Rentenversicherung - Rente wegen Erwerbsminderung; zusätzliche Pausen; schwere spezifische Leistungsbehinderung; Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen; Seltenheits- oder Katalogfall; Gebrauchsfähigkeit der Hände
Tatbestand:
Der am ... 1966 geborene Kläger hat den 8.-Klasse-Schulabschluss erreicht und vom 1. September 1980 bis zum 28. Februar 1982
eine Ausbildung zum Ausbaumaurer sowie vom 1. Juli 1987 bis zum 20. Juni 1989 eine Ausbildung zum Facharbeiter für Anlagentechnik
abgeschlossen. In der Folgezeit war er als Arbeiter im Kabelschachtbau, Fenster- und Fassadenmonteur, Dachdecker und seit
August 2008 als Hausmeister tätig, zunächst bis Oktober 2009 vollschichtig und dann seit Juli 2011 nach seinen Angaben täglich
drei Stunden. Seit 2013 pflegt er zudem seinen Vater.
Am 31. Juli 2006 stellte er erstmalig erfolglos den Antrag auf Bewilligung von Rente bei der Beklagten. Am 4. Oktober 2010
beantragte er erneut Rente mit der Begründung, er könne wegen einer Sprunggelenksarthrose keinerlei Arbeiten mehr verrichten.
In dem beigefügten arbeitsamtsärztlichen Gutachten von Dr. W. vom 17. Januar 2007 werden vollschichtig gelegentlich mittelschwere
Arbeiten im Gehen, Stehen und/oder Sitzen ohne langes Gehen, ohne Besteigen von Leitern und Gerüsten sowie ohne häufiges Bücken
und Hocken für zumutbar erachtet. Als Gesundheitsstörungen seien eine Arthrose des rechten Sprunggelenkes, therapieresistente
Ellenbogenbeschwerden links und ein gut eingestellter Bluthochdruck berücksichtigt. In dem daraufhin von der Fachärztin für
Orthopädie - Chirotherapie - Akupunktur Dr. W. erstatteten Gutachten vom 23. Februar 2011 kam diese nach der ambulanten Untersuchung
des Klägers am 3. Februar 2011 zu dem Ergebnis, aus orthopädischer Sicht sei der Kläger in seinem zuletzt ausgeübten Beruf
als Hausmeister aufgrund der eingeschränkten Beweglichkeit der Wirbelsäule und der Sprunggelenke nur unter drei Stunden einsatzfähig.
Gleichwohl sei er in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten im Wechsel
von Gehen, Stehen und/oder Sitzen unter Vermeidung von Zwangshaltungen und Verdrehbewegungen des Rumpfes, ohne schweres Heben
und Tragen von Lasten, ohne Besteigen von Leitern und Gerüsten und ohne häufiges Treppensteigen sowie ohne knieende und hockende
Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Dabei seien folgende Diagnosen zu berücksichtigen:
Arthrose beider Sprunggelenke.
Chronisches Lumbalsyndrom bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen L4/5 und L5/S1.
Rumpfmuskelinsuffizienz.
Hypertonus.
Hyperurikämie.
Angststörungen.
Der Rentenantrag vom 4. Oktober 2010 wurde bestandskräftig abgelehnt.
Den dem Streitverfahren zugrunde liegenden Rentenantrag vom 12. Juni 2012 begründete der Kläger mit einem Knochenverschleiß
seit 2005, Bewegungseinschränkungen und dauerhaften Schmerzen. Er könne nur noch höchstens vier Stunden an drei Tagen in der
Woche zusammenhängend arbeiten. Die Beklagte holte einen Behandlungs- und Befundbericht von der Fachärztin für Allgemeinmedizin
Dr. J. vom 26. Juli 2012 ein, die als geklagte Beschwerden einen Rückenschmerz, einen Schmerz beider oberer Sprunggelenke,
Einschlaf- und Durchschlafstörungen sowie Schwitzen angab und diverse ärztliche Unterlagen beifügte. Der Facharzt für Nuklearmedizin
Dr. H. berichtete unter dem 5. August 2011 über eine kernspintomographische Verlaufskontrolle der Lendenwirbelsäule am 26.
Juli 2011, wobei sich beide Prolapse gegenüber der letzten Voraufnahme vom 10. März 2009 etwas rückläufig gezeigt hätten sowie
unter dem 5. April 2012 über eine Magnetresonanztomographie vom 29. März 2012 mit der Diagnose Handgelenksarthralgie.
