Angelegenheiten nach dem SGB XII (SO) - Zur Zuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft
Gründe
I.
Der Antragsteller macht im Wege des einstweiligen Anordnungsverfahrens die vorläufige Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe
nach dem
Neunten Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen -
SGB IX) geltend.
Der am 2. August 1989 geborene Antragsteller absolvierte nach Erwerb des Hauptschulabschlusses an einer Förderschule für Lernbehinderte
eine rehabilitative Ausbildung zum Beikoch. Seitdem bezieht der Antragsteller vom Jobcenter Salzlandkreis Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II). Seit März 2014 steht er unter Betreuung.
Der Antragsteller leidet nach einem Kindheitsunfall an einer ausgeprägten Gesichtsanomalie mit Verlust des rechten Auges.
Zudem leidet er an einer leichten geistigen Behinderung und einer Drogenabhängigkeit. Bei ihm ist seit dem 1. November 2011
ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt, wobei als Funktionsbeeinträchtigung (nur) die operierte Gesichtsstörung rechts
berücksichtigt ist (Feststellungsbescheid des Landesverwaltungsamts vom 29. März 2012).
Am 31. Januar 2017 beantragte der Antragsteller durch seinen Betreuer Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budgets.
Er machte Leistungen aus den Leistungsbereichen medizinische Rehabilitation (Organisation und Begleitung von Arztkontakten,
Anleitung zur gesunden Lebensführung und Entgiftung/Langzeittherapie Cannabis), Teilhabe am Arbeitsleben (ggf. Eingliederung
in den Arbeitsmarkt) und Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (Hilfe bei der Erstellung/Pflege von Persönlichen
Beziehungen und ggf. Eingliederung in gemeinschaftliche Aktivitäten) sowie ergänzende Leistungen (Hilfe bei der Führung des
Haushalts, Erstellen von Haushaltsplänen, Hilfen beim Einkauf) geltend. Als mögliche beteiligte Leistungsträger gab er die
Bundesagentur für Arbeit sowie die Sozialhilfe an. Er beantrage die Bewilligung von Geldleistungen in Form des Persönlichen
Budgets.
In der Zeit vom 8. bis zum 28. März 2017 befand sich der Antragsteller zur stationären qualifizierten Entgiftungsbehandlung
bei bekannter THC- und Amphetaminabhängigkeit in der S. gGmbH, Fachklinikum B. Im Entlassungsbericht vom 7. April 2017 sind
folgende Diagnosen genannt:
Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide: Abhängigkeits- und Entzugssyndrom,
Psychische und Verhaltensstörungen durch andere Stimulanzien, einschließlich Koffein: Abhängigkeitssyndrom,
Neurofibromatose.
Der Antragsteller habe angegeben, seit ca. neun Jahren täglich Cannabis und seit ca. vier Jahren Crystal zu konsumieren. Er
habe bislang viermal stationär entgiftet (zuletzt im Mai 2016). Eine Langzeittherapie in S… habe er 2014 vorzeitig abgebrochen.
Der psychopathologische Befund wird im Wesentlichen als unauffällig beschrieben. Aufmerksamkeits-, Konzentrationsvermögen
und kognitive Funktionen erschienen regelrecht. Bei formalem Gedankengang habe kein Hinweis auf inhaltliche Denkstörungen
bestanden. Im Aufnahmegespräch sei der Antragsteller freundlich und kontaktbereit, absprachefähig sowie krankheitseinsichtig
gewesen. Es habe kein Anhalt für eine akute Eigen- bzw. Fremdgefährdung bestanden. Unter der medikamentenfreien Drogenentgiftung
habe beim Antragsteller eine mäßiggradige vegetative Entzugssymptomatik unter stabilen Kreislaufverhältnissen beobachtet werden
können. Klinisch hätten sich keine Hinweise für das Vorliegen einer weiteren psychischen Erkrankung gezeigt. Der Antragsteller
sei in das suchtspezifische Therapieprogramm integriert worden und habe dabei zu einer längerfristigen Abstinenz motiviert
mitgearbeitet.
Die Sachbearbeiterin des örtlichen Sozialhilfeträgers ermittelte am 16. März 2017 im Rahmen eines Hilfeplangesprächs gemeinsam
mit dem Betreuer und dem Antragsteller in den Räumlichkeiten der S. gGmbH nach der Anlage A zum Rahmenvertrag nach § 79 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung) einen Bedarf von 84 Punkten. Ihr gegenüber habe sich
ein abstinenzwilliger junger Mann gezeigt, der die stationäre Aufnahme in die Klinik aufgrund seiner Suchtproblematik selbst
initiiert habe.
