Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren
Bezeichnung des Verfahrensmangels eines Verstoßes gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht
Gründe:
I
Streitig war zuletzt noch ein Anspruch auf Gewährung weiteren Krankengeldes (Krg) für die Zeit von Mitte Februar 2014 bis
zum 30.4.2014.
Der 1958 geborene Kläger, der seit dem 25.4.2013 arbeitslos war und seit dem 1.5.2014 Rente wegen voller Erwerbsminderung
bezog, erhielt zunächst Arbeitslosengeld (Alg) I und seit Eintritt der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit (AU) am 16.5.2013
von der beklagten Krankenkasse Krg, das bis zum 28.10.2013 gezahlt wurde (Bescheid vom 30.7.2013, Abhilfebescheid vom 16.1.2014).
Während einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation erhielt der Kläger Übergangsgeld (29.10.2013 bis 20.11.2013). Den
Antrag auf Weiterzahlung des Krg ab 21.11.2013 lehnte die Beklagte ab, weil sie den Kläger wieder für arbeitsfähig hielt (Bescheid
vom 16.1.2014, Widerspruchsbescheid vom 8.5.2014). Stattdessen bezog der Kläger ab 21.11.2013 wieder Alg, jedoch wegen der
zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens nur in verringerter Höhe.
Das SG hat die Klage auf Gewährung von Krg für die Zeit vom 21.11.2013 bis zum 30.4.2014 nach Beweisaufnahme abgewiesen (Urteil
vom 28.7.2015). Im Berufungsverfahren hat das LSG der Klage ab 21.11.2013 für weitere zwölf Wochen, also bis Mitte Februar
2014, stattgegeben, weil nach dem Entlassungsbericht des Rehabilitationsträgers vom 21.11.2013 mit der Wiederherstellung der
Arbeitsfähigkeit für täglich drei bis unter sechs Stunden erst nach einer Rekonvaleszenzzeit von weiteren zwölf Wochen gerechnet
werden konnte und die behandelnden Ärzte laufend AU attestiert hätten. Für das Fortbestehen der AU ab Mitte Februar 2014 fehle
es allerdings an entsprechenden Nachweisen, sodass die Klage insoweit unbegründet sei (Urteil vom 22.6.2016). Dazu hat das
LSG ausgeführt: "Objektive Befunde für die Zeit von Februar bis einschließlich April 2014 liegen nicht vor. Besuche beim Orthopäden
erfolgten offenbar jeweils nur zur Fortschreibung der AU mit Nennung der unveränderten Diagnosen. Als Diagnosen sind vermerkt
M 16.2, Coxarthrose als Folge Dysplasie beidseits, sowie M 51.1 oder M 51.4, womit lumbale oder sonstige Bandscheibenschäden
erfasst sind. Da weitere Untersuchungsbefunde aus dieser Zeit auch nicht in der Akte der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern
vorliegen und eine Untersuchung dort erst 2015 stattfand, ist für den Zeitraum 12 Wochen nach der Entlassung aus der Reha
nicht mit ausreichender Sicherheit nachgewiesen, dass durchgehend AU bestand. Insoweit kann den Ausführungen von Dr. N. (Gutachten
vom 18.5.2015) und den Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes gefolgt werden, da zumindest zum Zeitpunkt ihrer Untersuchung
eine Leistungsfähigkeit von mehr als drei Stunden gegeben war, was auch in Einklang steht mit der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers,
Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit wegen des verschlossenen Arbeitsmarkts zu bewilligen. Die ohne weitere Begründung und ohne
den Nachweis von Befunden durch die behandelnden Ärzte ausgestellten AU-Bescheinigungen reichen als Nachweis der AU bis 30.4.2014
nach Auffassung des Senats nicht aus. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG beantragt hatte, ein weiteres Gutachten einzuholen, war diesem Antrag nicht zu entsprechen, da mangels objektivierbarer Befunde
aus dieser Zeit und dem Ergebnis der Untersuchung durch Dr. N. zu einem späteren Zeitpunkt kein Aufklärungsbedarf bestand."
Mit der Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch §
160 Abs
2, §
160a Abs
2 SGG normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1, §
169 SGG). Der Kläger weist zwar auf gesetzliche Zulassungsgründe hin, nämlich auf die Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung
(§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) sowie auf Verfahrensfehler (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), jedoch sind die Zulassungsgründe nicht so dargelegt worden, wie §
160a Abs
2 S 3
SGG dies verlangt.