Die Beklagte veranlasste sodann eine Begutachtung durch den Facharzt für Orthopädie Dr. W. vom 5. November 2012. Dieser untersuchte
den Kläger am 24. Oktober 2012 ambulant. Als Diagnosen seien ein chronisch-degeneratives Lumbalsyndrom, ein lumbales Wurzelreizsyndrom
rechts, ein chronisch-degeneratives Cervicalsyndrom, eine latente talo-crurale Chondropathie rechts (Knorpelerkrankung), eine
latente humero-ulnare Chondropathie links und eine Arthritis urica (Gichtarthritis) zu berücksichtigen. In der Zusammenschau
der erhobenen Befunde seien dem Kläger noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten im Wechsel von stehender, gehender
und sitzender Tätigkeit vollschichtig zumutbar. Mit einer wesentlichen Besserung sei nicht zu rechnen, da es sich vorwiegend
um degenerativ-irreversible pathologische Substrate handele. Ambulant-konservative Maßnahmen seien sinnvoll, um einer weiteren
Beschwerdeverschlechterung vorzubeugen.
Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab. Trotz des schmerzhaften Wirbelsäulen- und Gelenkleidens, der
Gicht, des Bluthochdrucks und der psychischen Gesundheitsstörung sei der Kläger in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen irgendeine Tätigkeit auszuüben (Bescheid vom 3. Januar 2013
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2013). Die Vermittlung eines dem Leistungsvermögen des Klägers entsprechenden
Arbeitsplatzes falle in den Aufgabenbereich der Arbeitsvermittlung.
Hiergegen hat der Kläger am 20. August 2013 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben und geltend gemacht, seit ca. sieben
Jahren an Schmerzen im rechten Sprunggelenk und seit 2008/2009 auch im linken Sprunggelenk zu leiden. Er leide zudem an Wirbelsäulenbeschwerden,
einer Rumpfmuskelinsuffizienz, einem Hypertonus, einer Hyperurikämie und einer Angststörung. Seit März 2010 sei er arbeitslos.
Er benötige bei leichten Tätigkeiten im Haushalt aufgrund auftretender Schmerzen arbeitsmarktunübliche Pausen.
Das Sozialgericht hat Behandlungs- und Befundberichte von dem Facharzt für Orthopädie Dr. H. vom 17. Oktober 2013, von dem
Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. W. vom 18. Oktober 2013, von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. J.
vom 21. Oktober 2013 und von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. Z. vom 27. Oktober 2013 eingeholt. Dr.
H. hat angegeben, den Kläger vom 18. Januar 2008 bis zum 29. November 2012 behandelt zu haben. Es sei eine allmähliche Verschlechterung
der bekannten Gesundheitsstörungen festzustellen. Dr. W. hat mitgeteilt, dass kein sicherer Anhalt für eine rheumatoide Arthritis
und Kollagenose bestehe. Es liege der Verdacht auf eine reaktive Arthritis vor. Dipl.-Med. Z. hat eine Angstdepression diagnostiziert.
Die behandelnden Ärzte Dr. H., Dr. W., Dr. J. und Dipl.-Med. Z. haben übereinstimmend eingeschätzt, der Kläger könne leichte
körperliche Arbeiten sechs Stunden und mehr mit qualitativen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten.
Der Kläger hat einen Bericht der behandelnden Allgemeinmedizinerin Dr. J. vom 7. März 2014 vorgelegt, wonach bei ihm eine
Verschlechterung der Leberwerte zu verzeichnen gewesen sei, deren Ursache die Einnahme der Schmerzmittel oder der Blutdrucktabletten
sein könne.
Mit Urteil vom 4. Juni 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen sei
davon auszugehen, dass der Kläger noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten im gelegentlichen Haltungswechsel sechs
Stunden und mehr täglich verrichten könne. Die Kammer folge den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen Dr. W. in
ihrem Gutachten vom 23. Februar 2011 und Dr. W. in seinem Gutachten vom 5. November 2012. Aus den im Klageverfahren eingeholten
Befundberichten ergäben sich keine abweichenden Diagnosen und Befunde.