In der amtsärztlichen Stellungnahme vom 26. April 2017 diagnostizierte der Facharzt für öffentliche Gesundheit und Kinderheilkunde
Med. Dir. Dr. G1. beim Antragsteller eine leichte geistige Behinderung sowie bekannte Drogenabhängigkeit. Dieser bewohne eine
eigene Wohnung, die er nach Aussage des Betreuers nur bedingt allein bewirtschaften könne. Der Antragsteller habe von einer
langjährigen Drogenkarriere mit verschiedenen Wirkstoffen und hauptsächlichem Cannabiskonsum berichtet. Es bestehe keine völlige
Abstinenz, er habe jedoch von reduziertem Konsum seit der letzten Entgiftungsbehandlung im März 2017 berichtet. Aufgrund des
umfänglichen Hilfebedarfs sei eine rechtliche Betreuung eingerichtet worden. Der psychische Befund wird als örtlich, zeitlich
und zur Person ausreichend orientiert und ohne Auffälligkeiten beschrieben. Aufgrund der Lernbehinderung bestehe beim Antragsteller
ein ausgeprägter Hilfebedarf bei Angelegenheiten mit Behörden und Ämtern. Zudem benötige er Motivation bezüglich der Kontaktaufnahme
zur Drogenberatungsstelle. Außerdem sei eine Unterstützung bei der Bewirtschaftung seiner Wohnung und bei der Realisierung
seines Wunschs nach weiterer beruflicher Qualifikation notwendig. Der aufgeführte Hilfebedarf (Anlage A zum Rahmenvertrag
nach § 79 SGB XII) werde ärztlicherseits bestätigt. Beeinträchtigungen alltagsrelevanter Aktivitäten sah Med. Dir. Dr. G1. im Rahmen des häuslichen
Lebens (Einkaufen, Zubereitung von Mahlzeiten, Haushaltsführung und -reinigung), der Kommunikation sowie der interpersonellen
Interaktion und Beziehung. Hierbei sei personelle Hilfe/Unterstützung notwendig. Beim Antragsteller liege vorrangig eine geistige
Behinderung (Leitsyndrom) sowie begleitend eine seelische Behinderung infolge von Sucht vor. Durch die beantragte Eingliederungshilfe
sollten die alltagsrelevanten Aktivitäten gestärkt und der Antragsteller bei der weiteren Berufsfindung motiviert und unterstützt
werden.
Mit Schreiben vom 29. Mai 2017 wies der örtliche Sozialhilfeträger den Betreuer des Antragstellers darauf hin, vor Gewährung
von Eingliederungshilfe seien vorrangig alle Leistungen anderer Kostenträger, d. h. Leistungen der Krankenkasse (Entgiftungsbehandlung)
und Leistungen des Rententrägers (Sucht-Rehabilitation/Entwöhnungsbehandlung), auszuschöpfen. Daraufhin teilte der Betreuer
des Antragstellers mit, dieser habe bereits mehrfach mehrwöchige Entgiftungsbehandlungen in der S. gGmbH absolviert und nehme
Angebote der Suchtberatung wahr. Der Vorrangigkeitsbegriff diene lediglich dazu, den vorrangigen Leistungsträger innerhalb
einer Hilfeart zu bestimmen. Alle Formen der Rehabilitation/Teilhabe stünden gleichberechtigt nebeneinander.
Am 5. April 2018 schlossen die Beteiligten eine Zielvereinbarung für den Zeitraum vom 1. April 2018 bis zum 31. März 2019,
wonach dem Antragsteller ein monatliches Budget i.H.v. 319,67 € erbracht werde. Als Ziele wurden vereinbart:
Entgegenwirken der bestehenden Drogenproblematik (Erreichung einer dauerhaften Abstinenz durch Entgiftung, Entwöhnungsbehandlung
und Nachsorge wie Suchtberatung)
Unterstützung zur Aufnahme einer Beschäftigung (BuFDi-Stelle)
Hilfestellung und Anleitung bei Haushaltsführung
Unterstützung bei Wohnungssuche.
Der Antragsteller sei aufgrund seiner seelischen Behinderung wesentlich in seiner Teilhabe eingeschränkt. Daher würden nach
der Zielvereinbarung durch den Antragsgegner als überörtlichen Träger der Sozialhilfe Leistungen zur Teilhabe am Leben in
der Gemeinschaft erbracht. Der Antragsteller habe Anspruch auf Leistungen in den Lebensbereichen Arbeit und Beschäftigung
i.H.v. 99,33 €, lebenspraktische Anleitung i.H.v. 57,60 €, besondere psychosoziale Hilfen i.H.v. 61,44 €, pflegerische Hilfen
i.H.v. 78,26 € und Freizeit i.H.v. 23,04 €. Für die Leistungen zur Teilhabe (Eingliederungshilfe) werde monatlich ein Persönliches
Budget (Teilbudget) in Höhe von insgesamt 319,67 € erbracht.
