicht.
Mit Urteil vom 4.4.2019 das Sozialgericht Duisburg die Klage abgewiesen.
Das Gericht habe nicht von einem Arbeitnehmerstatus des Klägers zu 2) bei der Firma O Abbruch ausgehen können, so dass ein
solcher Status für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht habe fortwirken können. Nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast
gebe es keine hinreichenden Belege dafür, dass der Kläger zu 2) in der Zeit vom 11.2.2016 bis zum 30.11.2016 dauerhaft und
tatsächlich als Arbeitnehmer tätig gewesen sei.
Der Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger zu 2) und dem ehemaligen Arbeitgeber sei am 11.2.2016 und damit zu einem Zeitpunkt
geschlossen worden, zu dem es schon einen Beschluss des Amtsgerichts Duisburg über ein Insolvenzeröffnungsverfahren über das
Vermögen des ehemaligen Arbeitgebers (des Zeugen V) gegeben habe, nachdem eine Krankenkasse wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge
die Insolvenz beantragt habe. Der etwaige Arbeitgeber des Klägers zu 2) habe am 18.3.2016 gegenüber dem Insolvenzverwalter
angegeben, dass er über kein Konto mehr verfüge und Beitragsrückstände sowie noch ausstehende Forderungen habe. Die noch ausstehenden
Forderungen würden allerdings nicht ausreichen, um seine Rückstände bezahlen können. Sozialversicherungsbeiträge habe er für
den Kläger zu 2) nicht abgeführt, wenn dieser überhaupt bei der Minijobzentrale angemeldet gewesen wäre. Durch ein Gutachten
vom 3.6.2016 habe der Insolvenzverwalter deshalb festgestellt, dass der ehemalige Arbeitgeber des Klägers zu 2) zahlungsunfähig
und eine kostendeckende Masse nicht vorhanden sei.
Jedoch spreche nicht allein das Verhalten des ehemaligen Arbeitgebers gegen ein tatsächlich gelebtes Arbeitsverhältnis. Auch
die vom Kläger benannten Zeugen hätten keine Angaben zur Anwesenheit und zur tatsächlichen Bezahlung des Klägers 2) in der
Zeit vom 11.2.2016 bis zum 30.11.2016 auf den Baustellen machen können. So habe der Kläger zu 2) angegeben, dass er immer,
wenn er Geld benötigt habe, den ehemaligen Arbeitgeber auf Bargeld angesprochen habe, was dieser ihm dann in bar auf der Baustelle
gegeben habe. Der ehemalige Arbeitgeber habe mehreren Arbeiten auf der Baustelle Bargeld gegeben und in einem Notizbuch aufgeschrieben,
wie viel er gezahlt habe. Der ehemalige Arbeitgeber habe immer Bargeld und einen Quittungsblock mit auf der Baustelle gehabt.
Dies hätten die weiteren Zeugen so aber nicht bestätigt.
Der Zeugenaussage des Fahrers, N C, lasse sich zudem nicht entnehmen, dass dieser den Kläger in der Zeit vom 11.2.2016 bis
zum 30.11.2016 immer zur Arbeit gefahren habe. So habe der Fahrer angegeben, dass er den Kläger zu 2) im Sommer auf einer
Baustelle kennengelernt habe und nicht lange mit ihm zusammengearbeitet habe. Auch habe er nicht gesehen, dass der Kläger
zu 2) von seinem ehemaligen Arbeitgeber Bargeld auf der Baustelle bekommen habe. Ihm sei sein eigenes Gehalt immer überwiesen
worden. Weitere Angaben zu dem Konto, von dem überwiesen worden sei, könne er jedoch nicht machen. Im Gegensatz dazu habe
der ehemalige Arbeitgeber gegenüber dem Insolvenzverwalter angegeben, dass er seit dem 17.12.2015 kein Konto mehr besitze.
