Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für den Aufenthalt der Zeugin H und ihren vier Kindern in einem Frauenhaus
im Zuständigkeitsbereich des Klägers.
Der Kläger ist zugelassener kommunaler Träger der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Beklagte bildet mit der Bundesagentur für Arbeit eine gemeinsame Einrichtung gem. § 44b SGB II. Er und die Bundesagentur für Arbeit vereinbarten im Vertrag über die Bildung und Ausgestaltung einer gemeinsamen Einrichtung
vom 17.12.2010, dass die Kostenerstattungsverfahren nach § 36a SGB II dem Beklagten übertragen werden (§ 15 Abs. 3 der Vereinbarung).
Im Zuständigkeitsbereich des Klägers befindet sich ein Frauenhaus in Witten, welches von dem Verein "G e.V." betrieben wird.
Der Kläger und der Träger des Frauenhauses schlossen am 09.07.1992 einen Vertrag über die Einrichtung des autonomen Frauenhauses,
welcher durch eine Nachtragsvereinbarung von 07.07.1999 modifiziert wurde. Danach ist u.a. geregelt, dass für die Konzeption
und den Betrieb des autonomen Frauenhauses die Richtlinien des Landes NW für die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von
Zufluchtsstätten für misshandelte Frauen verbindlich sind (§ 3). Vom Träger des Frauenhauses ist von den aufgenommenen Frauen
und deren Kindern ein Tagessatz zu erheben, aus dem die nicht durch sonstige Einnahmen gedeckten Personal- und Sachkosten
finanziert werden. Der Tagessatz soll vom Träger anhand eines Selbstkostenblattes jährlich ermittelt werden. Der Deutsche
Paritätische Wohlfahrtsverband soll das Selbstkostenblatt prüfen und dieses dem Kläger zur Zustimmung vorlegen (§ 6 der Vereinbarung).
Nach § 7 der Vereinbarung gewährt der Kläger den aufgenommenen Personen Sozialhilfe nach Maßgabe des Gesetzes, der genehmigte
Tagessatz soll als Kosten der Unterkunft aus der Sozialhilfe übernommen werden. Zum 07.07.1999 wurde die Vereinbarung u.a.
dahingehend geändert, dass die Prüfung durch den Paritätischen Wohlfahrtsverband entfiel. Wegen der weiteren Einzelheiten
wird auf den Inhalt der Vereinbarungen vom 09.07.1992 und 07.07.1999, Bl. 88 bis 91 der Gerichtakte, Bezug genommen.
Bis Ende September 2011 betrug der Tagessatz des Frauenhauses pro untergebrachter Person 33,00 €, wovon 50 % auf die Kosten
der Unterkunft und 50 % auf die Aufwendungen der psychosozialen Betreuung entfielen. Wegen der Einzelheiten der Tagessatzberechnung
wird auf Bl. 76 der Gerichtsakte Bezug genommen. Der Träger des Frauenhauses übermittelte dem Kläger monatlich Listen mit
den Namen der untergebrachten Personen und der Dauer der Unterbringung. Der Kläger zahlte sodann in einer Sammelabrechnung
den vereinbarten Tagessatz an den Träger des Frauenhauses.
Die 1980 geborene Zeugin N H, geschiedene C und ihre 1996, 2001, 2003 und 2005 geborenen Kinder sind serbische Staatsangehörige
und wohnten bis März 2011 mit ihrem Mann bzw. Vater und einem weiteren Kind in Sarstedt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten.
Ab dem 10.03.2011 waren sie zunächst in Frauenhäusern in Peine und ab dem 15.03.2011 in Essen untergebracht, bis der Ehemann
und Vater der Kinder Kenntnis vom jeweiligen Aufenthaltsort erhielt. Am 14.04.2011 zog die Zeugin H mit ihren Kindern in das
Frauenhaus in Witten. Auf deren Antrag bewilligte der Kläger ihr und den vier Kindern mit Bescheid vom 04.05.2011 Leistungen
nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.05. bis zum 31.10.2011. Kosten der Unterkunft und Heizung wurden im Bewilligungsbescheid nicht erwähnt.