Mit Bescheid vom 13. April 2018 gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller Eingliederungshilfe in Form von ambulanter Betreuung
beim Wohnen für den Zeitraum vom 1. April 2017 bis zum 31. März 2018. Die Kosten für die Betreuungsleistungen würden in Form
der Sachleistung in Höhe der tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen i.H.v. 2.324,70 € anerkannt. Zudem gewährte der
Antragsgegner dem Antragsteller auf der Grundlage der Zielvereinbarung vom 5. April 2018 für den Zeitraum vom 1. April 2018
bis zum 31. März 2019 Leistungen der Eingliederungshilfe als ambulante Hilfen für die seelische Behinderung in Form eines
Persönlichen Budgets in Höhe von monatlich 319,67 €.
In der Folgezeit nahm der Antragsteller Fachleistungsstunden im Bereich besondere psychosoziale Hilfen, lebenspraktische Anleitung
und in der Gruppe beim Sozialen Fachdienst (So.Fa.) B. in Anspruch. Die Abrechnungen hierüber legte er vereinbarungsgemäß
dem örtlichen Sozialhilfeträger vor.
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Antragstellers schlossen die Beteiligten am 19. Mai 2019 eine gleichlautende Zielvereinbarung
für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2019, wonach dem Antragsteller weiterhin ein monatliches Budget i.H.v.
319,67 € erbracht werde. Die Umsetzung der Leistungsbewilligung erfolgte mit Bescheid des Antragsgegners vom 28. Mai 2019.
In der Folgezeit nahm der Antragsteller weiterhin Fachleistungsstunden im Bereich besondere psychosoziale Hilfen, lebenspraktische
Anleitung sowie im September 2019 auch im Bereich Arbeit und Beschäftigung beim So.Fa. in Anspruch.
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Antragstellers gewährte der Antragsgegner diesem mit Bescheid vom 5. Februar 2020 auf
der Grundlage der Zielvereinbarung vom 19. Mai 2019 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2019 bis zum 31. März 2020 Leistungen
zur Sozialen Teilhabe nach dem
SGB IX als Assistenzleistungen auf der Grundlage der Feststellungen im Gesamtplan. Die Eingliederungshilfe werde als Geldleistung
i.H.v. 319,67 € in Form eines Persönlichen Budgets erbracht.
In der Folgezeit nahm der Antragsteller weiterhin Fachleistungsstunden im Bereich Arbeit und Beschäftigung und besondere psychosoziale
Hilfen beim So.Fa. in Anspruch.
Am 5. März 2020 erstellte die Mitarbeiterin des Sozialen Fachdienstes des örtlichen Sozialhilfeträgers G2 einen Gesamtplan
nach §
121 SGB IX (in der vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Oktober 2022 geltenden Fassung). Als Diagnosen führte sie eine leichte geistige Behinderung
sowie eine bekannte Drogenabhängigkeit des Antragstellers auf. Im Rahmen der konkreten Ziele im Leistungsbereich Persönliche
Lebensplanung/Gestaltung sozialer Beziehungen/Freizeit habe der Antragsteller clean werden und Absolvieren einer Langzeittherapie
angegeben. Indikatoren für die Zielerreichung seien die Inanspruchnahme der Suchtberatungsstelle, die Entgiftung vor der Langzeittherapie
sowie die Inanspruchnahme und Beendigung der Langzeittherapie. Da eine Integration in entsprechende Maßnahmen des SGB II-Trägers bisher aufgrund der Drogenproblematik und der damit verbundenen multiplen Problemlagen nicht habe erfolgen können,
solle im Leistungsbereich Bildung/Arbeit/Tagesstruktur aus fachlicher Sicht grundlegend geprüft werden, ob noch eine Erwerbsfähigkeit
des Antragstellers gegeben sei. Im Leistungsbereich Selbstversorgung/Wohnen erhalte der Antragsteller Unterstützung durch
seinen gerichtlich bestellten Betreuer, seine Mutter und seine Schwester. Er könne seinen Wohnraum eigenständig sauber halten.
Er befinde sich nicht in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung, gehe ein- bis zweimal jährlich zur Entgiftung ins Fachkrankenhaus
B. Die Aufenthalte erfolgten freiwillig und nach Absprache mit dem Betreuer, welcher sich um einen entsprechenden Platz kümmere.
