Höhere Altersrente unter Berücksichtigung weiterer rentenrechtlicher Zeiten
Absolvierung eines Kirchlichen Dienstjahres parallel zu einem Hochschulstudium
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Beteiligten streiten in einem Überprüfungsverfahren über einen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente unter
Berücksichtigung weiterer rentenrechtlicher Zeiten.
Die Beklagte gewährt dem Kläger seit dem 1.12.2008 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Bei der Rentenberechnung
im Bescheid vom 14.1.2009 berücksichtigte die Beklagte ua Anrechnungszeiten wegen Schulausbildung (25.3.1961 bis 19.3.1963)
und wegen Hochschulausbildung (1.10.1963 bis 31.8.1964). Weitere Zeiten einer Hochschulausbildung ab 1.9.1964 wurden wegen
Überschreitens der Höchstdauer nicht berücksichtigt. Auf den "Widerspruch" des Klägers vom 1.11.2013 lehnte die Beklagte eine
Änderung des Rentenbescheides auch unter Berücksichtigung von Anrechnungszeiten für ein "kirchliches Dienstjahr" für Theologiestudierende
ab (Bescheid vom 11.9.2014; Widerspruchsbescheid vom 13.1.2016).
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteile vom 6.9.2019 und vom 21.1.2022). Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem am 27.1.2022 seinen früheren Prozessbevollmächtigten zugestellten Urteil hat
der Kläger am Montag, den 28.2.2022 Beschwerde beim BSG eingelegt und Akteneinsicht beantragt. Auf seinen Antrag ist die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bis zum
28.4.2022 verlängert worden. Mit Beschluss vom 22.4.2022 hat das Berufungsgericht den Tenor im Urteil vom 21.1.2022 berichtigt
und die Gerichtsakten übersandt (Eingang beim BSG am 27.4.2022). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat daraufhin Akteneinsicht genommen, die Beschwerde mit Schriftsatz
vom 12.5.2022 begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er macht als Zulassungsgrund eine grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache geltend (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Ein Zulassungsgrund iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG ist nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise dargelegt. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
1. Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §
67 SGG wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist erfüllt sind. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist jedenfalls unzulässig,
weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Eine Rechtssache hat nur dann iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht (§
162 SGG) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch
das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen
Bedeutung muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre
(konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm
angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 §
160 Nr 30 RdNr 4 mwN; s auch Fichte in Fichte/Jüttner,
SGG, 3. Aufl 2020, §
160a RdNr 32 ff).
Der Kläger formuliert als Fragen von grundsätzlicher Bedeutung,
"ob das Kirchliche Dienstjahr in seiner Zweckbestimmung auf eine Erwerbstätigkeit hinführt oder der beruflichen Eingliederung
dienlich ist und somit als Anrechnungszeit nach §
58 Abs.
1 S. 1 Nr.
4 SGB VI bewertet werden muss",
"ob es sich bei der Absolvierung des Kirchlichen Dienstjahres parallel zu einem Hochschulstudium um eine Zeit der Fachschulausbildung
handelt und daher als Anrechnungszeit nach §
58 Abs.
1 S. 1 Nr.
4 SGB VI bewertet werden muss",
"ob es sich bei der ersten Hälfte des Kirchlichen Dienstjahres um eine Unterbrechung zwischen zwei Ausbildungsabschnitten
durch staatliche Anordnung ('von hoher Hand') handelt, sodass diese eine Übergangsanrechnungszeit darstellt und somit als
Anrechnungszeit nach §
58 Abs.
1 S. 1 Nr.
4 SGB VI zu bewerten ist."
Es kann offenbleiben, ob der Kläger damit den Anforderungen an die Formulierung aus sich heraus verständlicher abstrakt-genereller
Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts
(vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht genügt (vgl dazu BSG Beschluss vom 22.4.2020 - B 5 R 266/19 B - juris RdNr 5 mwN). Zweifel bestehen deshalb, weil alle vom Kläger aufgeworfenen Fragen unterschiedliche Voraussetzungen dafür zum Inhalt haben,
ob sein in den Jahren 1963 und 1964 in zwei Zeitabschnitten abgeleistetes kirchliches Dienstjahr "als Anrechnungszeit nach
§
58 Abs.
1 S. 1 Nr.
4 SGB VI bewertet werden muss". Damit will der Kläger eine Antwort darauf erhalten, ob die Rechtsanwendung des LSG in seinem Fall
richtig war. Der Wunsch nach einer höchstrichterlichen Überprüfung der von der Vorinstanz vorgenommenen Subsumtion vermag
die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache jedoch nicht zu begründen (vgl dazu BSG Beschluss vom 30.10.2019 - B 6 KA 22/19 B - juris RdNr 10).
Jedenfalls zeigt der Kläger einen (abstrakten) Klärungsbedarf nicht hinreichend auf. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage,
wenn die Antwort nicht außer Zweifel steht, sich zB nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder
nicht bereits höchstrichterlich entschieden ist. In der Beschwerdebegründung muss deshalb unter Auswertung der Rechtsprechung
des BSG bzw des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgebracht werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung
getroffen wurde oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die nunmehr maßgebende Frage von grundsätzlicher
Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist ( vgl zB BSG Beschluss vom 28.4.2022 - B 5 R 29/22 B - juris RdNr 9 mwN). Dies ist nicht geschehen.
Anrechnungszeiten sind nach §
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 12.12.2007 (BGBl I 2861 - aF) Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an
einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (Zeiten einer schulischen Ausbildung) teilgenommen haben, insgesamt jedoch höchstens
bis zu acht Jahren. Nach §
58 Abs
1 Satz 2
SGB VI aF zählten zu den berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen alle beruflichen Bildungsmaßnahmen, die auf die Aufnahme einer Berufsausbildung
vorbereiten oder der beruflichen Eingliederung dienen, sowie Vorbereitungslehrgänge zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses
und allgemeinbildende Kurse zum Abbau von schwerwiegenden beruflichen Bildungsdefiziten.
Zur Berücksichtigung von Zeiten einer schulischen Ausbildung als Anrechnungszeiten bei der Rentenberechnung existiert bereits
eine umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl ua BSG Urteil vom 30.3.1994 - 4 RA 11/93 - und aus jüngster Zeit BSG Urteil vom 21.10.2021 - B 5 R 23/21 R - SozR 4 <vorgesehen>). Auch zu den Voraussetzungen, unter denen der Tatbestand der Anrechnungszeit der (Schul-)Ausbildung ggf als "unvermeidbare
Zwischenzeit" erfüllt werden kann, sind bereits Entscheidungen ergangen (vgl ua BSG Urteil vom 31.8.2000 - B 4 RA 7/99 R - SozR 3-2600 § 58 Nr 14 und BSG Urteil vom 10.2.2005 - B 4 RA 26/04 R - SozR 4-2600 § 58 Nr 4). Auf keine dieser Entscheidungen nimmt die Beschwerdebegründung Bezug, so dass ihr auch nicht entnommen werden kann, welche
abstrakt-generelle Aussage das BSG in dem erstrebten Revisionsverfahren noch zu treffen hätte, die in der bisherigen Rechtsprechung nicht enthalten ist.
2. Dass der Kläger eine andere Rechtsauffassung als das LSG vertritt, genügt zur Darlegung einer Rechtssache von grundsätzlicher
Bedeutung nicht. Auf eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung in der Sache kann eine Nichtzulassungsbeschwerde
nicht gestützt werden (vgl BSG Beschluss vom 20.10.2021 - B 5 R 230/21 B - juris RdNr 6 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.