Gewährung einer höheren Regelaltersrente
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer höheren Regelaltersrente.
Der im April 1954 geborene Kläger lebt seit Dezember 1989 in Deutschland und ist als Vertriebener iS des Bundesvertriebenengesetzes anerkannt. Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 8.7.1997 und weiteren Vormerkungsbescheiden die vom Kläger im Herkunftsgebiet
zurückgelegten Zeiten nach dem Fremdrentengesetz als glaubhaft gemacht zu 5/6 an und merkte den Zeitraum vom 11.12.1989 bis zum 31.12.1990 als Ersatzzeit (Vertreibung, Flucht)
vor. Auf den Überprüfungsantrag vom August 2017 lehnte sie eine Korrektur ihrer früheren Bescheide auch unter Berücksichtigung
einer erstmals vorgelegten Bescheinigung des Staatsarchivs des Bezirks B vom 23.2.2017 über eine Beschäftigung im M-Werk für
Kolbenringe in den Jahren 1971 bis 1989 ab (Bescheid vom 5.12.2017; Widerspruchsbescheid vom 31.1.2018). Mit Bescheid vom 12.11.2019 bewilligte die Beklagte dem Kläger schließlich eine Regelaltersrente unter Zugrundelegung der
vorgemerkten rentenrechtlichen Zeiten.
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ebenso wie das SG einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Berücksichtigung der im Herkunftsgebiet zurückgelegten
Beitragszeiten als nachgewiesen zu 6/6 und unter Anerkennung weitergehender Ersatzzeiten für den Zeitraum vom 2.4.1968 bis
zum 30.11.1989 verneint (Urteil vom 21.2.2022).
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht als Zulassungsgrund eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 SG G).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die geltend gemachten
Gründe für die Zulassung einer Revision wurden nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht (§
162 SGG) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch
das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen
Bedeutung muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre
(konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm
angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 §
160 Nr 30 RdNr 4 mwN; s auch Fichte in Fichte/Jüttner,
SGG, 3. Aufl 2020, §
160a RdNr 32 ff).
Soweit der Kläger zunächst geltend macht, er habe mit der Bescheinigung des Staatsarchivs des Bezirks B den erforderlichen
Nachweis darüber geführt, dass durchgehend Beschäftigungszeiten vorgelegen hätten und es keine krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitszeiten
gegeben habe, formuliert er schon keine aus sich heraus verständliche abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich
oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht. Die Bezeichnung einer solchen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht
an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (vgl BSG Beschluss vom 22.4.2020 - B 5 R 266/19 B - juris RdNr 5 mwN).
Mit seinem Vortrag, das LSG gehe darüber hinweg, dass für ihn durchgehend Beiträge zum sowjetischen Sozialversicherungssystem
entrichtet worden seien, und gehe davon aus, dass vorübergehende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten oder sonstige
Unterbrechungstatbestände vorgelegen hätten, "was definitiv nicht stimmt", rügt er eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit der
angefochtenen Entscheidung. Dies gilt auch hinsichtlich seines Vorbringens, der Vergleich mit der Rechtsprechung zu LPG-Mitgliedern könne nicht richtig sein, das LSG habe zu hohe Anforderungen an den Nachweis von Beschäftigungszeiten gestellt
und er habe die Echtheit der Archivbescheinigung durch eine Apostille bestätigen lassen, daraus dürfe ihm kein Nachteil entstehen.
Auf eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit der Berufungsentscheidung kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden
(vgl BSG Beschluss vom 20.10.2021 - B 5 R 230/21 B - juris RdNr 6 mwN).
Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf eine Heimkehrer-Bescheinigung zur Anerkennung einer weiteren Ersatzzeit vorträgt, die
Zeit vom Tag seiner Geburt 1954 bis zum 11.12.1989 gelte als Gewahrsam iS des Häftlingshilfegesetzes, deshalb stelle sich die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, "ob nicht aus dem Rechtsgedanken dieser Bescheinigung und aus
dem weiteren Rechtsgedanken des Häftlingshilfegesetzes hier zu hohe Anforderungen an einen Nachweis von Seiten des angefochtenen Berufungsurteils gestellt worden sind", formuliert
er damit ebenfalls keine aus sich heraus verständliche abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich
oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht.
Mit seinem Vorbringen, das Berufungsgericht gehe "mit keinem Wort auf diese Frage ein", obwohl er dazu schon früher vorgetragen
habe, bezeichnet er schließlich auch nicht hinreichend eine Gehörsverletzung als einen Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG. Zwar verpflichtet der Anspruch auf rechtliches Gehör (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Verfahrensgrundrecht
schützt aber nicht davor, dass Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt
bleibt. Ebenso wenig bietet es Schutz davor, dass das Gericht die Ansicht eines Beteiligten nicht teilt (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 27.5.2016 - 1 BvR 1890/15 - SozR 4-1100 Art 103 Nr 4 RdNr 14 mwN; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 19.8.2016 - 1 BvR 1283/13 - juris RdNr 9). Das LSG hat in seinen Entscheidungsgründen umfangreich dargelegt, aus welchen Gründen es die Voraussetzungen für eine weitere
Ersatzzeit nach §
250 SGB VI als nicht erfüllt ansieht. Dazu enthält die Beschwerdebegründung jedoch keinerlei Ausführungen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
183 Satz 1 iVm §
193 Abs
1 und 4
SGG.