Im Leistungsbereich Persönliche Lebensplanung/ Gestaltung sozialer Beziehungen/Freizeit habe der Antragsteller angegeben,
nicht zu wissen, welche Ziele er im Leben verfolgen möchte und wo er hinmöchte. Er lebe aktuell in den Tag hinein und konsumiere
regelmäßig Cannabis und gelegentlich andere Substanzen. Er plane eine erneute Langzeittherapie und habe sich hierzu ein Klinikum
in K… angesehen. Die Mitarbeiterin schätzte ein, aus fachlicher Sicht benötige der Antragsteller eine stetige Begleitung sowie
intensive Unterstützung in Form individueller Planung, Anleitung und Rückmeldung. Die Suchtproblematik stehe im Vordergrund
und wirke sich negativ auf alle Lebensbereiche aus. Ohne permanente Motivation von außen sei er nicht in der Lage, die Suchtberatungsstelle
aufzusuchen und erneut eine Langzeittherapie anzugehen. Der tatsächliche Bedarf liege aus fachlicher Sicht deutlich höher
und könne nur im Rahmen einer besonderen Wohnform adäquat gedeckt werden, da bislang durch das Persönliche Budget keine beständige
Veränderung habe erzielt werden können. Dies lehne der Antragsteller aktuell jedoch ab. Sie schätze ein, mit Unterstützung
des Persönlichen Budgets solle der Status quo erhalten werden. Es wurde die Hilfebedarfsgruppe 1 festgestellt. Unter Berücksichtigung
des Wunsch- und Wahlrechts solle als Leistungsform das Persönliche Budget zur Inanspruchnahme der Dienste des So.Fa. erbracht
werden.
Am 7. Mai 2020 teilte der Rehapädagogische Fachdienst des Antragsgegners dem örtlichen Sozialhilfeträger mit, der vorgeschlagenen
Einstufung des Antragstellers in die Hilfebedarfsgruppe 1 könne nicht zugestimmt werden. Dieser gehöre nicht zur Zielgruppe
der Eingliederungshilfe. Er habe einen guten Umgang mit seiner Sucht gefunden und ein Abstinenzwille sei nicht erkennbar.
Insofern könne das Ziel der Eingliederungshilfe nicht erreicht werden.
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Antragstellers gewährte der Antragsgegner diesem mit Bescheid vom 26. Mai 2020 auf der
Grundlage der Zielvereinbarung vom 19. Mai 2019 für den Zeitraum vom 1. April bis zum 31. Mai 2020 Leistungen der Eingliederungshilfe
als Assistenzleistungen in Form eines Persönlichen Budgets i.H.v. monatlich 319,67 €. Mit Bescheid vom gleichen Tag lehnte
der Antragsgegner die Gewährung von Eingliederungshilfe als Assistenzleistung auf der Grundlage der Feststellungen im Gesamtplan
ab Juni 2020 ab. Der Antragsteller gehöre nicht zur Zielgruppe der Eingliederungshilfe. Er erhalte seit April 2018 Leistungen
der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form des Persönlichen Budgets mit dem Ziel des Entgegenwirkens der bestehenden
Drogenproblematik und des Erreichens dauerhafter Abstinenz. Er habe in der Vergangenheit bereits die Möglichkeit einer Langzeittherapie
genutzt, diese jedoch nach drei Monaten abgebrochen und bereits am Entlassungstag wieder illegale Substanzen konsumiert. Er
sei auch aktuell Konsument illegaler Substanzen, ein Abstinenzwille sei nicht erkennbar. Insofern könne das Ziel der Eingliederungshilfe
nicht erreicht werden. Zusammenfassend habe die Hilfebedarfsüberprüfung ergeben, dass die beantragten Leistungen der Eingliederungshilfe
in Form des Persönlichen Budgets nicht geeignet seien, da dem Antragsteller der Abstinenzwille fehle und dies dem Ziel der
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft entgegenstehe.
Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte der Antragsteller am 11. Juni 2020 Widerspruch beim Salzlandkreis ein und führte zur
Begründung aus, er gehöre zum leistungsberechtigten Personenkreis. Zudem sei es widersprüchlich, seinen Abstinenzwillen zu
verneinen, obwohl er eine Langzeittherapie beginnen wolle. Sowohl der Amtsarzt als auch die Gesamtplanerin Frau Gottweis hätten
die beantragte Hilfe als geeignet eingeschätzt. Er legte die Rechnungen des So.Fa. für deren erbrachte Leistungen im Mai,
Juni, Juli und August 2020 vor.
Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2022 zurück: Der Antragsteller gehöre zwar
zum leistungsberechtigten Personenkreis, die Aufgabe der Eingliederungshilfe könne jedoch nicht erreicht werden. Da nicht
von einem aufgehobenen Leistungsvermögen im Erwerbsleben von hinreichender Dauer ausgegangen werden könne, seien die Träger
der Renten-, Kranken- oder Arbeitslosenversicherung für die erforderlichen Leistungen der medizinischen und beruflichen Teilhabe
zuständig, die den Leistungen des Sozialhilfeträgers vorgingen.
Dagegen hat der Antragsteller am 24. Februar 2022 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben (S 31 SO 19/22), über die bislang nicht entschieden worden ist.
Zudem hat der Antragsteller am 2. März 2022 beim SG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und zur Begründung ausgeführt, er leide unter psychischen
Verhaltensstörungen und Verhaltensstörungen nach multiplem Substanzgebrauch mit Abhängigkeitssyndrom, einer leichten geistigen
Behinderung, grünem Star sowie einer Neurofibromatose Recklinghausen. Seine Probleme seien im Zusammenspiel zwischen geistiger
und seelischer Behinderung zu betrachten. Grund für die bislang gescheiterten Langzeittherapien sei neben der seelischen Behinderung
auch seine geistige Behinderung, welche es ihm erschwere, eine ausreichende Einsicht in die Notwendigkeit der erfolgreichen
Durchführung der Therapien zu entwickeln. Daher sei über einen langfristigen Zeitraum eine ständige Begleitung und Motivation
erforderlich. Er sei aufgrund seiner Erkrankung auch nicht erwerbsfähig. Seit der Unterstützung durch den So.Fa im Rahmen
der Leistungen des Persönlichen Budgets habe sich zwar seine persönliche und häusliche Situation gebessert. Jedoch seien weiterhin
dringend Leistungen erforderlich, um eine weitere Verbesserung der persönlichen und sozialen Situationen zu erreichen bzw.
um einen Rückfall in alte Denkmuster zu vermeiden. Andernfalls wäre mit einer erheblichen Verschlechterung seiner Situation
bis hin zur Verwahrlosung zu rechnen.
Der Antragsgegner hat die Auffassung vertreten, der Antragsteller habe weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund
glaubhaft machen können. Einen Nachweis für eine zumindest befristete Erwerbsunfähigkeitsrente habe der Antragsteller nicht
vorgelegt. Er stehe im SGB II-Leistungsbezug und könne sich in der Häuslichkeit selbst versorgen. Unter Verweis auf eine Entscheidung des 8. Senats des
Landessozialgerichts (LSG) Sachsen-Anhalt vom 27. Januar 2022 (L 8 SO 45/21 B ER) hat er ausgeführt, erst wenn vorrangige
Leistungsträger nicht mehr in Frage kämen, weil das Leistungsvermögen nicht mehr vorhanden wäre, käme ein Anspruch gegenüber
dem Sozialleistungsträger auf Eingliederungshilfe in Betracht. Die erforderliche Langzeittherapie stelle eine Leistung nach
dem
Fünften Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung -
SGB V) dar.
Mit Beschluss vom 19. Mai 2022 hat das SG den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Anordnungsverfahrens verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab dem 2. März
2022 bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31. Dezember 2022, Leistungen zur sozialen Teilhabe als
Assistenzleistungen in Form eines Persönlichen Budgets in Höhe von monatlich 319,67 € zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt,
der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zulässig und begründet. Der Antragsteller habe Anordnungsanspruch
und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Er habe dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß den §§
90,
99,
113 Abs.
1 SGB IX. Er leide an einer Drogenabhängigkeit und gehöre damit zur Personengruppe der seelisch [wesentlich] behinderten Menschen
im Sinne des § 3 Nr. 3 Eingliederungshilfe-Verordnung. Der Umstand, dass der Antragsteller erwerbsfähig sei und Leistungen nach dem SGB II beziehe, stehe einem Anspruch auf Eingliederungsleistungen nicht entgegen. Die begehrten Leistungen der psychosozialen Betreuung
seien unproblematisch der Eingliederungshilfe und nicht den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zuzuordnen. Eine wesentliche
Änderung der amtsärztlich festgestellten Beeinträchtigungen der alltagsrelevanten Aktivitäten des Antragstellers sei für das
Gericht nicht ersichtlich. So sei auch im Bericht zum Gesamtplan vom 5. März 2020 ausgeführt, mit Unterstützung des Persönlichen
Budgets solle der Status quo erhalten bleiben. Eine intensivere Form der Hilfe könne der Antragsteller aktuell nicht zulassen.
