Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken
Bezeichnung einer abstrakten Rechtsfrage als unverzichtbare Zulässigkeitsvoraussetzung
1. Zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung stützt,
genügt die Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht.
2. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch des
BSG, im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll.
3. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbare Zulässigkeitsvoraussetzung,
damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann.
Gründe:
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Rentenversicherungspflicht
des Klägers aufgrund einer Beschäftigung bei einem Luftfahrtunternehmen. Zuvor war er wegen Erreichens der besonderen Altersgrenze
von 41 Jahren aus dem aktiven Dienst als Strahlflugzeugführer der Bundeswehr ausgeschieden. Seine Versorgungsbezüge wurden
auf 57 vH der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge festgesetzt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Hamburg vom 27.3.2014 ist in entsprechender
Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen.
Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 28.7.2014 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung des Rechtsstreits (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche
Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht
zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7 und BVerfG SozR 4-1500 § 160a Nr 12, 24). Die Beschwerdebegründung hat
deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten
ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im Allgemeininteresse vornehmen soll
(BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Zwar kann auch eine bereits höchstrichterlich entschiedene Frage erneut klärungsbedürftig werden, hierfür ist jedoch
darzulegen, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprochen worden ist oder dass sich völlig
neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn das BSG bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden haben, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen
ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage
geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 sowie SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6). Zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung
stützt, genügt die Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur
und Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG, im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; vgl auch BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger versäumt es bereits, eine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit
einer konkreten revisiblen (Bundes-)Norm (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht - zu formulieren (vgl zu diesem Erfordernis allgemein zB BSG vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbare
Zulässigkeitsvoraussetzung, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann
(Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181).
Soweit dem Vorbringen des Klägers sinngemäß die Frage nach der Vereinbarkeit von §
5 Abs
4 Nr
2 SGB VI mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art
3 Abs
1 GG entnommen werden kann, folgt die Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde darüber hinaus daraus, dass der Kläger weder
die Klärungsbedürftigkeit noch die Klärungsfähigkeit dieser Frage den og Anforderungen entsprechend darlegt. Auf die Klärungsfähigkeit
der Rechtsfrage geht er überhaupt nicht ein, was bereits für sich genommen zur Unzulässigkeit der Grundsatzrüge führt. Im
Hinblick auf die Klärungsbedürftigkeit der so verstandenen Rechtsfrage räumt der Kläger zunächst ausdrücklich ein, dass sich
das LSG in der angegriffenen Entscheidung auf einschlägige Rechtsprechung des BSG habe stützen können. Dies legt es nahe, dass die von ihm angesprochene Frage bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung
beantwortet ist. In dieser Situation hätte er sich zur Darlegung einer fortbestehenden Klärungsbedürftigkeit nicht nur auf
Abweichungen des Sachverhalts der jeweiligen Entscheidungen von dem im vorliegenden Falle berufen und seine von dieser Rechtsprechung
abweichende Meinung darstellen dürfen. Vielmehr hätte er die in den höchstrichterlichen Entscheidungen entwickelten Rechtssätze
herausarbeiten und auf ihre Bedeutung für die Beantwortung der genannten Frage hin untersuchen müssen. Dies gelingt dem Kläger
allenfalls ansatzweise. Gleichzeitig legt der Kläger auch nicht in der gebotenen Weise dar, dass die Frage uU erneut klärungsbedürftig
geworden sei. Insbesondere trägt er weder vor, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprochen
worden ist, noch arbeitet er heraus, dass es sich bei den von ihm für seine abweichende Rechtsauffassung angeführten Argumenten
um völlig neue, bisher nicht erwogene Gesichtspunkte handelt, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten. Gleichzeitig
versäumt es der Kläger bei seinen Ausführungen zur vermeintlichen Verfassungswidrigkeit des §
5 Abs
4 Nr
2 SGB VI - wie erforderlich - unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, die hierin
entwickelten Anforderungen an die Gleichheitsprüfung am Maßstab des Art
3 Abs
1 GG darzustellen und im Wege einer streng hieran orientierten Prüfung konkret aufzuzeigen, woraus sich die Verfassungswidrigkeit
vorliegend ergeben soll. Soweit der Kläger einzelne Gesichtspunkte der Gleichheitsprüfung anspricht, fehlt der Prüfung die
mindestnotwendige Tiefe (vgl dazu allgemein zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
160a RdNr 14e mit umfangreichen Nachweisen).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.