LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.11.2013 - 16 AL 154/10
Kein Kurzarbeitergeldanspruch mangels Arbeitsausfall durch ein unabwendbares Ereignis im Falle der Krebserkrankung des Betriebsinhabers
(Arztpraxis mit lebensbedrohlich erkranktem Freiberufler)
Die Versagung von Kurzarbeitergeld im Fall einer Krebserkrankung des Betriebsinhabers (Arzt) ist gerechtfertigt, weil kein
unvermeidbarer Arbeitsausfall durch ein von außen auf die Praxis einwirkendes unabwendbares Ereignis i.S.v. § 170 SGB III, wie etwa bei Brandschaden oder ähnlichem, vorliegt.
Fundstellen: NZS 2014, 272
Vorinstanzen: SG Duisburg 21.04.2010 S 16 AL 96/09
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.04.2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht
zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ein erheblicher Arbeitsausfall und die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung
von Kurzarbeitergeld (Kug) vorliegen; streitig ist vor allem, ob ihre Erkrankung als Inhaberin einer ärztlichen Einzelpraxis
ein unabwendbares Ereignis im Sinne der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch ( SGB III) ist.
Die 1950 geborene Klägerin betreibt als praktische Ärztin eine privatärztliche Naturheilpraxis in E. (Einzelpraxis). Als sie
in Jahren 2005 und 2007 arbeitsunfähig erkrankt war, erhielt sie für ihre Mitarbeiter Kug. Ende Mai 2009 zeigte sie erneut
eine Arbeitszeitreduzierung auf Null - zunächst für die Zeit vom 27.05. bis 21.06.2009 - wegen einer "akuten Erkrankung der
Praxisinhaberin" an.
Mit Bescheid vom 22.06.2009 entschied die Beklagte, dass der Anzeige nicht entsprochen werden könne. Die Erkrankung einer
Ärztin erfülle nach aktueller Rechtslage nicht die Voraussetzungen für den Kug-Bezug beim nichtärztlichen Personal. Dies gehöre
zum normalen Betriebsrisiko. Die Klägerin widersprach und betonte, dass es sich nicht um eine normale Erkrankung, sondern
um eine plötzliche schwerwiegende Krebserkrankung handele, die bereits zweimal operiert worden sei. Die Beklagte wies den
Widerspruch mit Bescheid vom 02.07.2009 als unbegründet zurück: Ein Arbeitsausfall im Sinne des § 170 SGB III müsse um erheblich zu sein, auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen. Die Erkrankung der Praxisinhaberin
stelle nach allgemeinem Sprachgebrauch wie auch nach Systematik und Zielsetzung der §§ 169, 170 SGB III kein unabwendbares Ereignis dar. Spätere Leistungsanträge und Korrekturanträge der Klägerin lehnte die Beklagte ab.
Mit ihrer am 18.07.2009 zum Sozialgericht Duisburg (SG) gegen den Bescheid vom 22.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2009 erhobenen Klage hat die Klägerin
ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht: Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) lasse sich herleiten, dass der Fall der Krankheit grundsätzlich zu den unabwendbaren Ereignissen gehöre. Eine Krebserkrankung
stelle kein typisches Risiko dar, mit dem jeder Unternehmer rechnen und für das daher in der Betriebsorganisation Vorsorge
getroffen werden müsse. Sie falle eher in die Kategorie höherer Gewalt oder eines schicksalhaften Ereignisses. Bereits in
der Vergangenheit sei ihr wegen einer Fußoperation im Jahr 2005 und einer starken Infektion im Jahr 2007 für ihre Mitarbeiter
Kug gewährt worden. Hieraus ergebe sich für sie Vertrauensschutz. Die Erkrankung und damit der Arbeitsausfall seien unvermeidbar
gewesen sei. Sie habe sich, wie auch in den Jahren 2005 und 2007, um eine Praxisvertretung gekümmert, aber relativ wenig Rückmeldungen
gehabt, so ca. fünf Bewerber: Mit dem Spezialgebiet TCM mit Akupunktur und klassischer Homöopathie habe sich dann jedoch kein
Praxisvertreter gefunden. In der Zeit ihrer Abwesenheit sei das Telefon durch ihre Mitarbeiter besetzt gewesen. Sie selbst
habe nicht als Ansprechpartner für Rückfragen zur Verfügung gestanden. Die Patienten seien, soweit es sich um Infekte oder
ähnliches gehandelt habe, an den Hausarzt verwiesen worden. Was die eigentliche Therapien anbelange, insbesondere die Schmerztherapie,
hätten die Patienten abgewartet bis sie wieder da gewesen sei. Aus diesem Grunde sei das ganze Jahr 2009 bis zum Ende hin
die Arbeit der Mitarbeiter verringert gewesen. Gegen Ende des Jahres habe dann die Arbeitszeit bei rund 80 % gelegen.