Die hiervon abweichende Einschätzung des Rehapädagogischen Fachdienstes vom 7. Mai 2020, wonach das Ziel der Eingliederungshilfe
mangels Abstinenzwillens nicht erreicht werden könne, überzeuge nicht. Ein Abstinenzwille sei bereits daher erkennbar, dass
sich der Antragsteller um eine weitere Therapie in einer Klinik in K... bemüht habe. Diesen Wunsch habe er erneut im Oktober
2020 durch seinen Betreuer bekräftigt. Es liege auf der Hand, dass bei einer langjährigen Drogenproblematik eine umfassende
und ggf. auch langwierige Hilfe zur Überwindung der Sucht und zur stabilen und langfristigen Wiedereingliederung in die Gemeinschaft
erforderlich sei. Die Argumentation des Antragsgegners, erst durch eine Abstinenz des Antragstellers könnten die Ziele der
Eingliederungshilfe erreicht werden, stelle einen Zirkelschluss dar. Denn der zu deckende Bedarf bestehe gerade in der intensiven
Betreuung und Unterstützung, vor allem hinsichtlich der Motivation, die Suchtberatungsstelle aufzusuchen und weitere Bemühungen
zu unternehmen, um eine Langzeittherapie anzugehen, um so einen Weg aus der Sucht und damit die Eingliederung in der Gemeinschaft
zu ermöglichen. Die angestrebte Abstinenz könne gerade nur durch Hilfen im Vorfeld erreicht werden. Zu den Aufgaben der Eingliederungshilfe
gehöre es, Behinderungen bzw. ihre Folgen für die Teilhabefähigkeit, insbesondere auch durch Besserung des seelischen Zustands,
zu mildern. Die begehrte Leistung sei geeignet und erforderlich, um zunächst den Status quo zu erhalten und damit einen Rückzug
aus dem sozialen Leben zu verhindern. Dass zwischen den Beteiligten noch keine Zielvereinbarung abgeschlossen sei, stehe dem
Anspruch nicht entgegen. Die Leistungen seien in der bisher erbrachten Höhe von monatlich 319,67 € ausreichend, um den bestehenden
Bedarf zu decken.
Gegen den ihm am 30. Mai 2022 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 14. Juni 2022 Beschwerde beim LSG Sachsen-Anhalt
eingelegt und ausgeführt, nach Einschätzung des Fachdienstes benötige der Antragsteller Hilfe in einer besonderen Wohnform.
Dafür spreche, dass die bisherige Hilfe ohne Erfolg geblieben sei. Ohne abgeschlossene Zielvereinbarung hätte das SG allenfalls die Leistung an sich, nicht jedoch in Form eines Persönlichen Budgets gewähren dürfen.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Mai 2022 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Mai 2022 zurückzuweisen.
Er hält den angegriffenen Beschluss für zutreffend.
Der Senat hat am 19. Juli 2022 einen Erörterungstermin durchgeführt. Der Antragsteller hat vorgetragen, er nehme weiterhin
die Dienste des So.Fa in Anspruch. Die Leistungen würden derzeit aus seinem Regelbedarf finanziert, da der Antragsgegner das
Persönliche Budget trotz Beschluss des SG nicht auszahle. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Im Nachgang zum Termin hat der Antragsteller fortlaufende monatliche Rechnungen des So.Fa. über erbrachte Leistungen von September
2020 bis einschließlich Mai 2022 und Kontoauszüge vorgelegt, wonach er im März 2022 Leistungen in Höhe von 132,00 €, im April
2022 in Höhe von 120,00 € sowie im Mai und Juni 2022 in Höhe von jeweils 96,00 € für Fachleistungsstunden im Persönlichen
Budget - Arbeit und Beschäftigung/Psychosoziale Hilfen in Anspruch genommen hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen. Diese
haben bei der Entscheidungsfindung des Senats vorgelegen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 1 und
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht die isolierte Anfechtungsklage die zutreffende Klageart ist, auf Antrag eine
einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des
bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte;
einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach Satz 4 dieser Vorschrift gelten die §§
920, 921, 923, 926, 928,
929 Abs.
1 und
3, die §§
930 bis
932,
938,
939 und
945 Zivilprozessordnung (
ZPO) entsprechend.