Die Aussage des Bruders des Klägers, des Zeugen A M, sei wenig aussagekräftig. Hinsichtlich eines Arbeitnehmerstatus des Klägers
zu 2) seien ausweislich der Unterlagen auch für diesen keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden, obwohl der Zeuge
hierzu das Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen angegeben habe. Auch könne der Zeuge nur ab Mai/Juni 2016 etwas zur Tätigkeit
des Klägers zu 2) angegeben. Es sei zwar wahrscheinlich, dass der Kläger zu 2) mal auf einer der Baustellen des ehemaligen
Arbeitgebers gewesen sei, jedoch lasse sich der Aussage des Zeugen nicht entnehmen, in welcher Funktion der Kläger zu 2) dort
tätig geworden sei.
Im Gegensatz zu den Angaben des Klägers habe der ehemalige Arbeitgeber angegeben, dass er kein Bargeld auf der Baustelle gehabt
habe und sich das Geld erst von seinem Cousin habe leihen müssen. Wenn er nach Geld gefragt worden sei, hätte er oft kein
Geld dabei gehabt und habe dieses nicht sofort geben können. Von einem Notizblock oder Quittungsblock, auf dem der Zeuge die
Barzahlung an die Arbeitnehmer notiert habe, habe er nicht gesprochen.
Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zu 2) in der Zeit bis zum 30.11.2016 tatsächlich bezahlt worden und in diesem
Zeitraum auf Baustellen beschäftigt worden sei, seien daher nicht belegt. Die Zeugen seien alle zu unterschiedlichen Zeitpunkten
und einer durch Überweisung bezahlt worden. Der Kläger zu 2) sei wahrscheinlich im Sommer 2016 auf Baustellen des ehemaligen
Arbeitgebers in Düsseldorf einige Stunden tätig gewesen. Jedoch sei nicht bewiesen, was genau der Kläger wann dort gearbeitet
habe und ob er dafür tatsächlich Geldleistungen erhalten habe. Vielmehr würden sich erhebliche Zweifel ergeben, ob tatsächlich
Geld für das behauptete Arbeitsverhältnis an den Kläger zu 2) geflossen sei. Der Kläger 2) habe keinerlei Quittungen über
die von ihm behaupteten Zahlungen vorgelegt. Auch wäre der Kläger zu 2) der einzige Arbeitnehmer gewesen, der von seinem ehemaligen
Arbeitgeber immer Bargeld kommen habe, wenn er diesen danach gefragt habe.
Hiergegen haben die Kläger am 14.5.2019 Berufung erhoben.
Die Kläger tragen vor, dass sie umfangreich Beweis dafür angeboten hätten, dass das durch sie behauptete Arbeitsverhältnis
tatsächlich gelebt worden sei. Insbesondere sei neben den bestehenden Urkunden (Arbeitsvertrag, Lohnabrechnungen etc.) auch
der Beweis für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses durch die zeugenschaftliche Einvernahme sowohl des ehemaligen Arbeitgebers
als auch des damaligen Hauptunternehmers geführt worden. Jedenfalls werde durch die Zeugen zweifelsfrei angegeben, dass der
Kläger zu 2) auf Baustellen gearbeitet habe. Sofern das Gericht nun nach zwei Jahren die Kläger so weit in der Beweislast
sehe, dass sie praktisch gezwungen seien, jede einzelne Stunde nachzuweisen, würde das Gericht die Kläger mit unlösbaren Beweisantritten
überlasten. Insbesondere lasse gerade die aufgrund der fehlenden Liquidität des Arbeitgebers entstandene Insolvenz, die wiederum
durch Kontopfändungen verursacht worden sei, die Art und Weise des Arbeitsverhältnisses und insbesondere die Bezahlung durch
Barzahlung der Arbeitnehmer geradezu naheliegend erscheinen.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 4.4.2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20.2.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 20.7.2017 mit der Maßgabe aufzuheben, dass der Beklagte verurteilt wird, den Klägern Leistungen nach dem SGB II vom 1.1.2017 bis zum 31.5.2017 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Kläger haben auf Anfrage des Senats die Kontoauszüge des Klägers zu 2) für die Zeit vom 1.1.2017 bis zum 30.6.2017 vorgelegt.
