Pflicht der bedürftigen Partei zur vorrangigen Begleichung der Prozesskosten aus Vermögenszuwachs durch abgeschlosssenen Vergleich
Entscheidungsgründe:
I.
Der 1954 geborenen Antragsgegnerin wurde im zu Grunde liegenden Ehescheidungs-Verbundverfahren mit späterer Erstreckung auch
auf die Folgesachen Unterhalt und Zugewinnausgleich Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlung bewilligt. Sie lebte
damals von Unterhaltszahlungen des Antragstellers von monatlich 1.300,00 DM bei eigenen Mietkosten von 820,00 DM.
Aufgrund gerichtlichen Vergleichs vom 27.02.2004 erlangte die Antragsgegnerin vom Antragsteller gegen erklärten Unterhaltsverzicht
eine Unterhaltsabfindungszahlung von 20.000,00 EUR und eine Zugewinnausgleichszahlung von 10.000,00 EUR sowie einen Kleinwagen.
Die Prozesskostenhilfe wurde auf den Abschluss dieses Vergleichs erstreckt.
Zwischenzeitlich erzielt die Antragstellerin als Verkäuferin ein monatliches Einkommen von netto 825,00 EUR bei Mietkosten
(ohne Strom) von 435,00 EUR einschließlich Nebenkosten. Sie führt eine schon früher bestehende Kapital-Lebensversicherung
mit einem Kapitalwert per 2014 von 21.895,56 EUR mit monatlichen Zahlungen von 69,94 EUR fort. Aus dem aufgrund des gerichtlichen
Vergleichs erhaltenen Betrag von 30.000,00 EUR hat die Antragsgegnerin einen Teilbetrag von 25.000,00 EUR zwischenzeitlich
in eine weitere Lebensversicherung eingezahlt, die zum April 2016 entweder einen Kapitalauszahlungsbetrag von 31.898,45 EUR
oder eine laufende Rente von monatlich 129,91 EUR erbringen wird. Den Restbetrag der Zahlung gemäß Vergleich von 5.000,00
EUR hat die Antragsgegnerin nach ihrem Vorbringen in eine Festgeldanlage eingebracht, von der sie zwischenzeitlich wegen eines
Soll-Stands auf ihrem Girokonto jedoch wieder 2.000,00 EUR auf ihr Girokonto zurückgebucht hat (Anl. zu Bl. 80 d.A. im PKH-Heft).
Die Antragsgegnerin hat geltend gemacht, sie sei zur Zahlung von Raten auf die Prozesskosten oder gar zur einmaligen Rückzahlung
der auf sie entfallenden Prozesskosten auch nach der erhaltenen Vergleichszahlung nicht in der Lage. Es sei ihr nicht zumutbar,
die eingegangenen Lebensversicherungen zur Bestreitung von Prozesskosten zu kündigen. Diese Versicherungen benötige sie zur
Gewährleistung einer angemessenen Altersversorgung, da sie sonst absehbar sozialhilfebedürftig werden würde. Sie habe nach
Durchführung des Versorgungsausgleichs in der gesetzlichen Altersversicherung eine Rente von nur 206,18 EUR erworben, die
sie während der ihr noch möglichen Zeit weiterer Erwerbstätigkeit allenfalls auf 405,00 EUR aufstocken könne. Auch zuzüglich
der durch ihre Lebensversicherungen erzielbaren weiteren Bezüge werde ihre Altersversorgung danach nicht den Sozialhilfesatz
erreichen.
Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat nach Anhörung der Bezirksrevisorin mit Beschluss vom 09.06.2004 angeordnet, dass die
Antragsgegnerin die auf sie entfallenden Prozesskosten in einem einmaligen Betrag zu zahlen hat. Ihre Bevollmächtigten hatten
insoweit Wahlanwaltskosten in Höhe von 5.505,36 EUR mitgeteilt. Die bei geltender Kostenaufhebung auf die Antragsgegnerin
entfallenden hälftigen Gerichtskosten betragen 429,18 EUR.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat der Rechtspfleger ausgeführt, die durch den Vergleich erhaltenen Zahlungen stellten
eine wesentliche Verbesserung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsgegnerin gemäß §
120 IV
ZPO dar. Es sei ihr zumindest zuzumuten, die erst unter Einsatz dieser Zahlungen neu begründete zweite Lebensversicherung wieder
zu kündigen und mit dem Rückkauferlös die offenen Prozesskosten zu bestreiten. Jedenfalls diese zweite Lebensversicherung
benötige sie nicht zur Sicherung einer angemessenen Altersversorgung, wie sich schon daraus ergebe, dass sie die Rentenversicherung
wahlweise auch als Kapitalversicherung abgeschlossen habe. Die Antragsgegnerin sei auch noch weiter berufstätig und werde
auch dadurch weitere Ansprüche in der gesetzlichen Altersversicherung erwerben.
Gegen den Beschluss vom 09.06.2004 hat die Antragsgegnerin durch Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 15./17.06.2004 sofortige
Beschwerde eingelegt. Sie verweist zur Begründung auf die schon vor der angefochtenen Entscheidung abgegebene eigene Stellungnahme.
Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Tübingen ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.
Der Rechtspfleger hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und es dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist gemäß §
127 II
ZPO als sofortige Beschwerde statthaft. In der Sache hat es jedoch keinen Erfolg.