1. Als Verfahrensfehler rügt der Kläger in erster Linie die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§
103 SGG). Das Vorbringen dazu genügt aber nicht den formellen Anforderungen des §
160a Abs
2 S 3
SGG.
a) Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels die ihn (vermeintlich)
begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG
- ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der
Entscheidung besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Wird ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne
Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund
derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe
des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des
LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten
Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren
Ergebnis hätte gelangen könne (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).
b) Diesen Maßstäben entspricht das Beschwerdevorbringen nicht, weil es bereits an der Bezeichnung eines konkreten Beweisantrages
fehlt, den das LSG zu Unrecht übergangen haben soll. Nach §
118 Abs
1 SGG iVm §
403 ZPO ist der Beweis durch die Bezeichnung der zu begutachtenden Punkte anzutreten, also durch die Aufführung der noch aufklärungsbedürftigen
anspruchsbegründenden oder anspruchsvernichtenden Tatsachen. Der schlichte (Hilfs-)Antrag auf "Einholung eines weiteren Gutachtens"
(vgl Sitzungsniederschrift vom 22.6.2016) reicht insoweit nicht aus. Die in der Beschwerdebegründung vom 31.10.2016 genannten
fünf medizinischen Fragestellungen, die sich wortgleich auch in der Berufungsbegründung vom 31.8.2015 finden und auf die der
Kläger in seinem (Hilfs-)Antrag auf Einholung eines "Obergutachtens" vom 15.10.2015 Bezug genommen hat, sind im maßgeblichen
Beweisantrag vom 22.6.2016 nicht aufgeführt. Daher kann diesem Beweisantrag nicht entnommen werden, zu welchem konkreten Beweisthema
das Sachverständigengutachten erstellt werden sollte. Die Beschwerde legt auch nicht dar, weshalb sich das LSG zur weiteren
Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen, weil nach den getroffenen Feststellungen (vgl Urteilsumdruck S 8/9) für die noch
streitige Zeit von Mitte Februar bis 30.4.2014 keine objektivierbaren Befunde vorliegen und es in diesem Zeitraum auch keine
ärztliche Untersuchung gegeben hat. Es wird auch nicht erläutert, zu welchem konkreten anderen Ergebnis das LSG im Falle der
Einholung des gewünschten weiteren Gutachtens hätte kommen können.
2. Soweit der Kläger "Verstöße gegen die Logik" rügt, handelt es sich der Sache nach um die Geltendmachung einer Verletzung
von Denkgesetzen. Damit greift der Kläger die Beweiswürdigung durch das LSG an. Mit diesem Angriff kann jedoch ein Verfahrensfehler
nicht begründet werden, weil ein Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach §
160 Abs
2 Nr
3 iVm §
128 Abs
1 S 1
SGG von vornherein nicht geeignet ist, zur Zulassung der Revision zu führen.
3. Der Vorwurf, das LSG habe angesichts der vom behandelnden Orthopäden Dr. H. fortlaufend ausgestellten AU-Bescheinigungen
von einer Umkehr der Beweislast zugunsten des Klägers ausgehen müssen, ist ebenfalls nicht geeignet, einen Verfahrensfehler
des LSG zu begründen. Die (objektive bzw materielle) Beweislast regelt, wen die Folgen treffen, wenn das Gericht eine bestimmte
Tatsache trotz Ausschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen kann (non liquet), und betrifft damit das materielle
Recht (BVerwGE 45, 131, 132; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
103 RdNr 19a mwN). Es geht also nicht um einen Verfahrensfehler, sondern wiederum um die mit einer Nichtzulassungsbeschwerde
nicht angreifbare Beweiswürdigung.
4. Der Kläger legt auch eine Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) nicht formgerecht dar.
a) Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht
übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem
vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG
nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat.
Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die
Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene
Urteil auf der Abweichung beruht (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG). Die Beschwerdebegründung muss also erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung
enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden,
dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, vgl
BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 ff; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 S 22).
b) Der Kläger trägt vor, der Bezug von Alg im fraglichen Zeitraum entsprechend einem reduzierten Leistungsvermögen von täglich
drei Stunden schließe den Anspruch auf Krg nicht aus, und macht dazu einen "möglichen" Widerspruch zum Urteil des BSG vom 2.11.2007 - B 1 KR 38/06 R - (SozR 4-2500 § 44 Nr 14) geltend. Die Rüge einer Divergenz kann diesem Vorbringen aber nicht entnommen werden, weil nicht
dargelegt wird, dass das LSG überhaupt einen dem entgegenstehenden Rechtssatz aufgestellt hat. Im Gegenteil: das LSG hat dem
Kläger für weitere zwölf Wochen nach dem 21.11.2013 Krg zugesprochen, obgleich diesem ab 21.11.2013 bereits Alg gezahlt worden
war und das LSG diesen Umstand kannte. Die Abweisung der Klage für die Zeit ab Mitte Februar 2014 hat das LSG nicht mit dem
Bezug von Alg begründet.
5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
6. Die Kostenentscheidung basiert auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.