Arbeitsunfall
Lehrgang einer Freiwilligen Feuerwehr der DDR
Ausübung einer den Zwecken der Feuerwehr dienenden Tätigkeit
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 17. Mai 1986 als Arbeitsunfall.
Der 1970 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt Schüler der POS "A.-S." in S. Zugleich bestand seit mindestens 1985 eine
Mitgliedschaft in der "Arbeitsgemeinschaft J. B.". Am 17. Mai 1986 nahm der Kläger an einem Wochenendlehrgang der Freiwilligen
Feuerwehr J. teil. Hierbei stürzte er und wurde in der Zeit vom 17. Mai bis 17. Juli 1986 im Kreiskrankenhaus S. wegen einer
kompletten, distalen Unterschenkelluxationstrümmerfraktur rechts behandelt. Eine weitere stationäre Behandlung in der Zeit
vom 20. bis 30. Oktober 1986 zur Entfernung der Kirschnerdrähte und der Platte schloss sich an. Am 2. März 1988 erstattete
der Rat der Stadt S., Abteilung Volksbildung, gegenüber der Staatlichen Versicherung der DDR eine Unfallschadenanzeige. Daraufhin
bewilligte die Staatliche Versicherung der DDR mit Bescheid vom 8. März 1988 - ausgehend von einem unfallbedingt dauernden
Körperschaden von 25% bei einer Versicherungssumme von 10.000,00 M - die Zahlung von 2.500 M der DDR. Eine Anerkennung des
Ereignisses als Arbeitsunfall nach dem Recht der DDR (§§ 220 ff. AGB der DDR) durch die zuständige Betriebsgewerkschaftsleitung
erfolgte nicht.
Seit März 1987 war der Kläger Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr.
In der Zeit vom 20. September bis zum 9. November 2010 befand sich der Kläger erneut in stationärer Behandlung des -Krankenhauses
S. Diagnostiziert wurde eine fistelnde Osteomyelitis (= infektiöse Entzündung des Knochenmarks) bei Zustand nach distaler
Sprunggelenksfraktur vor vielen Jahren. Es erfolgten mehrere operative Eingriffe.
Der Kläger zeigte der Beklagten mit am 27. Oktober 2010 eingegangenem Schreiben das Ereignis vom 17. Mai 1986 an und beantragte
sinngemäß, dieses als Arbeitsunfall festzustellen. Nach Vorlage eines ausgefüllten Fragebogens zum Unfallhergang leitete die
Beklagte mit Schreiben vom 19. November 2010 den Vorgang an die Beigeladene zu 1. mit der Bitte um Übernahme weiter. Der Kläger
habe sich die Verletzung während einer Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr zugezogen. Nach Einholung diverser Unterlagen
(Behandlungsberichte aus dem Jahre 1986, Unfallschadenanzeige an Staatliche Versicherung der DDR, Stellungnahme des damaligen
Schuldirektors, Stellungnahme des damaligen Wehrführers und Vorlage des Feuerwehrmitgliedsausweises des Klägers) sandte die
Beigeladene zu 1. den Vorgang mit Schreiben vom 15. August 2011 an die Beklagte zurück. Nach den Vorschriften der DDR sei
frühestens mit Vollendung des 16. Lebensjahres eine Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr möglich gewesen sei. Ausweislich
des Mitgliedsausweises des Klägers sei dieser am 1. März 1987 in die Freiwillige Feuerwehr eingetreten. Zum Unfallzeitpunkt
habe daher kein Versicherungsschutz im Zusammenhang mit der Freiwilligen Feuerwehr bestanden.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 3. November 2011 die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Bei der Teilnahme an einem Wochenendlehrgang
der Freiwilligen Feuerwehr habe es sich um keine Schulveranstaltung gehandelt. Ein hiergegen durch den Kläger eingelegter
Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2013 zurückgewiesen. Der Schutzbereich der Schülerunfallversicherung
umfasse nur Verrichtungen, die dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule zugerechnet werden könnten. Anhaltspunkte
dafür, dass das Ereignis vom 17. Mai 1986 im Einflussbereich der Schule geschehen sei, bestünden nicht. Die Schule sei an
der Organisation des Wochenendlehrgangs nicht beteiligt gewesen.
