Subsidiarität einer Feststellungsklage
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Klägerin begehrt im zugrunde liegenden Rechtsstreit eine Feststellung.
Die am 26.7.1949 geborene Klägerin leidet an einer Lungenkrankheit (exogen-allergische Alveolitis). Sie führt die Krankheit
darauf zurück, dass sie neben einer Vogelzuchtanlage im L-Kreis gewohnt hat, die nach ihrem Dafürhalten nicht habe betrieben
werden dürfen. Ihren erstmals im Dezember 1997 gestellten Antrag auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeits- bzw Berufsunfähigkeitsrente
lehnte die Beklagte auch im Zugunstenverfahren ab, weil ausgehend von einem am 13.8.1997 eingetretenen Leistungsfall die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Klägerin bezog ab August 2009 zunächst Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Die Beklagte gewährte ihr in einem weiteren Zugunstenverfahren rückwirkend von Juni 2008 bis Oktober 2014 eine Rente wegen
voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines am 13.8.1997 eingetretenen Leistungsfalls (Bescheid vom 14.8.2015; Widerspruchsbescheid vom 12.11.2015). Seit November 2014 bezieht die Klägerin Regelaltersrente.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin ua begehrt festzustellen, dass die Beklagte wegen der erfolgten Drittschädigung einen Regressanspruch
insbesondere gegenüber dem L-Kreis habe geltend machen müssen und sie, die Klägerin, jedenfalls so zu stellen sei, als sei
ein solcher Regress durchgeführt worden. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.9.2017). In dem von der Klägerin angestrengten Berufungsverfahren hat das LSG mit Beschluss vom 5.11.2020 das Verfahren abgetrennt,
soweit die Klägerin zudem eine Zulassung zur Beitragsnachzahlung begehrt hatte (L 5 R 298/20) sowie ua die Gewährung einer früher beginnenden und höheren Rente (L 5 R 299/20). Die hier zugrunde liegende Berufung hat das LSG mit Beschluss vom 21.1.2022 zurückgewiesen. Die Feststellungsklage sei unzulässig.
Ihr stehe der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage entgegen. Die Klägerin begehre letztlich die Gewährung weitergehender
Rentenleistungen, die sich nach Durchführung eines Beitragsregresses ergeben würden. Dies müsse sie mit einer kombinierten
Anfechtungs- und Leistungsklage erstreiten, die sie - im abgetrennten Verfahren L 5 R 299/20 - auch bereits erhoben habe. Soweit die Klägerin eine Pflicht der Beklagten zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Beitragsregress
festgestellt wissen wolle, sei sie nicht in eigenen Rechten betroffen. Insoweit bestehe das festzustellende Rechtsverhältnis
ausschließlich zwischen der Beklagten und dem L-Kreis, denn ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Ersatz von Beiträgen zur
Rentenversicherung sei nach § 119 Abs 1 Satz 1 SGB X auf die Beklagte übergegangen.
Die Klägerin hat vertreten durch den VdK Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung eingelegt.
Die Beschwerdebegründungsfrist ist bis zum 25.4.2022 verlängert worden. Mit Schriftsatz vom 15.3.2022 haben die damaligen
Prozessbevollmächtigten vor Abgabe einer Beschwerdebegründung die Niederlegung der Vertretung angezeigt. Die Klägerin, die
sich bereits mit privatschriftlichem Schreiben vom 3.3.2022 geäußert hatte, hat mit Schreiben vom 8.3.2022 Prozesskostenhilfe
(PKH) beantragt und eine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorgelegt. Sie hat sich zudem mit
privatschriftlichen Schreiben vom 7.4.2022 und 19.4.2022 geäußert und verschiedene Unterlagen vorgelegt.
