Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Zweipersonenhaushalt im Landkreis Jerichower Land in Sachsen-Anhalt - angemessene
Unterkunftskosten - schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers - Vergleichsraumbildung - Repräsentativität der Datenerhebung
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich nach teilweiser Rücknahme der Berufung nunmehr noch gegen ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Magdeburg, soweit dieses den gegen die Kläger erlassenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid für die Monate Januar bis März
sowie August 2017 ganz aufgehoben hat.
Die Klägerin zu 1. (im Folgenden Klägerin) und ihr 2010 geborener Sohn, der Kläger zu 2. (im Folgenden Kläger), bezogen Grundsicherungsleistungen
für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Sie zogen im Oktober 2014 von der Stadt Zerbst in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Eine Zusicherung zum Umzug hatte
der Beklagte mit Bescheid vom 8. September 2014 abgelehnt. Die Mietkosten seien unangemessen hoch. In der Folgezeit berücksichtigte
der Beklagte lediglich die jeweils angemessene monatliche Miete.
Unter dem 9. Januar 2015 teilte die Klägerin mit, sie werde ab 1. Februar 2015 in der K.straße .. in M. eine neue Wohnung
beziehen. Die alte Wohnung sei von Schimmel befallen. Die neue Wohnung sei zudem günstiger. Für diese mit Erdgas beheizte
80 qm große Wohnung hatten die Kläger ab Juli 2016 ein Bruttowarmmiete in Höhe von 460 € zu zahlen. Die Warmwassererzeugung
erfolgte dezentral.
Im Bewilligungsbescheid vom 5. März 2015 (Leistungszeitraum von Januar bis März 2015) wies der Beklagte darauf hin, dass der
Umzug zwar erforderlich, aber ohne Zusicherung erfolgt sei. Es würden weiterhin nur die (konkret bezifferten) angemessenen
Kosten übernommen werden.
Die Klägerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum für den Kläger Kindergeld in Höhe von 192 €/Monat und Leistungen nach
dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von 201€/Monat. Sie ging vom 15. August bis 25. Oktober 2017 einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach,
aus der sie monatlich 1.280 € brutto erzielte.
Für die streitgegenständlichen Monate bewilligte der Beklagte der Klägerin für August 2017 Leistungen in Höhe von 664,14€
(Bescheide vom 7. und 27. März 2017) sowie dem Kläger für Januar 2017 in Höhe von 149,14 €, für Februar und März 2017 in Höhe
von 147,79 €/Monat sowie für August 2017 in Höhe von 149,14 € (Bescheide vom 9. März und 26. November 2016, vom 16. und 17.
Februar sowie vom 7. und 27. März 2017)
Unter dem 27. März 2018 hörte der Beklagte die Kläger u.a. zur Anrechnung des der Klägerin im August 2017 zugeflossenen Einkommens
sowie zur Berücksichtigung der Erhöhung des Unterhaltsvorschusses für den Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Oktober
2017 an. Die Bewilligung sei mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben gewesen, da eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen
eingetreten sei.
Unter dem 5. April 2018 teilte die Klägerin mit, sie sei mit der Rückforderung nicht einverstanden. Alle Unterlagen hätten
dem Beklagten vorgelegen. Auch die Höhe des Unterhaltsvorschusses sei bekannt gewesen. Die Leistungen seien für den Lebensunterhalt
verbraucht worden.
Mit Aufhebungs-, Erstattungs- und Aufrechnungsbescheid vom 16. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.
September 2018 hob der Beklagte die Leistungen für die Klägerin teilweise für August 2017 in Höhe von 292,83 € auf: Die dem
Kläger gewährten Leistungen hob er teilweise für Januar bis März 2017 in Höhe von 51 €/Monat und für August 2017 in Höhe von
94,27 € auf. Die Entscheidung sei mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz [SGB X]), da wegen der Erzielung von Einkommen eine wesentliche Änderung
in den Verhältnissen eingetreten sei (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X). Die überzahlten Leistungen seien zu erstatten. Der Betrag werde ab 1. Juni 2018 in Höhe von 41,60 €/Monat bei der Klägerin
und in Höhe von 29,60 €/Monat beim Kläger aufgerechnet. Da er verpflichtet sei, wirtschaftlich zu handeln, mache er von der
Möglichkeit der Aufrechnung Gebrauch.
Den hiergegen seitens der Kläger fristgerecht eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. September
2018 als unbegründet zurück.
Am 28. September 2018 haben die Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Klage gegen diesen Bescheid erhoben. Sie haben sich gegen die Aufhebung und Erstattung der Leistungen gewandt, Darüber hinaus
habe der Beklagte die KdUH fehlerhaft zu gering berechnet. Das der KdU-Richtlinie zugrunde liegende Konzept sei unschlüssig.
Es sei fehlerhaft, einen Vergleichsraum (VR) in unterschiedliche Wohnungsmarkttypen zu untergliedern.
Im Verfahren hat der Beklagte sein damaliges von Analyse & Konzepte (Firma A) erstelltes Konzept vom September 2014 sowie
die Fortschreibung aus dem Jahr 2016 nachgebessert und den entsprechenden Korrekturbericht von September 2019 vorgelegt. Der
Landkreis sei in drei Vergleichsräume aufzuteilen. Dieses seien die Stadt Burg (VR 1), die Gemeinden Möser, Biederitz und
Gommern (VR 2) sowie die Gemeinden Möckern, Elbe-Parey, Genthin und Jerichow. Zur Begründung bezieht sich der Korrekturbericht
auf die Darstellungen aus dem von der Fa. KA 2018 vorgelegten Konzept. Dort heißt es u.a.: Als Größe für einen VR sei eine
Mindestgröße von 14.000 Einwohnern erforderlich. Unter Anwendung der Clusteranalyse seien verschiedene Wohnungsmärkte identifiziert
worden. So glichen sich die Wohnungsmärkte von Burg und Gommern, unterschieden sich aber von denjenigen der Einheitsgemeinden
Biederitz und Möser einerseits und von denjenigen in Elbe-Parey, Genthin, Jerichow und Möckern andererseits. Da Burg und Gommern
aufgrund der räumlichen Lage keinen einheitlichen VR bilden könnten, sei Gommern dem nächstähnlichen Cluster, nämlich demjenigen
von Biederitz und Möser zugeschlagen worden.