Auf Bitte des Frauenhauses sah der Kläger davon ab, die Zeugin H zur Beantragung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) aufzufordern. Zudem sah der Kläger von einer Rechtswahrungsanzeige gegenüber dem Vater der Kinder ab, damit dieser nicht
über die Anzeige Kenntnis vom Aufenthaltsort der Zeugin und der Kinder erlangen konnte. Durch Mietvertrag vom 15.07.2011 mietete
die Zeugin H zum 01.09.2011 eine Wohnung im Zuständigkeitsbereich des Klägers an. Der Auszug aus dem Frauenhaus erfolgte am
09.09.2011.
Am 10.05.2011 meldete der Kläger bei dem Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch nach § 36a SGB II an und forderte mit Schreiben vom 19.09.2011 einen Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 24.585,00 €. Dieser Betrag errechnete
sich aus dem Tagessatz in Höhe von je 33,00 € für fünf Personen und 149 Tagen Aufenthalt in dem Frauenhaus.
Am 18.01.2012 bat der Beklagte den Kläger um einen Nachweis über die Notwendigkeit der psychosozialen Betreuung und die Berechnungsgrundlage
für die Höhe des Tagessatzes. Der Kläger übersandte daraufhin die Vereinbarungen mit dem Frauenhaus vom 09.07.1992 und 07.07.1999
und teilte unter Verweis auf eine entsprechende Bestätigung des Frauenhauses mit, dass der Aufenthalt von 149 Tagen zur Stabilisierung
und für die Unterstützung bei der Wohnungssuche erforderlich gewesen sei. Es sei nicht leicht, für fünf Personen eine Wohnung
zu finden und einzurichten. Die Kinder seien auf die Hilfe des Frauenhauses bei dem Besuch der neuen Schule und bei der Eingewöhnung
in eine neue Umgebung angewiesen gewesen. Die Gefährdung der Zeugin H und der Kinder durch den gewalttätigen Ehemann und Vater
sowie dessen Familienangehörige sei von allen Beteiligten sehr hoch eingeschätzt worden.
Nachdem der Kläger dem Beklagten am 23.04.2013 eine Zahlungsfrist bis zum 13.05.2013 gesetzt hatte, teilte dieser am 06.05.2013
mit, dass zwar grundsätzlich Bereitschaft bestehe, Kostenerstattung zu leisten, jedoch habe der Kläger bisher keine korrekte
Aufstellung erstellt. Es seien nur erforderliche und rechtmäßig erbrachte Leistungen zu erstatten. Insoweit bestünden Zweifel
an der Notwendigkeit der langen Unterbringungsdauer. Des Weiteren sei der Kläger verpflichtet gewesen, die Zeugin H auf die
Beantragung von vorrangigen Leistungen nach dem UVG für die Kinder zu verweisen.
Auch nach Vorlage eines Schreiben des Frauenhauses vom 21.06.2013, wonach die Unterbringung der Zeugin H mit ihren Kindern
nicht ab einem bestimmten Zeitpunkt dadurch begründet gewesen sei, monokausal eine Obdachlosigkeit abzuwenden, lehnte der
Beklagte mit weiteren Schreiben vom 09.07.2013 und 14.08.2015 die Kostenerstattung erneut ab, da die erforderlichen Kosten
nicht ausreichend nachgewiesen seien. Die zu erstattenden Aufenthaltstage seien zu kürzen um die Zeiten, in denen eine Gewaltsituation
nicht mehr gegeben und die Zeugin H und ihre Kinder wohnungssuchend gewesen seien. Überdies seien vorrangige Ansprüche nach
UVG zu prüfen und geltend zu machen gewesen. Zudem sei fraglich, ob der vorgelegte Vertrag zwischen dem Kläger und dem Verein
"G e.V." die gesetzlich nach § 17 Abs. 2 SGB II vorgeschriebenen Mindestanforderungen an eine solche Vereinbarung erfülle.