Hiergegen hat der Kläger vor dem Sozialgericht Nordhausen Klage erhoben. Das Sozialgericht hat eine schriftliche Stellungnahme
des damaligen Schulleiters eingeholt. In seiner Stellungnahme vom 29. Juni 2013 führt dieser aus, dass die Schule den Wochenendlehrgang
mit der Freiwilligen Feuerwehr J. nicht zusammen organisiert habe. Aus einer weiteren eingeholten Stellungnahme des damaligen
Wehrleiters, des Zeugen A. S., vom 3. Juli 2013 ergibt sich, dass die Planung des Lehrgangs in den Händen der Wehrleitung
lag. Daraufhin hat das Sozialgericht Nordhausen mit Beschluss vom 10. Juli 2013 die (Beigeladene zu 1.) und mit Beschluss
vom 19. November 2013 die (Beigeladene zu 2.) zum Verfahren beigeladen.
Mit Urteil vom 12. Januar 2015 hat das Sozialgericht Nordhausen den Bescheid der Beklagten vom 3. November 2011 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2013 aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 17. Mai 1986 ein bei der Beigeladenen
zu 1. versicherter Arbeitsunfall gewesen ist. Da der Unfall einem bundesrechtlich zuständigen Träger der Unfallversicherung
erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden sei, sei Voraussetzung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls, dass es
sich um einen Arbeitsunfall im Sinne des
Dritten Buches der
Reichsversicherungsordnung (
RVO) handele. Versicherungsschutz über die Schülerunfallversicherung im Sinne von § 539 Abs. 1 Nummer 14 b
RVO komme hier nicht in Betracht. Die Schule habe auf die Durchführung des Wochenendlehrganges keinen Einfluss gehabt. Lehrer
der Schule hätten zu keinem Zeitpunkt weder an der Arbeitsgemeinschaft noch an dem Wochenendlehrgang teilgenommen. Versicherungsschutz
ergebe sich jedoch aus der Vorschrift des § 539 Abs. 1 Nr. 8
RVO. Danach seien diejenigen gegen Arbeitsunfall versichert, die in einem Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen tätig seien
sowie Teilnehmer an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen. Die erforderliche unmittelbare Sachnähe sei hinsichtlich
des Wochenendlehrgangs zu bejahen. Die Tätigkeit der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft habe bereits deutlich den Aufgaben
eines Feuerwehrmitglieds entsprochen. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass der Kläger ein knappes Jahr später Mitglied
der Freiwilligen Feuerwehr worden sei. Auch nach dem Recht der DDR habe es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt. § 1 Abs.
1 der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder
sportlicher Tätigkeiten gewähre Bürgern, die an einer organisierten gesellschaftlichen Tätigkeit teilgenommen und dabei einen
Unfall erlitten hätten, Leistungen wie bei einem Arbeitsunfall. Der Wochenendlehrgang sei als organisierte gesellschaftliche
Tätigkeit einzuordnen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beigeladenen zu 1. Wesentliches Merkmal für einen Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 8
RVO sei die Mitgliedschaft bzw. Zugehörigkeit zu einem Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen. Der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt
als fünfzehnjähriger Schüler Teilnehmer der außerschulischen Arbeitsgemeinschaft "J. B." gewesen. Eine Mitgliedschaft in der
Feuerwehr habe noch nicht bestanden. Der Feuerwehr sei der Kläger nachweislich erst am 1. März 1987 beigetreten. Eine Jugendfeuerwehr
habe es in der DDR nicht gegeben. Zudem habe der Kläger mit seiner Tätigkeit im Rahmen des Wochenendlehrgangs nicht die Feuerwehr,
sondern vielmehr habe umgekehrt die Feuerwehr die Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft, der der Kläger angehört habe, unterstützt.