Die Beklagte hat ihre Bescheide für rechtmäßig gehalten. Kug diene nicht dazu, Erkrankungen des Betriebsinhabers abzusichern.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21.04.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es i.W. ausgeführt: Es bestehe kein Anspruch auf Kug
für die Arbeitnehmer der Klägerin, denn es fehle an einem erheblichen Arbeitsausfall i. S. d. § 170 Abs. 1 bis 4 SBGB III.
Die Verringerung der Arbeitszeit in der klägerischen Praxis beruhe unstreitig nicht auf wirtschaftlichen Gründen. Nach § 170 Abs. 3 SGB III sei eine andere Voraussetzung für den maßgeblichen Arbeitsausfall ein unabwendbares Ereignis. Auch hier müsse es sich um
von außen auf den Betrieb einwirkende, als solche vom Betrieb nicht abzuwendende Umstände handeln. Gemeint sei ein objektiv
feststellbares Ereignis, das auch durch die äußerste, nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt für den vom Arbeitsausfall
betroffene Betrieb, d.h. einen Arbeitgeber bzw. dessen Repräsentanten, nicht abzuwenden war. Das Ereignis müsse den Betrieb
unmittelbar in seiner Möglichkeit treffen, die Arbeit der/des Arbeitnehmers anzunehmen. Hierzu gehörten in erster Linie die
Produktionsfähigkeit des Betriebs einschränkende Unglücksfälle. Dies könne nach der Entscheidung des BSG vom 21.02.1991 (B 7 RAr 20/90) auch ein Krankheitsfall bedingt durch einen unverschuldeten Verkehrsunfall sein.
Bei der Krebserkrankung der Klägerin handele es sich nicht um ein unabwendbares Ereignis in dem dargestellten Sinne. Vielmehr
falle das Risiko einer Erkrankung des Firmeninhabers unter das von diesem zu tragende Betriebsrisiko. Bereits die Auswertung
der von auch von der Klägerin benannten Rechtsprechung des BSG zeige, dass unter den Begriff des unabwendbaren Ereignisses in erster Linie plötzlich eintretende Unglücksfälle, nicht jedoch
Erkrankungen fielen, die jeden Menschen gleichermaßen treffen könnten. Daher habe das BSG in dem auch von der Klägerin zitierten Urteil vom 21.02.1991 eine Erkrankung, die auf einem unverschuldeten Verkehrsunfall
beruhte, als einen möglichen Fall benannt, für den Kug in Betracht komme. Jedoch sei auch hier ein plötzlich eintretendes
Ereignis (unverschuldeter Verkehrsunfall) Auslöser des Arbeitsausfalles. Gesetzliches Ziel des Kug sei u.a. die Vorbeugung
gegen dauerhafte Arbeitslosigkeit auf Grund allgemeiner wirtschaftlicher Ursachen inklusive eines allgemeinen wirtschaftlichen
Strukturwandels durch Sicherung der Arbeitsplätze und insoweit auch Subventionierung des Arbeitgebers und Übernahme seines
Betriebs- und Wirtschaftsrisikos (Hinweis auf Bieback, in: Gagel, SGB III-Kommentar, § 169 Rn. 10). Bereits hieraus werde ersichtlich, dass persönliche Lebensumstände, wie eine Erkrankung des Arbeitgebers, nicht
unter diese Zielsetzung fallen. Bestätigt werde dieses Ergebnis durch die Entstehungsgeschichte des Kug. Bereits in den Materialien