Am 23.12.2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Dortmund (SG) erhoben mit dem ursprünglichen Antrag, den Beklagten zu verpflichten, ihm, dem Kläger 24.585,00 € gemäß § 36a SGB II zu erstatten. Nach einem Hinweis des SG, dass die mit dem Frauenhaus getroffene Vereinbarung hinsichtlich der psychosozialen Einrichtung nicht den Maßgaben des §
17 Abs. 2 SGB II entspreche und die Kosten der Unterkunft nur bis zum 31.08.2011 zu gewähren und mit 7.840,00 € (140 Tagessätze für 5 Personen
zu je 11,20 €) anzusetzen seien, hat der Kläger beantragt,
den Beklagen zu verurteilen, ihm 7.840,00 € zu erstatten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, ein Kostenerstattungsanspruch sei nicht gegeben. Zwar bestehe grundsätzlich eine Kostenerstattungspflicht,
jedoch habe der Kläger bisher keine ordnungsgemäße Abrechnung erstellt. Die Notwendigkeit einer Unterbringungsdauer von 149
Tagen sei nicht nachgewiesen worden. Eine Kostenerstattungspflicht bestehe zudem nicht, soweit die Unterbringung wegen der
ansonsten drohenden Obdachlosigkeit erfolgt sei. Auch habe der Kläger es versäumt, die Geltendmachung vorrangiger Ansprüche
für die Kinder zu verfolgen. Schließlich verfüge der Kläger über keine den Vorgaben des § 17 Abs. 2 SGB II entsprechende Vereinbarung mit dem Frauenhaus.
Das SG hat Unterlagen zu den im Jahr 2011 angefallenen Kosten des Frauenhauses, insbesondere hinsichtlich der Kosten für Unterkunft,
beigezogen. Wegen der Einzelheiten wird auf die "Konzeption" des Frauenhauses aus dem Jahr 2001, die Kostenblätter für die
Jahre 2011 bis 2015, den Mietvertrag des Frauenhauses und Besprechungsprotokolle zwischen dem Kläger und dem Träger des Frauenhauses
(Bl. 68 bis 98 der Gerichtsakte) verwiesen. Ergänzend hat der Kläger mitgeteilt, im Jahre 2011 seien 7.936 Übernachtungen
im Frauenhaus gezählt worden.
Mit Urteil vom 18.09.2018 hat das SG den Beklagten verurteilt, an den Kläger 7.840,00 € zu erstatten. In der Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte sei gemäß § 36a SGB II zur Erstattung der Kosten der Unterkunft der Zeugin H und ihrer vier Kinder im Frauenhaus Witten für den Zeitraum vom 14.04.2011
bis zum 31.08.2011 verpflichtet. Die Verpflichtung zum Abschluss einer Vereinbarung nach den Vorgaben des § 17 Abs. 2 SGB II gelte nicht für die Kosten der Unterkunft. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung im Hinblick auf die Kosten
der Unterkunft orientiere sich allein an den Vorgaben des § 22 Abs. 1 SGB II. Die Kosten der Unterbringung umfassten alle mit dem Betrieb des Frauenhauses als Wohneinrichtung anfallenden Kosten. Allerdings
sei dabei nicht von dem vom Kläger ursprünglich angesetzten Tagessatz in Höhe von 16,50 € auszugehen. Dass Kosten in entsprechender
Höhe angefallen sind, habe der Kläger nicht nachweisen können. Aus den vom Kläger für das Jahr 2011 eingereichten Unterlagen
ergäben sich für Mietkosten, Betriebskosten, Versicherungen, Rücklagen für Ersatzbeschaffung, Schönheitsreparaturen und für
Eigenbeschaffung Gesamtkosten in Höhe von 88.883,52 €, welche auf 7.936 Übernachtungen aufzuteilen seien, woraus sich eine
Tagespauschale in Höhe von 11,20 € pro Person und Übernachtung ableite. Dieser Betrag sei auch nicht deswegen zu mindern oder
ganz zu kürzen, weil der Aufenthalt der Familie H im Frauenhaus zu lange gedauert oder der Beklagte es versäumt habe, Frau
H zur Beantragung vorrangiger Leistungen nach dem UVG aufzufordern oder ihr dabei zu helfen, Unterhalt für die Kinder bei ihrem Mann geltend zu machen. Die Gewährung von Leistungen
nach dem SGB II werde nicht daraus rechtswidrig, weil vorrangige Sozialleistungen oder Unterhaltsansprüche nicht geltend gemacht worden seien.