Ergänzend ist hierzu vorgetragen worden, dass die Miete für die Monate Januar bis Juni 2017 mittels des Kindergeldes gezahlt
worden sei. Zudem hätten die Kläger darlehensweise Unterstützung von ihrer Familie erhalten.
Der Senat hat die Akte der Staatsanwaltschaft Duisburg zum Aktenzeichen 145 Js 282/169 beigezogen. Hiernach ist gegen den Zeugen V (Inhaber der Firma O Abbruch) wegen des Verdachts des Vorenthaltens und des Veruntreuens
von Arbeitsentgelt gemäß §
266 Abs.
1 und
2 StGB ermittelt worden. Das Strafverfahren ist durch Verfügung vom 17.1.2020 gemäß §
154 StPO eingestellt worden. Nach dem in der Akte festgestellten Sachverhalt durch das Hauptzollamt Duisburg seien u.a. für den Kläger
zu 2) Arbeitsverträge mit der Firma O Abbruch geschlossen worden. Neben dem in der Verwaltungsakte enthaltenen Arbeitsvertrag
vom 12.2.2016 sei hiernach ein weiterer Arbeitsvertrag mit dem Beginn der Tätigkeit ab dem 1.8.2016 als Bauarbeiter und Helfer
mit 60 Stunden im Monat bei einem Bruttolohn von 702 € geschlossen worden. Der erste Arbeitsvertrag sei gekündigt worden.
Der Kläger zu 2) sei zur Sozialversicherung angemeldet worden und habe Lohnabrechnungen erhalten. Es müsse davon ausgegangen
werden, dass der Kläger zu 2) auch bei der Firma O Abbruch gearbeitet habe. Dass er zeitweise nicht zur Sozialversicherung
angemeldet gewesen sei, habe er nicht wissen können. Der Verdacht, dass hier ein fingiertes Beschäftigungsverhältnis vorliege,
könne nicht nachgewiesen werden.
In der ebenfalls beigezogenen Akte zum Insolvenzverfahren des Amtsgerichts Duisburg, 64 IN 174/15, sind Anträge verschiedener Krankenkassen auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen angemeldeter, dann jedoch nicht abgeführter
Sozialversicherungsbeiträge gegen den Zeugen V als Inhaber der Firma O Abbruch enthalten. Aufgrund der Anträge auf Eröffnung
des Insolvenzverfahren der Krankenkassen Viacitv vom 21.10.2015 wegen eines Rückstands von 13.359,91 €, der Knappschaft Bahn
See vom 28.06.2016 wegen eines Rückstands von 1.541,99 € und der AOK Rheinland/Hamburg vom 13.7.2016 wegen eines Rückstands
von 5.594,90 € ist mit Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 11.02.2016 zur Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachter beauftragt
worden. Dieser hat in seinem Bericht vom 08.06.2016 die Zahlungsunfähigkeit des Zeugen V feststellt. Eine kostendeckende Masse
sei nicht vorhanden. Mit Beschluss vom 24.8.2016 ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen
worden. Der weitere Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 30.11.2017 der Krankenkasse Novitas BKK wegen eines Beitragsrückstand
von 12.746,48 € ist aufgrund des vorangegangenen Beschlusses vom 24.8.2016 zurückgenommen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten Bezug genommen; diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet, sofern damit nun noch die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.1.2017 bis zum 31.5.2017 geltend gemacht werden.
I. Das Sozialgericht hat die auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage für die in mit der Berufung angegriffenen Zeitraum vom 1.1.2017 bis
zum 31.5.2017 zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 20.2.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.7.2017 ist
insoweit rechtswidrig und beschwert die Kläger in ihren Rechten (§
54 Abs.
2 Satz 1
SGG).