zu § 116 AVAVG 1956 (BT-Drucks. 2/1274 S. 94) finde sich als Zweckbestimmung, dass das Kug zum Ausgleich kurzfristiger konjunktureller
Schwankungen als spezifisches Mittel zur Verhütung von Vollarbeitslosigkeit dienen solle. Diese Zweckbestimmung sei im danach
geltenden Arbeitsförderungsgesetz (AFG) 1969 erweitert worden. Danach habe Kug eine Leistung auch zum Ausgleich des langfristigen Strukturwandels (insbesondere
in der Stahlindustrie) sein sollen. Das SGB III habe die Regelungen des AFG übernommen, um Kug auch für die Absicherung von Strukturveränderungen einzusetzen. Außerdem habe es für die Beschreibung
des Risikos des Arbeitsausfalls auf "wirtschaftliche Gründe" (§ 170 Abs. 1 Nr. 1) und auf die "allgemeine wirtschaftliche
Entwicklung" (Abs. 2) abgestellt (Hinweis auf Bieback, in: Gagel a.a.O. § 169 Rn. 12 ff.).
Unabhängig davon sei der Arbeitsausfall nicht unvermeidbar gewesen (§ 170 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 S. 1 SGB III). Die Bemühungen der Klägerin seien nicht ausreichend gewesen, um den Arbeitsausfall im Jahr 2009 zu verhindern. Da die Klägerin
weiterhin als praktische Ärztin tätig sei, sei es ihr zumutbar und möglich gewesen, zumindest für diesen Bereich eine Vertretung
zu suchen, um so den Arbeitsausfall zumindest zu minimieren. Dies habe die Klägerin jedoch nicht getan und vielmehr ihre Sprechstundenhilfe
angewiesen, die Patienten auf die Behandlung durch einen anderen Arzt zu verweisen. Damit habe sie nicht die von der Rechtsprechung
geforderten Maßnahmen zur Gegensteuerung des Arbeitsausfalls getroffen. Darüber hinaus hätte die Klägerin zur Überzeugung
des Gerichts nach den Erkrankungen in 2005 und 2007 rechtzeitig weitergehende Maßnahmen treffen müssen, um zukünftig einen
Arbeitsausfall zu vermeiden oder zumindest zu minimieren. Sie hätte einen bereits mit dieser Thematik vertrauten Kollegen
einarbeiten oder durch den Abschluss einer Versicherung Vorsorge treffen müssen. Sie könne nicht einwenden, dass die Beklagte
sie auf die Möglichkeit des Abschlusses einer Versicherung nicht hingewiesen habe, denn es sei nicht Aufgabe der Beklagten,
Selbständige auf ihre Möglichkeiten der Risikoabsicherung hinzuweisen. Soweit die Klägerin schließlich einen Anspruch auf
Kug unter Vertrauensschutzgesichtspunkten wegen der in den Jahren 2005 und 2007 erfolgten Bewilligungen geltend mache, habe
die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass jeder Arbeitsausfall gesondert zu bewerten sei.
Gegen das am 29.04.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.05.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus:
Unter den Begriff des unabwendbaren Ereignisses falle jedes objektiv feststellbare Ereignis, das auch durch die äußerste,
nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt durch den Arbeitgeber oder seine Mitarbeiter nicht abzuwenden gewesen sei.