Entscheidend sei allein der tatsächliche Zufluss entsprechender Leistungen. Ebenso wenig sei § 36a SGB II zu entnehmen, dass die Kostenerstattungspflicht nur für eine begrenzte Dauer des Aufenthaltes im Frauenhaus bestehe. Die
Erstattungspflicht erstrecke sich in zeitlicher Hinsicht auf die gesamte Verweildauer im Frauenhaus und ende mit dem Auszug.
Das SG hat die Berufung nicht zugelassen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten vom 11.10.2018 hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 04.04.2019 zugelassen.
Zur Begründung der Berufung hat der Beklagte im Wesentlichen vorgetragen, auch die Unterkunftskosten seien wesentlicher Bestandteil
einer notwendigen Vereinbarung nach § 17 SGB II. Unterkunftskosten und Kosten psychosozialer Betreuung seien insofern nicht getrennt voneinander zu betrachten. Unabhängig
von dieser Frage setzte die Übernahme der Unterkunftskosten voraus, dass den Hilfeempfängern rechtmäßig Leistungen gewährt
worden seien. Dies setze voraus, dass ein an sie gerichteter Bewilligungsbescheid ergangen sei, mit welchem die Leistungen
konkretisiert worden seien. Im konkreten Fall sei von den Hilfeempfängern kein Unterkunftsbedarf vom Frauenhaus eingefordert
worden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 18.09.2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Insbesondere beschränke § 17 Abs. 2 SGB II nicht sämtliche nach § 36a SGB II zu erstattenden Kosten, sondern fordere lediglich eine Vereinbarung für die von einem Dritten nach § 16a Nr. 3 SGB II erbrachten Leistungen, um dafür eine Erstattung erhalten zu können. Auch sei durch die Tatsache, dass die Zeugin H eine neue
Unterkunft gesucht habe, die Gefährdungslage nicht beendet worden, wie auch zeitlich nachfolgende Vermerke über Vorsprachen
der Zeugin, u.a. aus dem Jahren 2016/17, belegten.
Auf Nachfrage des Senats hat der Träger des Frauenhauses mitgeteilt, Unterlagen über den Aufenthalt der Zeugin H und ihrer
Kinder seien nicht vorhanden. Die Kollegin, welche die Zeugin H begleitet und betreut habe, sei zwischenzeitlich verstorben.
Die Kinder seien von der Zeugin C1 L betreut worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 05.10.2021 hat der Senat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen H und L. Wegen
des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 256 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte
sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen
ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zugelassene Berufung des Beklagten ist auch begründet. Das SG hat den Beklagten zu Unrecht zur Kostenerstattung verurteilt, denn dem Kläger steht dieser Anspruch nicht zu.
Die Klage ist als echte Leistungsklage (§
54 Abs.
5 SGG) im Gleichordnungsverhältnis statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere sind sowohl der Kläger als auch der Beklagte
im vorliegenden Rechtsstreit prozessführungsbefugt. Der Kläger ist aktiv prozessführungsbefugt, also berechtigt, den Prozess
im eigenen Namen zu führen, denn als zugelassener kommunaler Träger iSd § 6a SGB II nimmt er seine Aufgaben selbst wahr. Der Beklagte ist passiv prozessführungsbefugt. Bei dem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch
des § 36a SGB II handelt es sich um ein Recht der Kommune, das mit der Trägerschaft für die Leistungen nach § 16a SGB II korrespondiert (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.2012, B 14 AS 190/11 R, juris Rn. 14). Zwar nimmt grundsätzlich die nach § 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II von den Trägern (Bundesagentur für Arbeit und die kreisfreien Städte und Kreise, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende gebildete eine gemeinsame Einrichtung die Aufgaben
nach dem SGB II wahr. Vorliegend hat die Trägerversammlung jedoch gemäß § 44c Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB II wirksam die Bearbeitung von Kostenerstattungsansprüchen nach § 36a SGB II auf den Beklagten zurückübertragen.