II
1. Der Senat wertet das Vorbringen der Klägerin dahin, dass sie PKH begehrt, um die bereits eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde
durch einen Rechtsanwalt nach Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist des §
160a Abs
2 Satz 1
SGG begründen zu lassen (vgl hierzu etwa die Rechtsprechungsnachweise bei Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160a RdNr
11). Der PKH-Antrag ist abzulehnen. Nach §
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 Abs
1 Satz 1
ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für ein Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt oder ein Angehöriger der in §
73a Abs
1 Satz 3
SGG genannten Berufsgruppen beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es kann dahinstehen, ob es bereits an der erforderlichen Mittellosigkeit fehlt,
weil die Klägerin auf ihre offensichtlich fortbestehende Mitgliedschaft im VdK verwiesen werden kann, einem zur Prozessvertretung
vor dem BSG befugten Sozialverband (§
73 Abs
4 Satz 2, Abs
2 Satz 2 Nr
5 und 8
SGG - vgl dazu, dass beim Bestehen einer solchen Verbandsmitgliedschaft PKH erst bewilligt werden kann, wenn der Verband tatsächlich
keinen Rechtsschutz gewährt oder wenn im Einzelfall die <weitere> Inanspruchnahme des Verbandsrechtsschutzes unzumutbar ist,
BSG Beschluss vom 7.1.2016 - B 13 R 260/13 B - juris RdNr 5 mwN). Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin bietet jedenfalls keine hinreichende Erfolgsaussicht. Nach Prüfung des Streitstoffs
anhand der beigezogenen Akten ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin nicht zu erkennen, dass ein vor
dem BSG zugelassener Bevollmächtigter das Vorliegen eines Zulassungsgrunds iS des §
160 Abs
2 SGG erfolgreich geltend machen könnte.
a) Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iS von §
160 Abs
2 Nr
1 SGG sind nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage sind in der Rechtsprechung bereits
geklärt (vgl zur Subsidiarität der Feststellungsklage zB BSG Urteil vom 8.5.2007 - B 2 U 3/06 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 3 RdNr 21 mwN; BSG Urteil vom 2.7.2013 - B 4 AS 74/12 R - SozR 4-4200 § 6b Nr 2 RdNr 24 mwN; zum Feststellungsinteresse in Bezug auf ein Drittrechtsverhältnis zB BSG Urteil vom 2.8.2001 - B 7 AL 18/00 R - SozR 3-1500 § 55 Nr 34 S 63 f = juris RdNr 11). Soweit die Klägerin zur Zulässigkeit der erhobenen Feststellungsklage vorträgt und ua ausführt, warum die Beklagte ihres
Erachtens zur Geltendmachung eines Regressanspruchs gegen den L-Kreis verpflichtet sei, macht sie im Kern eine inhaltliche
Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung geltend. Darauf könnte eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung
der Rechtssache nicht gestützt werden (vgl zB BSG Beschluss vom 4.3.2021 - B 5 R 308/20 B - juris RdNr 7). Gleiches gilt für ihr Vorbringen, das LSG habe "wider besseres Wissen Ansprüche/Recht … verneint" und ihr werde eine 1997,
spätestens 2002 beginnende Rente "durch Willkür und Unrecht verweigert".
b) Ebenso fehlen Anhaltpunkte dafür, dass eine Divergenz (Zulassungsgrund nach §
160 Abs
2 Nr
2 SGG) erfolgreich geltend gemacht werden könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass das LSG einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt
hat, mit dem es von einem solchen des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abgewichen sein könnte. Das
gilt auch mit Blick auf das von der Klägerin angeführte Urteil des BSG vom 25.5.2018 (B 13 R 33/15 R). Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang ua zum Rentenbeginn vorträgt, gilt, dass die vermeintliche Unrichtigkeit der
angegriffenen Entscheidung im Einzelfall auch keine Revisionszulassung wegen Divergenz ermöglicht (stRspr; zB BSG Beschluss vom 11.3.2021 - B 5 R 296/20 B - juris RdNr 11 mwN).
c) Es weist ferner nichts auf einen Verfahrensmangel iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG hin, mit dem sich eine Revisionszulassung begründen ließe. Insbesondere liegt kein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel
darin, dass das LSG die von der Klägerin im Wege der objektiven Klagehäufung verfolgten Ansprüche gemäß §
145 Abs
1 Satz 1
ZPO iVm §
202 Satz 1
SGG auf drei Verfahren aufgeteilt hat. Eine Trennung von Verfahren mit einer Mehrheit von Streitgegenständen steht im Ermessen
des Gerichts; Maßstab für die Ermessensausübung ist die Zweckmäßigkeit der Trennung (vgl zB BSG Beschluss vom 15.7.2020 - B 12 KR 3/20 BH - juris RdNr 14 mwN). Ermessensfehler sind hier nicht ersichtlich; die Trennung erscheint vielmehr zur Förderung der Übersichtlichkeit des Prozessstoffes
nachvollziehbar. Gerade in Bezug auf ihr Feststellungsbegehren ist die Klägerin durch den Trennungsbeschluss vom 5.11.2020
auch nicht in der Wahrung ihrer Rechte beeinträchtigt worden.