Dabei handele es sich immer um von außen kommende, vom Arbeitgeber nicht hinreichend beeinflussbare Ereignisse. Allerdings
müsse man sich bewusst sein, dass diese Definition nur eine begrenzte begriffliche Trennschärfe zur Abgrenzung des Risikobereichs
und Schutzzwecks des Kug habe und viel Raum für Wertungen lassen. Ein unabwendbares Ereignis könne anerkanntermaßen ein Krankheitsfall
sein (Hinweis auf Krodel, in Niesel, SGB III, 4. Aufl. § 170 Rn. 21, 22, 25 und die dortigen Nachweise aus der Rspr. des BSG). Es sei insoweit gleichgültig, ob eine Person, von der die Arbeitsmöglichkeit einer Abteilung abhänge, infolge eines Arbeitsunfalls,
eines Unfalls im Privatleben oder einer Erkrankung ausfalle. Ihre Krebserkrankung als solche sei für sie unabwendbar gewesen,
anders als es in dem Fall des Sozialgerichts Dortmund (Urteil vom 29.7.2005 - S 22 (35) AL 246/04) bei der Schwangerschaft
der Fall gewesen sei. Da sie wie bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall keinen Einfluss auf den Ausbruch der Krebserkrankung
gehabt habe, sei das Auftreten der Krankheit demnach "von außen kommend". Dementsprechend habe auch das Landessozialgericht
Sachsen-Anhalt im Urteil vom 02.04.2009 (L 2 AL 45/06) entschieden, dass auch beim Schlaganfall ein unabwendbares Ereignis vorliegen könne. Eine andere Betrachtungsweise würde
auch bei Freiberuflern wie Ärzten und Rechtsanwälten dazu führen, dass diesen nur in den seltensten Fällen Kug zustehe. Diese
müssten damit ihre Angestellten entlassen und sich nach dem Wegfall des Hinderungsgrundes um neues Personal bemühen. Dies
wiederum würde im freiberuflichen Bereich dem Gesetzeszweck der §§ 169 ff. SGB III widersprechen, wonach dem Betrieb die eingearbeitete Belegschaft erhalten bleiben solle.
Zu Unrecht sei das Sozialrecht auch davon ausgegangen, dass der Arbeitsausfall vermeidbar gewesen sei. Die Maßnahmen, die
von einem Betrieb zur Vermeidung von Kurzarbeit verlangt werden könnten, müssten wirtschaftlich vernünftig und finanziell
vertretbar sein. Vor diesem Hintergrund habe sie entgegen der Ansicht des SG ihre Obliegenheiten erfüllt. Sie habe jeweils eine Anzeige in der WAZ und im Ärzteblatt geschaltet. Daneben habe sie sich
bei der Kammer erkundigt und die PVS-Ärztebörse verfolgt. Zum Zeitpunkt des Krankheitsfalls im Jahr 2009 habe kein verfügbarer
Arzt eine mit ihr kongruente Spezialisierung aufgewiesen. Es sei ihr nicht möglich und nicht zumutbar gewesen, gegen eine
Festvergütung, die üblicherweise 8000,- EUR betrage, eine Vertretung zu beschäftigen, die nur einen Teil ihrer Patienten behandeln
könne und ihr nicht ansatzweise die Praxisgewinne aus der Zeit vor ihrem Ausfall ermöglicht hätte. Mit der Forderung, dass
sie einen abrufbereiten Vertreter einarbeiten solle, damit dieser sie im Falle einer neuen Erkrankung vertreten könne, würden
die Anforderungen, die an die Erfüllung der Obliegenheiten zu stellen seien, überschritten. Zu Unrecht habe das SG ferner den Abschluss einer Versicherung zu Absicherung des Erkrankungsrisikos gefordert.