Die Durchführung eines Ausbildungswochenendes durch die Freiwillige Feuerwehr am Unfalltag zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft
"J. B." bedeute nicht, dass der Kläger deshalb zugleich für die Feuerwehr tätig geworden sei. Den Unfall habe der Kläger ausschließlich
im Rahmen seiner Tätigkeit für die Arbeitsgemeinschaft "J. B." erlitten. Dies unterfalle keinem Tatbestand der
RVO.
Die Beigeladene zu 1. beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 12. Januar 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Bislang sei eine Prüfung, ob es sich bei dem Unfall des Klägers vom 17. Mai 1986 um einen nach den Vorschriften der ehemaligen
DDR zu entschädigenden Arbeitsunfall handele, nicht ausreichend erfolgt. Dies unterstellt, handele es sich jedenfalls nicht
um einen zu entschädigenden Schülerarbeitsunfall im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 14 b
RVO. Die Veranstaltung am 17. Mai 1986 stehe in keinem Zusammenhang mit der Schule.
Die Beigeladene zu 2. hat keinen Antrag gestellt.
Eine Zuständigkeit ihrerseits für die Regulierung des Unfallgeschehens sei nicht erkennbar. Dies könne nur der Fall sein,
wenn der Kläger den Unfall in Ausübung organisierter gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten im Sinne
des § 1 der Erweiterungsverordnung erlitten hätte. Die Arbeitsgemeinschaft "J. B." könne jedoch allenfalls unter die Vorschrift
des § 2 der Erweiterungsverordnung subsumiert werden. Zudem sei seinerzeit eine Anerkennung des Arbeitsunfalls nicht erfolgt.
Die Staatliche Versicherung der DDR habe nur Leistungen aufgrund eines privatrechtlichen Versicherungsvertrages erbracht.
Für eine Anerkennung als Arbeitsunfall wäre ausschließlich die ehemalige Verwaltung der Sozialversicherung (FDGB) zuständig
gewesen. Zudem fehle es am Bestehen des erforderlichen Versicherungsschutzes nach der
RVO.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Seine Einbeziehung in den Schutzbereich des § 539 Abs. 1 Nr. 8
RVO sei nicht zu beanstanden. Die fehlende Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr sei unerheblich. Auch nach dem Recht
der DDR sei Versicherungsschutz zu bejahen gewesen. Dies ergebe sich aus der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes
vom 11. April 1973. Nach deren § 1 sei jede organisierte gesellschaftliche Tätigkeit versichert gewesen.
Der Berichterstatter des Senats hat im Termin zur Beweisaufnahme am 12. Oktober 2015 die Zeugen A. und M. S. gehört. Wegen
des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift in der Gerichtsakte verwiesen.
Nach Auffassung der Beigeladenen zu 1. liegt ein Arbeitsunfall nach dem Recht der DDR nicht vor. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
habe der Kläger an einer Ausbildungsveranstaltung der Feuerwehr teilgenommen. Dies sei von § 2 der Verordnung über die Erweiterung
des Versicherungsschutzes vom 11. April 1973 nicht erfasst. Dass Statut der Freiwilligen Feuerwehren vom 1. Januar 1984 billige
in § 8 Abs. 1 h nur Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren Unfallversicherungsschutz zu. Auf die Verordnung über die Erweiterung
des Versicherungsschutzes bei Unfällen vom 15. März 1962 könne nicht zurückgegriffen werden, da diese mit der Erweiterungsverordnung
vom 11. April 1973 außer Kraft getreten sei. Entsprechend sei der Unfall des Klägers damals nur von der Staatlichen Versicherung
entschädigt worden.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§
143,
151 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht Nordhausen hat zu Recht gegenüber der Beigeladenen
zu 1. einen Arbeitsunfall festgestellt.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung des in der ehemaligen DDR am 17. Mai 1986 erlittenen Unfalls als Arbeitsunfall
nach §§ 548 Abs. 1 Satz 1, 539 Abs. 1 Nr. 8
RVO gegen die Beigeladene zu 1. Es handelt sich nicht um einen von der Beklagten, der Beigeladenen zu 2. oder einem anderen Unfallversicherungsträger
zu entschädigenden Arbeitsunfall.
