Sozialgerichtliches Verfahren - einstweiliger Rechtsschutz - fehlendes Rechtsschutzbedürfnis - Erfordernis eines vorherigen
Klärungsversuchs des Antragstellers - Grundsicherung für Arbeitsuchende - kein Wegfall bei erteilter Zusicherung zur Übernahme
der Bedarfe für Unterkunft und Heizung
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe
(PKH) für ein beendetes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, das beim Sozialgericht Halle (SG) anhängig war.
Der 1960 geborene Antragsteller bezieht vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Er lebt seit Juni 2020 in einer Wohnung in der M-Straße in N., für die er monatlich eine Grundmiete von 207,75 € zzgl.
Betriebskosten von 68 € und Heizkosten von 77 € zu zahlen hat.
Am 15. Mai 2020 beantragte er beim Antragsgegner die Erteilung einer Zusicherung zur Übernahme der Bedarfe für Unterkunft
und Heizung für die jetzt von ihm bewohnte Wohnung. Ausweislich des vorgelegten Mietvertragsentwurfs sollte der Mietzins in
Höhe von monatlich insgesamt 352,75 € auf das Konto des Antragstellers bei der Sparkasse B. gezahlt werden. Mit Bescheid vom
4. Juni 2020 lehnte der Antragsgegner die Erteilung der Zusicherung ab.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren teilte der Antragsteller auf Nachfrage des Antragsgegners mit Schreiben vom 1. Juli
2020 mit, bei der Eintragung seiner Bankverbindung handele es sich um ein Missverständnis. Durch ihn erfolge die Weiterleitung
der Miete an den Vermieter über dessen Hausverwaltung.
Mit Bescheid vom 8. Juli 2020 erteilte der Antragsgegner die Zusicherung zur Übernahme der Bedarfe für Unterkunft und Heizung
für die begehrte Wohnung.
Am 14. Juli 2020 reichte der Antragsteller den am 9. Juli 2020 unterschriebenen Mietvertrag beim Antragsgegner ein. Ausweislich
Punkt 5. des Mietvertrags sollte der Mietzins monatlich im Voraus, spätestens am 3. Werktag des Monats auf sein Konto bei
der Sparkasse B. gezahlt werden.
Mit Schreiben vom 4. August 2020 forderte der Antragsgegner den Antragsteller erneut auf, einen unterschriebenen Mietvertrag
zu übersenden und einen Vordruck auszufüllen, falls die Miete gleich an den Vermieter gezahlt werden solle.
Am 4. August 2020 hat der Antragsteller beim SG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem er die vorläufige Zahlung höherer SGB II-Leistungen geltend gemacht hat. Er hat PKH für das einstweilige Rechtsschutzverfahren beantragt. Die Kosten der Unterkunft
und Heizung (KdUH) seien zu übernehmen, da der Antragsgegner dem Umzug zugestimmt habe. Bislang sei lediglich der Regelbedarf
für den Monat August 2020 überwiesen worden.
Mit Änderungsbescheid vom 6. August 2020 hat der Antragsgegner dem Antragsteller für die Zeit vom 1. Juni 2020 bis zum 31.
Januar 2021 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 794, 69 € bewilligt. In seiner Leistungsberechnung
hat er KdUH in Höhe von monatlich insgesamt 352,75 € berücksichtigt.
Am 14. August 2020 hat der Antragsteller das einstweilige Rechtsschutzverfahren für erledigt erklärt.
Mit Beschluss vom 26. August 2020 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt. Es habe kein Rechtsschutzbedürfnis für das einstweilige Rechtsschutzverfahren
bestanden, da der Antragsteller einen einfacheren Weg als den Rechtsweg habe beschreiten können. Der Anrufung des Gerichts
habe es nicht bedurft, denn der Antragsteller habe beim Antragsgegner nachfragen können, weshalb trotz Zusicherung keine Wohnkosten
berücksichtigt worden seien, und habe zudem aufklären können, weshalb im Mietvertrag die eigene Kontoverbindung angegeben
war.
Gegen den ihm am 31. August 2020 zugestellten Beschluss über die PKH-Ablehnung hat der Antragsteller am 28. September 2020
Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt: Da der Antragsgegner auf der Basis des eingereichten Mietvertrags
mit Bescheid vom 8. Juli 2020 die Zustimmung zum Umzug erteilt habe, seien sowohl der Regelbetrag als auch die KdUH bezifferbar
und somit in einen Leistungsbescheid für den Monat August 2020 einzuarbeiten gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb
der Antragsgegner nochmals zur Zahlung der bereits anerkannten Miete hätte aufgefordert werden müssen.
Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 26. August 2020 aufzuheben und ihm Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 28 AS 1277/20 ER unter Beiordnung seines Rechtsanwalts P. zu bewilligen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten, auch die des Verfahrens S 28 AS 1277/20 ER, ergänzend Bezug genommen. Die Unterlagen sind Gegenstand der Beratung des Senats gewesen.
II.
Die nach §
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach §
172 Abs.
1 SGG statthaft. Das SG hat die Bewilligung von PKH ausschließlich wegen der mangelnden Erfolgsaussicht verneint, sodass kein Fall des Ausschlusses
der Beschwerde nach §
172 Abs.
3 Nr.
2a SGG vorliegt. Der nach §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO für die Zulässigkeit notwendige Beschwerdewert von 750 € ist überschritten. Denn streitig sind die geltend gemachten weiteren
KdUH in Höhe der monatlichen Miete von 352,57 € für den bei Antragstellung beim SG fast noch sechs Monate laufenden Bewilligungszeitraum.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Nach §
73a Abs.
1 SGG in Verbindung mit den §§
114 ff.
ZPO ist auf Antrag PKH zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die
Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder
-verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten
eines Rechtsmittels einzustufen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich
ist (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 13. März 1990, 1 BvR 94/98, juris). PKH kommt hingegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die
Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Februar 1989, B 13 RJ 83/97 R, juris).
Unter Anwendung dieses Maßstabs hatte das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beim SG keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das SG hat zu Recht entschieden, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses
unzulässig. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung den zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Beschluss an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug (§
142 Abs.
2 Satz 3
SGG).
Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner anderen Bewertung. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung fehlt u.a. dann, wenn dem Antragsteller ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, sein Rechtsschutzziel ohne gerichtliche
Hilfe zu erreichen. Im Hinblick auf die Bindung des Antragsgegners an Recht und Gesetz ist es dem Leistungsempfänger abzuverlangen,
dass er sich vor dem Antrag auf eine einstweilige Anordnung zunächst an diesen wendet (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG Kommentar, 13. Auflage 2020, §
86b Rn. 26b; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. Februar 2018, L 2 AS 316/17 B , juris Rn. 25 ). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Sache sehr eilig ist und der Antragsteller aus besonderen Gründen
mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass er bei der Behörde kein Gehör finden würde (Keller a.a.O. Rn. 26b
m.w.N.). Ziel dieser Erwägung ist es, der Behörde eine Reaktionsmöglichkeit einzuräumen. Die Ankündigung eines Eilverfahrens
muss daher mit einer - ggf. sehr kurzen - Fristsetzung verbunden sein. Das gerichtliche Eilverfahren ist insoweit nicht der
effektivere Weg, weil auch hier aus Gründen des rechtlichen Gehörs der Behörde eine Stellungnahmefrist einzuräumen ist.
Soweit der Antragsteller vorträgt, mit Erteilung der Zusicherung vom 8. Juli 2020 zur Übernahme der Bedarfe für Unterkunft
und Heizung für die begehrte Wohnung hätten dem Antragsgegner bereits alle Unterlagen zur Erteilung eines Änderungsbescheids
unter Berücksichtigung der neuen KdUH vorgelegen, verkennt er das Wesen des Zusicherungsverfahrens. Dieses hat allein Aufklärungs-
und Warnfunktion (Berlit in LPK-SGB II, 7. Auflage 2021, § 22 Rn. 183). Daher ist die Zusicherung vor Abschluss des Mietvertrags unter Vorlage eines Mietangebots einzuholen. Der Mietvertrag
über die Wohnung des Antragstellers ist erst am 9. Juli 2020 und somit nach Erteilung der Zusicherung geschlossen worden.
Bereits im Widerspruchsverfahren hatte der Antragsgegner darauf hingewiesen, der Mietvertragsentwurf sei fehlerhaft, soweit
eine Mietzinszahlung an den Antragsteller vereinbart werde. Insoweit hätte es dem Antragsteller oblegen, auf eine Korrektur
des Mietvertrags zu drängen (mit Zahlung des Mietzinses auf ein Konto der Hausverwaltung oder „Barzahlung“ an diese durch
den Antragsteller).
Eine Ankündigung des Eilverfahrens war auch erforderlich. Es war nicht offensichtlich, dass der Antragsgegner dem Antragsteller
die begehrten Leistungen nicht gewähren würde. Vielmehr hätte die Mietzinszahlung schnell und einvernehmlich geklärt werden
können und die Leistungsgewährung wäre unverzüglich (hier bereits direkt nach Eingang des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz)
erfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
127 Abs.
4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).