Parallelentscheidung zu BSG B 12 KR 14/22 BH v. 11.05.2022
Gründe
In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um das aufsichtsrechtliche Einwirken der Beklagten gegenüber
einer Krankenkasse. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 24.3.2021), das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 27.1.2022). Das Urteil wurde dem Kläger öffentlich zugestellt (§
63 Abs
2 Satz 1
SGG, §
185 Nr
1, §
186 Abs
2 ZPO), es gilt als am 16.3.2022 zugestellt (§
188 Satz 1
ZPO).
Der Kläger hat für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen LSG vom 27.1.2022
mit Schreiben vom 27.1.2022 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Mit einem am 27.4.2022 beim BSG eingegangenen Schreiben hat er die "Beiordnung eines RA - auch nach §
72 SGG - und mündliche Verhandlung" beantragt.
1. Ein besonderer Vertreter war nicht zu bestellen. Gemäß §
72 Abs
1 SGG kann für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter der Vorsitzende bis zum Eintritt eines Vormundes,
Betreuers oder Pflegers für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen,
zustehen (vgl hierzu BSG Beschluss vom 14.8.2017 - B 12 KR 103/14 B - juris RdNr 4 mwN). Hinweise für eine Prozessunfähigkeit des Klägers sind aber weder vorgetragen noch ersichtlich.
2. Eine mündliche Verhandlung war nicht durchzuführen. Sie ist in PKH-Verfahren grundsätzlich ausgeschlossen (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
127 Abs
1 Satz 1
ZPO) und steht bei Beschlüssen im Übrigen im Ermessen des Gerichts (vgl §
142 Abs
1 SGG).
3. Voraussetzung für die Bewilligung von PKH und die damit verbundene Beiordnung eines Rechtsanwalts ist nach der Rechtsprechung
sowohl des BSG als auch der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass nicht nur der (grundsätzlich auch formlos mögliche) Antrag auf
PKH, sondern auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe
(Erklärung) bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht werden. Dabei muss die Erklärung in der hierfür gesetzlich vorgeschriebenen
Form (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
117 Abs
2 und
4 ZPO), dh mit dem gemäß §
117 Abs
3 ZPO durch die Prozesskostenhilfeformularverordnung (PKHFV) vom 6.1.2014 (BGBl I 34) in neuer Fassung eingeführten Formular vorgelegt werden (vgl BSG SozR 1750 § 117 Nr 1 und 3; BVerfG SozR 1750 § 117 Nr 2 und 6; BVerfG NJW 2000, 3344). Dies ist hier nicht geschehen. Zwar ist der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH am 31.1.2022 beim BSG eingegangen und damit innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist, die für den Kläger am Dienstag, den 19.4.2022 endete (§ 160a Abs 1 Satz 2, §
64 Abs
2 und
3, §
63 Abs
2 Satz 1
SGG, §
188 Satz 1
ZPO). Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Kläger indessen nicht vorgelegt.
Der Kläger ist in den zutreffenden Erläuterungen zur PKH im Urteil des LSG und mit der Eingangsbestätigung des BSG auf das Erfordernis der Vorlage der form- und fristgerechten Erklärung bis zum Ablauf der Beschwerdefrist ausdrücklich hingewiesen
worden. Das Urteil wurde dem Kläger öffentlich zugestellt; der Senat hat nach Prüfung der Prozessakten keine Zweifel am Vorliegen
der Wirksamkeitsvoraussetzungen der öffentlichen Zustellung nach §
185 ZPO als letztes Mittel. Seine im Schreiben (Eingang vom 27.4.2022) aufgestellte Behauptung, die Entscheidung nebst Rechtsmittelbelehrung
liege nicht vor, ist daher nicht zutreffend. Es ist weder ersichtlich noch hat der Kläger dargetan, dass er an der rechtzeitigen
Vorlage der Erklärung aus Gründen verhindert war, die im Falle einer verspäteten formgerechten Beschwerdeeinlegung eine Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand (§
67 SGG) rechtfertigen könnten. Seine Behauptung, dass sich seine "Einkünfte aus den Akten ergeben", "im Übrigen Obdachlosigkeit vorliegt
(1200 - 1400 € Hotelkosten monatlich)" und "andere Senate den Bf stets als mittellos behandelt haben", sind nicht geeignet,
auf die Einreichung des Formulars zu verzichten.
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist daher abzulehnen. Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen
der PKH (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).
Über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung "auf Fortgewährung der bisherigen Leistungen" war schon deshalb nicht
zu entscheiden, weil das Verfahren keine Leistungsgewährung betrifft.