Nach §
215 Abs.
1 Satz 1 des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VII) ist für die Übernahme der vor dem 1. Januar 1992 eingetretenen Unfälle und Krankheiten als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten
nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung § 1150 Abs. 2 und 3
RVO in der am Tag vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Fassung weiter anzuwenden. Der Anspruch des Klägers richtet sich
daher nach § 1150 Abs. 2
RVO in der am 31. Dezember 1996 geltenden Fassung des Renten-Überleitungsgesetzes vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606, 1688), denn der geltend gemachte Unfall ist vor dem 1. Januar 1992 im Beitrittsgebiet eingetreten.
Nach § 1150 Abs. 2 Satz 1
RVO sind die vor dem 1. Januar 1992 in der ehemaligen DDR eingetretenen Unfälle und Krankheiten als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten
im Sinne des
Dritten Buches der
RVO anzuerkennen, wenn diese Unfälle oder Krankheiten vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und nach dem im Beitrittsgebiet
geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren. Dies gilt nach § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
RVO nicht für Unfälle und Krankheiten, die einem ab 1.Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung
erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden sind und die nach dem Dritten Buch der
RVO nicht zu entschädigen wären (BSG, Urteil vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - BSGE 93, 149 = SozR 4-5670 Anl. 1 Nr. 2402 Nr. 1).
Der Unfall des Klägers ist vor dem 1. Januar 1992 eingetreten. Unerheblich ist hier zunächst, ob der Arbeitsunfall nach §
1 Abs. 1 ErwVO einem Unfall nach dem Recht der ehemaligen DDR (§ 220 Abs. 1 und 3 des Arbeitsgesetzbuches der DDR) gleichgestellt war (hierzu BSG vom 30. Juni 2009 - B 2 U 19/08 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 13 Rn. 31). Denn das Unfallereignis vom 17. Mai 1986 ist sowohl der Beklagten als auch der Beigeladenen
zu 1. als einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträger erst im Oktober bzw. November
2010 durch das Schreiben des Klägers vom 22. Oktober 2010 bzw. dessen Weiterleitung durch die Beklagte bekannt geworden. Anhaltspunkte
für ein Bekanntwerden vor dem 1. Januar 1994 im Sinne des § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
RVO, bestehen nicht.
Das Ereignis vom 17. Mai 1986 ist als Arbeitsunfall im Sinne des
Dritten Buches der
RVO einzustufen.
Arbeitsunfall im Sinne des § 548 Abs. 1 Satz 1
RVO war ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545
RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erlitt.
Versicherungsschutz nach der Vorschrift des § 539 Abs. 1 Nr. 14 b
RVO kann allerdings nicht bejaht werden. Nach der Vorschrift waren Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden
Schulen gesetzlich unfallversichert. Versicherte Tätigkeit in diesem Sinne ist nur der Schulbesuch. Dieser erstreckt sich
auf Betätigungen während des Unterrichts, in den dazwischenliegenden Pausen und solche im Rahmen so genannter Schulveranstaltungen.
Die unfallbringende Verrichtung muss im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule geschehen und zur Zeit des Unfallereignisses
im sachlichen Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit als Schüler stehen. Außerhalb dieses Verantwortungsbereichs
besteht auch bei solchen Verrichtungen kein Versicherungsschutz, die durch den Schulbesuch bedingt sind (BSG, Urteil vom 30. Juni 2009, Az.: B 2 U 19/08 R, SGb 2010 S. 483-487; BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004, Az.: B 2 U 41/03 R zitiert nach Juris). Eine wesentliche Einflussmöglichkeit im Sinne einer Mitverantwortung ist für die Bejahung des Versicherungsschutzes
als ausreichend anzusehen (Schlaeger/Lindner, Unfallversicherung für Kinder in Tagesbetreuung, Schüler und Studierende, 1.