Die Klägerin hat ihre Bemühungen um eine Praxisvertretung sowie die Einnahmesituation der Jahre 2008/2009 dargelegt und die
Verträge über die Vereinbarung von Kurzarbeit mit ihren Mitarbeiterinnen vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.04.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.06.2009
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2009 zu verurteilen, festzustellen, dass ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt
und die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Das Gericht hat eine Stellungnahme der Ärztekammer Nordrhein vom 03.11.2010 eingeholt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben sich die Beteiligten darüber geeinigt, dass Gegenstand dieses Verfahrens
allein der Bescheid vom 22.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2009 sein solle. Die Beklagte hat sich
für den Fall, dass das Gericht die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld bejaht, bereit erklärt, die Anträge
für die einzelnen Abrechnungsmonate inhaltlich neu zu bescheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakte der
Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig.
Unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung getroffenen Verfahrensregelung konnte die Klägerin ihr Begehren auf
die Anfechtung des Bescheides der Beklagten vom 22.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2009 und die
im Antrag genannte Feststellung beschränken.
Die Berufung ist aber unbegründet, denn die Beklagte hat mit dem ursprünglich und nunmehr wieder ausschließlich streitgegenständlichen
Bescheid auf die Anzeige der Klägerin nach § 173 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. (§ 99 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der Fassung ab 01.04.2012 ( SGB III n.F)), zu Recht eine negative Anerkennungsentscheidung (§ 173 Abs. 3 SGB III a.F. ( § 99 Abs. 3 SGB III n.F.)) getroffen. Denn ein erheblicher Arbeitsausfall Im Sinne der §§ 169 Abs. 1 liegt nicht vor.
1. er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, 2. er vorübergehend ist, 3. er nicht vermeidbar
ist und 4. im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens ein Drittel der den Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer
von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10% ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist.
Zur Gewährung von Kug kann der Arbeitsausfall damit grds. nur führen, wenn er auf wirtschaftlichen Ursachen oder diesen gleichgestellten
unabwendbaren Ereignissen beruht. Beides ist bei dem von der Klägerin angezeigten Arbeitsausfall aber nicht der Fall.
Wirtschaftliche Ursachen eines Arbeitsausfalls, die zum Bezug von Kug berechtigen, sind in - Abgrenzung zu betriebsspezifischen,
in den Risikobereich des Betriebes fallenden Gründen - nur solche, die im Zusammenhang mit dem allgemeinen Wirtschaftsprozeß
stehen (vgl. BSG, Urteil v. 29.04.1998 - B 7 AL 102/97 R - BSGE 82,124). Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, schließt der Begriff der wirtschaftlichen Ursachen alle Arbeitsausfälle ein, die sich auf die
Gesamtheit der laufenden Produktions- und Konjunkturvorgänge, aus den Veränderungen des Wirtschaftskreislaufs und damit aus
der Teilnahme des Betriebs am Wirtschaftsleben ergeben. Anknüpfungspunkt für die Bestimmung einer wirtschaftlichen Ursache
ist nach dem Wortlaut der Vorschrift die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung. Dies sind insbesondere konjunkturelle und
strukturelle Störungen der Gesamtwirtschaftslage, wie z.B. Arbeitsmangel wegen Konjunkturschwankungen (Rezession, sinkende
Absatzmöglichkeiten), ferner Rohstoff- mangel, Kapitalmangel, fehlende Transportmöglichkeiten wegen Störung der öffentlichen
Verkehrsmittel. Auch etwa die Ablösung der Planwirtschaft durch die soziale Marktwirtschaft war dazu zu rechnen (vgl. BSG, Urteil v. 29.04.1998 - B 7 AL 102/97 R - BSGE 82,124). Das Kug soll dagegen keine Versicherung gegen das allgemeine Betriebsrisiko darstellen (vgl. etwa Krodel
a.a.O. § 170 Rz. 17). Damit sind Unglücksfälle, Unfälle und andere unabwendbare Ereignisse keine wirtschaftlichen Ursachen
in diesem Sinne (vgl. BSG, Urteil v. 15.12.2005 - 7a AL 10/05 R - BSGE 96,14). Der auf die Erkrankung der Klägerin zurückgeführte Arbeitsausfall in
der Praxis beruht danach nicht auf wirtschaftlichen Gründen.