Gegen das ihm am 7. Juli 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. August 2014 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
eingelegt. Er leide unter erheblichen Beschwerden des Bewegungs- und Haltungsapparates sowie unter einer Beeinträchtigung
der Herz-Kreislauf-Funktion sowie einer psychischen Gesundheitsstörung. Aufgrund ständiger Schmerzen könne er nicht unter
den üblichen Arbeitsbedingungen tätig sein. Er benötige zusätzliche Pausen. Die Einschätzung der Sachverständigen Dr. W. sei
widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Das Sozialgericht sei seiner Amtsermittlungspflicht nicht nachgekommen, da es die
Einholung eines orthopädischen Gutachtens unterlassen habe. Aufgrund der ständigen Schmerzen könne er sich nicht auf eine
Vollzeittätigkeit konzentrieren, sei ständig übermüdet, unkonzentriert und schnell erschöpft. Zudem habe das Sozialgericht
die diagnostizierte Angstdepression nicht berücksichtigt und fehlerhaft kein fachpsychiatrisches Gutachten erstatten lassen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 4. Juni 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2013 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise
teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Juni 2012 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihren Bescheid für rechtmäßig und verweist ergänzend darauf, dass der Kläger die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen letztmalig im März 2013 erfüllt habe. Der Versicherungsverlauf des Klägers vom 30. Januar 2015 weise vom 1.
März 2011 bis zum 6. Oktober 2013 eine versicherungsrechtliche Lücke auf. Soweit der Kläger auf die von ihm ausgeübte Pflege
seines Vaters hinweise, sei zu berücksichtigen, dass er die Pflege lediglich sieben Stunden wöchentlich verrichte, so dass
keine Versicherungspflicht vorliege.
Der Senat hat nach Durchführung eines Erörterungstermins ein orthopädisches Sachverständigengutachten nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) von Dr. W., Orthopädisches Forschungsinstitut B., vom 31. Oktober 2016 eingeholt. Dieser hat den Kläger am 16. Juni 2016
ambulant untersucht. Zum orthopädischen Befund hat der gerichtliche Sachverständige ausgeführt, es bestehe bezüglich der Beweglichkeit
der unteren Brust- und Lendenwirbelsäule eine nachvollziehbare schmerzhafte Einschränkung bei der Reklination und bei der
Rumpfbeuge bzw. beim Wiederaufrichten aus der Rumpfbeuge. Die übrigen Bewegungsrichtungen bzw. Ebenen und die Halswirbelsäule
seien altersentsprechend beweglich. Muskulatur und Weichteilkontur der unteren Extremitäten seien seitengleich ausgebildet
gewesen. Ein deutliches Vermeidungsverhalten bestimmter Bewegungen sei bei der Begutachtung nicht erfolgt. Aufgrund der Bandscheibenvorfälle
in den Segmenten L4/5 könne die Schmerzbelastung nachvollzogen werden. Insgesamt seien folgende Diagnosen zu berücksichtigen:
Cervikale Beschwerdesymptomatik im Sinne eines Halswirbelsäulensyndroms ohne wesentliche Funktions- und Belastungseinschränkungen
der Halswirbelsäule, derzeit ohne sichere Hinweise auf radikuläre motorische Defizite im Bereich der oberen Extremitäten und
der Nachweis von degenerativen knöchernen Veränderungen.
Lumbale und lumboischialgieforme Beschwerdesymptomatik im Sinne eines Lendenwirbelsäulensyndroms mit mäßiggradigen Funktions-
und deutlichen Belastungseinschränkungen der Lendenwirbelsäule, derzeit ohne sichere Hinweise auf radikuläre motorische Defizite
im Bereich der unteren Extremitäten und der Nachweis von deutlichen degenerativen Veränderungen, knöchern und diskogen, insbesondere
in den Segmenten L4/5 und L5/S1.
Ruhe- und Belastungsarthralgien der oberen und insbesondere der unteren Sprunggelenke bei Zustand nach Arthroskopie rechts
(November 2005), bestehenden Funktions- und Belastungseinschränkungen der vorgenannten Gelenke und beider Füße bei Senkspreizfüßen
und leichtgradigen Knickfüßen und der Nachweis von degenerativen Veränderungen insbesondere an der Fußwurzel beidseits.
Belastungsabhängige Arthralgien an beiden Handgelenken und Händen mit leichtgradigen Funktions- und Belastungseinschränkungen
der Handfunktion als komplexes Greiforgan, insbesondere in der Grobmotorik, bei Nachweis von leichtgradigen degenerativen
Veränderungen.
