Rente wegen voller Erwerbsminderung
Gehörsrüge
Zumutbare Möglichkeiten der Gehörsverschaffung
Aufrechterhalten von Beweisanträgen
Gründe:
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat im Urteil vom 30.4.2015 einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung
im Zugunstenverfahren rückwirkend ab Februar 2004 verneint. Nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen sei nicht
nachgewiesen, dass der Kläger am 31.1.2005 - dem Zeitpunkt des letztmaligen Vorliegens der besonderen versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen (Drei-Fünftel-Belegung) - oder zu einem früheren Zeitpunkt dauerhaft nicht mehr in der Lage gewesen sei, drei
Stunden täglich zu arbeiten.
Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil ausschließlich Verfahrensmängel geltend.
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 22.7.2015 genügt nicht der vorgeschriebenen Form,
denn er hat einen Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§
160 Abs
2 Nr
3 iVm §
160a Abs
2 S 3
SGG).
Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und
schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel
beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl
2011, Kap IX, RdNr 202 ff). Zu beachten ist, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG gestützt werden kann (§
160 Abs
2 Nr
3 Teils 2
SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach §
103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist
(§
160 Abs
2 Nr
3 Teils 3
SGG).
Die Beschwerdebegründung des Klägers wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Er rügt als Verletzung seines Anspruchs auf
rechtliches Gehör, dass das Berufungsgericht den Beweisanträgen im Schriftsatz vom 26.3.2014, eine Stellungnahme seiner Ehefrau
sowie seines Bruders zum Vorliegen einer rentenerheblichen Erwerbsminderung am 31.1.2005 einzuholen, ohne hinreichende Begründung
nicht gefolgt sei. Es bedarf hier keiner Vertiefung, dass der Kläger damit im Kern eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht
nach §
103 SGG geltend macht. Denn auch für die schlüssige Rüge einer Gehörsverletzung (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) ist die Darlegung erforderlich, dass alle zumutbaren Möglichkeiten ergriffen wurden, um sich vor Gericht Gehör zu verschaffen
(vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom 18.8.2010 - 1 BvR 3268/07 - BVerfGK 17, 479 - Juris RdNr 28; BSG Beschluss vom 24.9.2014 - B 9 SB 11/14 B - Juris RdNr 5 mwN). Dementsprechend hätte - ebenso wie bei der Rüge einer Verletzung des §
103 SGG (vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11)- auch bei Ausgestaltung als Gehörsrüge aufgezeigt
werden müssen, dass die Beweisanträge ausdrücklich am Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten wurden,
um so dem Gericht zu verdeutlichen, dass sie nach Ansicht des Klägers noch zu behandeln waren (sog Warnfunktion). Der Beschwerdebegründung
ist jedoch nicht zu entnehmen, dass der vor dem LSG anwaltlich vertretene Kläger das Verlangen nach Anhörung seiner Ehefrau
und seines Bruders in der mündlichen Verhandlung zu der Frage, dass er bereits am 31.1.2005 "arbeitsunfähig" gewesen sei,
erneut geltend gemacht hat. Infolgedessen braucht auch nicht weiter erörtert zu werden, ob es sich dabei überhaupt um prozessordnungsgemäße
Beweisanträge gehandelt hat, die ein dem Zeugenbeweis zugängliches Beweisthema benennen.
Auch die weitere Rüge, das LSG habe es zu Unrecht unterlassen, von dem nach §
109 SGG gehörten Sachverständigen Prof. Dr. R. eine ergänzende Stellungnahme einzuholen, obwohl dessen Gutachten von Seiten der Beklagten
erheblich kritisiert worden sei, zeigt einen Verfahrensmangel nicht in schlüssiger Weise auf. Der Kläger bezeichnet insoweit
weder einen entsprechenden Beweisantrag, den er bis zum Schluss aufrechterhalten habe, noch trägt er vor, dass er zur Verwirklichung
seines Fragerechts gegenüber dem Sachverständigen (§
116 S 2, §
118 Abs
1 S 1
SGG iVm §§
397,
402,
411 Abs
4 ZPO) rechtzeitig sachdienliche Fragen zur Beantwortung durch den Sachverständigen eingereicht und das Verlangen nach einer Befragung
bis zuletzt geltend gemacht habe (s hierzu Senatsbeschluss vom 26.5.2015 - B 13 R 13/15 B - Juris RdNr 9). Vielmehr gibt er selbst an, dem LSG insoweit lediglich eine "Anregung" unterbreitet zu haben, die jedoch
mit Schreiben vom 27.2.2015 abgelehnt worden sei. Dass er hierauf in der mündlichen Verhandlung am 30.4.2015 nochmals zurückgekommen
sei, behauptet er nicht.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.