Die Ursachen für den Arbeitsausfall des betroffenen Betriebes müssen ausnahmsweise (vgl. Krodel a.a.O. § 170 Rz. 21) nicht
im wirtschaftlichen Bereich liegen, wenn der Ausfall auf einem unabwendbaren Ereignis beruht (s. o. § 170 Abs. Nr. 1 2. Alt SGB III a.F.). Das Gesetz nennt in § 170 Abs. 3 SGB III a.F. Regelbeispiele hierfür: Ein unabwendbares Ereignis liegt danach insbesondere vor, wenn ein Arbeitsausfall auf ungewöhnlichen
Witterungsbedingungen beruht sowie auch dann, wenn ein Arbeitsausfall durch behördliche oder behördlich anerkannte Maßnahmen
verursacht ist, die vom Arbeitgeber nicht zu vertreten sind. Auch beim unabwendbaren Ereignis muss es sich nach allgemeiner
Meinung um von außen auf den Betrieb einwirkende, als solche vom Betrieb nicht abzuwendende Umstände handeln (vgl. BSG, Urteil v. 29.04.1998 - B 7 AL 102/97 R - BSGE 82,124). Gemeint ist in § 170 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F., wie das SG richtig ausgeführt hat, ein objektiv feststellbares Ereignis, das auch durch die äußerste, nach den Umständen des Falles
gebotene Sorgfalt für den vom Arbeitsausfall betroffene Betrieb, d.h. einen Arbeitgeber bzw. dessen Repräsentanten, nicht
abzuwenden war. Das Ereignis muss den Betrieb unmittelbar in seiner Möglichkeit treffen, die Arbeit der Arbeitnehmer anzunehmen.
Hierzu gehörten in erster Linie die Produktionsfähigkeit des Betriebs einschränkende Unglücksfälle. Als Beispiel sind hier
etwa ein Brand oder eine Explosion im Betrieb zu nennen (vgl. BSG, Urteil v. 21.02.1991 - 7 RAr 20/90). Nach der Entscheidung des BSG vom 21.02.1991 (B 7 RAr 20/90) kann auch ein Krankheitsfall bedingt durch einen auch durch äußerste nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt nicht
zu vermeidenden Verkehrsunfall sein.
Während Ereignisse wie Brand, Explosion oder Verkehrsunfall, wie von Rechtsprechung und Literatur gefordert (vgl. BSGE 82,
124; Mutschler, in NK- SGB III, 5. Aufl., § 170 Rz. 28; Krodel a.a.O. § 170 Rz.16), von außen auf den Betrieb einwirken, und, wenn sie unabwendbar sind, einen erheblichen
Arbeitsunfall bedingen können, stellt die Erkrankung des Arbeitgebers bzw. Betriebsinhabers ein rein innerbetriebliches Ereignis
dar. Hier wirkt nichts von außen auf den Betrieb ein, sondern die Störung nimmt ihren Ausgang in dem Kern des Betriebes, dem
Betriebsinhaber bzw. Praxisinhaber. An Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Motivation und Kreativität des Inhabers hängt das Gelingen
des Unternehmens, der wirtschaftliche Erfolg des Betriebes; sie liegen in der Person der Inhabers und machen wesentlich das
innerbetriebliche Risiko namentlich von Freiberuflern aus. Ein innerbetriebliches Risiko wird aber nicht durch das Kug abgesichert.