Medikamentös eingestellter Hypertonus.
Medikamentös behandelte erhöhte Harnsäurewerte.
Der Kläger könne noch körperlich leichte bis gelegentlich (bis fünf Prozent der Arbeitsschicht) mittelschwere Arbeiten im
Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen ohne hohe Anforderungen an die Handkraft, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Besteigen
von Leitern und Gerüsten, ohne häufiges Gehen auf unebenen Böden und ohne kniende und hockende Tätigkeiten unter gleichzeitiger
Belastung der oberen Extremitäten bis zu sechs Stunden täglich verrichten. Die sitzende Tätigkeit solle etwa 50 Prozent einer
Tagesschicht ausmachen. Zusätzliche Pausen seien nicht erforderlich. Arbeiten unter Zeitdruck oder in Form von Akkordarbeit
seien unzumutbar. Der Kläger sei in der Lage viermal täglich 500 m Fußweg jeweils innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen.
Die Einholung weiterer medizinischer Fachgutachten sei nicht erforderlich.
Zur Begründung des Rechtsmittels führt der Kläger ergänzend aus: Aufgrund seiner seelisch/psychischen Erkrankung, die bereits
im Reha-Bericht vom 4. März 2013 als Begleitdiagnose aufgeführt sei und die Dr. W. als Umstellungs- und Anpassungsstörung
mit Angststörung beschrieben habe, sei die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens erforderlich. Zudem liege aufgrund einer
Summierung aller Gesundheitsstörungen mindestens eine teilweise Erwerbsminderung vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten
ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§§
153 Abs.
1,
54 Abs.
2 Satz 1
SGG). Er hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Nach §
43 Abs.
1 und
2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. wegen voller Erwerbsminderung,
wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre
Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit
erfüllt haben. Versicherte sind nach §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI teilweise erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den
üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, bzw. nach §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI voll erwerbsgemindert, wenn sie unter diesen Bedingungen außerstande sind, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu
sein. Erwerbsgemindert ist nach §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein
kann, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert in diesem Sinne, weil er nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seit Rentenantragstellung
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Dabei
geht der Senat von folgendem Leistungsbild aus: Der Kläger kann noch körperlich leichte bis gelegentlich (bis fünf Prozent
der Arbeitsschicht) mittelschwere Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und überwiegendem Sitzen (etwa 50 Prozent einer Arbeitsschicht)
ohne hohe Anforderungen an die Handkraft, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Besteigen von Leitern und Gerüsten, ohne
häufiges Gehen auf unebenen Böden und ohne kniende und hockende Tätigkeiten unter gleichzeitiger Belastung der oberen Extremitäten
sechs Stunden täglich verrichten. Unzumutbar sind Arbeiten unter Zeitdruck und im Akkord. Zusätzliche Pausen sind nicht erforderlich.
Der Kläger ist durchschnittlichen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen sowie an geistige und mnestische Fähigkeiten gewachsen.
Dieses Leistungsbild ergibt sich für den Senat aus dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren,
insbesondere aus den im sozialgerichtlichen Gerichtsverfahren eingeholten Befundberichten der behandelnden Ärzte Dr. H., Dr.
W., Dr. J. sowie Dipl.-Med. Z., den Gutachten von Dr. W. vom 23. Februar 2011 und von Dr. W. vom 5. November 2012. Das Gutachten
von Dr. W. vom 31. Oktober 2016 sowie der dort vom Kläger geschilderte Tagesablauf stützen die Einschätzungen eines nicht
auf unter sechs Stunden gesunkenen Leistungsvermögens.
Der Kläger leidet an einer cervikalen Beschwerdesymptomatik im Sinne eines Halswirbelsäulensyndroms und einer lumbalen und
lumboischialgieformen Beschwerdesymptomatik im Sinne eines Lendenwirbelsäulensyndroms, Ruhe- und Belastungsarthralgien der
oberen und insbesondere der unteren Sprunggelenke sowie belastungsabhängigen Arthralgien an beiden Handgelenken und Händen,
einem medikamentös eingestellten Hypertonus und medikamentös behandelten erhöhten Harnsäurewerten.
