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LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.12.2014 - 1 R 158/11
Aufhebungs- und Erstattungsbescheid wegen überzahlter Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung Bestimmtheitsanforderungen an einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung Folgen der Verletzung der Mitteilungspflicht Atypischer Fall bei nachträglich eintretender Sozialhilfebedürftigkeit
1. Die Bestimmtheitsanforderungen sind gewahrt, wenn die mit dem Verwaltungsakt getroffene Regelung die verfügte Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist.
2. Auch ein sehbehinderter Mensch muss grundsätzlich dafür Sorge tragen, dass der an ihn gerichtete Schriftverkehr ihn inhaltlich erreicht.
3. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X statuiert ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Der Regelfall ist die Aufhebung ab Eintritt der Änderung der Verhältnisse, während die Aufhebung (nur) für die Zukunft lediglich in einer besonderen Ausnahmesituation in Betracht kommen soll und nur in diesem Fall nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen ist, ob von der Rücknahme für die Vergangenheit ganz oder teilweise abzusehen ist.
4. Deshalb ist in den Fällen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X neben den Tatbestandsvoraussetzungen auch zu prüfen, ob ein solchermaßen atypischer Fall vorliegt, der in Bezug auf die Sondersituation eine Ermessensentscheidung gebietet; das Vorliegen eines atypischen Falls ist durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit voll überprüfbar.
5. Atypische Lagen sind grundsätzlich anzuerkennen, wenn die Umstände des Einzelfalls im Hinblick auf die mit der rückwirkenden Aufhebung verbundenen Nachteile von den Normalfällen der Tatbestände des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB X so signifikant abweichen, dass der Leistungsempfänger in besondere Bedrängnis gerät.
Normenkette: ,
SGB VI § 106a
,
SGB X § 48 Abs. 1 S. 2
,
SGB X § 24 Abs. 1
,
SGB X § 33 Abs. 1
,
SGB I § 60 Abs. 1 Nr. 2
,
SGB XII § 18 Abs. 1
Vorinstanzen: SG Kiel 10.08.2011 S 1 R 331/09
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 10. August 2011 aufgehoben, soweit der Bescheid der Beklagten vom 10. September 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. September 2009 insgesamt und damit auch für die Zeit vor dem 1. Januar 2005 und in Höhe einer Erstattungsforderung von 1.267,78 EUR aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet worden ist. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin ein Drittel ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

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