Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Kürzung der Rente des Klägers aufgrund der Übertragung von Entgeltpunkten
auf die geschiedene Ehefrau durch einen insoweit veränderten Versorgungsausgleich sowie über die Rechtmäßigkeit der Erstattung
von geleisteten Rentenzahlungen.
Mit Bescheid vom 01.07.2009 bewilligte die Beklagte dem am 27.12.1958 geborenen Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung
in Höhe von 1.020,09 Euro monatlich ab dem 01.06.2009 und befristet bis zum 30.04.2012. Die bei der Berechnung der Rente zugrunde
gelegten persönlichen Entgeltpunkte betrugen 41,6011 und ergaben sich aus der Summe aller Entgeltpunkte von 46,6380, multipliziert
mit dem Zugangsfaktor von 0,892. Mit Bescheid vom 25.01.2012 verlängerte die Beklagte die Bewilligung der Rente wegen voller
Erwerbsminderung bis zum 30.04.2015, mit Bescheid vom 04.02.2015 bis zum 30.04.2017. Mit Urteil des Amtsgerichts Ahaus vom
19.08.2009 (10 F 180/08) wurde auf Antrag des Klägers die am 13.06.1979 zwischen ihm und seiner Ehefrau geschlossene Ehe geschieden. Außerdem erfolgte
ein Versorgungsausgleich zwischen dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau. Vom Versicherungskonto des Klägers bei der Beklagten
wurden dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der Beklagten 268,95 Euro monatlich und bezogen auf den 28.02.2009 weitere 15,60
Euro übertragen. Die zu übertragenden Anwartschaften waren in Entgeltpunkte umzurechnen. Die Regelungen zum Versorgungsausgleich
wurden am 29.09.2009 rechtskräftig. Mit Schreiben vom 03.06.2015 stellte der Kläger beim Amtsgericht Ahaus einen auf § 225 Abs. 2 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) gestützten Antrag auf Abänderung des Versorgungsausgleichs aus dem Jahr 2009. Mit Beschluss des Amtsgerichts Ahaus vom 25.09.2015
(10 F 193/15) wurde der bisherige Versorgungsausgleich für die Zeit ab dem 01.07.2015 dahingehend abgeändert, dass bezogen auf den 28.02.2009
vom Versicherungskonto des Klägers bei der Beklagten 16,1332 Entgeltpunkte auf das Konto der geschiedenen Ehefrau und vom
Versicherungskonto der geschiedenen Ehefrau 7,3363 Entgeltpunkte auf das Konto des Klägers zu übertragen waren. Dieser Beschluss
wurde am 30.10.2015 rechtskräftig.
Unter dem 09.11.2015 erließ die Beklagte einen weiteren Rentenbescheid. Ausweislich des Bescheids wurde die Rente wegen voller
Erwerbsminderung aufgrund der Abänderungsentscheidung zum Versorgungsausgleich ab dem 01.07.2015 neu berechnet und auf monatlich
985,96 Euro brutto/ 881,95 Euro netto herabgesetzt. Dabei wurden persönliche Entgeltpunkte von 33,7543 berücksichtigt. Die
sich für die Zeit vom 01.07.2015 bis zum 31.10.2015 ergebende Überzahlung in Höhe von 820,08 Euro sei vom Kläger zu erstatten.
Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass bei der Rentenzahlung bislang das sogenannte "Rentnerprivileg" des §
101 Abs.
3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) in der Fassung bis zum 31.08.2009 angewandt worden sei, weil der Kläger zum Zeitpunkt der ursprünglichen Entscheidung über
den Versorgungsausgleich bereits eine Rentenleistung und seine geschiedene Ehefrau noch keine eigene Leistung bezogen habe.
Das "Rentnerprivileg" bleibe jedoch nicht bestehen, wenn nach dem 31.08.2009 ein Abänderungsverfahren eingeleitet werde und
eine Versorgungsausgleichsentscheidung nach dem aktuellen Recht getroffen werde. Gemäß des Beschlusses des Amtsgerichts Ahaus
vom 25.09.2015 sei der Versorgungsaugleich daher ab dem 01.07.2015 zu berücksichtigen.