Anhand dieser VR hat Firma A die in der Zeit vom März bis Juli 2014 erhobenen Daten der Bestandsmieten und die Angebotsmieten
neu geordnet und hat im Ergebnis nach Fortschreibung der Daten eine angemessene Bruttokaltmiete für die Wohnung der Kläger
in Höhe von 322,20 €/Monat ermittelt.
Da dieser Wert höher als der vormals ermittelte war, hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 3. Juni 2020 die Gewährung weiterer KdU an die Kläger in Höhe von 15,90 €/Monat anerkannt.
Das SG hat mit Urteil vom 3. Juni 2020 den Bescheid des Beklagten vom 16. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
3. September 2018 aufgehoben und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche
Aufhebung der Leistungsbewilligung sei dem Grunde nach rechtmäßig.
Eine Rückzahlung der Leistungen könne der Beklagte gleichwohl nicht verlangen. Er habe den Klägern im streitigen Zeitraum
zu geringe KdUH bewilligt. Das vorgelegte nachgebesserte Konzept sei unschlüssig. Es sei nicht nachvollziehbar, auf welcher
Grundlage der Beklagte zu der von ihm vorgenommenen VR-Bildung gelangt sei,
Zweifel bestünden bereits am räumlichen Zusammenhalt zwischen dem Wohnort der Kläger und den übrigen zum VR gehörenden Gemeinden.
Die Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln betrage zwischen dem südlichsten Punkt in Möckern nach Jerichow 11/2 bis 2 Stunden,
wobei die Verbindungen nicht einmal stündlich erfolgten. Zwischen Möckern und Genthin sei immerhin noch eine Fahrtzeit von
1 Stunde gegeben, während die Fahrzeit nach Burg zwischen 30 Minuten und 1 Stunde betrage. Die Landeshauptstadt Magdeburg
liege im Übrigen näher an Möckern als an Genthin. Es sei auch nicht erkennbar, in welchem räumlichen und tatsächlichen Zusammenhang
die Gemeinden des VR untereinander stünden. Es sei schließlich nicht festzustellen, dass die Gemeinden einen homogenen Lebens-
und Wohnbereich bildeten. Genthin sei eine Stadt im engeren Sinne, die anderen Gemeinden hätten eher ländlichen Charakter.
Nach § 12 WoGG hätten die Kläger einen Anspruch auf eine Bruttokaltmiete in Höhe von 418 €/Monat. Diese übersteige die tatsächliche Bruttokaltmiete
in Höhe von 371,24 €. Die Forderung der Kläger betrag mithin 608 € für den streitgegenständlichen Zeitraum. Dieser Betrag
übersteige die vom Beklagten nach dem Anerkenntnis noch geforderte Erstattung in Höhe von 589 €.
Gegen das ihm am 16. Juni 2020 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 10. Juli 2020 Berufung eingelegt und diese im Wesentlichen
wie folgt begründet: Die vier Gemeinden des VR 3 seien aufgrund der örtlichen Gegebenheiten ähnlicher Natur, wohingegen die
Gemeinden des VR 2 als sog. „Speckgürtel“ der Landeshauptstadt Magdeburg bezeichnet werden könnten. Die Stadt Burg sei aufgrund
ihres überwiegend städtisch geprägten Erscheinungsbildes als eigener VR zu werten. Die vom SG kritisierten großen Entfernungen innerhalb des VR seien gegeben. Auch die Stadt Berlin, die ein eigener VR sei, weise eine
Nord-Süd-Ausdehnung von 38 km und eine Ost-West-Ausdehnung von 45 km auf. Die dürftige Verkehrsanbindung der Gemeinden untereinander
sei der sinkenden Nachfrage an einer öffentlichen Verkehrsanbindung geschuldet. Es sei die aktuelle, durch den Individualverkehr
geprägte Gebietsstruktur zu berücksichtigen.
Der Beklagte hat sich zudem eine Stellungnahme der Fa. KA zu Eigen gemacht, in der die Gründe zur VR- Bildung näher erläutert
worden sind. Die Einordnung der Gemeinde Möckern sei nicht einfach gewesen. Sie sei abzugrenzen von der Stadt Burg, die einen
eigenen VR bilde, von den Gemeinden des VR 2, die den Speckgürtel von Magdeburg darstellten sowie von der Stadt Genthin mit
den Gemeinden Elbe-Parey und Jerichow. Die Zuordnung sei auch aus der Sicht der anderen Gemeinden auf Möckern erfolgt. Einen
eigenen VR könne Möckern mit 13.000 Einwohnern nicht bilden, da die Gemeinde zu klein sei. Die Wohnungsmärkte der anderen
Gemeinden des VR 3 ähnelten der der Gemeinde Möckern. Eine Zuordnung von Möckern in den VR 1 oder 2 könnte zu einer Ghettobildung
führen. Die Mietpreisunterschiede seien zu groß. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verweist der Senat auf Bl. 176 bis
180 der Gerichtsakte.
Der Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des SG Magdeburg vom 3. Juni 2020 die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sind der Ansicht, das Konzept des Beklagten sei unschlüssig, da bereits der VR nicht richtig bestimmt worden sei. Der
VR 3 könne nicht mit der Stadt Berlin vergleichen werden. Die verkehrstechnische Anbindung sei nicht gegeben, worauf das SG zu Recht hingewiesen habe,
Zudem sei der Mietwohnungsbestand nicht realistisch abgebildet. Wohnungsbaugesellschaften nähmen in Möckern/Loburg keine marktbeherrschende
Stellung ein, sodass auch kleine Vermieter berücksichtigt werden müssten. Dem Konzept sei nicht zu entnehmen, wie viele Daten
von diesen ermittelt worden sind. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass der überwiegende Anteil der einbezogenen Mieten
auf die großen Wohnungsbaugesellschaften entfalle. Es sei zudem nicht ermittelt worden, inwieweit sich die Nachfrage der SGB II-Berechtigte nach billigem Wohnraum durch die festgesetzte Angemessenheitsgrenze erhöhe.
