Gewährung einer höheren Rente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten in Ungarn
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer höheren Rente.
Im Versicherungsverlauf des 1951 geborenen Klägers sind ab August 1993 Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung
in Deutschland gespeichert. Zuvor wurden Pflichtbeiträge ausschließlich zur ungarischen Altersversicherung gezahlt. Von dort
bezieht der Kläger seit Juli 2013 eine Altersrente. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 11.7.2014 ab dem 1.8.2014
anstelle der bisherigen Erwerbsminderungsrente eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Die ungarischen Versicherungszeiten
wurden bei der Berechnung der Wartezeit von 35 Jahren gemäß Art 6 VO (EG) Nr 883/2004 zugunsten des Klägers berücksichtigt.
Der Kläger ist der Auffassung, auch bei der Bestimmung der Rentenhöhe müssten "23 weitere Beitragsjahre" zugrunde gelegt werden.
Er habe viele Jahre in Deutschland gewohnt und gearbeitet. Der Kläger hat dazu ua eine Bescheinigung seines ungarischen Arbeitgebers
vom Dezember 1980 vorgelegt, wonach er als "Exportarbeiter" nach Deutschland entsandt worden ist. Mit Widerspruchsbescheid
vom 3.3.2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 11.7.2014 zurück. Das SG Neubrandenburg
hat mit Urteil vom 13.9.2018 die Klage abgewiesen. Das LSG Mecklenburg-Vorpommern hat mit Beschluss vom 7.5.2020 die Berufung
zurückgewiesen.
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Beschluss mit einem am 18.6.2020 beim BSG eingegangenen, von ihm unterzeichneten Schreiben vom 11.6.2020 sinngemäß Beschwerde ("Widerspruch") eingelegt und die Bewilligung
von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes beantragt. Dem Schreiben war ein Berechtigungsschein des
Amtsgerichts Neubrandenburg zur rechtlichen Beratung "Falsche Berechnungen der Erwerbsunfähigkeits- und Altersrente - Beschwerde
beim Bundessozialgericht" vom 8.6.2020 beigelegt. Beides ging beim BSG am 18.6.2020 ein. Der angefochtene Beschluss war dem Kläger bereits am 14.5.2020 zugestellt worden. Auf Nachfrage der Berichterstatterin
(Schreiben vom 8.7.2020) hat der Kläger mit Datum vom 22.7.2020 mitgeteilt, er habe sein Schreiben vom 11.6.2020 am selben Tag per Einschreiben zur
Deutschen Post gegeben und sei aufgrund entsprechender Aussagen der Postangestellten von einer Postlaufzeit von zwei bis höchstens
drei Tagen ausgegangen.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH und die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision haben keinen Erfolg.
1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Einem Beteiligten kann für das Verfahren vor dem BSG nach §
73a SGG iVm §
114 Abs
1 Satz 1
ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist
hier nicht der Fall. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob alle Voraussetzungen für einen fristgerecht gestellten PKH-Antrag
erfüllt sind. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichts- und Verwaltungsakten ist jedenfalls nicht zu
erkennen, dass ein nach §
73 Abs
4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen. Auch darüber
hinaus ist eine hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu verneinen.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
der Beschluss von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht
und auf dieser Abweichung beruht(aaO Nr 2) oder
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
a) Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass eine Zulassung der Revision gegen den angegriffenen Beschluss auf §
160 Abs
2 Nr
1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache ua nur dann, wenn sie eine
Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig
und klärungsfähig, dh entscheidungserheblich sein (vgl zum Ganzen BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Dass sich eine solche hier stellen könnte, ist nicht erkennbar. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist insbesondere
geklärt, dass die Einbeziehung von in einem anderen Mitgliedstaat der EU zurückgelegten Zeiten nach Art 46 Abs 2 EWGV 1408/71 (nunmehr Art 52 der VO <EG> 883/2004) erfolgt und dass die Frage, wie eine Rente der Höhe nach zu berechnen ist, von der Frage der Berücksichtigung von ausländischen
Versicherungszeiten bei der Erfüllung der Wartezeit zu unterscheiden ist(vgl zuletzt BSG Urteil vom 26.2.2020 - B 5 R 21/18 R - SozR 4-6555 Art 25 Nr 1 RdNr 35).
b) Der Zulassungsgrund der Divergenz(§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Ein solcher kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden
abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat(BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Auch dafür liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.
c) Schließlich sind keine Verfahrensmängel nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG erkennbar, auf denen der Beschluss beruhen könnte.