Am 16.11.2015 erhob der anwaltlich vertretene Kläger gegen den Bescheid der Beklagten Widerspruch. Zur Begründung führte er
aus, dass nach den Arbeitsanweisungen der Beklagten das "Rentnerprivileg" auch Anwendung finde, wenn das Versorgungsausgleichsverfahren
abgetrennt, ausgesetzt oder ruhend gestellt und erst wieder nach dem 31.08.2009 aufgenommen werde. Dies gelte auch für eine
Rente, die sich unmittelbar der Rentenzahlung im Sinne des §
268a Abs.
2 SGB VI anschließe.
Mit Schreiben vom 01.02.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass vom "Rentnerprivileg" und damit von einer ungekürzten
Rentenzahlung diejenigen Personen profitierten, bei denen unter den anderen Voraussetzungen des §
268a Abs.
2 SGB VI das Erstverfahren zum Versorgungsausgleich vor dem 01.09.2009 eingeleitet worden sei. Durch das Abänderungsverfahren sei
jedoch ein neues Verfahren eingeleitet worden, welches nicht mehr von §
268a Abs.
2 SGB VI erfasst werde. Aus der Begründung zu §
268a Abs.
2 SGB VI ergebe sich, dass die Anwendung nur in Übergangsfällen in Betracht kommen solle. Insofern entfalle das "Rentnerprivileg"
nach einer Abänderungsentscheidung.
Hierauf entgegnete der Kläger unter dem 11.02.2016, dass die Voraussetzungen des §
268a SGB VI vorlägen. Es existiere auch nur ein Versorgungsausgleich zwischen den Parteien. Die Besitzschutzregelung des §
268a SGB VI sei mit Blick auf Art.
14 Grundgesetz (
GG) buchstabengetreu auszulegen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein Änderungsverfahren sei
ein vom ursprünglichen Verfahren zu trennendes Verfahren. Aus der Begründung zu §
268a SGB VI ergebe sich, dass die Anwendung nur in Übergangsfällen im Betracht kommen solle. Insofern entfalle das "Rentnerprivileg"
nach einer Abänderungsentscheidung, wenn der Abänderungsantrag nach dem 31.08.2009 gestellt werde.
Der Kläger hat am 31.05.2016 beim Sozialgericht Münster Klage erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren
und führt ergänzend aus, dass sich auch aus § 225 Abs. 2 FamFG ergebe, dass der Gesetzgeber den Versorgungsausgleich als rechtliche Einheit konzipiert habe. Prototypisch hierfür sei §
323 der
Zivilprozessordnung (
ZPO). Hierbei handele es sich um eine Vorschrift, auf Grund derer in einen bereits durch Urteil entschiedenen Sachverhalt eingegriffen
und mithin die Rechtskraft dieser ursprünglich bereits in Rechtskraft erwachsenden Entscheidung durchbrochen werde. Es handele
sich um die Abänderung eines "alten" Streitgegenstandes und nicht um einen "neuen" Streitgegenstand. Mithin handele es sich
nicht um zwei getrennte Verfahren, sondern um ein Verfahren, das den ursprünglichen prozessualen Streitgegenstand einer gerichtlichen
Entscheidung aufgreife und modifiziere.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 09.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2016 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Verwaltungsentscheidung weiterhin für rechtmäßig. §
268a Abs.
2 SGB VI regele die Weitergeltung des "Rentnerprivilegs" aus Vertrauensschutzgründen. Im vorliegenden Fall sei es jedoch der Kläger
gewesen, der durch den Abänderungsantrag eine neue Rechtslage geschaffen habe. Das Abänderungsverfahren führe zu einem neuen,
weiteren Verfahren über den Versorgungsausgleich und sei damit nicht mehr zu beachten.
Mit Bescheid vom 07.02.2017 hat die Beklagte die Rente wegen voller Erwerbsminderung als Dauerrente weitergewährt. Sie werde
längstens bis zum 31.12.2024 (Monat des Erreichens der Regelaltersrente) gezahlt.
Mit Urteil vom 15.01.2019 hat das Sozialgericht Münster die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nicht gemäß §
54 Abs.
2 S. 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beschwert, weil der Verwaltungsakt der Beklagten vom 09.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2016
weder formell noch materiell rechtswidrig sei. Anwendung finde gemäß §
268a Abs.