Firma A hat in zwei Stellungnahmen vom 26. Mai 2021 die Anteile der Daten der privaten und institutionellen Vermieter mitgeteilt.
Im VR 3 und im Landkreis unterscheiden sich die Mieten danach kaum voneinander.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
und der Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht (§§
143,
151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Sie ist wegen der Zulassung durch das SG Magdeburg, an die der Senat gemäß
§
144 Abs.
3 SGG gebunden ist, statthaft.
Die Berufung ist auch begründet.
I.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind das Urteil des SG Magdeburg vom 3. Juni 2020 sowie der Bescheid des Beklagten vom
16. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2018, soweit der Beklagte noch folgende Leistungsaufhebungen
und Erstattungen geltend macht:
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Klägerin
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Kläger
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Aufhebungs- und Erstattungsforderung
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Jan
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51,00 €
|
Feb
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|
49,65 €
|
Mrz
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49,65 €
|
Aug
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272,43 €
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63,68 €
|
Im Übrigen hat der Beklagte die Berufung zurückgenommen, sodass insoweit das Urteil des SG rechtskräftig geworden ist.
Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin ist Berechtigte i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB II. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze von § 7a SGB II noch nicht erreicht und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland- Sie war erwerbsfähig und hilfebedürftig.
Der Kläger ist leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Dieser lebte mit der Klägerin, seiner Mutter, in einer Bedarfsgemeinschaft.
Bedenken im Hinblick auf die formelle Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen bestehen nicht. Der Beklagte hat die
Kläger vor dem Erlass des sie belastenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheides angehört, § 24 Abs. 1 SGB X. Er ist auch hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 SGB X). Der Beklagte hat für jeden Monat die Ansprüche der Kläger unter Berücksichtigung des tatsächlichen Einkommens für die Kläger
nachvollziehbar berechnet und die früheren Bewilligungen gegenübergestellt.
Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligungen sind die §§ 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 SGB II in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X und §
330 Abs.
3 Satz 1
SGB III. Nach diesen Vorschriften ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse
aufzuheben, soweit nach Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung
des Anspruchs geführt haben würde.
Die ursprüngliche Bewilligung der Leistungen für den Kläger mit Bescheid vom 9. März 2016 war für die Monate Januar bis März
2017 aufzuheben, da ihm ab Januar 2017 ein erhöhter Unterhaltsvorschuss zugeflossen, mithin eine Änderung in seinen Verhältnissen
eingetreten war.
Im August 2017 floss der Klägerin ein Einkommen aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu. Dieses war nach
§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X zu berücksichtigen; die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 27. März 2017 mithin entsprechend aufzuheben. Durch diese Einkommensanrechnung
ergibt sich ein veränderter Leistungsanspruch für den Kläger. Diesen Umstand hat der Beklagte durch die Rücknahme der Berufung
für die Klägerin in Höhe von 20,40 € und für den Kläger in Höhe von 30,59 € berücksichtigt.
Da die Aufhebungsentscheidung des Beklagten nicht zu Lasten der Kläger rechtswidrig ist, sind die durch diesen erbrachten
Leistungen in Höhe der Aufhebungsbeträge gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erstatten.
II.
Die Höhe der noch verbliebenen Erstattungsforderung ist nicht zu beanstanden. Insbesondere hat der Beklagte einen zutreffenden
Bedarf der Kläger festgestellt. Sie haben keinen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen KdUH durch den Beklagten in den
streitgegenständlichen Monaten.
Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II haben die Kläger Anspruch auf Leistungen für die KdU und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen
sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind
sie gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II als Bedarf der Hilfebedürftigen solange zu berücksichtigen, wie es diesen nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel,
durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Der gerichtlich voll überprüfbare unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist unter Zugrundelegung der sog. Produkttheorie zu ermitteln. Dabei ist die Prüfung der Bedarfe für Unterkunft und der für
die Heizung grundsätzlich getrennt vorzunehmen. Dies gilt ungeachtet der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Kostensenkungsaufforderungen
(§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II) und der nach dem streitigen Zeitraum eingeführten Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 10 SGB II (dazu und zum folgenden: BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 11/18 R; Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 40/19 R, Juris).
Bei der Prüfung der Angemessenheit der KdU sind in einem ersten Schritt die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Bruttokaltmiete
festzulegen. Dabei muss das Produkt aus Wohnfläche und -standard eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete ("Referenzmiete")
ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, [13], Juris). Der Quadratmeterpreis sowie die angemessene Wohnungsgröße ergeben die angemessene Miete. In einem zweiten
Schritt ist die konkrete (= subjektive) Angemessenheit im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere auch
im Hinblick auf die Zumutbarkeit notwendiger Einsparungen einschließlich eines Umzugs, zu prüfen. Abschließend ist zu klären,
ob die Leistungsberechtigten eine abstrakt angemessene Wohnung hätten anmieten können (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R [23], Juris).
Die für eine Absenkung der KdUH vorgeschriebene Kostensenkungsaufforderung ist ordnungsgemäß erfolgt. Bereits mit Bescheid
vom 5. März 2015 hatte der Beklagte den Klägern mitgeteilt, dass der Umzug zwar erforderlich gewesen sei, eine Zusicherung
aber nicht hätte erfolgen können, da ihre KdUH unangemessen hoch seien. Bereits seit Januar 2015 waren nur noch die aus Sicht
des Beklagten angemessenen Kosten berücksichtigt worden. Der Beklagte hatte sich daher nicht widersprüchlich verhalten, vielmehr
mussten die Kläger von dessen unverändertem Standpunkt zur geforderten Kostensenkung ausgehen (BSG, Urteil vom 22. November 2011, B 4 AS 219/10 R [21]; Urteil vom 6. April 2011, B 4 AS 119/10 R [39], Juris).
Die ab 1. Januar 2017 gültige KdU-Richtlinie des Beklagten beruht auf einem schlüssigen Konzept.
Die 2019 erfolgte Korrektur des Konzepts stellt kein unzulässiges Nachschieben von Gründen für das Kostensenkungsverfahren
dar. Erforderlich ist nur die Existenz eines Konzepts und der daraus abgeleiteten Angemessenheitswerte. Ein Nachschieben von
Gründen mit der Folge der Unwirksamkeit der Kostensenkung mag dann unzulässig sein, wenn zunächst noch gar kein Konzept existierte.