1. Die Kläger zu1) und 2) waren unstreitig grundsätzlich leistungsberechtigt nach § 7 SGB II als Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig
sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Sie vermitteln den Klägern zu 3) bis 5) den Zugang zu SGBII-Leistungen.
2. Die Kläger waren für die Zeit vom 01.01.2017 bis zum 31.05.2017 nicht nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von dem Leistungsanspruch ausgenommen.
Nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II sind vom Leistungsanspruch ausgenommen 1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen,
Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind,
und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, 2. Ausländerinnen und Ausländer, a) die kein
Aufenthaltsrecht haben oder b) deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,
3. Leistungsberechtigte nach §
1 des
Asylbewerberleistungsgesetzes.
Ein Ausschluss für die Kläger folgt insofern insbesondere nicht aus § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. Das Aufenthaltsrecht im streitigen Zeitraum vom 1.1.2017 bis zum 31.5.2017 hat sich nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche
ergeben. Der Kläger zu 2) als (ehemaliger) Arbeitnehmer und seine Familienangehörigen hatte ein Aufenthaltsrecht aus einem
fortwirkenden Arbeitnehmerstatus aus der vorherigen Beschäftigung bei der Fa. O Abbruch nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU, so dass das Recht auf Freizügigkeit unberührt geblieben ist.
Gem. § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU bleibt für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige dieses Recht auf Freizügigkeit
unberührt bei 1. vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall, 2. unfreiwilliger durch die zuständige
Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen,
auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit, 3. Aufnahme einer Berufsausbildung,
wenn zwischen der Ausbildung und der früheren Erwerbstätigkeit ein Zusammenhang besteht; der Zusammenhang ist nicht erforderlich,
wenn der Unionsbürger seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren hat. Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für
Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht aus Absatz 1 während der
Dauer von sechs Monaten unberührt.
Der Kläger zu 2) war ehemaliger Arbeitnehmer (dazu a.), die Agentur für Arbeit hat die unfreiwillige Arbeitslosigkeit bescheinigt
(dazu b.) und das Recht auf Freizügigkeit blieb für die Dauer von 6 Monaten nach weniger als einem Jahr Beschäftigung unberührt
(dazu c.).
a. Der Kläger zu 2) war im Rahmen seiner Beschäftigung bei der Firma O Abbruch als Arbeitnehmer nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II anzusehen.
Abzustellen ist hierbei auf den unionsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers i.S.v. Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Dieser darf nicht eng ausgelegt werden und ist anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis im
Hinblick auf die Rechte und Pflichten der betroffenen Personen kennzeichnen. Allein von einer bestimmten geringen Wochen-
oder Monatsarbeitszeit oder einem nicht existenzsichernden Lohn kann noch nicht auf eine völlig untergeordnete oder unwesentliche
Tätigkeit geschlossen werden (EuGH vom 23.03.1982 - C-53/81; EuGH vom 14.12.1995 - C-444/93). Das wesentliche, anhand objektiver Kriterien zu bestimmende Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand
während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine
Vergütung erhält. Dabei bleiben (nur) Tätigkeiten außer Betracht, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig
untergeordnet und unwesentlich darstellen. Ob der Betreffende Arbeitnehmer ist, bedarf einer Gesamtbeurteilung, die anhand
aller ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden Aspekte zu treffen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, 9.5.2018 - L 19 AS 2370/17 B ER mit Verweis auf BSG, 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R; BVerwG, 19.04.2012 - 1 C 10/11; EuGH, 4.2.2010 C-14/09 - Genc).
Der Senat liegt bei dieser Gesamtbeurteilung zunächst zugrunde, dass der Kläger zu 2) mit dem Zeugen V einen formal wirksamen
Arbeitsvertrag geschlossen hat, der eine Arbeitszeit von 10 Stunden pro Woche und ca. 470 € Monatsverdienst und somit eine
nicht unwesentliche oder untergeordnete Tätigkeit vorgesehen hat.