Auflage 2011, § 4 Rn. 50 m.w.N.). Daher können grundsätzlich auch Angebote in Kooperation mit anderen Trägern unter den Schutz
der gesetzlichen Schülerunfallversicherung fallen. Wesentliches Kriterium für eine derartige organisatorische Mitverantwortlichkeit
der Schule ist die Möglichkeit des Ergreifens wirksamer schulischer Aufsichtsmaßnahmen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18. April 2000, Az.: B 2 U 5/99 R, zitiert nach Juris). Entscheidend ist der Gesamteindruck der Veranstaltung unter Berücksichtigung von Planung, Ankündigung
und Durchführung.
Gemessen an diesen Kriterien steht die Teilnahme an dem Wochenendlehrgang vom 16. bis zum 18. Mai 1986 nicht im inneren Zusammenhang
mit dem Schulbesuch. Die am Unfalltag absolvierte Übungseinheit fällt nicht in den organisatorischen (Mit-)Verantwortungsbereich
der Schule des Klägers. Ein Lehrer dieser Schule war bei dem Wochenendlehrgang in K. und im Rahmen der Absolvierung der Übungseinheit
am Vormittag des 17. Mai 1986 nicht anwesend. Damit bestand für die Schule keine konkrete Einwirkungsmöglichkeit auf den Ablauf
der Übungseinheit bzw. des gesamten Wochenendlehrgangs. Dies ergibt sich sowohl aus den Angaben des Klägers im Erörterungstermin
vor dem Berichterstatter am 12. Oktober 2015 als auch aus den Angaben der Zeugen A. und M. S. Beide haben in ihrer Einvernahme
vor dem Berichterstatter übereinstimmend bestätigt, dass an dem Übungswochenende die Mitglieder der Einsatzabteilung der Feuerwehr
J. und aus der Arbeitsgemeinschaft "J. B." die über 14-jährigen AG Mitglieder teilgenommen haben. Die schriftliche Einladung
für das Übungswochenende erfolgte nach der Aussage des Zeugen A. S. seiner Erinnerung nach unter dem Briefkopf der Freiwilligen
Feuerwehr J. Die Stadt S. hat die Kosten übernommen. Unabhängig davon, ob überhaupt noch die Rede davon sein kann, dass das
Übungswochenende mit der Durchführung der AG "J. B." in Zusammenhang steht, ergibt sich auch bei einem Zurückgreifen auf die
Durchführung dieser Arbeitsgemeinschaft nichts für eine Einbeziehung in den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule
des Klägers. Nach den Angaben des Zeugen A. S. - im Jahre 1986 sowohl Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr als auch Leiter
der AG "J. B." - hat die Arbeitsgemeinschaft immer auf dem Gelände der Freiwilligen Feuerwehr im Feuerwehrgerätehaus stattgefunden.
Die Schule des Klägers hat er nur aufgesucht, wenn sich die Arbeitsgemeinschaft auf dem Schulgelände den Schülern vorgestellt
hat oder wenn die Arbeitsgemeinschaft an Schulalarmen beteiligt worden ist. Für das Übungswochenende existierte ein Schulungsplan.
Eine Einflussnahme der Schule des Klägers auf die Abfassung dieses Schulungsplanes ist nicht im Ansatz ersichtlich.