Dies ist vorliegend nicht der Fall, denn die zum 1. Januar 2017 in Kraft getretene Handlungsanweisung basierte auf dem Konzept
der Firma A von Juli 2016 (Fortschreibung des Konzepts aus dem Jahr 2014). Unschädlich ist also, dass dieses im Jahr 2019
modifiziert worden ist und die seinerzeit gewonnenen Erkenntnisse anders bewertet worden sind (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 65/09 R [28], Juris). Eine in unzulässiger Weise beeinträchtigte Rechtsverteidigung der Kläger ist darin ebenfalls nicht zu sehen.
Sie hatten Gelegenheit, sich im Berufungsverfahren zu den neuen Werten zu äußern.
Bei der Bestimmung der angemessenen KdU hat der Beklagte zu Recht auf eine Wohnfläche von 60 qm für den Zwei-Personen-Haushalt
abgestellt.
Zur Bestimmung der angemessenen Größe ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen (RdErl. des Ministeriums
für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen [MRS] vom 23. Februar 1993, MBl. LSA Nr. 27/1993, S. 1281) und die dazu erlassenen
Richtlinien zurückzugreifen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09 [37 f.]; vgl. auch BSG, Urteil vom 14. Februar 2013, B 14 AS 61/12 R [21], Juris).
Eine Erhöhung der abstrakt angemessenen Wohnfläche kommt hier nicht in Betracht. Nur objektive Umstände wie zum Beispiel Rollstuhlpflichtigkeit
oder die Notwendigkeit der angemessenen Wahrnehmung des Umgangsrecht mit Kindern können eine Abweichung von der als angemessen
anzusehenden Wohnfläche rechtfertigen (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012, B 4 AS 44/12 R, [14]; Urteil vom 16. April 2013, B 14 AS 28/12 R, [29], Juris; vgl. § 22b Abs. 3 SGB II zum möglichen Inhalt von Satzungen). Vorliegend haben die Kläger keine solchen Umstände vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
Der Begriff der „Angemessenheit“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Dies
gilt auch für dessen Konkretisierung durch die Verwaltung (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R [17, 25], Juris). Allerdings ist die gerichtliche Überprüfung auf eine nachvollziehende Kontrolle im Sinne einer Verfahrenskontrolle
beschränkt (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R [26], Juris).
Die gerichtliche Verpflichtung zur Amtsermittlung ist begrenzt durch die Mitwirkungslast der Beteiligten. Eine ins Einzelne
gehende Überprüfung bestimmter Detailfragen - wie etwa Einzelheiten der Repräsentativität und Validität der erhobenen Daten
- verlangt, dass fundierte Einwände erhoben werden. Diese müssen insbesondere über ein bloßes Bestreiten der Stimmigkeit der
Daten hinausgehen, oder aber auf eine Verletzung der in § 22c SGB II für eine Satzungsregelung enthaltenen Vorgaben hindeuten (BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R [30], Juris).
Die Kläger haben weder im Ausgangsverfahren noch im Berufungsverfahren fundierte Einwände zur Datenerhebung und -auswertung
erhoben. Daher hatte der Senat über die nachvollziehende Verfahrenskontrolle hinaus keine ins Einzelne gehende Überprüfung
bestimmter Detailfragen vorzunehmen.
a.
Die Bestimmung von drei VR im Landkreis in der Korrektur 2019 ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden.
Beim maßgeblichen örtlichen VR handelt es sich um „ausgehend vom Wohnort der Leistungsberechtigten ausreichend große Räume
der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit,
die insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen“ (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R [22], Juris).
a.a.
Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben in § 22b Abs. 1 Satz I SGB II ist zunächst das Zuständigkeitsgebiet eines Jobcenters ein VR. Dieses kann indes - aufgrund örtlicher Gegebenheiten - in
mehrere VR zu unterteilen sein, für die jeweils eigene Angemessenheitswerte bestimmt werden können. Dabei sind jedoch allzu
kleinteilige Vergleichsräume zu vermeiden (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R [22, 33], Juris). #
Es ist nicht als zwingend anzusehen, den Landkreis Jerichower Land als einheitlichen, homogenen Lebensraum zu betrachten.
Er ist 1.576,84 qkm groß und hatte im Jahr 2017 90.465 Einwohner (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1186137/umfrage/entwicklung-der-gesamtbevoelkerung-im-landkreis-jerichower-land/)
Es bestehen signifikante Unterschiede in der Erreichbarkeit und Verbindung der einzelnen Orte untereinander. Die Bevölkerungsdichte,
Infrastruktur und die Wirtschaftsstrukturen sind sehr unterschiedlich ausgeprägt. Der Landkreis Jerichower Land muss daher
nicht zwingend als ein homogener Lebens- und Sozialraum gewertet werden.
b.b.
Die in der Korrektur 2019 für die drei VR im Landkreis angewendeten Maßstäbe sind in sich schlüssig und im Ergebnis nachvollziehbar.
Die dafür gewählten Kriterien wie räumliche Nähe, infrastrukturelle Verbundenheit und ausreichend große Räume der Wohnbebauung
können nachvollzogen werden.
Es ist plausibel, dass die Stadt Burg (VR 1) als Mittelzentrum (LEP 2.1. Z 37) einen eigenen VR bildet. Ein Mittelzentrum soll in der Regel über mindestens 20.000 Einwohner verfügen, um das
Potenzial für die notwendigen Einrichtungen der Daseinsvorsorge vorhalten zu können. Diese Voraussetzung erfüllt Burg mit
ca. 22.400 Einwohnern.
Die Gemeinden des VR 2 gehören dem den Verdichtungsraum Magdeburg umgebenden Raum an (Landesentwicklungsplan 2010 des Landes
Sachsen-Anhalt [LEP] 1.3.2. Z12).