Aufgrund dessen bestehen mäßiggradige Funktions- und deutliche Belastungseinschränkungen der Lendenwirbelsäule sowie der oberen
und unteren Sprunggelenke und leichtgradige Funktions- und Belastungseinschränkungen der Handfunktion als komplexes Greiforgan,
insbesondere in der Grobmotorik. Funktions- und Belastungseinschränkungen der Halswirbelsäule bestehen nicht. Insoweit ist
eine leichte körperliche Arbeit mit den o.g. qualitativen Einschränkungen gesundheitlich zumutbar. Allerdings muss ein überwiegender
Anteil der Haltungsart Sitzen gewährleistet sein. Zu dieser Einschätzung sind die behandelnden Ärzte und die vorgenannten
Gutachter übereinstimmend gelangt.
Diese Einschätzung wird gestützt durch den vom Kläger geschilderten Tagesablauf. Der Kläger arbeitet täglich drei Stunden
als Hausmeister und pflegt daneben seinen Vater mindestens eine Stunde am Tag. Damit ist bereits nach dem eigenen Vorbringen
des Klägers eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgeschlossen.
Die weiteren Gesundheitsstörungen, der medikamentös eingestellte Hypertonus und die medikamentös behandelten erhöhten Harnsäurewerte
führen nicht zu weitergehenden qualitativen Einschränkungen, als diese im o.g. Leistungsbild aufgeführt sind. Einschränkungen
auf internistischem Gebiet sind nicht belegt.
Die von Dipl.-Med. Z. am 27. Oktober 2013 diagnostizierte Angstdepression begründet - bereits nach dessen Einschätzung - kein
reduziertes Leistungsvermögen. Der Kläger befindet sich auch nicht in psychotherapeutischer Behandlung, wodurch ggf. eine
Verbesserung seines Gesundheitszustandes zu erreichen wäre.
Weitere Ermittlungen sind entgegen der Anregung des Klägers nicht erforderlich. Die von Dipl.-Med. Z. und Dr. W. mitgeteilten
psychischen Beeinträchtigungen begründen kein unter sechsstündiges tägliches Leistungsvermögen. Auch nach Einschätzung der
behandelnden Ärzte im Reha-Entlassungsbericht vom 4. März 2013 kann der Kläger - trotz der diagnostizierten Angstdepression
- täglich sechs Stunden Arbeiten verrichten. Eine weitere psychiatrische Begutachtung ist nicht erforderlich. Dies hat auch
Dr. W. ausdrücklich mitgeteilt.
Bei dem Kläger liegt keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
vor, die trotz des sechsstündigen Leistungsvermögens zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würde. Steht
das krankheits- bzw. behinderungsbedingte Leistungsvermögen fest, ist im nächsten Prüfungsschritt die Rechtsfrage zu klären,
ob der Versicherte wegen seiner qualitativen Leistungseinschränkungen außerstande ist, "unter den üblichen Bedingungen des
allgemeinen Arbeitsmarkts" erwerbstätig zu sein (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R -, juris), d.h. durch (irgend)eine Tätigkeit Erwerbseinkommen zu erzielen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2012, a.a.O, juris, Rn. 20). Diese Frage ist nicht zu bejahen. Die dem Kläger der Art nach zumutbaren
Tätigkeiten lassen sich nicht nur unzureichend beschreiben, so dass keine ernsthaften Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit
des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter üblichen Bedingungen bestehen. Mit dieser Formulierung hat der Gesetzgeber
die Rechtsprechung des BSG aufgegriffen, wonach dem Betroffenen der Zugang zum Arbeitsmarkt trotz vollschichtigen Leistungsvermögens praktisch verschlossen
war, wenn er krankheitsbedingt keine "Erwerbstätigkeit unter den in Betrieben üblichen Bedingungen" mehr ausüben konnte (Zusammenstellung
der Katalog- und Seltenheitsfälle im Beschluss des Großen Senats BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, juris). "Bedingungen" sind dabei alle Faktoren, die wesentliche Grundlage des Arbeitsverhältnisses sind. Hierzu gehört
vor allem der rechtliche Normrahmen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung
von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche Bestimmungen und tarifvertragliche Vereinbarungen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R -, juris, Rn. 29). Die Bedingungen sind "üblich", wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen, sondern in nennenswertem
Umfang und in beachtlicher Zahl anzutreffen sind (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011, aaO., juris, Rn. 29). Der Arbeitsmarktbegriff erfasst alle denkbaren Tätigkeiten (vgl. BT-Drucks.
