Vergütung von Rechtsanwälten im sozialgerichtlichen Verfahren; Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Erinnerungsentscheidung
des Sozialgerichts über die Vergütung des beigeordneten Anwalts; Verwirkung des Erinnerungsrechts der Staatskasse
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Vergütung des Erinnerungsführers und Beschwerdegegners (im Weiteren: Bg.) streitig.
Das Sozialgericht Magdeburg ordnete den Bg. in einem Klageverfahren, das die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung
zum Gegenstand hatte, bei (S 5 R 895/08). Die Klage wurde mit Urteil vom 31. August 2012 bestandskräftig abgewiesen.
Am 12. September 2012 hat der Bg. die Kostenerstattung in Höhe von insgesamt 1.149,54 EUR mit folgenden Positionen beantragt:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG
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460,00 EUR
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Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG
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380,00 EUR
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3.-4. Nr. 7003 und 7005 insgesamt
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106,00 EUR
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5. Nr. 7002 VV RVG
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20,00 EUR
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6. 19 Prozent Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG
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183,54 EUR
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Gesamtbetrag
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1.149,54 EUR
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Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim Sozialgericht hat am 19. Oktober 2012 die Vergütung in Höhe von 899,64 EUR festgesetzt.
Dem lag eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 250,00 EUR - anstatt der beantragten 460,00 EUR - zugrunde. Die festgesetzten 899,64 EUR sind dem Bg. am 29.
Oktober 2012 zugegangen.
Der Bg. hat gegen den Beschluss vom 19. Oktober 2012 am 30. Oktober 2012 Erinnerung eingelegt und sich gegen die Herabsetzung
der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG vom Höchstsatz auf den Mittelsatz gewandt. Hiervon ist der Erinnerungsgegner und Beschwerdeführer (im Weiteren: Bf.) am 16.
November 2012 in Kenntnis gesetzt worden.
Das Sozialgericht, das davon ausgegangen ist, allein streitig sei die Höhe der Verfahrensgebühr, hat mit Beschluss vom 16.
Dezember 2014 den Prozesskostenhilfefestsetzungsbeschluss vom 19. Oktober 2012 dahingehend abgeändert, dass die aus der Staatskasse
zu erstattenden Kosten auf 988,89 EUR festgesetzt werden, und die Erinnerung im Übrigen zurückgewiesen. Es hat die Verfahrensgebühr
in Höhe einer um 30 Prozent erhöhten Mittelgebühr der Nr. 3102 VV RVG, d.h. in Höhe von 325,00 EUR, für angemessen erachtet. Das Sozialgericht hat die Belehrung erteilt, der Beschluss sei gemäß
§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG unanfechtbar, da die Beschwerdesumme von 200,00 EUR nicht erreicht werde.
Der Bf. hat gegen den ihm am 9. Januar 2015 zugestellten Beschluss am 14. Januar 2015 Beschwerde eingelegt. Das Sozialgericht
hat der Beschwerde mit Beschluss vom 13. Mai 2015 nicht abgeholfen. Der Bf. hat sich sowohl gegen die Ansetzung der Mittelgebühr
in Höhe von 325,00 EUR als auch gegen die Berücksichtigung einer Terminsgebühr in Höhe von 380,00 EUR gewandt und die Zugrundelegung
einer Mittelgebühr in Höhe von 250,00 EUR und einer Verfahrensgebühr in Höhe von 267,00 EUR für zutreffend erachtet. Auf den
Hinweis des Senats, dass die Beschwerde unzulässig sein dürfte, hat er an seiner Beschwerde mit der Begründung festgehalten,
die Beschwerde sei insbesondere nicht verwirkt, weil das Sozialgericht in der angegriffenen Entscheidung der Erinnerung des
Bg. - wenn auch nur zum Teil - stattgegeben und die ursprüngliche Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu Ungunsten
der Landeskasse abgeändert habe, sodass neue Tatsachen vorgetragen worden seien, die zur Beschwer führten.
Den Beteiligten ist der Beschluss des 4. Senats des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 6. November 2015 in dem Verfahren
L 4 AS 427/15 B zur Kenntnis gegeben worden.
II.
Die Berichterstatterin hat als Einzelrichter entschieden, da die Rechtssache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher
oder tatsächlicher Art aufweist und eine grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit nicht besteht (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m.
§ 33 Abs. 8 Satz 1 und 2 RVG). Insbesondere die Frage der Verwirkung der Geltendmachung von Rechten ist durch den in das Verfahren eingeführten Beschluss
des 4. Senats des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 6. November 2015 - L 4 AS 427/15 B - bereits geklärt.
Die Beschwerde ist unzulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR nicht übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Differenz zwischen der im Beschluss vom 19. Oktober 2012 zugrunde gelegten
Verfahrensgebühr in Höhe von 250,00 EUR und der vom Sozialgericht im Beschluss vom 16. Dezember 2014 festgesetzten Mittelgebühr
in Höhe von 325,00 EUR, d.h. 75,00 EUR zuzüglich 19 Prozent Mehrwertsteuer.
Soweit der Bg. sich mit der Beschwerde erstmals auch gegen die Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 380,00 EUR wendet und nunmehr nur noch eine Gebühr von 265,00 EUR für angemessen erachtet, hat er sein Beschwerderecht
verwirkt. Die Verwirkung findet ihre zentrale rechtliche Grundlage im Grundsatz von Treu und Glauben gemäß §
242 Bürgerliches Gesetzbuch, der in der gesamten Rechtsordnung Anwendung findet (vgl. Beschluss des 4. Senats des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt
- L 4 AS 427/15 B - m.w.N.). Es handelt sich dabei um einen Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung. Dem Berechtigten, der die Ausübung
seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlässt (sogenanntes Zeitmoment) und zudem weitere besondere Umstände für
den Rechtsverkehr und insbesondere für den Verpflichteten gesetzt hat, die einen endgültigen Rechtsverzicht nahelegen (sogenanntes
Umstandsmoment), kann seinen Anspruch gegebenenfalls nach Treu und Glauben wegen Verwirkung verlieren, da die verspätete und
überraschende Geltendmachung des Rechts gegenüber dem Verpflichteten illoyal ist (Beschluss des 4. Senats des LSG Sachsen-Anhalt
vom 6. November 2015 - L 4 AS 427/15 B).
Im vorliegenden Fall liegen zwischen dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. Oktober 2012 sowie der Auszahlung des festgesetzten
Betrages in Höhe von 899,64 EUR im Oktober 2012 und der Beschwerde vom 14. Januar 2015 mehr als zwei Jahre. Trotz Kenntnis
des Beschlusses und der Erinnerung sowie Erinnerungsbegründung hat der Bg. zu keinem Zeitpunkt deutlich gemacht, dass er neben
der umstrittenen Höhe der Verfahrensgebühr auch die angesetzte Terminsgebühr für überhöht hält. Dementsprechend enthält der
nunmehr vom Bf. angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. Dezember 2014 ausschließlich Ausführungen zur
Höhe der Verfahrensgebühr, da diese nach Auffassung des Sozialgerichts "allein" streitig gewesen sei; die übrigen Gebühren
seien vom Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle wie beantragt festgesetzt worden. Insoweit enthält der Beschluss auch keine "neue
Beschwer", gegen die sich der Bf. nunmehr erstmals wendet.
Das Verfahren ist gebührenfrei.
Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).