Rechtsgrundlage für die Erstattungspflicht ist § 36a SGB II. Danach ist der kommunale Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthalt verpflichtet, dem durch die Aufnahme im Frauenhaus
zuständigen kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses die Kosten für die Zeit des Aufenthalts im Frauenhaus zu erstatten,
wenn eine Person in einem Frauenhaus Zuflucht sucht.
Die Beteiligten sind kommunale Träger im Sinne dieser Vorschrift und damit aktiv- und passivlegitimiert. Zweifellos bestand
bis zum Auszug aus der gemeinsamen Wohnung mit dem Ehemann und Vater ein gewöhnlicher Aufenthalt der Zeugin H und ihrer Kinder
im Kreisgebiet des Beklagten. Mit der nach glaubhafter Bekundung der Zeugin H auf Dauer angelegten Flucht aus der gemeinsamen
Wohnung ist dieser gewöhnliche Aufenthalt aufgegeben worden. Dies war auch ihr letzter gewöhnlicher Aufenthalt vor dem Aufenthalt
im Frauenhaus in Witten. Der Umstand, dass Frau H unmittelbar nach der Flucht aus der gemeinsamen Wohnung mit ihrem Mann zunächst
in Frauenhäusern in Peine und Essen gewohnt hat, ändert hieran nichts. Denn die Erstattungspflicht des kommunalen Trägers
am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts außerhalb eines Frauenhauses (Herkunftskommune) erfasst auch Kosten wegen eines Aufenthalts
in einem Frauenhaus, die nach einer weiteren Flucht aus einem anderen Frauenhaus entstehen (vgl. BSG, a.a.O., juris Rn. 19 ff.).
Der Kläger ist durch Aufnahme von der Zeugin H und ihrer Kinder im Frauenhaus in Witten zuständiger kommunaler Träger geworden.
Die Zuständigkeit richtet sich auch im Rahmen des § 36a SGB II nach den allgemeinen Regelungen im SGB II (vgl. BSG, a.a.O., juris Rn. 17). Nach § 36 Abs. 1 SGB II ist grundsätzlich der Träger des gewöhnlichen Aufenthalts (§
30 Abs.
3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB I) für die Leistungserbringung zuständig. Kann ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht festgestellt werden, ist gem. § 36 Abs. 1 Satz 4 SGB II der Träger zuständig, in dessen Bereich sich die oder der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält. Unabhängig von der Frage,
ob angesichts des zunächst zukunftsoffenen Aufenthalts im Frauenhaus der dortige gewöhnliche Aufenthalt der Frau H und ihrer
vier Kinder verneint wird, ist der Kläger jedenfalls aufgrund ihres tatsächlichen Aufenthalts in Witten zuständiger Träger.