2 SGB VI die Bestimmung des §
101 Abs.
3 SGB VI in der seit dem 01.09.2009 geltenden Fassung. Das sogenannte "Rentenprivileg" finde bezogen auf den Beschluss des Amtsgerichts
Ahaus vom 25.09.2015 keine Anwendung, weil das hier entscheidende Verfahren über den Versorgungsausgleich nicht vor dem 01.09.2009,
sondern erst im Juni 2015 eingeleitet worden sei. Bei dem Änderungsverfahren gemäß § 51 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (VersAusglG) in Verbindung mit §§ 225 f. FamFG handele es sich um ein gesondertes und neues Verfahren über den Versorgungsausgleich. Anders als der Kläger meine, sei dem
Gesetz nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber das Vertrauen in eine bestimmte Rentenhöhe habe schützen wollen. §
268a Abs.
2 SGB VI stelle darüber hinaus nicht auf den Versorgungsausgleich, sondern auf ein Verfahren über den Versorgungsausgleich ab. Der
angefochtene Bescheid sei auch formell und materiell rechtmäßig, da die Voraussetzungen des §
101 Abs.
1 und
3 SGB VI vorlägen. Die Rückzahlung der überzahlten Rentenleistung folge aus § 50 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).
Gegen das am 23.01.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.01.2019 Berufung eingelegt. Der Versorgungsausgleich sei in
Ansehung ein und derselben Ehescheidung als rechtliche Einheit zu qualifizieren, über die ein Verfahren zu führen sei. §
268a Abs.
2 SGB VI spreche auch von "das Verfahren über den Versorgungsausgleich" und gehe damit zutreffend von einem Verfahren in Ansehung
eines Versorgungsausgleichs in einer Ehe aus. Das hier in Rede stehende Verfahren über den Versorgungsausgleich sei in Bezug
auf die Ehescheidung vor dem 01.09.2009 eingeleitet worden. Bei dem Abänderungsbegehren handele es sich um ein Begehren, das
darauf abziele, die Rechtskraft der Entscheidung in Bezug auf den Versorgungsausgleich aufzuheben und entsprechend das Verfahren
über den Versorgungsausgleich fortzusetzen. Bestritten werde, dass der Gesetzgeber nicht das abstrakte Verfahren in eine bestimmte
Rentenhöhe habe schützen wollen. Die Auffassung des Gerichts führe zu einer echten Rückwirkungsproblematik und zu einer Abänderung
eines bereits abgeschlossenen Sachverhalts zu Lasten des Klägers. Die Beklagte habe den Kläger nicht angehört und eine für
den Kläger überraschende Entscheidung getroffen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 15.01.2019 abzuändern und den Bescheid vom 09.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 12.05.2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf ihre Ausführungen in der ersten Instanz sowie auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§
143,
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht Münster hat zu Recht mit Urteil vom 15.01.2019 die Klage abgewiesen. Die Anfechtungsklage (§
54 Abs.
1 Satz 1
SGG) ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 09.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 12.05.2016 ist rechtmäßig und der Kläger nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG beschwert.
Gesetzliche Grundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist §
101 Abs.
3 S. 1 bis 3
SGB VI in der seit dem 01. September 2009 geltenden Fassung. Nach §
101 Abs.
3 S. 1
SGB VI in dieser Fassung wird, wenn nach Beginn der Rente ein Versorgungsausgleich durchgeführt wird, die Rente der leistungsberechtigten
Person von dem Kalendermonat an um Zuschläge oder Abschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich
durchgeführt ist. Dies gilt nach §
101 Abs.
3 S. 3
SGB VI bei einer rechtskräftigen Abänderung des Versorgungsausgleichs entsprechend mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt nach
§ 226 Abs. 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit abzustellen ist. Nach §
268a Abs.
2 SGB VI ist §
101 Abs.
3 SGB VI in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden, wenn vor dem 1. September 2009 das Verfahren über
den Versorgungsausgleich eingeleitet worden ist und die auf Grund des Versorgungsausgleichs zu kürzende Rente begonnen hat.