Ein Anordnungsanspruch des Antragstellers gegen den Antragsgegner besteht nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung. Zur Begründung verweist der Senat gemäß §
142 Abs.
2 Satz 3
SGG auf die Ausführungen des SG in dem angegriffenen Beschluss, die er sich nach eigener Prüfung zu eigen macht.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es gemäß §
90 Abs.
1 SGB IX (in der ab dem 1. Januar 2020 geltenden Fassung) Aufgabe der Eingliederungshilfe ist, Leistungsberechtigten eine individuelle
Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe
am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt
und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können. Dabei ist es nach § 90 Abs. 5 besondere Aufgabe der sozialen Teilhabe, die gleichberechtigte
Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. Abzugrenzen davon ist die Teilhabe am Arbeitsleben,
also die Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung der Leistungsberechtigten entsprechenden Beschäftigung
sowie die Förderung der Weiterentwicklung ihrer Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit. Der Antragsgegner irrt, wenn er meint,
aufgrund des SGB II-Leistungsbezugs des Antragstellers sei er für die begehrte Leistung der Eingliederungshilfe nicht zuständig. Zum einen ist
fraglich, ob der Antragsteller tatsächlich erwerbsfähig ist. Bereits im Gesamtplan des Sozialen Fachdienstes des örtlichen
Sozialhilfeträgers vom 5. März 2020 ist mitgeteilt worden, aus fachlicher Sicht besteht das Prüfungserfordernis, ob noch Erwerbsfähigkeit
des Antragstellers vorliege. Soweit der Antragsteller ebenfalls vorträgt, er sei nicht mehr erwerbsfähig, kann er eine Klärung
hierüber durch eine entsprechende Erklärung beim SGB II-Träger oder Antragstellung einer Erwerbsminderungsrente beim Rentenversicherungsträger erreichen. Der Rentenversicherungsträger
könnte dann die erforderlichen medizinischen Ermittlungen einleiten. Ggf. sollte der Antragsgegner beim SGB II-Träger eine solche Prüfung anregen.
Aber selbst wenn man beim Antragsteller nicht von einem aufgehobenen Leistungsvermögen im Erwerbsleben von hinreichender Dauer
ausgeht, bleibt der Antragsgegner für die hier begehrten Leistungen der Eingliederungshilfe zuständig. Soweit sich dieser
auf die Entscheidung des Senats vom 27. Januar 2022 (L 8 SO 45/21 B ER) beruft, verkennt er, dass der Senat eine vorrangige
Zuständigkeit der Renten-, Kranken- oder Arbeitslosenversicherung lediglich für Leistungen der medizinischen und beruflichen
Teilhabe, nicht jedoch für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft angenommen hat. Die Regelungen des SGB II zielen auf die Eingliederung in Arbeit ab und sehen entsprechend im 3. Kapitel neben den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
entsprechende Leistungen zur Eingliederung in Arbeit vor. Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der
Gemeinschaft sind in § 28 Abs. 7 SGB II lediglich für Leistungsberechtigte bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres vorgesehen. Darüber hinausgehende Leistungen sind
für den Senat nicht ersichtlich, so dass der Antragsgegner für diese Leistungen allein zuständig ist. Zudem hat der Antragsgegner
den Antrag auch nicht entsprechend §
14 Abs.
1 Satz 2
SGB IX an den seiner Ansicht nach zuständigen Leistungsträger weitergeleitet. Vielmehr hat er mit Bescheiden vom 26. Mai 2020 für
die Monate April und Mai 2020 einen Eingliederungshilfeanspruch des Antragstellers bejaht und ab Juni 2020 abgelehnt, ohne
dass eine wesentliche Änderung in den persönlichen Verhältnissen des Antragstellers für den Senat erkennbar ist.
Nach den Einlassungen des Antragstellers im Erörterungstermin hat der Senat keinen Zweifel an dessen Abstinenzwillen. So hat
er im letzten Jahr nach Aufsuchen der Suchtberatungsstelle eine weitere ca. sechswöchige Entgiftung durchgeführt und im Anschluss
daran eine Langzeittherapie begonnen. Diese hat er zwar - nach seinen Angaben durch eine coronabedingte Überbelegung der Klinik
- abgebrochen. Er steht jedoch sowohl mit der Suchtberatungsstelle als auch mit der Sozialarbeiterin der S. gGmbH in Kontakt
und plant erneut eine Langzeittherapie in einer Klinik in E. Die Durchführung der Entgiftung und Langzeittherapie sind Maßnahmen
der Krankenbehandlung und Medizinischen Rehabilitation und gehören somit zum Leistungsspektrum anderer Leistungsträger. Diese
Leistungen begehrt der Antragsteller auch nicht vom Antragsgegner. Vielmehr begehrt er durch Maßnahmen der psychosozialen
Betreuung die Ermöglichung bzw. Erleichterung der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.