Die Zeugin H und ihre vier Kinder haben in dem Frauenhaus in Witten auch während des gesamten noch streitigen Aufenthaltszeitraumes
Zuflucht gesucht. Eine Person sucht Zuflucht in einem Frauenhaus, wenn sie dort tatsächlich Aufenthalt nimmt und Schutz vor
häuslicher Gewalt sucht (vgl. nur Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 36a (Stand: 03.03.2021) Rn. 8). "Zuflucht suchen" lässt sich als tatsächliches Aufhalten verstehen, um der Gefährdungssituation
am bisherigen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr ausgesetzt zu sein. Zwar ist umstritten, ob das Vorliegen einer
Bedrohungssituation für die Dauer des Aufenthalts in einem Frauenhaus typisierend zu unterstellen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 04.11.2020, L 2 AS 3911/18, juris Rn. 44 f.; Krauß in: Hauck/Noftz, SGB, 11/13, § 36a SGB II, Rn. 26; Aubel, a.a.O., § 36a Rn. 19; BeckOK SozR/Burkiczak, 61. Ed. 1.6.2021, SGB II, § 36a Rn. 5; Gagel/Hlava, SGB II/III, 82. EL Juni 2021, § 36a Rn. 7) oder ob die fortwirkende Gefährdungssituation im Einzelfall
positiv festzustellen ist (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 18.11.2020, L 6 AS 769/16, juris Rn. 60 ff.). Dies kann jedoch dahinstehen, denn entgegen der Auffassung des Beklagten diente der Aufenthalt zu keinem
Zeitpunkt lediglich der Vermeidung von Obdachlosigkeit. Vielmehr steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Zeugin H
und ihre Kinder während des gesamten streitigen Aufenthaltszeitraums in dem Frauenhaus einer Gefährdung ausgesetzt waren.
So hat die Zeugin H glaubhaft geschildert, dass sie und ihre 1996 geborene Tochter während des Zusammenlebens mit ihrem Exmann
erheblichen körperlichen Misshandlungen ausgesetzt gewesen und nach ihrem Auszug aus dem gemeinsamen Haushalt wiederholt von
diesem oder dessen Familienangehörigen aufgespürt worden seien. Während der Zeit in dem Frauenhaus in Witten und auch aktuell
noch seien sie fortwährend von ihrem früheren Ehemann und dessen Familien bedroht und lebten in stetiger Furcht, von diesen
aufgespürt zu werden. In der Vergangenheit erfolgten aus diesem Grund bereits weitere Umzüge der Familie in ein anderes Bundesland.
Überdies hat sich die Bedrohungslage nach den Angaben der Zeugin bereits durch einen tätlichen Übergriff eines Cousins des
Ex-Ehemannes auf den Vater der Zeugin, welcher schwere körperliche Schäden davon getragen hat, manifestiert. Bestätigt werden
die Angaben der Zeugin H durch die Aussage der Zeugin L, welche von einer extremen Bedrohungssituation der Familie während
des Aufenthalts im Frauenhaus und zudem von der Notwendigkeit des Aufenthalts zur Stabilisierung nach den erlebten Gewalterfahrungen
ausging.
Des Weiteren war die Zeugin H während des streitigen Erstattungszeitraums auch erwerbsfähig und hilfebedürftig und erfüllte
mit ihren Kindern die Leistungsvoraussetzungen des § 7 SGB II Abs.
1 Satz 1, ein Leistungsausschluss gem. §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB I lag nicht vor.
Gleichwohl scheidet eine Kostenerstattungspflicht des Beklagten vorliegend aus, weil der Verein "G e.V." als Träger des Frauenhauses
keinen Vergütungsanspruch gegen den Kläger hatte und damit keine erstattungsfähigen Kosten i.S.d. § 36a SGB II entstanden sind. Voraussetzung für eine Erstattungspflicht ist, dass eine rechtmäßige Leistung erbracht wurde, denn nur in
diesem Fall ist eine Vergütungsverpflichtung wirksam entstanden, hinsichtlich derer Kostenerstattung geltend gemacht werden
kann (vgl. Krauß, a.a.O., § 36a Rn. 24; Aubel, a.a.O., Rn. 8, vgl. auch LSG NRW, Urteil vom 16.02.2017, L 7 AS 1299/15, juris Rn. 30 ff.). Gemäß § 17 Abs. 2 SGB II in der seit dem 01.04.2011 geltenden, insoweit bis heute unveränderten Fassung sind die Träger der Leistungen nach dem SGB II zur Vergütung für die Leistung nur verpflichtet, wenn mit dem Dritten oder seinem Verband eine Vereinbarung insbesondere
über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Nr. 1), die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne
Leistungsbereiche zusammensetzen kann (Nr. 2) und die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Nr. 3) besteht,
sofern - wie hier - im
SGB III keine Anforderungen geregelt sind, denen die Leistung entsprechen muss. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts besteht
ohne eine solche Vereinbarung keine Vergütungspflicht, die dennoch gezahlt Vergütung ist in diesem Fall rechtswidrig (vgl.
