Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Kenntnisnahme von Beteiligtenvorbringen
1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll sicherstellen, dass die Ausführungen der Beteiligten vom Gericht in seine Erwägungen
miteinbezogen werden.
2. Das Prozessgericht muss aber nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten bescheiden, sondern ist nur verpflichtet,
die Darlegungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.
3. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände ergibt,
dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist.
Die Anträge des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts
Baden-Württemberg vom 5. Juni 2018 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Notanwalt beizuordnen, werden abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem oben bezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Der Nichtzulassungsbeschwerde liegt eine Nichtigkeitsklage zugrunde. Die beklagte Krankenkasse teilte dem Kläger mit Schreiben
vom 10.7.2017 mit, dass für die Monate März 2010 bis Januar 2011 und Dezember 2011 bis April 2015 ein Beitragsrückstand in
Höhe von Euro bestehe. Die daraufhin erhobene Klage, dass "der Bescheid ... vom 10. Juli 2017 ... rechtswidrig bzw. nichtig
ist", wies das SG Stuttgart als unzulässig ab (Gerichtsbescheid vom 13.12.2017 - S 8 KR 4062/17). Das LSG Baden-Württemberg wies die Berufung hiergegen zurück (Urteil vom 23.3.2018 - L 4 KR 119/18) und lehnte den Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung der Klage festzustellen, ab (Beschluss
vom 23.3.2018 - L 4 KR 133/18 ER). Die gegen beide Entscheidungen erhobene Nichtigkeitsklage hat das LSG mangels Statthaftigkeit als unzulässig verworfen
(Beschluss vom 5.6.2018). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, für die er die
Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Notanwalts beantragt hat.
II
1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH,
wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
114 Abs
1 S 1
ZPO). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.
Das BSG darf nach §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1),
der angefochtene Beschluss von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr
2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Allein deren
inhaltliche Unrichtigkeit kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen. Das Vorbringen des Klägers und die Durchsicht
der Akten haben bei der gebotenen summarischen Prüfung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines der vorgenannten Gründe ergeben.
Es ist nicht ersichtlich, dass ein beizuordnender Prozessbevollmächtigter einen der genannten Zulassungsgründe im Rahmen einer
Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen könnte.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung
über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse
erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Eine solche Rechtsfrage ist vorliegend nicht ersichtlich. Eine Divergenz kann nur
dann zur Revisionszulassung führen, wenn die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung auf einem abstrakten Rechtssatz
beruht, der von einem abstrakten Rechtssatz in einer (anderen) Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Auch hierfür ist nichts ersichtlich. Insbesondere ist die geltend gemachte
Divergenz zu den Entscheidungen des BSG vom 17.8.2017 (B 1 KR 6/17 C) und 21.5.2017 (B 1 KR 4/07 S) nicht zu erkennen.
Schließlich fehlen Anhaltspunkte dafür, dass gegen die Entscheidung des LSG durchgreifende Verfahrensrügen erhoben werden
könnten. Dass an der angegriffenen Entscheidung des LSG ein nach §
41 ZPO iVm §
60 Abs
1 SGG von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossener Richter mitgewirkt hätte, ist weder nachvollziehbar aufgezeigt worden noch
ersichtlich. Auch die geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art
103 GG, §§
62,
128 Abs 2
SGG) ist nicht zu erkennen. Dieser Anspruch soll zwar ua sicherstellen, dass die Ausführungen der Beteiligten vom Gericht in
seine Erwägungen miteinbezogen werden. Das Prozessgericht hat jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten zu
bescheiden. Vielmehr verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs nur, deren Darlegungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung
zu ziehen. Es ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht dieser
Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG [Kammer] Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - Juris RdNr 11 mwN; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216). Solche Umstände sind weder dargetan noch ersichtlich.
2. Auch der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts ist abzulehnen. Nach §
202 SGG iVm §
78b Abs
1 ZPO hat das Prozessgericht, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einem Beteiligten auf seinen Antrag durch Beschluss
für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, wenn er einen zu seiner Vertretung bereiten
Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Unabhängig
davon, ob der Kläger ein erfolgloses Bemühen um eine Prozessvertretung bei zumindest fünf zugelassenen Prozessbevollmächtigten
(BSG Beschluss vom 26.7.2017 - B 12 R 28/17 B - Juris RdNr 11 mwN) hinreichend aufgezeigt hat, ist die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den oben zu 1. dargelegten
Gründen aussichtslos.
3. Da der Kläger die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG wirksam nur durch zugelassene
Prozessbevollmächtigte einlegen kann (§
73 Abs
4 SGG), entspricht das von ihm selbst eingelegte Rechtsmittel nicht der gesetzlichen Form. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde
ist daher ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.