Insbesondere könnte als Verfahrensmangel kein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art
101 Abs
1 Satz 2
GG erfolgreich bezeichnet werden, weil das LSG gemäß §
153 Abs
4 SGG durch Beschluss entschieden hat. Nach §
153 Abs
4 Satz 1
SGG kann das LSG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung
für nicht erforderlich hält, falls die mit dem Rechtsmittel angefochtene Entscheidung des SG kein Gerichtsbescheid ist. Die Entscheidung nach §
153 Abs
4 SGG steht im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts und kann vom Revisionsgericht nur auf fehlerhaften Gebrauch, dh sachfremde
Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen, überprüft werden. Eine derart grobe Fehleinschätzung kann hier nicht festgestellt
werden. Auch ist eine Zustimmung der Beteiligten zu einer Entscheidung nach §
153 Abs
4 SGG nicht erforderlich (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
153 RdNr
14). Schließlich wurde der Kläger zu einer Entscheidung nach §
153 Abs
4 Satz 2
SGG mit Schreiben vom 21.11.2018 ordnungsgemäß angehört. Das weitere schriftliche Vorbringen des Klägers, eingegangen beim LSG
am 21.12.2018, begründete keine entscheidungserhebliche Änderung der Prozesssituation, die eine erneute Anhörung erforderlich
gemacht hätte (vgl dazu zuletzt BSG Beschluss vom 26.5.2020 - B 2 U 25/20 B - juris RdNr 6 mwN). Auf mehrfache Nachfragen des Klägers zum Sachstand teilte der Vorsitzende Richter am LSG mit Schreiben vom 4.12.2019 mit,
dass nach wie vor beabsichtigt sei, die Berufung durch Beschluss gemäß §
153 Abs
4 SGG als unbegründet zurückzuweisen.
Soweit das LSG die Entscheidung des SG bestätigt hat, wonach dem Kläger Verfahrenskosten in Höhe von 150 Euro nach §
192 Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGG auferlegt wurden, ist eine Zulassung der Revision nur wegen der Kostenentscheidung nicht möglich (vgl Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
192 RdNr 20 mwN).
d) Es kann offenbleiben, ob als Verfahrensmangel hinreichend bezeichnet werden könnte, dass das LSG möglicherweise die vom
Kläger erhobenen Ansprüche nach §
123 SGG verkannt und über einen geltend gemachten Anspruch nicht entschieden hat. Der Kläger hat vor dem SG mehrfach sein Begehren formuliert, auch eine höhere Erwerbsminderungsrente rückwirkend zu erhalten, und dies auch vor dem
Berufungsgericht wiederholt. Das LSG hat hierüber indes nicht entschieden und als Streitgegenstand nur die Altersrente für
schwerbehinderte Menschen angesehen. Die hinreichende Erfolgsaussicht ist bei einer Entscheidung über die Bewilligung von
PKH für ein Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht allein danach zu beurteilen, ob aufgrund von Verfahrensfehlern
die Revision zuzulassen wäre. Vielmehr ist PKH auch dann zu versagen, wenn der Antragsteller letztlich in der Sache nicht
erreichen kann, was er mit dem Prozess erreichen will, wenn die Revision also im Falle ihrer Zulassung nicht zum Erfolg führen
kann oder der Antragsteller selbst nach einer Zurückverweisung der Sache an das LSG unterliegen muss (vgl BSG Beschluss vom 20.12.2016 - B 5 R 218/16 B - juris RdNr 4 mwN). So liegt der Fall hier. Die Klage mit dem Begehren, rückwirkend eine höhere Erwerbsminderungsrente zu erhalten, war bereits
unzulässig, weil es insofern an einer Verwaltungsentscheidung fehlt. Der Bescheid der Beklagten vom 11.7.2014 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 3.3.2016 betraf allein die Altersrente des Klägers.
2. Die vom Kläger privatschriftlich erhobene Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht der gesetzlichen Form. Der Kläger
konnte die Beschwerde, worauf in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses zutreffend hingewiesen worden ist,
wirksam nur durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§
73 Abs
4 SGG) einlegen lassen.
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.