Im VR 3 übernimmt die Stadt Genthin nach dem LEP aufgrund der räumliche Nähe im Siedlungsgefüge, insbesondere aufgrund von Defiziten in der Erreichbarkeit eines Mittelzentrums,
Teilfunktionen eines Mittelzentrums (LEP Z 38). Zum Verflechtungsbereich der Stadt Genthin sind in jedem Fall die Gemeinden Jerichow und Elbe-Parey zu zählen. Auch
die Zuordnung der Gemeinde Möckern ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat sich ausweislich der ergänzenden Stellungnahme
der Fa. KA näher mit der Zuordnung dieser Gemeinde auseinandergesetzt. Möckern hat eine Ausdehnung von 525 qm und hatte 2018
12.874 Einwohner (https://www.tilasto.com/thema/bevoelkerung-und-gesundheit/bevoelkerung/ein wohnerzahl/moeckern-stadt). Die
Gemeinde hat eine ländliche Ausprägung und weist große Ähnlichkeiten zu den anderen Gemeinden des VR 3 auf. Auch die Wohnungsmarktstrukturen
sind ähnlich, während sie sich von den des VR 1 und VR 2 deutlich unterscheiden. Soweit das SG die Entfernungen vom südlichsten Punkt des VR 3 zum nördlichsten Punkt als zu weit dargestellt hat, folgt der Senat dem nicht.
Es sind vielmehr aufgrund der Struktur des VR 3 die Entfernungen zur Stadt Genthin zu betrachten, da diese die Funktion eines
Mittelzentrums hat. Beide Gemeinden sind durch einen öffentlichen Nahverkehr verbunden. Stündlich ist es möglich, mit einer
Fahrzeit von ca. 1 Stunde von Möckern aus Genthin zu erreichen (https://www.insa.de/fahrplanauskunft/insa-fahrplanauskunft?scrollTo=webapp&start=1&P=TP&journeyProducts=1023
&time = 17%3A15&date=26.05.2021&timeSel=depart).
b.
Die Mietwerterhebung im Jahr 2014 und die Fortschreibung im Jahr 2016 in der Fassung der Korrektur aus September 2019 beruht
für den hier streitigen Zeitraum auf einem schlüssigen Konzept.
Dieses soll gewährleisten, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im VR für die Angemessenheitsgrenze zugrunde
gelegt werden. Die Grundsicherungsträger können im Rahmen der Methodenfreiheit ein Konzept zur empirischen Ableitung der angemessenen
Bruttokaltmiete wählen. Auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll eine „Vielfalt an Konzepten“ zur Festsetzung der angemessenen
Bedarfe für Unterkunft und Heizung möglich sein (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 101 zur Satzung nach § 22b SGB II). Es kann also verschiedene Methoden geben, ein solches Konzept zu erstellen. Jedoch müssen bestimmte methodische Voraussetzungen
erfüllt und nachvollziehbar sein. Erforderlich ist insbesondere eine nachvollziehbare Definition der untersuchten Wohnungen
nach Größe und Standard.
Angaben über die Art und Weise der Datenerhebung.
Angaben über den Zeitraum, auf den sich die Datenerhebung bezieht.
Repräsentativität und Validität der Datenerhebung.
Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung.
Vermeidung von Brennpunkten durch soziale Segregation.
Eine Begründung, in der die Ermittlung der Angemessenheit aus den Daten dargelegt wird (BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R [19]).
Das Konzept des Beklagten ist als Verwaltungsgutachten und somit als Urkundenbeweis eine geeignete Entscheidungsgrundlage.
Denn es erscheint überzeugend und es ist im gerichtlichen Verfahren nicht schlüssig infrage gestellt worden (BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R [24]). Der Beklagte hat aufgrund der Rechtsprechung des BSG das ursprüngliche Konzept aus dem Jahr 2014 mit der Fortschreibung im September 2019 nachgebessert. Dies ermöglicht dem erkennenden
Senat die Überzeugungsbildung von der Schlüssigkeit des Inhalts des Konzepts. Die zur Ermittlung der angemessenen Kosten gewählten
Methoden sind plausibel. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Datenerhebungen und -auswertungen von Firma A „unschlüssig“,
also willkürlich oder widersprüchlich wären oder auf fehlerhaften Prämissen beruhten. Ein Verstoß gegen die vom BSG aufgestellten verallgemeinerbaren und entwicklungsoffenen Grundsätze ist nicht erkennbar.
a.a.
Den Gegenstand der Beobachtung hat Firma A im Einzelnen nachvollziehbar definiert. Es wurden zunächst Daten aus dem gesamten
Landkreis Jerichower Land zugrunde gelegt. Die Datenerhebung der Bestandsmieten erfolgte in der Zeit von März bis Juli 2014
(Bericht, S. 23), die der Angebotsmieten im Zeitraum von Januar bis Juni 2014 (Bericht, S. 25). Als Neuvertragsmieten wurden
die bis zu neun Monate vor dem Erhebungsstichtag (Juli 2013 bis April 2014) tatsächlich realisierten Mietverträge gewählt
(Bericht S. 31).
b.b.
Die Art und Weise der Datenerhebung in den Vergleichsräumen ist hinreichend deutlich von Firma A dargestellt worden und stößt
nicht auf Bedenken.
Die Mietwerterhebung für den Landkreis Jerichower Land im Jahr 2014 basierte auf einer umfangreichen Vermieterbefragung. Um
die Mieten im Kreisgebiet umfassend abbilden zu können, wurden die Erhebungen in einem dreistufigen Verfahren durchgeführt:
Im ersten Schritt wurden von Firma A die größeren Vermieter und Verwalter identifiziert. Diese wurden vom Landkreis Jerichower
Land angeschrieben und gebeten, die für die Erhebung benötigten Informationen zur Verfügung zu stellen. Es konnten insbesondere
die großen Wohnungsunternehmen für eine Mitwirkung an der Erhebung gewonnen werden. Aber auch die Mieten kleinerer Vermieter
wurden erhoben. Für deren Befragung wurden die Adressdaten von der Abfallwirtschaft des Landkreises zur Verfügung gestellt.
Aus diesen wurden vorab diejenigen Adressen herausgefiltert, für die von den Vermietern und Verwaltern Mietdaten zur Verfügung
gestellt wurden. Insgesamt wurden etwa 2.000 kleinere Vermieter angeschrieben und um eine freiwillige Teilnahme an der Befragung
gebeten (Bericht 2014, S. 23).