Der Arbeitsvertrag ist wirksam geschlossen worden. Die nach dem Insolvenzeröffnungsverfahren zum Az. 64 IN 274/15 festgestellte Zahlungsunfähigkeit des Zeugen V als Inhaber der Firma O steht dem nicht entgegen. So wurde der Arbeitsvertrag
bereits am 8.2.2016 unterschrieben. Mit dem anschließenden Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 11.02.2016 im o.g. Insolvenzeröffnungsverfahren
ist allein die Aufklärung des Sachverhalts durch den Sachverständigen angeordnet worden. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages
bestand daher keine Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Insolvenzschuldners. Etwas anderes folgt hierzu nicht aus dem
Beschluss vom 24.8.2016, mit dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde. In Hinblick auf das
Insolvenzeröffnungsverfahren bestehen daher keine Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit des geschlossenen Arbeitsvertrages
vom 8.2.2016, so dass dahinstehen kann, ob dem Kläger zu 1) die tatsächliche finanzielle Situation des Zeugen V bekannt war
oder nicht.
Auch führt der von der Beklagten angeführte Umstand, dass der Arbeitsvertrag vom 8.2.2016 im Vergleich zu dem früheren Arbeitsvertrag
mit der Firma K fast identisch sei, zu keiner anderen Beurteilung. So dürfte die Verwendung von Formularverträgen und Vordrucken
bei den Abschluss von Arbeitsverträgen nicht unüblich sein, so dass gerade in ähnlichen Tätigkeitsbereichen entsprechende
Formularverträge mit nahezu identischen Textbausteinen üblicherweise verwendet werden. Im Übrigen hat der Zeuge V im Ermittlungsverfahren
angegeben, dass er sich eine CD mit Vordrucken für die Arbeitsverträge gekauft habe und niemanden habe, der ihm bei den Arbeitsverträgen
helfe. Unabhängig davon erschließt sich nicht, welche weiteren Schlussfolgerungen der Beklagte aus diesem Vortrag ziehen möchte,
zumal keine Anhaltspunkte für ein etwaiges "Zusammenwirken" der beiden Arbeitgeber für die "Fingierung" von Arbeitsverhältnissen
erkennbar oder vorgetragen worden sind.
Formal wurde das Arbeitsverhältnis zudem bei der zuständigen Krankenkasse gemeldet und dem Kläger entsprechende Lohnabrechnungen
ausgestellt. Es erfolgte damit eine - formal - ordnungsgemäße Anmeldung der Tätigkeit, was wiederum für das tatsächliche Bestehen
des Arbeitsverhältnisses spricht. Dem Kläger ist es nach Auffassung des Senats nicht vorzuhalten, dass der Arbeitgeber im
weiteren Verlauf der ihm obliegenden Pflicht zur tatsächlichen Zahlung bzw. Abführung der Sozialversicherungsbeiträge nicht
nachgekommen ist, zumal es sich hierbei um eine originäre Pflicht des Arbeitgebers handelt, die von Seiten des Arbeitnehmer
nicht ohne Weiteres kontrolliert werden kann. Die Verletzung der Pflichten des Arbeitgebers hat in der Konsequenz auch zur
Einleitung des Insolvenzeröffnungsverfahrens beim Amtsgericht Duisburg und des Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft
Duisburg gegen den ehemaligen Arbeitgeber geführt, so dass sich auch hieraus keine Anhaltspunkte für ein "fiktives" Arbeitsverhältnis
ergeben. Auch wenn der Beklagte in diesem Zusammenhang zutreffend auf gewisse Unregelmäßigkeiten in den Lohnabrechnungen in
Hinblick auf die Steuerklasse, den Kinderfreibetrag und die Summierung der Jahresverdienste verweist, sind diese Mängel bei
den Abrechnungen nach Auffassung des Senats offenbar auf die unzureichende Buchführung des Zeugen V zurückzuführen. So erfolgte
zumindest für die Zeit von Februar bis April 2016 noch eine korrekte Summierung der Monatseinkommen in der Jahresübersicht.
