Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Gelsenkirchen vom 24.9.2020 ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 25.5.2020 zu Recht abgelehnt.
Gleichermaßen ist auch eine – mit der Beschwerde zutreffend begehrte – aufschiebende Wirkung der inzwischen vor dem SG erhobenen Klage (Az. S 10 BA 2/21) gegen den am 11.12.2020 erlassenen Widerspruchsbescheid nicht anzuordnen.
Es spricht nach der im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung derzeit nicht – wie erforderlich
(vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 21.10.2020– L 8 BA 143/19 B ER – juris Rn. 4 m.w.N.) – mehr dafür als dagegen, dass sich der angefochtene Bescheid, mit dem die Antragsgegnerin von
der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1.1.2015 bis 31.12.2018 Beiträge und Umlagen in Höhe von 134.144,64 Euro nachfordert,
als rechtswidrig erweisen wird. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen
Entscheidung des SG Bezug, denen er sich vollumfänglich anschließt (vgl. §
142 Abs.
2 S. 3
Sozialgerichtsgesetz –
SGG).
Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
Die Bescheide sind – entgegen der nunmehr von der Antragstellerin vertretenen Auffassung – formell rechtmäßig. Insbesondere
ist die Antragsgegnerin für deren Erlass gem. § 28p Abs. 1 S. 5
SGB IV sachlich zuständig. Soweit die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund mit ihren Bescheiden vom 18.4. und 16.10.2019 (ebenfalls)
Feststellungen zur Versicherungspflicht der Geschäftsführer der Antragstellerin, Herrn U D (im Folgenden: D) und Herrn N P
(im Folgenden: P) getroffen hat, berührt dies den Erlass des Bescheides der Antragsgegnerin vom 25.5.2020 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 11.12.2020 nicht.
Die sachliche Zuständigkeit der DRV Bund ist erst zum 1.1.2019 und damit zeitlich nach dem Zeitraum von 2015 bis 2018, über
den die Antragsgegnerin entschieden hat, eingetreten. So wird eine (Allein-)Zuständigkeit der Clearingsstelle der DRV Bund
im Rahmen eines obligatorischen Statusfeststellungsverfahrens gem. §
7a Abs.
1 S. 2 undS. 3
SGB IV (vgl. hierzu BSG Urt. v. 16.7.2019 – B 12 KR 5/18 R – juris Rn. 35) mit dem Zeitpunkt der Meldung der Beschäftigung durch den Arbeitgeber begründet (vgl. BSG a.a.O. juris Rn. 44). Die Antragstellerin hat D und P (erst) zum 1.1.2019 gemeldet. Ein Anfrageverfahren gem. §
7a Abs.
1 S. 1
SGB IV, das vor dem Beginn der Betriebsprüfung die Zuständigkeit der Antragsgegnerin hätte verdrängen können (vgl. BSG Urt. v. 4.9.2018 – B 12 KR 11/17 R – juris Rn. 12 ff.), haben weder sie selbst noch D oder P eingeleitet.
Die Bescheide der DRV Bund entfalten auch in der Sache keine Sperrwirkung zugunsten der Antragstellerin, da sie nicht zum
selben Sachverhalt wie die hier streitigen Bescheide ergangen sind. Eine – wie die Antragsgegnerin meint – inzidente Statusentscheidung
zum Zeitraum von 2015 bis 2018 kann den Bescheiden vom 18.4 und 16.10.2019 bei inhaltlicher Auslegung nach dem "Empfängerhorizont"
eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§
133 Bürgerliches Gesetzbuch –
BGB) erkennbar einbezogen hat (vgl. z.B. Senatsurt.v. 23.11.2020 – L 8 BA 155/19 – juris Rn. 52 m.w.N.; BSG Urt. v. 24.1.2018 – B 6 KA 48/16 R – juris Rn. 21), nicht entnommen werden. Ausdrücklich hat die DRV Bund Feststellungen zur Versicherungspflicht bzw. -freiheit
allein für die Zeit ab dem 1.1.2019 getroffen. Darüber hinaus wird auch in der Bescheidbegründung nur auf den Zeitraum abgestellt,
in dem D und P mit 5 % am Stammkapital der Antragstellerin beteiligt waren. Eine Beteiligung in dieser Höhe bestand erst ab
dem 4.1.2019 und gerade nicht in dem hier im Eilverfahren streitigen Zeitraum vom 1.1.2015 bis zum 31.12.2018.