Es wurden dabei u.a. folgende Daten erhoben: Datum des Mietvertragsbeginns, Datum der letzten Mietänderung, Wohnungsgröße,
Netto-Kaltmiete, Vorauszahlungsbetrag der kalten Betriebskosten, Enthalten die kalten Betriebskosten Wasserkosten?, Heiz-
und Warmwasserkosten (Vorauszahlungsbetrag), Beinhalten die Heizkosten die Kosten zur Erstellung von Warmwasser?
In einer dritten Stufe wurde die Erhebung ergänzt durch die Mieten aus dem SGB II-Datensatz des Beklagten. Dieser wurde um Wohnungen mit unvollständigen Angaben, Eigentumswohnungen und Wohnungen, die bereits
in der 1. und 2. Stufe erfasst worden waren, bereinigt (Bericht 2014, S. 31). Im Ergebnis umfasste die Mietwerterhebung für
den gesamten Landkreis 8.694 erhobene Mietwerte, nach der Extremwertkappung 7.358 vollgültige Mietwerte (für den VR 3 nach
der Extremwertkappung 3.126 Mietwerte) (Korrekturbericht 2019, S. 9)
Für die Angebotsmieten (589 nach der Extremwertkappung, davon im VR 3 160) wurden folgende Quellen ausgewertet: Immoscout
24, Immonet, Immowelt (jeweils Internet-Immobliensuch-Portale), örtliche Tagespresse, Anzeigenblätter, Internetseiten der
großen Wohnungsanbieter im Kreisgebiet (Bericht 2014, S. 25, Korrekturbericht , S. 9).
Um die Angebotsmieten zu verifizieren, wurden die Bestandsmieten zusätzlich danach ausgewertet, welche Mieten bis zu neun
Monate vor dem Erhebungsstichtag als Neuvertragsmieten realisiert wurden (Bericht 2014. S. 31).
c.c.
Der Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten für den hier maßgeblichen VR 3 liegt eine Datenerhebung zugrunde, die in
diesem VR stattgefunden und die sich auch über den gesamten VR erstreckt hat.
Es hat ein somit breites Spektrum an Mietwohnungen in die Datenerhebung Eingang gefunden. Wohnraum, der keinen Aufschluss
über die örtlichen Gegebenheiten gibt, ist unberücksichtigt geblieben.
Firma A hatte hierfür zunächst im Landkreis Jerichower Land relevante Mietdaten flächendeckend erhoben. Diese trug sie in
eine Liste ein (Rohdaten), die für den Korrekturbericht 2019 die Spalten „Stadt“, „Mietvertragsbeginn“, „letzte Mietänderung“,
„Wohnfläche“ „Nettokaltmiete“, „NKM/qm“, „Wohnungsgrößenklasse und „VR“ umfasste. Aus diesen Rohdaten lassen sich die in den
einzelnen o.g. neu definierten Vergleichsräumen ermittelten Daten bestimmen.
Dass im Ergebnis die Bruttokaltmiete als Beobachtungsgegenstand der Datenerhebung gewählt wurde, ist nicht zu beanstanden
(BSG, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R [31]; Beschluss vom 2. April 2015, B 4 AS 17/14 B [6], Juris).
Zum relevanten Bestand für die Mietwerterhebungen gehörten neben frei finanzierten Mietwohnungen auch solche, die öffentlichen
Mietpreisbindungen unterliegen (Sozialwohnungen).
Es wurden die Wohnungen herausgenommen, die das Ergebnis der Mietwertermittlung verfälschen könnten. So blieben Substandardwohnungen
(ohne „Bad“ und „Sammelheizung“) unbeachtet. Nicht berücksichtigt wurden ferner Wohnungen in Wohn- und Pflegeheimen, gewerbliche
oder teilgewerblich genutzte Wohnungen (mit Gewerbemietvertrag), mietpreisreduzierte Werkswohnungen, Wohnungen zu Freundschaftsmieten
an Angehörige oder nähere Verwandte sowie möblierte Wohnungen und Ferienwohnungen.
Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden. Die Ausschlusskriterien erlaubten eine Eingrenzung auf einen einfachen bis gehobenen
Wohnungsstandard, ohne diesen zunächst anhand der Miethöhe zu definieren. So rechtfertigt sich die Herausnahme der Substandardwohnungen
bereits aus dem Umstand, dass Leistungsberechtigte darauf nicht verwiesen werden können (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 65/09 R [31]). Luxuswohnungen sind für das Preisniveau im einfachen bis gehobenen Marktsegment nicht repräsentativ (vgl. BSG, Urteil vom 20. August 2009, B 14 AS 65/08 R [19]).
Auch die Nichtberücksichtigung der Wohnungen unter 30 qm macht die Datenerhebung nicht unschlüssig. Vielmehr wurden hier die
regionalen Verhältnisse betrachtet, da diese Wohnungen im Landkreis Jerichower Land keine prägende Häufung aufweisen (siehe
zu diesem Kriterium BSG, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, [25], Juris).
d.d.
Auch war der Umfang der erhobenen Daten ausreichend repräsentativ. Der Senat hat zunächst keine Zweifel an der vollständigen
Erfassung der statistischen Werte.
Insgesamt ist im Landkreis Jerichower Land bei einem Mietwohnungsbestand von ca. 21.270 (Bericht 2014, S. 22) in Zwei- und
Mehrfamilienhäusern (einschließlich der von Eigentümern bewohnten Wohnungen) eine Datengrundlage von 8.694 vor der Extremwertkappung;
von 7.375 Mietwerten nach der Extremwertkappung (Korrekturbericht 2019, S. 8) gebildet worden
Auf den VR 3 entfielen dabei 3.126 relevante (Bestands-)Mietwerte, was einem Anteil am relevanten Mietbestand von ca. 40%
entspricht.
Es wäre im Übrigen entgegen einer in der Rechtsprechung verbreiteten Auffassung nicht erforderlich gewesen, mindestens 10%
des Gesamtdatenbestands des in Betracht zu ziehendem Wohnungsmarkt zugrunde zu legen. Eine solche generelle Anforderung an
ein schlüssiges Konzept lässt sich nicht herleiten (BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R [21], Juris).