Mit dem SG ist der Senat daher der Überzeugung, dass die Krebserkrankung der Klägerin kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 170 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F. darstellt (vgl. auch Mutschler, a.a.O. § 170 Rz. 27, vgl. auch SG Dortmund, Urteil v. 29.07.2005 - S 22/35 AL 246/04 - zur Schwangerschaft der Arbeitgeberin; vgl. die Geschäftsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit, Punkt 2.2
(Seite 40) zu § 170 SGB III). Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass ein von außen einwirkendes Ereignis im geforderten Sinne nicht etwa in etwaigen
im Laufe des Lebens zur Krebserkrankung beigetragen habenden äußeren Einflüssen auf den Körper erblickt werden könnte, denn
es würde insoweit an der unmittelbaren Auswirkung dieser Einflüsse auf den Arbeitsausfall fehlen.
Soweit das LSG Sachsen-Anhalt in seinem Urteil vom 02.04.2009 - L 2 AL 45/06 (info also 2010, 162) demgegenüber die plötzliche Erkrankung (Schlaganfall) eines in einer Einzelpraxis tätigen niedergelassenen Arztes als unabwendbares
Ereignis angesehen hat, legt es nicht dar, weshalb es sich um ein unabwendbares Ereignis im Sinne eines von außen auf den
Betrieb einwirkendes Ereignis gehandelt habe. Das LSG Sachsen-Anhalt beruft sich lediglich auf die Entscheidung des BSG vom 21.02.1991 (7 RAr 20/90), denkt aber nicht, dass der dort zugrunde liegende (unverschuldete) Verkehrsunfall sich jedoch als "von außen einwirkendes"
Ereignis verstehen lässt. Auch die Bezugnahme der Klägerin auf die Kommentierung von Krodel (a.a.O. § 170 Rz. 21) trägt nur
die Anerkennung des unverschuldeten Verkehrsunfalls der Betriebsinhabers. Gegen die Auffassung der Klägerin spricht zudem,
dass das BSG darauf abstellt, ob der Verkehrsunfall unverschuldet war, denn nur dann kann ein unabwendbares Ereignis in Betracht kommen.
Würde man eine Erkrankung des Betriebsinhabers einem unverschuldeten Verkehrsunfall gleichstellen wollen, müsste dem entsprechend
die Unvermeidbarkeit der Erkrankung festgestellt werden. Das scheint auch die Klägerin erkannt zu haben, wenn sie betont,
dass sie keinen Einfluss auf die Entstehung ihrer Krebserkrankung gehabt habe. Die von der Klägerin geforderte Gleichstellung
von (unverschuldetem) Verkehrsunfall und Erkrankung aus innerer Ursache würde damit Fragen nach der Verursachung der Erkrankung
aufwerfen, die kaum in das Verfahren nach §§ 169 SGB III a.F. gehören und auch durch ärztliche Sachverständige schwerlich oder gar nicht zu beantworten wären. Mag es auch Erkrankungen
geben, deren Verursachung durch vermeidbares Verhalten wie Alkohol- oder Drogenkonsum nahe liegt, würde die Frage etwa, ob
der Schlaganfall des Betriebsinhabers im vom LSG Sachsen-Anhalt (a.a.O.) entschiedenen Fall z.B. durch Ernährungsgewohnheiten/Verhalten
des Betriebsinhabers "verschuldet" worden ist, ebenso im Raum stehen wie die, ob der Hallux Valgus der Klägerin, der 2005
Ursache des Arbeitsausfalls war, zumutbar durch Tragen anderen Schuhwerks hätte vermeiden werden können. Die Unvermeidbarkeit
wäre namentlich bei der Krebserkrankung selbst mit einem Zusammenhangsgutachten schwerlich von der Bundesagentur für Arbeit
zu klären. Alle etwaigen vom Betroffenen "verschuldeten" Ursachen der Erkrankungen lägen zudem in deren Sphäre und u.U. weit
zurück und wären regelmäßig der Beklagten unbekannt. Daran wird zur Überzeugung des Senats deutlich, dass eine Erkrankung,
namentlich eine solche wie die Krebserkrankung der Klägerin, auch deshalb nicht einen unverschuldeten Verkehrsunfall gleich
gestellt werden kann, weil regelmäßig nicht feststellbar wäre, ob die Erkrankung unvermeidbar oder selbst verschuldet war.
