Wohngeld, Sozialgesetzbuch, Verwaltungsverfahren (SGB-X) - Verwaltungsakt, Unwirksamkeit, Aufhebung, Erstattung
Gründe:
Die zulässige Beschwerde hat (nur) in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach §
166 VwGO i.V.m. §
114 ZPO ist Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies
verlangt nicht, dass der Prozesserfolg gewiss oder überwiegend wahrscheinlich ist, vielmehr genügt eine offene Prozesssituation.
Die Prozesskostenhilfe darf allerdings verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen,
die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Dabei ist in eng begrenztem Rahmen auch eine Beweisantizipation zulässig, nämlich
dann, wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dass eine weitere Sachaufklärung zugunsten des Antragstellers ausgehen würde (vgl.
BVerfG [Kammer], Beschluss vom 07.05.1997 - 1 BvR 296/94 -, NJW 1997, 2745).
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen bietet die Klage (nur) insoweit hinreichende Aussicht auf Erfolg, als sie gegen
die Erstattungsbescheide vom 12.01.2005 und 28.01.2005 - letzterer in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums
Stuttgart vom 23.06.2005 - gerichtet ist, nicht aber insoweit, als der Bewilligungsbescheid vom 13.01.2005 angegriffen wird.
1. Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 12.01.2005, mit dem die Beklagte gemäß § 50 Abs. 3 SGB X die zu erstattende Leistung auf 222,-- EUR festgesetzt hat, ist voraussichtlich zulässig und begründet. Voraussetzung für
einen Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X ist, dass bereits Leistungen erbracht worden sind. Dies war aber hinsichtlich des Monats Januar 2005, auf den sich der Bescheid
bezog, in Bezug auf den Bewilligungsbescheid vom 16.02.2004 nicht der Fall. Die Beklagte hat auf der Grundlage dieses nach
ihrer Auffassung insoweit unwirksamen Bewilligungsbescheids keine Auszahlung des Wohngeldes für den Monat Januar 2005 vorgenommen,
nachdem sie zu dem Ergebnis gelangt war, dass die Tochter der Klägerin Janina aufgrund der ihr bewilligten Eingliederungshilfe
ab 01.01.2005 von der Gewährung von Wohngeld ausgeschlossen sein würde.
2. Soweit die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 13.01.2005 gerichtet ist, mit dem Wohngeld hinsichtlich des Zeitraums
01.01.2005 bis 31.12.2005 in Höhe von monatlich 168,-- EUR bewilligt wurde, geht der Senat davon aus, dass nicht Anfechtungs-,
sondern Verpflichtungsklage mit dem Ziel erhoben worden ist, dass der Klägerin in der mit Bescheid vom 16.02.2004 bewilligten
Höhe (222,-- EUR monatlich) Wohngeld weiter gewährt werden soll. Dass die Klägerin sich nicht nur gegen die Erstattungsbescheide
vom 12.01.2005 und 28.01.2005 wendet, sondern außerdem die Bewilligung von (höherem) Wohngeld begehrt, folgt für den Senat
jedenfalls aus ihrem Vorbringen im Beschwerdeverfahren. Dass sie trotz der ihr und ihren Kindern seit 01.01.2005 gewährten
Sozialhilfe die Bewilligung von Wohngeld begehrt, ergibt sich insbesondere aus der Formulierung, wonach sie einverstanden
sei, dass im Falle des Erfolgs der Klage "eine Nachzahlung mit der dann erfolgten Überzahlung der Sozialhilfe verrechnet wird".
Offen bleiben kann, ob die Verpflichtungsklage zulässig ist; jedenfalls dürfte sie unbegründet sein. Denn die Klägerin und
ihre Kinder, die seit 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB XII beziehen, mit denen die gesamten Unterkunftskosten übernommen
wurden, sind gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WoGG i.d.F. des am 01.01.2005 in Kraft getretenen Gesetzes vom 15.12.2004 (BGBl. I, S. 3450) von der Gewährung von Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz ausgeschlossen. Damit steht der Klägerin schon unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt kein höheres als das mit Bescheid vom
13.01.2005 bewilligte Wohngeld zu. Unerheblich ist der Grund für die Beantragung von Leistungen nach dem SGB XII durch die
Klägerin. Insbesondere kommt es entgegen ihrer Auffassung nicht darauf an, dass sie nach ihrem Vorbringen erst aufgrund der
im Hinblick auf die Gewährung von Eingliederungshilfe an ihre Tochter Janina verfügten Einstellung der Wohngeldzahlungen ab
01.01.2005 die Gewährung von Sozialhilfeleistungen beantragt hat.
3. Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 28.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums
Stuttgart vom 23.06.2005, mit dem die Beklagte hinsichtlich der Monate Januar und Februar 2005 die zu erstattenden Leistungen
in Höhe von insgesamt 336,-- EUR festgesetzt hat, bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zweifelhaft ist zunächst, ob die
Auffassung des Verwaltungsgerichts zutrifft, wonach Rechtsgrundlage für den Bescheid § 50 Abs. 1 SGB X ist. Nach Satz 1 der Vorschrift sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden
ist. Schon der Wortlaut spricht dafür, dass es sich um die nachträgliche Aufhebung eines Bewilligungsbescheids handeln muss.
§ 50 Abs. 1 SGB X greift insbesondere im Fall der (behördlichen) Aufhebung nach den §§ 45 und 48 SGB X oder auf der Grundlage einer vergleichbaren Vorschrift (vgl. von Wulffen, SGB X, 4. Aufl., § 50 RdNr. 8) ein. Im vorliegenden Fall geht es um den Anwendungsbereich des § 30 Abs. 4 WoGG. Danach wird der Bewilligungsbescheid, mit dem Wohngeld nach § 26 WoGG bewilligt worden ist, unwirksam, wenn in einem Bewilligungszeitraum ein bei der Berechnung des Wohngeldes berücksichtigtes
Familienmitglied nach § 1 Abs. 2 WoGG vom Wohngeld ausgeschlossen ist (S. 1). Die Unwirksamkeit des Bescheides tritt zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse,
bei Änderungen im Laufe eines Monats zum auf die Änderung folgenden nächsten Ersten eines Monats ein (S. 2). Als Zeitpunkt
der Änderung der Verhältnisse gilt der Beginn des Zeitraums, in dem das Familienmitglied nach § 1 Abs. 2 WoGG vom Wohngeld ausgeschlossen ist. Der Wohngeldempfänger ist von der Unwirksamkeit des Bewilligungsbescheides zu unterrichten
(S. 4). Der Wohngeldbewilligungsbescheid ist damit kraft Gesetzes auflösend bedingt. Er wird mit Eintritt der Bedingung -
ggf. rückwirkend - unwirksam. Eines Aufhebungsverwaltungsaktes bedarf es - wie durch S. 4 der Vorschrift bestätigt wird -
nicht (vgl. Stadler/Gutekunst/Foerster/Wolf/Rahm/Fröba, Wohngeldgesetz, Stand: August 2005, § 30 WoGG RdNr. 57). Wie beim Eintritt einer im Verwaltungsakt genannten Bedingung (vgl. dazu von Wulffen, aaO, § 39 RdNr. 14), handelt
es sich bei der Unwirksamkeit eines Bewilligungsbescheides aufgrund des Eintritts einer im Gesetz festgelegten auflösenden
Bedingung wohl um einen Fall der Erledigung des Verwaltungsakts auf andere Weise i.S.v. § 39 Abs. 2 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.1996 - 4 RA 16/95 -, juris) und nicht um eine Aufhebung i.S.v. § 50 Abs. 1 SGB X. Die Voraussetzung des § 50 Abs. 2 S. 1 SGB X ist nicht nur dann erfüllt, wenn von vornherein kein Verwaltungsakt ergangen ist, sondern auch dann, wenn sich ein vorausgegangener
Verwaltungsakt erledigt hat, so dass es keiner Aufhebung mehr bedurfte (vgl. BSG, Urteil vom 18.03.1999 - B 14 KG 6/97 R - juris). Ein entsprechender Fall könnte hier vorliegen.
Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung ist daher wohl § 50 Abs. 2 SGB X. §§ 45 und 48 SGB X gelten entsprechend (§ 50 Abs. 2 S. 2 SGB X). Anhand der Umstände des Einzelfalles ist mithin die Frage zu beantworten, ob der Klägerin grobe Fahrlässigkeit zur Last
fällt (vgl. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 und 3 SGB X, § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 4 SGB X).
Im Hinblick auf die sich im Zusammenhang mit § 30 Abs. 4 WoGG zur Rückerstattung von Wohngeldleistungen ergebenden Fragen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt sind, und die für
das Verwaltungsgericht noch offene Prüfung der §§ 45, 48 SGB X (entsprechend) sind die Erfolgsaussichten der Klage im Sinne des §
114 Abs.
1 ZPO zu bejahen.
4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§
166 VwGO i.V.m. §
127 Abs.
4 ZPO). Da die Beschwerde nur teilweise zurückgewiesen wurde, hat der Senat die Gebühr nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses -
Anlage 1 zum GKG in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 05.05.2004 - nach billigem Ermessen auf die Hälfte ermäßigt. Der
Senat hält es nicht für angemessen, die Gebühr nicht zu erheben, da die Beschwerde nicht nur mit einem unwesentlichen Teil
erfolglos geblieben ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§
152 Abs.
1 VwGO).