Dem Kläger ist allerdings für die Teilnahme an der Veranstaltung am 17. Mai 1986 Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 8
RVO zu gewähren. Nach dieser Vorschrift sind die in einem Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen Tätigen sowie die Teilnehmer
an Ausbildungsveranstaltung dieser Unternehmen einschließlich der Lehrenden - auch auf den damit zusammenhängenden Wegen -
gegen Arbeitsunfälle versichert. Anerkanntermaßen gehört die Freiwillige Feuerwehr zu den Hilfeleistungsunternehmen im Sinne
dieser Vorschrift (vergleiche BSG, Urteil vom 26. März 1986, Az.: 2 RU 77/84, zitiert nach Juris, Rn. 17). Das Übungswochenende vom 16. bis 18. Mai 1986 ist des Weiteren als Ausbildungsveranstaltung
im Sinne dieser Vorschrift einzustufen. Der Gewährung von Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift steht die fehlende Mitgliedschaft
des Klägers in der Freiwilligen Feuerwehr zum Unfallzeitpunkt am 17. Mai 1986 nicht entgegen. Aus seinem Mitgliedsausweis
ergibt sich eine Mitgliedschaft erst ab dem 1. März 1987. Nach der Rechtsprechung des BSG zu § 539 Abs. 1 Nr. 8
RVO sind aber versichert alle Personen - nicht nur die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr - die eine den Zwecken der Feuerwehr
dienende Tätigkeit ausüben. Versicherungsschutz ist daher nicht nur bei der Brandbekämpfung als solcher, sondern zum Beispiel
auch bei Übungen und Vorführungen der Feuerwehr für die dabei Tätigen zu gewähren. Tätig in diesem Sinne sind aber nicht nur
die Übenden selbst, sondern auch freiwillige Helfer oder Helfer, die von der Feuerwehr im Rahmen einer Übung zur Hilfe für
die Übenden angefordert worden sind (vergleiche BSG, Urteil vom 26. März 1986, Az.: 2 RU 77/84, zitiert nach Juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 11. Februar 1981, Az.: 2 RU 35/78, zitiert nach Juris, Rn. 19). Nach der zuletzt genannten Entscheidung besteht Versicherungsschutz sogar für die Teilnehmer
an Ausbildungsveranstaltungen, die nicht die Absicht haben, Mitglied des jeweiligen Hilfeleistungsunternehmens zu werden.
Ausreichend für die Gewährung von Versicherungsschutz ist allein, dass die konkrete Veranstaltung im Rahmen der allgemeinen
Zielsetzung des Hilfeleistungsunternehmens liegt.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Kläger zum Unfallzeitpunkt am 17. Mai 1986 selbst als Übender an dem Lehrgangswochenende
der Freiwilligen Feuerwehr teilgenommen. Aus den Angaben der Zeugen A. und M. S. folgt, dass die Freiwillige Feuerwehr J.
vom 16. bis 18. Mai 1986 ihr Übungswochenende durchführte. Nach den Ausführungen des Zeugen A. S. sind am Freitag, dem 16.
Mai 1986, die Mitglieder der Einsatzabteilung der Freiwilligen Feuerwehr zu ihrem Übungswochenende angereist. Die über 14-jährigen
Mitglieder der AG "J. B." waren dabei. Hierfür existierte ein spezieller Schulungsplan der Freiwilligen Feuerwehr, der von
den zuständigen Organen genehmigt worden war. Der Schulungsplan sah einzelne Ausbildungsabschnitte vor, wobei auch auf Alter
und Erfahrung der Teilnehmer Rücksicht genommen wurde. Für das Übungswochenende erging eine schriftliche Einladung unter dem
Briefkopf der Freiwilligen Feuerwehr J. Insofern ist die Auffassung der Beigeladenen zu 1. in ihrer Berufungsbegründung widerlegt,
dass die Freiwillige Feuerwehr J. Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft "J. B." unterstützt hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
steht vielmehr fest, dass einzelne bestimmte Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft "J. B." (nämlich die über 14-jährigen) bereits
an dem jährlichen Übungswochenende der Freiwilligen Feuerwehr J. teilgenommen haben. Das Übungswochenende vom 16. bis 18.
Mai 1986 ist ausschließlich dem Verantwortungsbereich der Freiwilligen Feuerwehr J. zuzuordnen. Inwieweit ein Unfall im Rahmen
der Teilnahme an der Arbeitsgemeinschaft "J. B." als Arbeitsunfall im Sinne des
Dritten Buches der
RVO anzusehen ist, insbesondere, ob die Teilnahme an dieser Arbeitsgemeinschaft bereits eine Ausbildungsveranstaltung im Sinne
des § 539 Abs. 1 Nummer 8
RVO darstellt, ist daher nicht entscheidungserheblich.