1. Allerdings ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung zwischenzeitlich weitgehend anerkannt, dass Lebensversicherungen
- wohl auch Kapitallebensversicherungen - gemäß §§
115 II
ZPO, 88 III BSHG dann und insoweit nicht zur Bestreitung von Prozesskosten eingesetzt werden müssen, wenn sie zur Erhaltung einer angemessenen
Altersversorgung erforderlich sind, um im Alter nicht voraussichtlich Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu müssen (OLG Stuttgart
(18. ZS) FamRZ 99, 598; OLG Hamburg FamRZ 01, 529; OLG Karlsruhe OLGRep 04, 271; vgl. auch Zöller/Philippi, 24. Aufl., Rn.
58 b und 59 zu §
115 ZPO, der allerdings auch eine Verpflichtung in Betracht zieht, eine Lebensversicherung beitragsfrei zu stellen).
Auch der Senat bejaht grundsätzlich einen derartigen Vorrang entsprechender Lebensversicherungen, soweit diese bereits bestehen,
zumal es für eine bedürftige Partei einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich bringen würde, wenn sie durch vorzeitige Kündigung
einer derartigen Lebensversicherung den vielfach nur erheblich geringeren Rückkaufwert erzielen würde. Die laufenden Zahlungen
der Beschwerdeführerin auf ihren 1. Lebensversicherungsvertrag würden für den Fall einer Ratenzahlungsverpflichtung bei Berechnung
der Rate zu ihren Gunsten berücksichtigt.
2. Dies gilt jedoch nicht für die weitere Lebensversicherung der Antragsgegnerin, die sie nach erfolgreicher Prozessführung
abgeschlossen hat, um den aufgrund der Vergleichszahlung erhaltenen Vermögenszuwachs anzulegen. Eine solche Anlage zur Vermeidung
einer möglichen künftigen Sozialhilfebedürftigkeit hat gegenüber der Bestreitung der zu diesem Zeitpunkt bereits entstandenen
Prozesskosten keinen Vorrang, denn die bewilligte Prozesskostenhilfe ist ebenfalls nur eine einer Sozialhilfeleistung gleichstehende
Leistung. Die Antragsgegnerin war insoweit gehalten, eine neue Lebensversicherung nur unter Einsatz des Betrages abzuschließen,
der ihr nach Bestreitung der auf sie entfallenden Prozesskosten verblieb. Dies gilt auch insoweit, als die Antragsgegnerin
geltend gemacht hat, dass sie selbst bei vollem Einsatz des Vermögenszuwachses nur eine Alterssicherung erzielen könne, die
- monatlich umgerechnet - niedriger ist als der in Betracht kommende Sozialhilfesatz.
Soweit das Oberlandesgericht Karlsruhe (aaO) - allerdings nicht tragend - ausgeführt hat, dass auch vorhandene Barmittel bei
Feststellbarkeit ihrer Verwendung zur Alterssicherung privilegiert sein könnten, vermag der Senat sich dieser Auffassung nicht
anzuschließen. Es erscheint nicht sachgerecht, Sozialhilfe - hier in der Form von Prozesskostenhilfe - zur Deckung eines anerkannten
Bedarfs aufrecht zu erhalten, obwohl inzwischen eigene Mittel des Bedürftigen vorhanden sind, nur weil dieser die Mittel für
einen angenommenen künftigen Bedarf vorhalten will. Denn es steht letztlich nicht sicher fest, dass dieser künftige Bedarf
auch tatsächlich eintritt. Dies gilt umso mehr in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Lebensversicherungsvertrag wahlweise
auch die Möglichkeit offen hält, den Betrag später als einmalige Leistung abzurufen.
Auf der Grundlage der hier vertretenen Rechtsauffassung verblieb der Antragsgegnerin schon aufgrund der erlangten Zugewinnausgleichszahlung
von 10.000,-- EUR ein ausreichender Betrag zur einmaligen Zahlung der Prozesskosten von unter 6.000,00 EUR, und zwar auch
dann, wenn man davon den Betrag von 2.301,00 EUR als Schonvermögen gemäß §§
115 II
ZPO, 88 II Nr. 8 BSHG und den auf dem Girokonto der Antragsgegnerin aufgelaufenen Fehlbetrag von 1.489,00 EUR - zu dessen Verursachung die Antragsgegnerin
nichts vorgetragen hat - absetzt.
Unter den gegebenen Umständen kann sich die Antragsgegnerin auch nicht darauf berufen, dass sie die erhaltene Unterhaltsabfindungszahlung
von 20.000,00 EUR ohne Anerkennung des Einsatzes für ihre Kapitallebensversicherung sich als Einkommensersatz nur verteilt
auf ihre restliche Lebenszeit anrechnen lassen müsste, was bei Zugrundelegung von ca. 30 Jahren ein weiteres Einkommen von
monatlich ca. 55,00 EUR ergeben hätte. Da die Antragsgegnerin nach den vorstehenden Ausführungen zur einmaligen Zahlung der
Prozesskosten verpflichtet ist, kommt es auf die weitere Frage nicht mehr an, ob bei dem sich dann ergebenden laufenden Einkommen
auch eine Verpflichtung zur monatlichen Ratenzahlung festzustellen wäre.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin war danach zurückzuweisen.
3. Als Unterlegene hat die Antragsgegnerin die aufgrund der Zurückweisung anfallende Festgebühr (Nr. 1956 KV/GKG) zu tragen.
Gemäß §
127 IV
ZPO sind außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.