Korrespondierend damit hat der Zeuge im Rahmen des Strafverfahrens angegeben, dass die Lohnabrechnungen "früher" ein Steuerberater
gemacht habe und er diese seit März 2016 selbst mache. Es erscheint daher zumindest fraglich, ob dem in Abrechnungsfragen
nicht erfahrenen Kläger zu 2) diese Fehler in den Verdienstbescheinigungen tatsächlich aufgefallen und vorzuhalten sind. Jedenfalls
lässt sich nach Auffassung des Senats hieraus allein gerade in Hinblick auf im Ermittlungsverfahren erkennbar unzureichende
Buchführung des Zeugen V nicht der Rückschluss auf ein fingiertes Arbeitsverhältnis des Klägers zu 2) ziehen.
Vor diesem Hintergrund führt auch der Umstand, dass der genaue Umfang der vom Kläger geleisteten Arbeiten nach dem Ergebnis
der Beweisaufnahme nicht im Einzelnen nachvollzogen werden kann, in diesem Einzelfall nicht zu einer anderen Beurteilung.
So hat der Zeuge C angegeben, dass er "nicht sehr lange" mit dem Kläger zusammengearbeitet habe und diese auch nur immer "ein
paar Stunden" gekommen sei. Der Zeuge A M hat angegeben, erst ab Mai/Juni 2016 bei der Firma O gearbeitet zu haben. Jedoch
haben sowohl die Zeugen V, C und A M übereinstimmend angegeben, dass der Kläger im Jahr 2016 für die Firma O Abbruch tatsächlich
tätig gewesen ist. Eine Arbeitstätigkeit ist somit nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aufgenommen worden, was bei Annahme
eines fingierten Arbeitsverhältnisses wohl nicht zu erwarten gewesen wäre. Sofern das Sozialgericht in diesem Zusammenhang
darauf verweist, dass auch die Art und Weise der Bezahlung des Klägers unklar bleibe, da dieser der einzige Arbeitnehmer gewesen
sei, der immer Bargeld bekommen habe, ergibt sich dies so nicht aus den vorliegenden Zeugenaussage. Vielmehr hat der Zeugen
V ausgeführt, dass er seine Mitarbeiter meistens einmal im Monat bezahlt habe, wenn er Geld von seinen Auftraggebern bekommen
habe. Auch habe er gerade kein Geld überwiesen, weil er bereits so oft auf Geld angesprochen worden sei, das er im Vorhinein
bereits vollständig bezahlt habe. Wenn ihn jemand zu ihm gekommen sei und Geld habe wollen, habe er sich oft Geld von seinem
Cousin geliehen und dieses dann dem Arbeitnehmer gegeben. Dem Kläger habe er nur Geld gegeben, wenn er in Geldnot gewesen
sei und dieses gebraucht habe. Auf diese Weise hat der Zeuge in Übereinstimmung mit dem Kläger und dem Zeugen A M aber bestätigt,
dass die Lohnzahlung in bar erfolgt ist. In diesem Sinne hat der Zeuge V auch im Ermittlungsverfahren gegenüber den Zollbeamten
angegeben, dass er die Arbeitnehmer in bar bezahlt habe und er selbst ebenfalls in bar von seinen Auftraggebern - wie durch
den Zeugen Z bestätigt - bezahlt werde. Die Aussage des Zeugen C, wonach er seinen Lohn überwiesen bekommen habe und nie gesehen
habe, dass der Zeuge V den Arbeitern Geld gegeben habe, ist insofern unergiebig. Denn hieraus kann schon nicht auf die Zahlungsmodalitäten
zwischen dem Kläger und dem Zeugen V ein Rückschluss gezogen werden. Der Umstand, dass der Zeuge während des Baustellenbetriebs
nie gesehen hat, dass dem Kläger Geld in bar gegeben worden ist, lässt jedenfalls nicht die Schlussfolgerung zu, dass eine
Barzahlung nie erfolgt ist. Dies gilt umso mehr, als dass der Zeuge V als Arbeitgeber die tatsächlich erfolgte Zahlungen in
bar ausdrücklich bestätigt hat.