Soweit die Antragstellerin mit der Beschwerde (erneut) geltend macht, §§ 11 Abs. 1 S. 2, 12 Abs. 1 ihres Gesellschaftsvertrages
(GV) seien dahingehend auszulegen, dass für sämtliche Gesellschafterbeschlüsse ein Einstimmigkeitsprinzip gelten solle und
dass damit eine umfassende Sperrminorität der Gesellschafter-Geschäftsführer D und P bestanden habe, vermag sie hiermit nicht
durchzudringen.
Die Willensbildung in der GmbH folgt kraft Gesetzes dem Mehrheitsprinzip (§ 47 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbHG). Soweit diese gesetzliche Regel abdingbar ist und insbesondere durch das Einstimmigkeitsprinzip ersetzt werden kann, spricht
jedoch – auch in einer Gesellschaft mit personalistischem Zuschnitt – keine Vermutung für die Einführung des Einstimmigkeitsprinzips.
Vielmehr gilt die Regel, dass Abweichungen vom Mehrheitsprinzip eindeutige Anhaltspunkte im Gesellschaftsvertrag erfordern
(vgl. BGH Urt. v. 25.9.1989 – II ZR 304/88 – juris Rn. 7 m.w.N.). Hieran fehlt es – wie vom SG bereits zutreffend dargelegt – vorliegend.
Die Auslegung der im Streitzeitraum geltenden Regelungen des GV (Satzung) der Antragstellerin zeigt vielmehr, dass das Einstimmigkeitsprinzip
nicht für alle Beschlussgegenstände gilt. Die Bestimmungen der Satzung, die nicht nur individualrechtlichen, sondern körperschaftlichen
Charakter haben und sich als solche an einen unbestimmten Personenkreis, insbesondere auch an die Gesellschaftsgläubiger und
die künftigen Gesellschafter richten, sind einheitlich und gleichmäßig allein aufgrund des GV auszulegen. Das bedeutet kein
Haften am Wortlaut, sondern schließt im Rahmen der beurkundeten Vertragsbestimmungen deren sinnvolle, Zusammenhang und erkennbaren
Zweck mit berücksichtigende Auslegung entsprechend den Grundsätzen der §§
133,
157 BGB ein. Bei der Auslegung außer Betracht zu bleiben haben Umstände, die außerhalb der Vertragsurkunde liegen und nicht allgemein
erkennbar sind; dazu gehören die Entstehungsgeschichte der Satzung, Vorentwürfe sowie Vorstellungen und Äußerungen von Personen,
die an der Abfassung des Gesellschaftsvertrages mitgewirkt haben (vgl. z.B. OLG Koblenz Beschl. v. 21.7.2017 – 5 U 399/17 –juris Rn. 22 m.w.N.; BGH Urt. v. 25.9.1989 – II ZR 304/88 – juris Rn. 8 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt auch für personalistische oder Familiengesellschaften, schon
weil bei ihnen der spätere Beitritt anderer Gesellschafter ebenfalls nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH a.a.O.).
Der GV der Antragstellerin enthält zahlreiche Regelungen mit unterschiedlichen Mehrheitsverhältnissen bis hin zur Einstimmigkeit.
Mit diesem differenzierten Regelungssystem ist die Auslegung der Antragstellerin, für alle Beschlüsse gelte eine Einstimmigkeit,
schon deshalb nicht in Einklang zu bringen, weil anderenfalls sämtliche Bestimmungen, die einfache oder qualifizierte Mehrheitsverhältnisse
zum Gegenstand haben, ohne Anwendungsbereich blieben und damit bedeutungslos wären. Die Regelungen des §§ 11 Abs. 1 S. 2,
12 Abs. 1 GV können entsprechend nur so ausgelegt werden, dass das Einstimmigkeitserfordernis neben der Verabschiedung des
Wirtschaftsplans (§ 7) und der Zustimmung zu zustimmungspflichtigen Geschäften (§ 6 Abs. 6) nur bei den konkret in § 12 Abs.