Böttiger in: Eicher/Luik/Harich, 5. Aufl. 2021, SGB II § 36a Rn. 61; Aubel, a.a.O., § 36a Rn. 9; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.05.2015 - L 12 AS 1955/14, juris Rn. 50; Hessisches LSG, a.a.O., Rn. 76).
An einer derartigen Vereinbarung fehlt es hier. Zwar dürfen an die Vereinbarung keine zu hohen Anforderungen gestellt werden
(LSG NRW, a.a.O., juris Rn. 33 m.w.N.; Hahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 17 (Stand: 01.03.2020), Rn. 24 m.w.N.), gleichwohl müssen sämtliche gesetzlichen Bestandteile vollständig und hinreichend aussagekräftig
in der Vereinbarung geregelt sein (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB, 05/21, § 17 SGB II Rn. 111). Die vorgelegte Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Verein "G e.V." vom 09.07.1992 in der geänderten Fassung
vom 07.07.1999 genügt diesen Anforderungen nicht. Bereits zu Inhalt, Umfang und Qualität der zu erbringenden Leistungen heißt
es in § 2 der Vereinbarung lediglich, dass das autonome Frauenhaus misshandelten und von Misshandlung bedrohten Frauen und
ihren Kindern - vorwiegend aus dem EN-Kreis - Schutz und Aufenthalt bieten solle. Darüber hinaus finden sich in der Vereinbarung
keine ausdrücklichen Regelungen, sondern lediglich ein Verweis auf Richtlinien des Landes Nordrhein-Westfalen für die Gewährung
von Zuwendungen zur Förderung von Zufluchtstätten für misshandelte Frauen. Diesbezüglich verweist der Beklagte zu Recht darauf,
dass schon nicht ersichtlich ist, welche Richtlinienfassung hier anzuwenden ist. Die aktuelle, im Internet abrufbare Richtlinie
in der Fassung vom 14.11.2019 enthält eine Definition von Frauenhäusern und eine Mindestgröße sowie Anforderungen an die personelle
Ausstattung hinsichtlich Anzahl und Qualifikation der Mitarbeiterinnen, jedoch keine weitergehenden inhaltlichen Leistungs-
und Qualitätsanforderungen. So wird z.B. nicht geregelt, welche Mindestanforderungen an die Unterkunft einzelner Frauen oder
Frauen mit Kindern zu stellen sind. Die von dem Kläger überreichte "Konzeption" des Frauenhauses aus dem Jahr 2001 enthält
diesbezüglich zwar weiterführende Hinweise, jedoch ist diese Konzeption nicht Inhalt der Vereinbarung. Auch die Vergütung
der von dem Frauenhaus erbrachten Leistungen ist in dem Vertrag vom 09.07.1992 in der geänderten Fassung vom 07.07.1999 nur
rudimentär geregelt. Es soll ein Tagessatz erhoben werden, der vom Frauenhaus jährlich anhand eines Selbstkostenblattes ermittelt
werden soll. Weitere Abrechnungsfragen bleiben im Einzelnen ungeklärt. Die Prüfvereinbarung hinsichtlich des Selbstkostenblattes
läuft nach Austritt des Frauenhauses aus dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband Ende der 1990'er Jahre ins Leere. Vertragliche
Regelungen über die Prüfung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen, wie sie von § 17 Abs. 2 Nr. 3 SGB II gefordert werden, fehlen nunmehr völlig (zum Mindestinhalt vgl. nur Hahn, a.a.O., Rn. 27; Luthe, a.a.O., Rn. 127).
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG liegen nicht vor.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §
197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 1, 3 Gerichtskostengesetz (GKG).