Der Antragsgegner verhält sich widersprüchlich, wenn er sich einerseits darauf beruft, der Antragsteller habe einen höheren
Hilfebedarf als bisher und gleichzeitig aber die Weitergewährung wenigstens der bisherigen Hilfe ablehnt. Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens
sollte der tatsächliche Hilfebedarf weiter ermittelt werden.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Antragstellers auf die Ausführung von Leistungen in Form eines Persönlichen Budgets ist
§
29 SGB IX (in der vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung). Danach werden auf Antrag des Leistungsberechtigten
Leistungen zur Teilhabe durch die Leistungsform eines Persönlichen Budgets ausgeführt, um den Leistungsberechtigten in eigener
Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen (§
29 Abs.
1 Satz 1
SGB IX). Das Persönliche Budget wird in der Regel als Geldleistung ausgeführt, bei laufenden Leistungen monatlich (§
29 Abs.
2 Satz 1
SGB IX).
Inwieweit ein Persönliches Budget trotz fehlender Zielvereinbarung im Wege des Eilrechtsschutzes oder im Klagewege durchsetzbar
ist, ist umstritten. Zwar handelt es sich bei der Zielvereinbarung lediglich um eine formelle Voraussetzung für die Bewilligung
von Teilhabeleistungen in Form eines Persönlichen Budgets (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 28. Januar 2021, B 8
SO 9/19 R, juris, Rn. 27). Welche Konsequenzen eine fehlende Zielvereinbarung für das Persönliche Budget hat, ist höchstrichterlich
jedoch nicht geklärt (offen gelassen in BSG, a. a. O.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 11. November 2021, L 8 SO 39/21 B ER, juris, Rn. 31). Diese Entscheidung bleibt
dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, wobei zur Überzeugung des Senats ebenfalls zu berücksichtigen sein wird, ob hier Anhaltspunkte
für eine Nachwirkung der zuletzt abgeschlossenen Zielvereinbarung bestehen.
Zwar ist eine solche Nachwirkung nicht im Gesetz vorgesehen (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. November
2016, L 9 SO 522/16 B ER, juris Rn. 7). Jedoch hat der Antragsgegner selbst seine Bewilligungsentscheidungen vom 5. Februar
2020 und vom 26. Mai 2020 auf die zuletzt abgeschlossene Zielvereinbarung vom 19. Mai 2019 (Zeitraum 1. April bis 30. September
2019) gestützt, obwohl der vereinbarte Geltungszeitraum längst abgelaufen war. Mithin ist nach Auffassung des Senats bei unveränderten
Tatsachen eine derartige Nachwirkung ggf. zu prüfen.
Soweit der Antragsgegner einwendet, der Antragsteller habe seit der Entscheidung des SG die Leistungen nicht in Höhe des Persönlichen Budgets ausgeschöpft, ist dies nach Auffassung des Senats auf den Umstand zurückzuführen,
dass dieses durch den Antragsgegner trotz gerichtlicher Verpflichtung nicht ausgezahlt wurde. Dies macht den Beschluss des
SG nicht nachträglich fehlerhaft. Hier bleibt im Hauptsacheverfahren zu klären, wie hoch der Bedarf tatsächlich ist und welche
weiteren Leistungen (ggf. nachträglich) zu berücksichtigen sein werden. So hat auch das BSG in seiner Entscheidung vom 28. Januar 2021 (B 8 SO 9/19 R) ausgeführt, bei Beschreiten des Rechtswegs kämen auch im Rahmen
des Persönlichen Budgets Leistungen für die Vergangenheit in Betracht.
Ein Anordnungsgrund ist ebenfalls glaubhaft gemacht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher
Nachteile nötig sein, d. h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert. Eine solche
Notlage ist bei einer Gefährdung der Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG-Kommentar, 13. Auflage 2020, §
86b Rn. 29a). Der Antragsteller bestreitet die Finanzierung der begehrten Eingliederungsleistungen seit der Ablehnung durch den
Antragsgegner in reduzierter Form aus seinem Regelsatz. Mithin ist mangels weiterer Einnahmen aktuell sein Existenzminimum
gefährdet. Zu Recht hat das SG zudem darauf hingewiesen, dass bei Ablehnung der Leistung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache die Gefahr des sozialen
Rückzugs und der Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands des Antragstellers besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Der Antragsteller hat Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten. Er kann als
SGB II-Leistungsbezieher nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen.
Die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist bereits wegen des Erfolgs im ersten Rechtszug nicht zu prüfen (§§ 73a Abs. 1
Satz 1
SGG, 119 Abs. 1 Satz 2
ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§
177 SGG).