1 GV genannten Beschlussgegenständen, z.B. der Feststellung des Jahresabschlusses und der Verwendung des Ergebnisses oder
der Entlastung der Geschäftsführung, Geltung findet. Auch hätte es– bei gewollter Einstimmigkeit in allen Belangen – nicht
der in § 11 Abs. 1 GV vorgenommenen expliziten Nennung konkreter, der Einstimmigkeit unterliegender Beschlussgegenstände bedurft.
Hingegen wäre es auf der anderen Seite naheliegend gewesen, bei gewünschter Bindung der Geschäftsführer allein an einstimmige
Beschlüsse der Gesellschafterversammlung § 6 Abs. 5 GV, der ihre Weisungsgebundenheit statuiert, ebenfalls explizit in § 11
Abs. 1 GV aufzunehmen.
Eine sozialversicherungsrechtlich beachtliche Sperrminorität der Gesellschafter-Geschäftsführer D und P war im streitigen
Zeitraum, in dem diese nur jeweils 25,5% der Gesellschaftsanteile gehalten haben, nicht gegeben. Inhaltlich eindeutig bestimmte
andere gesellschaftsrechtliche Regelungen zur Ausgestaltung der Rechtsmachtverhältnisse in der GmbH, wie sie der Grundsatz
der Klarheit und Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände verlangt (vgl. BSG Urt. v. 8.7.2020 – B 12 R 1/19 R –juris Rn. 28), lagen im Sinne des von der Antragstellerin angenommenen umfassenden Einstimmigkeitsprinzips für Gesellschafterbeschlüsse,
wie bereits dargelegt, nicht vor.
Die Geschäftsführerverträge unterstreichen das Vorliegen einer Beschäftigung von D und P bei der Antragstellerin im Streitzeitraum.
Diese Verträge enthalten eine Vielzahl arbeitsvertragstypischer Regelungen, insbesondere zur inhaltlichen und zeitlichen Weisungsgebundenheit
(§ 1 Aufgaben), zu einem Festgehalt einschließlich Weihnachtsgeld, Aufwendungsersatz und Privatnutzung eines Dienstfahrzeugs(§
3 Bezüge), zum bezahlten Urlaub (§ 4), zu einem Wettbewerbsverbot (§ 5) und zu Entgeltfortzahlung u.a. bei Arbeitsunfähigkeit
oder Krankheit (§ 8).
Soweit die Gewährung einer Tantieme erfolgt ist, kommt diesem Umstand grundsätzlich schon deshalb kein wesentliches Gewicht
im Rahmen der Gesamtabwägung zu, weil die Gewährung von Tantiemen auch an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl. z.B. BSG Urt. v. 19.9.2019 – B 12 R 25/18 R – juris Rn. 17 m.w.N.; Senatsbeschl. v. 6.7.2020 – L 8 BA 194/19 B ER – juris Rn. 52).
Die Gewährung von Darlehen durch beide Geschäftsführer an die Antragstellerin erfolgte erst im Dezember 2018/Januar 2019 und
damit zum Ende des Streitzeitraums, sodass eine Relevanz für die Gesamtabwägung hier bereits deshalb ausscheidet. Im Übrigen
begründen Darlehen wie auch Bürgschaften als solche typischerweise keine relevante unternehmerische Position, da sie die rechtlichen
Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft nicht erhöhen und kein unternehmertypisches Risiko darstellen (vgl. BSG Urt. v. 19.9.2019 – B 12 R 25/18 R – juris Rn. 16; Urt. v. 11.11.2015 – B 12 R 2/14 R – juris Rn. 26).
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 197a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1,53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur
ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich etwaiger Säumniszuschläge als Streitwert anzusetzen ist (vgl. z.B. Senatsbeschl.
v. 22.4.2020 – L 8 BA 266/19 B ER – juris Rn. 30 m.w.N.).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).