Für die Auswertung der Bestandsmieten sind die Mietdaten auf die Nettokaltmiete pro Quadratmeter umgerechnet und den drei
VR in Tabellenraster mit fünf unterschiedlichen Wohnungsgrößen zugeordnet worden. Diese Vorgehensweise ist methodisch nicht
zu beanstanden. Insgesamt sind für jedes Tabellenfeld der relevanten Wohnungsgrößen im VR 3 mindestens 149 Mietwerte erhoben
worden (Tab. 1, Korrekturbericht 2019). Auf die Größenklasse für zwei Personen entfielen 940 Datensätze.
Ob die erhobenen Daten proportional von institutionellen Vermietern und sog. „Klein- oder Privatvermietern“ stammen, bedarf
mangels fundierter Einwendungen der Kläger keiner näheren Untersuchung.
Nach Mitteilung des Beklagten stammen zwischen 0,9% und 59,8% der Daten im Landkreis von Privatvermietern; im VR 3 sind es
je nach Wohnungsgröße zwischen 3,8% und 14%. Es begegnet keinen Bedenken, die Erhebungen als Datengrundlage heranzuziehen.
Es ist nicht allgemeinkundig, dass die Vermietereigenschaft ein relevanter mietpreisbestimmender Faktor wäre. Der Gesetzgeber
hat für die Erstellung eines Mietspiegels in §
558 Abs.
2 Satz 1
BGB abschließend die mietpreisrelevanten Wohnmerkmale bestimmt: Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einer Wohnung
(vgl. Börstinghaus/Clar, Mietspiegel - Aufstellung und Anwendung, 2. Aufl., Seite 47). Auch in den „Hinweisen zur Erstellung
von Mietspiegeln“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Stand 2002, S. 16, 40 f) ist ausdrücklich angeführt,
dass eine Datenbeschaffung durch Rückgriff auf die am Ort vertretenen Wohnungsunternehmen möglich ist, aber verknüpft werden
kann mit Erhebungen über von kleineren Anbietern gehaltenen Beständen. Den Hinweisen lässt sich gerade nicht entnehmen, dass
eine proportionale Berücksichtigung von Daten institutioneller und Kleinvermieter sein muss.
Auch lässt sich nicht als wahr unterstellen, dass Wohnungen von institutionellen Vermietern im Allgemeinen günstiger angeboten
würden. Der Senat hat keinerlei Erkenntnisse dafür, dass deren Wohnungsbestand hinsichtlich der mietpreisbildenden Kriterien
von dem Gesamtmietbestand - grundsätzlich - nach unten abweicht. Mangels Einwänden der Kläger auf diesbezügliche Mängel der
Repräsentativität hatte der Senat der Frage auch nicht weiter nachzugehen (vgl. BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 11/20 R [24], Juris).
e.e.
Die gewonnenen Daten wurden nach den VR getrennt aufgelistet und in der Folge ausgewertet. Diese Auswertung der Daten ist
schlüssig und unter Beachtung mathematisch-statistischer Grundsätze erfolgt.
Die Basis für die Auswertung bildet ein Tabellenraster, das die in Sachsen-Anhalt geltenden Wohnflächengrenzen in den VR erfasst.
Für die Auswertung der Bestandsmieten sind zur Erstellung einer einheitlichen Datenbasis die Mietdaten auf die Nettokaltmiete
pro Quadratmeter umgerechnet und die Mieten den jeweiligen Wohnungsgrößenklassen im Tabellenraster zugeordnet worden. Diese
Vorgehensweise ist methodisch nicht zu beanstanden.
Beanstandungsfrei sind auch die Daten im Wege der Extremwertkappung bereinigt und so besonders hohe Werte für die Bestimmung
des Nettokaltmietpreises herausgenommen worden. Diese Extremwertkappung ist eine wissenschaftlich anerkannte statistische
Methode (vgl. v. Malottki, Schlüssiges Konzept und Statistik, info also, 99, 104). Sie wurde auf Basis des 95%-Konfidenzintervalls
über alle mietwerterhebungsrelevanten Mieten vorgenommen. Die Repräsentativität wird hierdurch nicht beeinflusst, denn es
wurden nur 393 von 7.768 vollgültigen Mietwerten ausgenommen, mithin nur 5% (Korrekturbericht 2019, S. 8 i.V.m. Bericht 2014,
S. 25).
Da die Datenerhebung über alle Wohnungsbestände mit einfachem, mittlerem und gehobenem Wohnungsstandard erfolgte, war noch
eine Ableitung für das einfache Wohnungssegment vorzunehmen. Es wurde hierfür nachvollziehbar - jeweils für Wohnungsgrößen
und unteres Wohnungsmarktsegment in den VR getrennt - der Median zwischen der unteren und der oberen Grenze des Konfidenzintervalls
gebildet.
Die erhobenen Angebotsmieten wurden dabei berücksichtigt unter Anwendung eines iterativen Annäherungsverfahrens. Dies ist
ein geeignetes Mittel um festzustellen, ob mit dem ermittelten Angemessenheitswert auch Wohnungen tatsächlich angemietet werden
können (BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R [27]. Juris).
Dabei wurde geprüft, wie hoch der Anteil der angebotenen Wohnungen sein muss, um eine ausreichende Versorgung der Nachfragergruppen
im Marktsegment des einfachen Wohnungsstandards sicherzustellen. Dabei handelt es sich um Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II und dem SGB XII, Wohngeldbezieher sowie sonstige Nachfragergruppen (Korrekturbericht 2019, S. 9, Bericht 2014, S. 32).
Dem wurden die erhobenen Angebotsmieten innerhalb des vorläufig ermittelten Richtwerts gegenübergestellt. Deren Einbeziehung
war zur Wahrung der Aktualität der Daten erforderlich, da auch ältere Bestandsmieten erhoben wurden.
Die so erfassten Angebotsmieten wurden den Perzentilgrenzen angenähert und nochmals in Beziehung zu den Neuvertragsmieten
gesetzt.
Als Nachfragerperzentil ermittelte Firma A für den VR 3 für eine Wohnungsgröße zwischen 50 qm und 60 qm 30%. Um die Qualität
der Angebotsmieten beurteilen zu können, wurden die Bestandsmieten zusätzlich danach ausgewertet, welche Mieten bis zu neun
Monaten vor dem Erhebungsstichtag als Neuvertragsmieten tatsächlich realisiert werden konnten.
