Darlegung einer Rechtsprechungsabweichung
Subsumtionsrüge
Darlegung eines Verfahrensmangels
1. Zur Darlegung einer Rechtsprechungsabweichung sind entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil sowie aus
einer höchstrichterlichen Entscheidung einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander
vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht.
2. Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen
Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung
im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz.
3. Zur Darlegung eines Verfahrensmangels müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß
begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss dargestellt werden, inwiefern die angefochtene
Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann.
Gründe:
Das Hessische LSG hat mit Beschluss vom 18.8.2014 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Darmstadt vom 22.1.2014
als unzulässig (verfristet) verworfen.
Die Klägerin macht mit ihrer beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss sinngemäß eine Rechtsprechungsabweichung sowie
einen Verfahrensmangel geltend.
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung ihres durch Vollmachtsurkunde vom 6.10.2014 legitimierten
Prozessbevollmächtigten vom 3.11.2014 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, da sie weder eine Divergenz noch einen Verfahrensmangel
ordnungsgemäß bezeichnet (dazu sogleich unter 1. und 2.). Das von der Klägerin nach Ablauf der zweimonatigen Begründungsfrist
(§
160a Abs
2 S 1
SGG) persönlich verfasste Schreiben vom 17.11.2014 sowie die von ihr vorgelegten medizinischen Unterlagen können schon wegen
des Vertretungszwangs vor dem BSG (§
73 Abs
4 S 1
SGG) keine Berücksichtigung finden.
1. Eine Rechtsprechungsabweichung ist nicht formgerecht dargelegt (§
160 Abs
2 Nr
2 iVm §
160a Abs
2 S 3
SGG).
Hierzu sind entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil sowie aus einer höchstrichterlichen Entscheidung einander
gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung
des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4, Nr 13 RdNr 17). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage
gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn
nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht
die Zulassung der Revision wegen Divergenz (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 91; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f).
Diesen Anforderungen wird die Klägerin nicht gerecht. Sie trägt über ihren Prozessbevollmächtigten vor, das LSG habe ihren
Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist abgelehnt, weil keine ausreichenden Gründe für eine unverschuldete
Versäumnis bestanden hätten. Denn sie sei lediglich am 5.3.2014 "wegen einer Reise nach Düsseldorf nach einer lang andauernden
ärztlichen Behandlung an diesem Tag" nachvollziehbar zur Einlegung der Berufung nicht in der Lage gewesen. An den beiden Folgetagen
habe diese Möglichkeit jedoch für sie bestanden; im Übrigen habe sie auch vor der vorhersehbaren ärztlichen Behandlung Berufung
einlegen können. Damit habe das LSG gegen die Entscheidung des BSG vom 31.10.2012 (B 13 R 165/12 B - SozR 4-1500 § 67 Nr 11 RdNr 16) verstoßen, denn dort habe der Senat festgestellt, dass gesetzliche Fristen bis zum letzten
Tag ausgeschöpft werden dürften.
Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin keinen abstrakt-generellen Rechtssatz aus dem Beschluss des LSG benannt, der dem von
ihr wiedergegebenen Rechtssatz aus der Senatsentscheidung vom 31.10.2012 im Rechtsgrundsätzlichen widerspricht. Vielmehr ist
offenkundig, dass der Hinweis des LSG, die Klägerin habe auch noch am 6. und 7.3.2014 Berufung einlegen können, mit den Ausführungen
des Senats zur Möglichkeit der Ausschöpfung gesetzlich eingeräumter Fristen "grundsätzlich bis zum letzten Tag" übereinstimmt
(zu erhöhten Sorgfaltspflichten im Falle des Ausschöpfens einer Frist bis zuletzt s aber BSGE 72, 158, 160 = SozR 3-1500 § 67 Nr 7 S 18 mwN; Senatsbeschluss vom 29.3.2010 - B 13 R 519/09 B - Juris RdNr 8).
2. Die Klägerin hat auch einen Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§
160 Abs
2 Nr
3 iVm §
160a Abs
2 S 3
SGG).
Dazu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und
schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss dargestellt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel
beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl
2011, Kap IX RdNr 202 ff). Zu beachten ist aber, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG gestützt werden kann (§
160 Abs
2 Nr
3 Teils 2
SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach §
103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist
(§
160 Abs
2 Nr
3 Teils 3
SGG).
Die Klägerin rügt insoweit, das LSG habe den von ihr im Schriftsatz vom 29.6.2014 angebotenen Zeugenbeweis "über die Schwere
ihrer Erkrankung" nicht erhoben, beanstandet mithin sinngemäß eine Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG). Eine Beschwerdebegründung muss hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne weiteres
auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung
des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen
müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum
die Entscheidung des LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis
des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer
günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen s Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Demgegenüber trägt die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten lediglich vor, das Gericht habe "den
Beweis nicht erhoben", den sie bereits im Schriftsatz vom 29.6.2014 angeboten habe. Das reicht für eine formgerechte Sachaufklärungsrüge
nicht aus.
Soweit sie darüber hinaus ausführt, das LSG sei nach heutigem Erkenntnisstand bei seiner Entscheidung von einer "falschen
Annahme" hinsichtlich des bei ihr Anfang März 2014 bestehenden Erschöpfungszustands ausgegangen, greift sie die Beweiswürdigung
des Berufungsgerichts (§
128 Abs
1 S 1
SGG) an. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde kann hierauf ein Verfahrensmangel nach ausdrücklicher Anordnung in §
160 Abs
2 Nr
3 Teils 2
SGG jedoch nicht gestützt werden.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.