Vorliegend findet das in §
101 Abs.
3 SGB VI in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung normierte sogenannte "Rentnerprivileg" bezogen auf das Abänderungsverfahren
nach §§ 51 f. VersAusgIG in Verbindung mit § 225 f. FamFG, aufgrund dessen der Versorgungsausgleich mit Beschluss des Amtsgerichts Ahaus vom 25.09.2015 abgeändert wurde, jedoch keine
Anwendung, da es sich hierbei um ein eigenständiges "Verfahren" im Sinne des §
268a Abs.2
SGB VI handelt. Wird nach dem 31. August 2009 ein Abänderungsverfahren eingeleitet und die Ausgangsentscheidung abgeändert, endet
das "Rentnerprivileg" (ebenso: Jenner in: Hauck/Noftz,
Sozialgesetzbuch VI, Stand: 09/17, §
268a SGB VI, Rn. 11; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - LSG NRW -, Beschluss vom 23.03.2021 - L 14 R 650/17 -, Rn. 39f. bei juris; Kuklok in Gemeinschaftskommentar zum
SGB VI, Stand: Juli 2018, §
268 a, Rn. 37; vgl. Löschau in Löschau, 19. Lfg. April 2016, § 268 a, Rn. 18; a.A: Bergmann, FamRB 2015, 314 (314), Schwamb, FamRB
2015, 90 (91)). Zwar hat die aufgrund des Versorgungsausgleichs zu kürzende Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits vor
dem 01.09.2009 begonnen, jedoch ist das Abänderungsverfahren in Bezug auf den Versorgungsausgleich erst am 03.06.2015, mithin
nach dem 01.09.2009, eingeleitet worden. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei dem Verfahren über den Versorgungsausgleich
im Rahmen des Scheidungsurteils und dem Abänderungsverfahren nicht um ein und dasselbe Verfahren über den Versorgungsausgleich.
Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des §
268a Abs.
2 SGB VI sowie aus der Gesetzesbegründung zur Abschaffung des "Rentnerprivilegs". Weder Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes noch
verfassungsrechtliche Bedenken stehen dieser Auslegung entgegen.
Nach dem Duden ist ein "Verfahren" eine "Folge von Rechtshandlungen, die der Erledigung einer Rechtssache dienen". Im vorliegenden
Fall wurde mit Urteil des Amtsgericht Ahaus vom 19.08.2009 die Ehe des Klägers und seiner Ehefrau geschieden und zugleich
eine Regelung zum Versorgungsausgleich getroffen, die rechtskräftig geworden ist. Es handelte sich hierbei um eine Endentscheidung
im Sinne des § 38 Abs. 1 S. 1 FamFG (Legaldefinition Endentscheidung: Entscheidung, durch die der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird). Erst
auf seinen Antrag vom 03.06.2015 hin wurde das Urteil hinsichtlich des Versorgungsausgleichs geändert. Mithin wurde auf den
Änderungsantrag des Klägers hin eine an sich erledigte (rechtskräftige) Rechtssache erneut aufgegriffen und einer weiteren
Erledigung (mit Beschluss vom 25.09.2015) zugeführt. Auch bei der Abänderungsentscheidung handelt es sich um eine Endentscheidung,
die nach § 224 Abs. 1 FamFG in Rechtskraft erwächst (Wagner in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 226 FamFG, Rn. 9). Bei dem Abänderungsverfahren nach §§ 51 f. VersAusgIG in Verbindung mit § 225 f. FamFG handelt es sich mithin um ein neues, antragsabhängiges und eigenständiges Verfahren über den Versorgungsausgleich.
Für diese Auslegung spricht auch die Gesetzesbegründung zur Abschaffung des "Rentnerprivilegs", d.h. zur Änderung des §
101 Abs.
3 SGB VI:
"Mit der Neufassung des Absatzes 3 wird das bisherige sogenannte Rentnerprivileg aufgehoben. Die bisherige Begünstigung von
Personen, die zum Zeitpunkt der Scheidung bereits eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen und bei denen
bis zum Beginn der Rente der ausgleichsberechtigten Person (das heißt übergangsweise) keine Kürzung der Rente erfolgte, ist
ohnehin eine Ausnahme von den den Versorgungsausgleich prägenden Grundsätzen, nach denen mit dem Versorgungsausgleich die
beidseitig erworbenen Anrechte ausgeglichen werden. Das Rentnerprivileg wurde daher schon seit Längerem von verschiedenen
Seiten in Frage gestellt. Das Rentnerprivileg führte in der bisherigen Form auch zu an sich schwer zu rechtfertigenden Belastungen
des Versorgungsträgers der ausgleichspflichtigen Person. Hinzu kommt, dass mit der nun vorgesehenen neuen Struktur des Versorgungsausgleichs,
insbesondere mit dem Grundsatz der internen Teilung aller Anrechte, das bisherige Rentnerprivileg in dieser Form ohnehin nicht
aufrechterhalten werden kann. Denn künftig ist es möglich, dass eine Person zwar bezogen auf Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung
ausgleichspflichtig, im Hinblick auf andere Anrechte jedoch zugleich ausgleichsberechtigt sein kann (in Folge der Abkehr vom
"Einmalausgleich"). Die zeitweise Aussetzung einer Kürzung der Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung darf jedoch nicht
dazu führen, dass gleichzeitig Leistungen aus anderen Anrechten bezogen werden können, die im Versorgungsausgleich erworben
wurden. Nach dem Wegfall des Rentnerprivilegs ist es erforderlich, Regelungen zu schaffen, die den Rentenversicherungsträger
vor Überzahlungen schützen, wenn zulasten der leistungsberechtigten Person ein Versorgungsausgleich oder eine Abänderung des
Versorgungsausgleichs durchgeführt wurde. Dies geschieht mit den neuen Sätzen 1 bis 3." (BT-Drucks. 16/10144, S. 100).
Hieraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber eine möglichst rasche und konsequente Abschaffung des "Rentnerprivilegs" zum (Vermögens-)Schutz
der Rentenversicherungsträger und zum Zweck der Anpassung an das neue Recht zum Versorgungsausgleich beabsichtigte. Unter
Berücksichtigung dieser Intention ist die Übergangsvorschrift des §
268a Abs.
2 SGB VI eng auszulegen.
Darüber hinaus sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber generell das Vertrauen in eine bestimmte
Rentenhöhe schützen wollte. Denn ausweislich des Gesetzeswortlauts von §
268a Abs.
2 SGB VI sollte das Rentnerprivileg nur unter zwei Voraussetzungen (Einleitung des Verfahrens über den Versorgungsausgleich vor dem
01. September 2009 und Beginn der zu kürzenden Rente) weiterhin gelten. Die zunächst geplante Regelung, wonach auch der Versorgungsausgleich
vor Inkrafttreten des neuen Versorgungsausgleichsgesetzes wirksam geworden sein musste, wurde insofern geändert, als der Antrag auf Versorgungsausgleich vor dem 01. September 2009
gestellt sein musste. Dies mit Blick darauf, dass der Besitzschutz nicht von der von den Beteiligten nur begrenzt beeinflussbaren
und oft von Zufälligkeiten abhängigen Dauer des Versorgungsausgleichsverfahrens abhängig sein sollte (BT-Drucksacke 16/11903,
S. 60). Im vorliegenden Fall hat jedoch der Kläger selbst einen Änderungsantrag gestellt. Ein Schutz seines Vertrauens ist
in dieser Konstellation weder gewollt noch aus der gesetzlichen Regelung ersichtlich. Des Weiteren ist zu berücksichtigen,
dass das in § 101 Abs. 3 VI in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung normierte "Rentnerprivileg" nur solange gilt,
bis der geschiedene Ausgleichsberechtigte eine Rente bezieht, bei der der aufgrund des Versorgungsausgleichs erworbene Zuschlag
berücksichtigt wird. Einen zeitlich unbefristeten Vorteil des Ausgleichspflichtigen gewährt die Vorschrift mithin nicht. Ein
genereller Vertrauensschutz in Bezug auf eine bestimmte Rentenhöhe ergibt sich hieraus gerade nicht.
Zwar ist dem Kläger zuzustimmen, wenn er vorträgt, dass das Rentnerprivileg auch Anwendung finde, wenn das Versorgungsausgleichsverfahren
zunächst vor dem 01.09.2009 abgetrennt, ausgesetzt oder ruhend gestellt und erst wieder nach dem 31.08.2009 aufgenommen werde.
Auch in diesen Fällen findet nach §
48 Abs.
2 VersAusgIG das neue Versorgungsrecht Anwendung. Da jedoch §
268a Abs.
2 SGB VI auf den Zeitpunkt der Einleitung des Versorgungsausgleichsverfahrens abstellt, bleibt es in diesen Fällen bei der Anwendung
des §
101 Abs.
3 SGB VI in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung. Im Unterschied zu dem zu entscheidenden Fall wird in diesen Fällen jedoch
gerade keine rechtskräftige Regelung abgeändert, sondern erstmalig eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich getroffen.