Der Unfall vom 17. Mai 1986 war auch nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht ein Arbeitsunfall. Arbeitsunfall war nach
§ 220 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [AGB-DDR] vom 16. Juni 1977 (DDR-GBl. I, Nr. 18, S. 185) die Verletzung
eines Werktätigen im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess. Nach § 220 Abs. 3 Satz 1 AGB-DDR waren den Arbeitsunfällen Unfälle
bei organisierten gesellschaftlichen, kulturellen und sportlichen Tätigkeiten gleichgestellt. Einzelheiten dazu wurden nach
§ 220 Abs. 3 Satz 2 AGB-DDR in Rechtsvorschriften festgelegt. Im Zeitpunkt des Ereignisses 1986 galt diesbezüglich die "Verordnung
über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten"
[der DDR - nachfolgend: Erweiterungs-VO 1973] vom 11. April 1973 (DDR-GBl. I, Nr. 22, S. 199). Nach § 1 der Erweiterungs-VO
1973 erhielten Bürger, die bei organisierten gesellschaftlichen, kulturellen oder sportlichen Tätigkeiten einen Unfall erlitten,
Leistungen der Sozialversicherung (und betriebliche Lohnausgleichszahlungen) wie bei einem Arbeitsunfall. Nach § 3 Abs. 2
Satz 1 der Erweiterungs-VO 1973 bestand für die Folgen eines solchen Unfalls unter anderem Anspruch auf Unfallrente. Diese
Vorschriften galten auch für die Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen der Freiwilligen Feuerwehr. Denn § 1 Abs. 2 der Erweiterungs-VO
1973 nennt als Regelbeispiel für organisierte gesellschaftliche, kulturelle oder sportliche Tätigkeit unter anderem die Teilnahme
an Schulungen staatlicher Einrichtungen. Die freiwillige Feuerwehr ist eine staatliche Einrichtung in diesem Sinne. Denn nach
§ 1 S. 1 des Statuts der Freiwilligen Feuerwehren in der Fassung der Anordnung Nr. 2 vom 1. Januar 1984 sind die örtlichen
freiwilligen Feuerwehren ehrenamtliche Organe der Räte der Stadtkreise, Städte und Gemeinden.
Eine gesetzeshistorische Betrachtung der DDR-Vorschriften zur Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung
gesellschaftlicher Tätigkeiten bestätigt dies. Nach der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen
vom 15. März 1962 (DDR-GBl. II, Nr.15, S.123) wurden Unfälle bei gesellschaftlichen Tätigkeiten, die in der Anlage 1 zu §
1 Satz 1 Erweiterungsverordnung 1962 genannt waren, Arbeitsunfällen gleichgestellt. In Nr. 14 der Anlage zu § 1 der Erweiterungsverordnung
1962 war ausdrücklich aufgeführt, dass zu den gesellschaftlichen Tätigkeiten auch die Teilnahme an Schulungen zur Ausbildung
für die in Ziffern 9 bis 13 genannten Tätigkeiten zählt. In Nr. 10 e der Anlage zu § 1 der Erweiterungsverordnung 1962 ist
der Einsatz als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr ausdrücklich erwähnt. Mit der Inkraftsetzung der Erweiterungsverordnung
1973 sollte der Versicherungsschutz in diesem Bereich nicht reduziert werden. Nach der Verordnung über die Erweiterung des
Versicherungsschutzes bei Unfällen vom 15. März 1962 waren die nach § 1 Arbeitsunfällen gleichgestellten gesellschaftlichen
Tätigkeiten in der Anlage 1 zur Verordnung enumerativ abschließend aufgezählt. Die Erweiterungs-VO 1973 vom 11. April 1973
verzichtet hingegen auf eine abschließende Aufzählung der organisierten gesellschaftlichen, kulturellen oder sportlichen Tätigkeiten
und benennt in § 1 Abs. 2 der Erweiterungsverordnung Regelbeispiele. Nur die gleichgestellten Tätigkeiten sind in § 2 ausdrücklich
aufgezählt. Aus der fehlenden Erwähnung der Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen für bestimmte Tätigkeiten kann im Gegensatz
zur von der Beigeladenen zu 1. vertretenen Auffassung nicht geschlossen werden, dass der Verordnungsgeber diese vom Versicherungsschutz
nicht umfasst sehen wollte. Im Gegenteil hat der Verordnungsgeber mit § 1 der Erweiterungs-VO 1973 vom 11. April 1973 durch
die Benennung von Regelbeispielen den Kreis der versicherten Personen geöffnet.