14/4230, S. 25), für die es faktisch "Angebot" und "Nachfrage" gibt. Das Adjektiv "allgemein" grenzt den ersten vom zweiten
- öffentlich geförderten - Arbeitsmarkt, zu dem regelmäßig nur Leistungsempfänger nach dem Zweiten und
Dritten Buch Sozialgesetzbuch Zugang haben, sowie von Sonderbereichen ab, wie beispielsweise Werkstätten für behinderte Menschen und andere geschützte
Einrichtungen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011, aaO., juris, Rn. 27).
Der Kläger kann an fünf Tagen in der Woche mindestens sechs Stunden arbeiten. Dies haben alle gehörten Gutachter - einschließlich
Dr. W. - überzeugend eingeschätzt. Der Kläger benötigt im Hinblick auf Dauer und Verteilung der Arbeitszeit keine Sonderbehandlung,
die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unüblich wäre. Er hat auch keinen erhöhten, betriebsunüblichen Pausen- oder Urlaubsbedarf
und ist in einem Betrieb, also außerhalb geschützter Einrichtungen, einsetzbar. Soweit der Kläger meint, aufgrund der auftretenden
Schmerzzustände nicht mehr zu einer regelmäßigen Arbeitsleistung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
in der Lage zu sein, folgt der Senat dem nicht. Ein zusätzliches Pausenerfordernis hat auch Dr. W. nicht mitgeteilt, sondern
ausdrücklich ausgeführt, dass - soweit die qualitativen Einschränkungen am konkreten Arbeitsplatz Berücksichtigung finden
- zusätzliche Pausen nicht erforderlich sind. Schließlich sind diese Schmerzzustände als Zeiten der - vorübergehenden - Arbeitsunfähigkeit
zu bewerten. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Das Restleistungsvermögen
des Klägers reicht vielmehr noch für leichte körperliche Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen wie z.B. Zureichen,
Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie
Bürohilfsarbeiten, aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44
SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - juris). Dies wird auch von dem Sachverständigen Dr. W. bestätigt, der die Gebrauchsfähigkeit der Hände nur für schwere
Hebe- und Tragearbeiten als Dauerbelastung oberhalb von zehn Kilogramm als beeinträchtigt einschätzt. Insbesondere besteht
daher eine volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände für leichte körperliche Arbeiten.
Hier liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die es ausnahmsweise notwendig macht, den Ausschluss
eines Rechts auf Rente nicht lediglich abstrakt mit der Einsetzbarkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu begründen,
sondern hierfür eine konkrete Benennung einer noch in Betracht kommenden Verweisungstätigkeit zu fordern. Bei dem Kläger liegt
bereits keine ungewöhnliche Leistungseinschränkung vor, so dass eine Summierung dieser nicht in Betracht kommt. Die leichtgradigen
Funktions- und Belastungseinschränkungen der Handfunktion schränken die Gebrauchsfähigkeit der Hände des Klägers für leichte
körperliche Tätigkeiten nicht ein. Auch feinmotorische Tätigkeiten kann der Kläger verrichten. Der Senat sieht in den Einschränkungen
im Wirbelsäulen- und im Sprunggelenksbereich keine ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen. Typische Arbeitsplätze für körperlich
leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung sind dem Kläger - der geringen bis durchschnittlichen Anforderungen an geistige
und mnestische Fähigkeiten gewachsen ist - nicht versperrt.
Auch besteht im Falle des Klägers kein Seltenheits- oder Katalogfall, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes
führen würde (vgl. BSG, Großer Senat, a.a.O., Seite 35). Der Arbeitsmarkt gilt unter anderem als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte
Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach
der Rechtsprechung des BSG ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von
knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel
während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehender Mobilitätshilfen benutzen kann. Dann
gilt die Erwerbsfähigkeit als nicht in beachtlichem Maße einschränkt und die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit
ist nicht erforderlich. Sind Arbeitsplätze auf andere Art als zu Fuß erreichbar, zum Beispiel mit dem eigenen Kraftfahrzeug
bzw. mit einem Fahrrad, ist der Arbeitsmarkt ebenfalls nicht verschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247
RVO Nr. 10; Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 -, juris). Die im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gehörten Gutachter haben den Kläger sämtlich für fähig erachtet, viermal
täglich knapp mehr als 500 m jeweils binnen 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von
einer Entscheidung der in §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG genannten Gerichte abweicht.