Parallelentscheidung zu BSG B 4 AS 94/21 B v. 24.08.2021
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache und der Divergenz nicht in der gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet hat (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG, §
169 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen
Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht, mit der die Klägerin, die in der Hauptsache die
Kostenübernahme für beabsichtigte Installationsarbeiten (Heizungsanlage) in ihrer selbstgenutzten Immobilie begehrt, die folgenden
vier Fragen aufwirft.
"a) Welcher Zeitpunkt ist bei § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II für die Beurteilung der Frage, ob der geltend gemachte Anspruch besteht oder nicht, bei einer ablehnenden Behördenentscheidung
und einem Unterbleiben der beantragten Maßnahme maßgeblich: das Datum der Antragstellung, das Datum der letzten Behördenentscheidung
oder das Datum der Gerichtsentscheidung?"
Zwar weist die Beschwerdebegründung mit Blick auf die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage zutreffend darauf hin, dass
auch das LSG sie in seinem Urteil aufgeworfen hat. Allerdings fehlt es an Ausführungen zu ihrer Entscheidungserheblichkeit.
"b) Kann der schlechte Gesamtzustand einer Immobilie zur Folge haben, dass die zuschussweise Übernahme der Kosten unabweisbarer
Instandsetzungsmaßnahme unangemessen wäre?"
Ob es sich trotz der Bezugnahme auf eine tatsächliche Situation um eine abstrakt zu beantwortende Rechtsfrage handelt, kann
dahinstehen. Denn die Klägerin verweist zur Klärungsbedürftigkeit zwar auf fehlende höchstrichterliche Rechtsprechung, nimmt
aber nicht dazu Stellung, ob sich die von ihr aufgeworfene Frage nicht bereits unmittelbar aus dem Gesetz praktisch ohne Zweifel
beantworten lässt (vgl etwa BSG vom 28.3.2017 - B 1 KR 66/16 B - ZMGR 2017, 211 ff). Dies wäre aber angesichts der spezifischen Regelungen in § 22 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 SGB II erforderlich gewesen.
"c) Für den Fall, dass b) bejaht werden sollte, unter welchen konkreten Voraussetzungen ist die Annahme, eine Immobilie verfüge
über einen derart schlechten Gesamtzustand, dass die zuschussweise Übernahme der Kosten unabweisbarer Instandsetzungsmaßnahme
nicht mehr in Betracht kommt, berechtigt?"
Auch hier ist - abgesehen von der Anknüpfung an Frage b) - die Klärungsbedürftigkeit nicht dargetan. Die Beschwerdebegründung
verweist wiederum auf die fehlende höchstrichterliche Klärung (ohne auf die zum früheren Rechtszustand ergangene Entscheidung des BSG vom 18.9.2014 - B 14 AS 48/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 79 einzugehen), setzt sich aber nicht mit der gesetzlichen Regelung des § 22 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II auseinander, die die Angemessenheitsgrenze an die innerhalb von zwölf Monaten anfallenden unabweisbaren Aufwendungen für
Instandhaltung und Reparatur knüpft. Dadurch soll gerade die von der Klägerin angemahnte Gleichbehandlung von Mietern und
Eigentümern erreicht werden (BT-Drucks 17/3404 S 98).
"d) Ist ein Sachverständigengutachten, welches sich im Wesentlichen darauf beschränkt, einen angeblich vorhandenen Renovierungsbedarf
aufzulisten, ohne hierbei zu thematisieren, inwieweit Bestandsschutz besteht, und ohne zu erläutern, welcher konkrete Maßstab
für die Beurteilung, welche Baumaßnahmen erforderlich sind, verwendet worden ist, geeignet, um Feststellungen zu dem im Rahmen
von § 22 Abs. 2 SGB II relevanten Gesamtzustand einer Immobilie treffen zu können?"
Diese Frage kann - ungeachtet ihres deutlichen Einzelfallbezugs - schon deshalb nicht zur Revisionszulassung führen, weil
die Klägerin mit ihr im Kern die Beweiswürdigung des LSG rügt. Dies ist indes nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ausdrücklich ausgeschlossen. Diese Regelung darf nicht durch Geltendmachung grundsätzlicher Bedeutung umgangen werden (stRspr; siehe nur BSG vom 22.9.2020 - B 13 R 45/20 B - juris RdNr 11 mwN).
Eine Abweichung (Divergenz) iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen
Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht
schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung
einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über
den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung
im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 §
160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 2017, §
160 RdNr 119). Diese Anforderungen sind nicht erfüllt.
Die Beschwerdebegründung enthält keine Anhaltspunkte für eine Abweichung des LSG im Grundsätzlichen. Vielmehr kritisiert sie
dessen Subsumtion unter die Maßstäbe der höchstrichterlichen Rechtsprechung im vorliegenden Einzelfall.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.