Dieses Ergebnis steht mit der Festlegung/Anordnung (nach bundesdeutschem Rechtsverständnis dürfte es sich am ehesten um eine
Verwaltungsvorschrift handeln; diese ist jedenfalls zur Auslegung des Rechts der DDR als Ausdruck der dortigen Verwaltungspraxis
innerhalb bestimmter Grenzen zu beachten vgl. zu letzterem BSG, Urteil vom 4. Dezember 2001, Az.: B 2 U 35/00 R, zitiert nach Juris) "Der Unfallversicherungsschutz für Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren" veröffentlicht in "Mitteilungen
des FDGB-Bundesvorstand Verwaltung der Sozialversicherung 88/3 Seite 167", nicht im Widerspruch. Unabhängig davon, dass die
getroffene Regelung ab dem 1. Juli 1988 anzuwenden ist und eine rückwirkende Anwendung nicht erfolgen soll (die Anordnung
betrifft eine einheitliche Regelung von Dienstunfällen von Angehörigen der Feuerwehren, die einheitlich als Arbeitsunfälle
nach §§ 220 ff. AGB DDR zu werten sein sollen), betrifft die Anordnung nur Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren. Eine Regelung
hinsichtlich der Teilnahme von Nichtmitgliedern an Ausbildungsmaßnahmen wird nicht getroffen. Auch die Festlegung bejaht einen
Anspruch von Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr über ihre eigentliche Dienstdurchführung hinaus auf Versicherungsschutz
nach der Erweiterungsverordnung, wenn die allgemeinen Voraussetzungen vorliegen, zum Beispiel bei Brandwachen auf Kulturveranstaltungen.
Die Regelung in § 8 Abs. 1 h des Statuts der Freiwilligen Feuerwehren vom 1. Januar 1984, wonach Angehörige der Freiwilligen
Feuerwehren bei Dienstunfällen das Recht haben, Versicherungsschutz entsprechend den geltenden Vorschriften zu beanspruchen,
schließt eine Einbeziehung von Ausbildungsmaßnahmen ebenfalls nicht aus. Hinsichtlich des Versicherungsschutzes bei Unfällen
verweist das Statut nur auf das geltende Recht. Entscheidend für die Frage, ob Teilnehmer von Ausbildungsmaßnahmen versichert
sind, ist ausschließlich die Erweiterungs-VO 1973 vom 11. April 1973.
Auch die sonstigen Voraussetzungen für die Feststellung eines Arbeitsunfalles sind gegeben. Der erforderliche Gesundheitserstschaden
ist in der 1986 festgestellten Unterschenkelluxationstrümmerfraktur rechts zu sehen.
Für den Arbeitsunfall des Klägers ist die Beigeladene zu 1. zuständig. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des
Sozialgerichts Nordhausen in dem angegriffenen Urteil verwiesen. Für eine Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2. ist nichts
ersichtlich. Zuständiger Versicherungsträger für den Kläger könnte die Beigeladene zu 2. nur als Rechtsnachfolgerin der Bundesausführungsbehörde
für Unfallversicherung auf Grund deren Sonderzuständigkeit nach Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III Buchst. c
Maßgabe 8 Nr. 2 Buchst. ee zum Einigungsvertrag (EV - G. v. 23.9.1990, BGBl. II S. 885) sein. Insoweit fehlt es bereits an einem Anerkennungsbescheid der Betriebsgewerkschaftsleitung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.