Der Hinweis des Klägers auf und der Vergleich mit §
323 ZPO führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn das mit der Abänderungsklage nach §
323 ZPO eingeleitete Verfahren stellt gerade nicht die Fortführung des Vorprozesses dar, sondern ist als selbständiges Verfahren
zu führen (Borth in Musielak/Voit, 18. Auflage 2021,
ZPO §
323 Rn. 4).
Ferner liegt hier - anders als vom Kläger-Bevollmächtigten vertreten - keine echte Rückwirkungsproblematik vor. Eine echte
Rückwirkung liegt vor, "wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift".
Gesetze mit einer echten Rückwirkung sind grundsätzlich unzulässig, da das Vertrauen des Bürgers in den Fortbestand von Regelungen,
die einmal für schon abgewickelte Tatbestände gefunden worden sind, eine nachträgliche Verschlechterung der Rechtslage prinzipiell
ausschließt (Grzeszick in Maunz/Dürig,
Grundgesetz Kommentar, 94. EL Januar 2021, Art.
20 Rn. 80). Im Fall der Abschaffung des Rentnerprivilegs wird aber nicht in abgeschlossene Sachverhalte eingegriffen. Allein
durch die erneute Antragstellung des Klägers (Abänderungsantrag zum Versorgungsausgleich) greift dieser selbst in einen abgeschlossenen
Sachverhalt ein. In diesem Fall bedarf er jedoch keines Schutzes vor staatlichen Eingriffen, da die ab dem 01. September 2009
geltende Rechtslage im Zeitpunkt der Antragstellung am 03.06.2015 längst bekannt war.
Andere verfassungsrechtliche Bedenken, wie insbesondere der Verstoß gegen Art.
14 GG, bestehen nicht (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 11.12.2014 - 1 BvR 1485/12 -, Rn. 15 f bei juris).
Der Bescheid vom 09.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2016 ist formell rechtmäßig. Insbesondere bedurfte
es nach §
101 Abs.
3 S. 2 2. Hs.
SGB VI keiner Anhörung nach § 24 SGB X.
Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Da der Kläger am 03.06.2015 einen Antrag auf Änderung des Versorgungsausgleichs
stellte, war seine Rente nach § 101 Abs. 3 S. 1 und 3 i.V.m. § 226 Abs. 4 FamFG ab dem 01.07.2015 zu ändern.
Die Höhe der Erwerbsminderungsrente wurde zutreffend ermittelt. Nach §
76 Abs.
SGB VII ist, wenn eine Rente um einen Zuschlag oder Abschlag aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich zu verändern ist, von
der Summe der bisher der Rente zugrunde liegenden Entgeltpunkte auszugehen. Vor dem Abänderungsverfahren betrug die Summe
aller Entgeltpunkte 46,6380. Hiervon waren aufgrund des abgeänderten Versorgungsausgleichs 8,7969 Punkte abzuziehen. Die verbleibenden
37,8411 Punkte wurden mit dem persönlichen Zugangsfaktor von 0,892 multipliziert, so dass der Rentenberechnung 33,7543 Entgeltpunkte
zugrunde zu legen waren. Diese wurden mit dem aktuellen Rentenwert von monatlich 29,21 Euro multipliziert, so dass eine Erwerbsminderungsrente
in Höhe von monatlich 985,96 Euro brutto/ 881,95 Euro netto zu zahlen war.
Der Erstattungsanspruch der Beklagten ergibt sich aus § 50 Abs. 1 und 3 SGB X. Nach § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Nach § 50 Abs. 3 S. 1 SGB X sind zu erstattende Leistungen durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Im Rahmen des angefochtenen Bescheids hat
die Beklagte in rechtmäßiger Weise die zu erstattenden Leistungen in Höhe von 820,08 Euro für den Zeitraum vom 01.07.2015
bis zum 31.10.2015 festgesetzt. Die Höhe der Erstattung ergibt sich aus der Differenz der für den genannten Zeitraum ursprünglich
geleisteten Rente in Höhe von monatlich 1.086,97 Euro und der tatsächliche zu leistenden Rente in Höhe von monatlich 985,96
Euro.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG nicht vorliegen. Die Rechtssache hat aus Sicht des Senats insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG, da es sich bei §
268a Abs.
2 SGB VI um eine bereits seit dem 01. September 2009 geltende Übergangsvorschrift handelt und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich
sind, dass die Klärung der Auslegung dieser Vorschrift noch für eine nicht unerhebliche Anzahl laufender Verfahren von Bedeutung
sein könnte (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
Sozialgerichtsgesetz Kommentar, 13. Auflage 2020, §
160 Rn. 7b).