Ebenso wenig ließe sich ein auf die Berufungsentscheidung durchschlagender Verfahrensmangel damit begründen, das LSG habe
den Streitgegenstand verkannt und gegen §
123 SGG verstoßen, indem es das Feststellungsbegehren der Klägerin nur auf die Pflicht der Beklagten zur Geltendmachung von Ansprüchen
auf Beitragsregress (§ 119 SGB X) bezogen habe, nicht auch auf die Pflicht zur Geltendmachung sonstiger übergegangener Schadensersatzansprüche (§ 116 SGB X). Eine derartige Verkennung des Streitgegenstands erscheint schon fernliegend angesichts des vom LSG aufgenommenen Klageantrags,
der sich auf "einen Regressanspruch" bezieht. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass das LSG ausgehend von seiner materiell-rechtlichen
Auffassung in der Annahme eines (noch) weitergehenden Streitgegenstands zu einer für die Klägerin günstigeren Entscheidung
gelangt wäre; das LSG hat das erforderliche Feststellungsinteresse in Bezug auf (alle) Pflichten im Drittrechtsverhältnis
zwischen der Beklagten und dem L-Kreis verneint.
Indem das LSG im Beschlusswege über die Berufung der Klägerin entschieden hat, hat es von einer in §
153 Abs
4 Satz 1
SGG gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht. Es spricht nichts dafür, dass eine solche Verfahrensweise hier ermessensfehlerhaft
gewesen sein könnte. Ein Einverständnis der Beteiligten ist nicht erforderlich. Das LSG hat die Klägerin mit gerichtlichem
Schreiben vom 20.11.2020 entsprechend der Vorgabe in §
153 Abs
4 Satz 2
SGG angehört und sie auf die beabsichtigte Berufungszurückweisung hingewiesen. Eine Prozesssituation, die eine erneute Anhörung
erforderlich gemacht haben könnte (vgl hierzu zB BSG Beschluss vom 21.10.2021 - B 5 R 62/21 B - juris RdNr 6 mwN), ist nicht ersichtlich. Im Übrigen hat das LSG die Klägerin, nachdem diese verschiedene Einwände gegen eine Entscheidung
im Beschlusswege erhoben hatte, mit Schreiben vom 25.1.2021 darauf hingewiesen, dass es bei den Hinweisen im Schreiben vom
20.11.2020 verbleibe.
Soweit die Klägerin die Verfahrensdauer seit der ersten Antragstellung bei der Beklagten im Jahr 1997 als "willkürlich" bezeichnet
und ua darin eine "systematische Diskriminierung" ihrer Person sieht, gilt, dass mit einer Nichtzulassungsbeschwerde nur vermeintliche
Verfahrensmängel im unmittelbar vorausgehenden Rechtszug gerügt werden können (vgl zB BSG Beschluss vom 22.3.2021 - B 13 R 10/20 B - juris RdNr 10 mwN). Selbst wenn man die Dauer des Berufungsverfahrens von mehr als vier Jahren als unangemessen lange werten wollte, ließe sich
eine Revisionszulassung damit nicht begründen. Zumindest seit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren
vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) kann eine überlange Verfahrensdauer nur nach Maßgabe von §
202 Satz 2
SGG iVm §§
198 ff
GVG in einem gesonderten Entschädigungsverfahren geltend gemacht werden (vgl BSG Beschluss vom 21.5.2013 - B 14 AS 315/12 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 5.7.2018 - B 13 R 32/15 BH - juris RdNr 21; BSG Beschluss vom 10.3.2022 - B 11 AL 64/21 B - juris RdNr 6).
Eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG; §
62 Halbsatz 1
SGG) ist nicht zu erkennen. Insbesondere liegt keine Gehörsverletzung in Form einer Überraschungsentscheidung (vgl hierzu zB BSG Beschluss vom 13.4.2022 - B 5 R 291/21 B - juris RdNr 21 mwN) darin, dass das LSG die Feststellungsklage als unzulässig erachtet hat. Dies ist bereits die Auffassung des SG gewesen. Auch eine Verletzung des aus Art
20 Abs
3 GG abgeleiteten Anspruchs auf ein faires Verfahren ist nicht ersichtlich.
Da der Klägerin keine PKH zu bewilligen ist, entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen
der PKH (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO). Es kann daher dahinstehen, ob die Klägerin zumindest sinngemäß einen solchen Antrag gestellt hat.
2. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG vom 21.1.2022 ist unzulässig und
daher durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG). Die Beschwerde entspricht nicht der gesetzlich geforderten Form. Sie ist nicht innerhalb der Begründungfrist des §
160a Abs
2 Satz 1 und
2 SGG von einem vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten begründet worden, die hier mit dem 25.4.2022 ablief.
3. Die auf die Beschwerde bezogene Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von §
193 Abs
1 und 4
SGG.