Auch sofern Zeuge Z als Vorabeiter eines Auftraggebers der Firma O Abbruch ausgeführt hat, dass der letzte Auftrag im April
2016 erteilt worden ist, berührt dies schon nicht unmittelbar das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem Zeugen V.
Der Kläger hat darüber hinaus im Juni 2017 eine neue Beschäftigung als Leergutsortierer bei einem Getränkemarkt aufgenommen,
was ebenfalls dafür spricht, dass der Kläger zu 2) tatsächlich an der Aufnahme einer Tätigkeit interessiert gewesen ist und
es nicht allein um die Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II gegangen ist bzw. ein Arbeitsverhältnis im Vorfeld fingiert werden sollte. Auch das ermittelnde Hauptzollamt hatte dem Beklagten
im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hierzu am 8.7.2019 mitgeteilt, dass auch von dort aus davon ausgegangen werden muss, dass
"Herr M auch bei O Abbruch gearbeitet habe. Dass er zeitweise nicht zu Sozialversicherung angemeldet war, konnte er nicht
wissen." Der Verdacht, dass hier ein fingiertes Beschäftigungsverhältnis vorliegt, könne nicht nachgewiesen werden. Im weiteren
Verlauf wurde das Verfahren 145 Js 282/19 durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Duisburg gem. §
154 StPO, d.h. aufgrund einer Teileinstellung bei mehreren Taten, eingestellt. Eine Beurteilung ist der Form, dass keine Arbeitsverträge
geschlossen worden sind, aus denen die Verpflichtung zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträge bzw. die Zahlung von Arbeitsentgelt
folgt, ist somit auch im Strafverfahren nicht getroffen worden.
Der der Senat geht somit in Übereinstimmung mit den Ergebnisses im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren - ebenso wie auch
der Beklagte noch im Bewilligungsbescheid vom 15.9.2016 für die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.1.2016 bis zum 31.12.2016 - von dem Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses aus. In der Gesamtbeurteilung
aller ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden Aspekte hat in diesem Einzelfall zusammenfassend ein wirksames Arbeitsverhältnis
zwischen dem Kläger und dem Zeugen V bestanden. Sowohl die arbeitsrechtlichen Vereinbarungen und die erfolgten Anmeldungen
zur Sozialversicherung als auch die erfolgten Angaben zur tatsächlich erfolgten Tätigkeit und der tatsächlich erfolgten Bezahlung
sprechen in der Gesamtschau nach Auffassung des Senates für ein hier bestehendes Arbeitsverhältnis.
b. Die Bundesagentur für Arbeit hat am 24.1.2017 eine unfreiwillige Arbeitslosigkeit bestätigt (vgl. hierzu auch LSG NRW, Beschluss
vom 10.03.2021, L 21 AS 1748/20 B).
c. Unstreitig hat der Kläger zu 2) bzw. die Kläger in dem hier streitigen Zeitraum keine Beschäftigung mehr ausgeübt. Da es
sich bei der Tätigkeit des Klägers zu 2) bei der Firma O Abbruch um eine Arbeitnehmertätigkeit gehandelt hat von unter einem
Jahr, hat der Status als Arbeitnehmer für die Dauer von sechs Monaten, d.h. bis zum 31.05.2017 nach Beendigung der Beschäftigung
zum 30.11.2016, nachgewirkt.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt insbesondere das teilweise Unterliegen der Kläger im Klageverfahren in Bezug auf den zunächst noch geltend
gemachten Leistungszeitraum vom 1.6.2017 bis zum 16.6.2017.
III. Gründe, im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.