Höchstrichterliche Klärung einer Rechtsfrage
Zweifel an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage
Substantiierung des Klärungsbedarfs
Gründe:
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin - ein Omnibusunternehmen - gegen
die Feststellung von Versicherungspflicht des Beigeladenen in allen Zweigen der Sozialversicherung aufgrund dessen (abhängiger)
Beschäftigung als Fahrer.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen LSG vom 11.2.2014 ist in entsprechender
Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 27.8.2014 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) und den Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG).
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem
Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Die Klägerin wirft auf Seite 7 der Beschwerdebegründung die Frage auf, "ob dem Merkmal der Verwendung eines Fahrzeugs des
Auftraggebers, bei Beschäftigung eines Fahrers ohne eigenes Fahrzeug, im Rahmen der Gesamtabwägung unter dem Gesichtspunkt
des Tragens eigenen unternehmerischen Risikos des Auftragnehmers, ein höheres Gewicht beizumessen ist, als den Übrigen, nach
den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, einzubeziehenden Merkmalen."
Die "Rechtsfrage" sei klärungsbedürftig. Sie sei weder vom BSG noch von den Tatsachengerichten der Sozialgerichtsbarkeit entschieden. Zumindest ergebe sich dies aus den vom BSG bisher entwickelten Rechtsgrundsätzen nicht eindeutig.
Der Senat kann offenlassen, ob die Klägerin mit dieser Frage überhaupt eine Rechtsfrage hinreichend klar bezeichnet, über
die in einem späteren Revisionsverfahren entschieden werden könnte, oder lediglich eine Rechtsanwendungsfrage (= Tatfrage)
stellt. Jedenfalls legt die Klägerin deren Klärungsbedürftigkeit nicht in der gebotenen Weise dar, weil sie sich insoweit
mit der - vom LSG teilweise auch zitierten - umfangreichen Rechtsprechung des BSG zu den Abgrenzungskriterien und zur Abwägungsentscheidung (vgl ua BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15) jedenfalls in diesem Punkt der Beschwerdebegründung - anders im Rahmen der Divergenzrüge - nicht auseinandersetzt.
Als höchstrichterlich "geklärt" muss eine Rechtsfrage nämlich auch dann angesehen werden, wenn das Revisionsgericht sie zwar
- für einzelne Berufsgruppen oder bestimmte Tätigkeitsfelder - noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung der
anzuwendenden gesetzlichen Vorschrift jedoch schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte
zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. Hier kommt es dann in der Regel
(lediglich) auf die Anwendung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt - eine bestimmte
Berufsgruppe oder ein bestimmtes Tätigkeitsfeld - an (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Ergeben sich hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage Zweifel, muss die Beschwerde diese ausräumen.
Hierzu gehört auch, die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung auf (gemeinsame) Beurteilungsgesichtspunkte
hin zu untersuchen oder in der gebotenen Weise Klärungsbedarf herauszuarbeiten. Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
2. Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde
gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt
oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt
hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen
abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte
Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung
des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
a) Die Klägerin entnimmt auf Seite 3 der Beschwerdebegründung dem angefochtenen Urteil den abstrakten Rechtssatz, dass fremdbestimmte
vorgegebene Eckpunkte einer Tätigkeit sich regelmäßig nicht zu Gunsten eines Auftraggebers bei der Beurteilung der Weisungsgebundenheit
in Bezug auf die Prüfung der Frage einer abhängigen Beschäftigung auswirken und damit im Ergebnis regelmäßig als Argument
für die Annahme einer Versicherungspflicht zu werten seien. Dieser Rechtssatz des LSG weiche von den vom BSG entwickelten Rechtsgrundsätzen ab (Hinweis auf BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23).
b) Auf Seite 5 der Beschwerdebegründung trägt die Klägerin vor, das LSG stelle den abstrakten Rechtssatz auf, dass die zur
Verfügungstellung der wesentlichen Arbeitsmittel immer tragendes Argument einer abhängigen Beschäftigung sei, ohne dass eine
weitere Betrachtung des Tragens eines unternehmerischen Risikos nötig sei. Dieser Rechtssatz des LSG weiche von den vom BSG entwickelten Rechtsgrundsätzen ab (Hinweis auf BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27).
Dadurch legt die Klägerin eine Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG nicht gemäß §
160a Abs
2 S 3
SGG in zulässiger Weise dar. Sie übersieht, dass hierzu die Darlegung erforderlich ist, dass das LSG seiner Entscheidung divergierende
Rechtssätze tragend zugrunde gelegt hat. Einen abweichenden rechtlichen Ausgangspunkt zeigt die Klägerin in der Beschwerdebegründung
nicht auf, sondern stellt lediglich darauf ab, dass die konkrete Entscheidung (als Ergebnis eines Entscheidungsprozesses)
ihrer Ansicht nach von der Rechtsprechung des BSG abweiche. Sie setzt sich nicht damit auseinander, dass das LSG zunächst auf Seite 5 des Urteils die Rechtslage, auch unter
Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, allgemein darstellt und dann unter Punkt 2. "in Anwendung dieser
Grundsätze auf den hier zu den entscheidenden Fall" seine Entscheidung konkret begründet. Dabei berücksichtigt die Klägerin
in der Beschwerdebegründung auch nicht, dass das LSG die für und gegen eine (abhängige) Beschäftigung des Beigeladenen sprechenden
Umstände festgestellt hat und sodann "im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung" unter Zurücktreten der für eine Selbstständigkeit
sprechenden Umstände zum Ergebnis einer (abhängigen) Beschäftigung gekommen ist.
Hinsichtlich der von der Klägerin unter a) gerügten Divergenz ist schon ihrem eigenen Vorbringen kein entscheidungstragender
Rechtssatz zu entnehmen, denn sie führt selbst aus, dass das LSG - nach ihrem Verständnis - das Vorliegen fremdbestimmter
Eckpunkte nur "regelmäßig" als Argument für die Annahme von Versicherungspflicht werte. Darüber hinaus legt die Klägerin nicht
in der gebotenen Weise dar, dass dieser Punkt eine Abweichung darstellt, auf der die Entscheidung "beruht". Die Klägerin berücksichtigt
auch insoweit nicht, dass das LSG die Entscheidung aufgrund einer Gesamtabwägung getroffen hat.
Hinsichtlich der von der Klägerin unter b) gerügten Divergenz macht die Klägerin wiederum nicht hinreichend geltend, dass
das LSG einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt habe, wonach es auf das Tragen eines Unternehmerrisikos nicht ankommen solle.
Die Beschwerdebegründung hätte insoweit der naheliegenden Frage nachgehen müssen, ob das LSG im vorliegenden Fall hierzu nur
deshalb keine vertieften Ausführungen gemacht hat, weil ein nennenswertes Unternehmerrisiko im Sinne von Einsatz von Eigenkapital,
Bürgschaftsübernahme, Kreditgewährung, Verlustrisiko usw beim Beigeladenen überhaupt nicht gegeben war. Weiterhin berücksichtigt
die Klägerin nicht, dass das LSG im Rahmen der Feststellung der für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände ausdrücklich
die Möglichkeit der Ablehnung von Aufträgen durch den Beigeladenen und das Fehlen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs im Krankheitsfall
eingestellt hat.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen, §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Halbs 3
SGG iVm §
154 Abs
2, §
162 Abs
3 VwGO.
5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 S 1 Halbs 1
SGG iVm §
63 Abs
2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.