Ob der durch die Erkrankung bedingte Arbeitsausfall im Sinne des § 170 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F. prospektiv ein vorübergehender war, was voraussetzt, dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersehbar war, dass
binnen absehbarer Zeit zur Vollarbeit zurückgekehrt wird (vgl. dazu etwa bei Krodel, a.a.O. § 170 Rz. 4), erscheint angesichts
der Art der Erkrankung und der tatsächlichen Dauer der Arbeitsreduzierung zweifelhaft, kann vom Senat aber dahin gestellt
bleiben.
Der Senat weist jedoch ergänzend darauf hin, dass die Bemühungen der Klägerin um eine Vertretung kaum als ausreichend angesehen
werden könnten, um die Feststellung eines unvermeidbaren Arbeitsausfalls ( § 170 Abs.1 Nr. 3 SGB III a.F.) zu rechtfertigen.
Jeweils eine einzige Anzeige in der WAZ und in der Ärztezeitung und das bloße Beobachten der PVS-Ärztebörse zeugen nicht von
starkem Bemühen um eine Vertretung. Es liegt bei dem Zuschnitt der Praxis der Klägerin zwar nicht fern, dass eine alle Facetten
der Tätigkeit der Klägerin abdeckende Vertretung nur schwer zu erlangen sein würde, was auch die vom LSG eingeholte Auskunft
bestätigt. Das hätte indes auch zum Anlass für umso intensivere Bemühungen und ggf. zu Kompromissen beim Anforderungsprofil
genommen werden können. Das SG merkt zu Recht an, dass die Klägerin ihre Erkrankungszeit bei Abstrichen beim Tätigkeitsspektrum durch Fortführung als mehr
allgemeinmedizinische Praxis hätte überbrücken können. Dann hätten ihre Patienten mit allgemeinmedizinischen Anliegen nicht
an andere Praxen verwiesen werden müssen. Dass dies mit Patienten ihrer Schmerztherapie nicht so geschehen ist, weil diese
die Rückkehr der Klägerin abgewartet hätten, wie die Klägerin vorgetragen hat, ist ohnehin schwer verständlich, solange man
an den üblichen Behandlungsbedarf von Schmerzpatienten denkt. Die Aktenlage zum Kug-Antrag der Klägerin im Jahr 2007 spricht
i.Ü. ebenfalls gegen ein ernsthaftes Bemühen um eine Vertretung zur Vermeidung von Arbeitsausfall im Jahr 2007. Nach den von
ihr vorgelegten Unterlagen hatte die Klägerin im Jahr 2007 eine Ärztliche Vertretung lediglich mit zwei Anzeigen im "Wochenblatt"
gesucht, von denen sich z.B. die vom 11.04.2007 neben Stellenangeboten für (u.a.) Pizzabäcker, Pizzataxifahrer und Aushilfen
auf 400 Euro-Basis findet. Dass dies kein geeignetes Medium zur Suche nach einer qualifizierten Praxisvertretung ist, liegt
auf der Hand.
Einen Anspruch auf Kug kann die Klägerin schließlich nicht auf Vertrauensgesichtspunkte stützen. Das Anzeigeverfahren nach
§ 173 Abs. 1 SGB III a.F. verschafft den Betriebs- inhabern kurzfristig Klarheit darüber, ob die Bundesagentur im konkreten Fall einen Kug-Anspruch
dem Grunde nach anerkennt, so dass die Klägerin schon deshalb nach der ablehnenden Entscheidung über die Anzeige nicht damit
gehört werden kann, sie habe nach den erfolgreichen Anträgen der vorangegangenen Jahre auf die Zahlung Kug für ihre Mitarbeiter
vertrauen dürfen.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Sache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 160 SGG).
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