Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Gründe:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist zurückzuweisen, weil
sie teils unzulässig und teils unbegründet ist.
Nach §
160 Abs
2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer
Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr
3). In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung,
von der das LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfordern diese Vorschriften, dass der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (vgl nur Krasney/ Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen
Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 177 ff mwN). Andernfalls ist die Beschwerde schon als unzulässig zu verwerfen.
1. Die erhobenen Divergenzrügen sind unzulässig.
Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage des BSG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte,
die das BSG aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung
rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende
andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, dass das LSG dem BSG widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 196
mwN).
Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, weil in ihr abstrakte Rechtssätze des LSG, mit denen es vom
BSG abgewichen sein könnte, nicht konkret bezeichnet werden. Auch wenn von den Anforderungen an eine zulässige Divergenzrüge
vorliegend Abstriche zu machen sein sollten, weil die Urteile des Senats vom 30.1.2019 (B 14 AS 10/18 R, B 14 AS 12/18 R, B 14 AS 24/18 R, B 14 AS 41/18 R), von denen das LSG abgewichen sein soll, im Zeitpunkt der Beschwerdebegründung zum Ende der bereits verlängerten Beschwerdebegründungsfrist
noch nicht veröffentlicht waren, entbindet dies nicht von der Anforderung, die (vermeintlich) abweichenden Rechtssätze des
LSG zu bezeichnen. Hieran fehlt es, weil mit der Beschwerdebegründung im Gewand von dem LSG zugeschriebenen Rechtssätzen nur
die Ergebnisse von dessen Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall beschrieben werden. Diese Ergebnisse bewertet die Beschwerdebegründung
als "Verstoß gegen die Methodenvielfalt" und "Unterlassene Gewährung von Nachbesserungen", ohne aufzuzeigen, dass das LSG
insoweit entscheidungserhebliche rechtliche Aussage formuliert und rechtliche Maßstäbe entwickelt hat.
2. Unzulässig ist auch die Verfahrensmangelrüge eines Verstoßes gegen das Amtsermittlungsgebot bzw den Untersuchungsgrundsatz.
Dieser geltend gemachte Verfahrensmangel kann auf eine Verletzung des §
103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG
ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG). Hierzu lässt sich der Beschwerdebegründung nichts entnehmen.
3. Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist jedenfalls unbegründet.
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) liegt vor, wenn die Entscheidung - hier: durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach §
124 Abs
2 SGG - auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen die Beteiligten sich nicht äußern konnten (sog
Überraschungsentscheidung, BVerfG vom 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188, 190; BVerfG vom 8.2.1994 - 1 BvR 765/89 ua - BVerfGE 89, 381, 392; vgl BSG vom 13.10.1993 - 2 BU 79/93 - SozR 3-1500 § 153 Nr 1; BSG vom 16.3.2016 - B 9 V 6/15 R - SozR 4-3100 § 60 Nr 7 RdNr 26).
Zwar trifft es zu, dass das LSG zur Überprüfung der Vergleichsraumbildung des Beklagten den "Regionalplan Nordhessen 2009"
herangezogen hat, ohne dies dem Beklagten vor seiner Entscheidung mitzuteilen. Selbst wenn dies für den Beklagten überraschend
gewesen sein sollte, kann die Entscheidung des LSG nicht hierauf iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG beruhen. Denn dessen Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, dass es aus dem Regionalplan jedenfalls nichts an seine Entscheidung
allein tragenden Gesichtspunkten abgeleitet hat, die nicht als allgemein bekannt anzusehen sind. Das LSG hat den allgemein
zugänglichen Regionalplan letztlich nur dazu herangezogen, um den Lebens- und Wohnbereich im Landkreis nach seiner Infrastruktur
und verkehrstechnischen Verbundenheit zu beschreiben. Diese Strukturen im Landkreis, deren Beschreibungen durch das LSG vom
Beklagten zudem nicht als unzutreffend bezeichnet worden sind, dürfen als - zumal dem Beklagten - bekannt vorausgesetzt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§
183,
193 SGG.