Soweit die Kläger kritisieren, es seien die SGB II-Leistungsempfänger, die durch die Festlegung der Angemessenheitsgrenze zu teuer wohnten, nicht berücksichtigt worden, verweist
der Senat auf den Bericht 2014, S. 30. Ausdrücklich hat Firma A auch die Bedarfsgemeinschaften in der zu bestimmenden Nachfragergruppe
berücksichtigt.
f.f.
Für eine Gefahr der sozialen Segretation innerhalb des VR 3 gibt es keinen Anhaltspunkt. Zwar wurden die Datensätze der Bestandsmieten
anonymisiert, weshalb Angaben zur konkreten Lage der erfassen Wohnungen im VR fehlen. Jedoch sind Kennzeichen von großen Wohnblocks
eine identische Größe und hohe Anzahl der einzelnen Wohnungsklassen. In den vorliegenden Rohdaten finden sich neben gleich
großen Wohnungen auch eine Vielzahl solcher, die hiervon signifikante Unterschiede aufweisen.
gg.
Im Korrekturbericht 2019 und im Bericht 2014 werden auf der Grundlage der dargestellten Berechnungsschritte im Einzelnen die
Ermittlung der Angemessenheitswerte dargestellt. Dem Gericht ist es anhand des Konzepts möglich gewesen, die Überlegungen
von der Datenerhebung bis zum Ergebnis eines angemessenen Mietpreises nachzuvollziehen.
c.
Zur Festlegung der Bruttokaltmiete waren neben der Nettokaltmiete noch die Betriebskosten zu ermitteln. Auch hier wendete
Firma A anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze an.
a.a.
Die Ermittlung des Quadratmeterpreises erfolgte auf der Basis der konkret erfassten Wohnungen aus den Bestandsmieten und nicht
abstrakt anhand der maximalen zulässigen Wohnungsgröße des jeweiligen Tabellenfelds.
Die Betriebskosten wurden im Rahmen der Erhebung mit erhoben und mit den Vorauszahlungen der SGB II-Leistungsberechtigterr abgeglichen (Bericht 2014, S. 34).
b.b.
Das Abstellen auf den Durchschnitt der Abschlagszahlungen für die Betriebskosten begegnet keinen Bedenken. Die ermittelten
Werte wurden im gesamten Wohnungsmarkt erhoben. Für die kalten Betriebskosten ist es zulässig, wie hier auf die Durchschnittswerte
aus allen Mietverhältnissen zurückzugreifen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R [34]; Urteil vom 22. August 2012, B 14 AS 13/12 R [27], Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R [41], alle Juris). Etwas Anderes würde nur dann gelten, wenn die Datenerhebung sich nur auf Wohnungen einfachen Standards
oder gar auf Wohnungen von Beziehern von Grundsicherungsleistungen beziehen würde. Das ist nicht der Fall.
d.
Die Daten aus der Mietwerterhebung im Jahr 2014 waren bis März 2016 hinreichend aktuell. Für den streitgegenständlichen Zeitraum
konnten sie jedoch nicht mehr herangezogen werden. Mit der Indexfortschreibung des Konzepts zum Stichtag 1. März 2016 und
der Umsetzung in der ab 1. Januar 2017 geltenden Richtlinie wurde den Anforderungen an eine regelmäßige Aktualisierung der
Daten Rechnung getragen. Die erfolgte Indexfortschreibung begegnet inhaltlich keinen Bedenken, sie erfolgte analog der Regelungen
für qualifizierte Mietspiegel.
Soweit in Abweichung zum
BGB nicht auf den Verbraucherpreisindex für Deutschland, sondern auf den Preisindex für die Entwicklung der Mietkosten in Sachsen-Anhalt
abgestellt wurde, ist dies zu akzeptieren. Ein Rückgriff auf den bundesdeutschen Jahresverbraucherpreisindex wäre nicht zwingend
gewesen. Nur für den Fall, dass ein Fortschreibungskonzept gar nicht vorliegt und auch nicht nachgeholt worden ist, stellt
das BSG auf den bundesdeutschen Verbraucherindex ab (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017, B 4 AS 33/16 [20 f.], Juris). Hat ein Grundsicherungsträger jedoch - wie hier - selbst ein konkretes Fortschreibungskonzept entwickelt,
ist dieses im Rahmen der Methodenfreiheit gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Das Abstellen auf die Entwicklung der
Wohnungsmieten und -nebenkosten im Land Sachsen-Anhalt bewegt sich im Rahmen dieser Methodenfreiheit. Damit war das Ziel verbunden,
die Entwicklungen des Wohnungsmarkts im Landkreis möglichst realitätsnah zu erfassen. Genau dies kann bei einem Rückgriff
auf den bundesdeutschen Verbraucherpreisindex weniger verlässlich sichergestellt werden.
Schließlich ist auch der Vergleich der Indexentwicklung von April 2014 (Datenerhebung des Konzepts 2014 zwischen März und
Juli 2014) bis März 2016 von der Methodenfreiheit im Rahmen des schlüssigen Konzepts gedeckt.
e.
Gründe dafür, dass der Beklagte trotz Überschreitens der angemessenen Mietwerte die tatsächlichen Kosten der Kläger zu tragen
hätte, sind nicht ersichtlich.
Die Kläger bewohnen seit Februar 2015 die zu teure Wohnung. Sie haben noch nicht einmal behauptet, dass ihnen Kostensenkungsmaßnahmen,
beispielsweise durch einen Umzug nicht möglich war.
Es liegt daher kein Fall der subjektiven Unzumutbarkeit einer Kostensenkung vor.
f.
Die Miete der Kläger überschreitet auch die vom Beklagten in seiner Richtlinie genannte Gesamtangemessenheitsgrenze i.S. §
22 Abs. 10 SGB II. Nach der Richtlinie ist eine Bruttowarmmiete in Höhe von 409,20 € noch angemessen. Die Bruttowarmmiete der Kläger allerdings
betrug 460 €.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und richtet sich nach dem Anteil des Obsiegens der Beteiligten.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die Frage der Anforderungen an ein schlüssiges Konzept beruht auf einer ständigen Rechtsprechung
des BSG.