Leistungen nach dem SGB XII
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Bewilligung von Kraftfahrzeughilfe
Gründe
I
Im Streit sind Ansprüche der Klägerin zu 1 auf höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen)
nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) und die Bewilligung von Kraftfahrzeughilfe (Kfz-Hilfe) an den mittlerweile verstorbenen Sohn der Kläger zu 2 und 3.
Die 1992 geborene Klägerin zu 1 ist schwerbehindert (Grad der Behinderung <GdB> von 100) und vollständig erwerbsgemindert.
Sie bezieht neben einer Vergütung aus einer Tätigkeit im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) laufend
Grundsicherungsleistungen von dem beklagten örtlichen Träger der Sozialhilfe. Die Kläger zu 2 und 3 (ihre Eltern) sind die
Rechtsnachfolger des während des Berufungsverfahrens verstorbenen Bruders bzw Sohnes K. K war aufgrund geistiger und körperlicher
Behinderungen ebenfalls schwerbehindert (GdB von 100; Merkzeichen G, B, aG und H) und lebte - wie auch die Klägerin zu 1 weiterhin
- im Haushalt der Kläger zu 2 und 3, von denen er auch gepflegt wurde. Das Begehren der Klägerin zu 1 auf Bewilligung höherer
Grundsicherungsleistungen (im Wege der abweichenden Bemessung der Regelleistung bzw als Mehrbedarf) für die Zeit ab dem 1.12.2012
blieb im Wesentlichen ohne Erfolg (Bescheide vom 1.2.2013 und vom 19.4.2013; Widerspruchsbescheid vom 30.4.2013). Zugleich mit Klageerhebung im Mai 2013 machte K Ansprüche gegen die Beklagte auf Bewilligung von Kfz-Hilfe geltend. Die
Klagen und Berufungen haben keinen Erfolg gehabt (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> Leipzig vom 17.10.2013; Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts <LSG> vom 19.12.2019). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klage auf Gewährung von Kfz-Hilfe sei wegen doppelter Rechtshängigkeit
unzulässig, weil ein solcher Anspruch, der sich nur gegen den im vorliegenden Verfahren beigeladenen überörtlichen Träger
richten könne, bereits Gegenstand des Verfahrens L 8 SO 129/13 sei. Ein Anspruch der Klägerin zu 1 auf höhere Grundsicherungsleistungen
bestehe nicht, weil die von ihr geltend gemachten Bedarfe (vor allem für den Kauf von Puppen, Büchern, Kosmetika, Besuche
von Kulturveranstaltungen etc) mit dem Regelbedarf bereits abschließend berücksichtigt seien.
Hiergegen haben die Kläger Beschwerden eingelegt sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines
Rechtsanwalts beantragt.
II
Die Anträge auf Bewilligung von PKH sind nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§
73a Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm §
114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§
73 Abs
4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend
nicht der Fall.
Der Rechtssache der Klägerin zu 1 kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Diese Voraussetzungen liegen angesichts der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur abweichenden Festlegung des individuellen
Bedarfs im Einzelfall nicht vor (Bundessozialgericht <BSG> vom 20.4.2016 - B 8 SO 5/15 R - BSGE 121, 139 = SozR 4-3500 § 18 Nr 3 RdNr 13). Mit der gesetzgeberischen Typisierung und Pauschalierung der Regelbedarfe unterstellt der Gesetzgeber normativ eine Bedarfsdeckung
(vgl dazu auch BSG vom 24.2.2016 - B 8 SO 13/14 R - juris RdNr 19; BSG vom 23.7.2014 - B 8 SO 14/13 R - BSGE 116, 210 = SozR 4-3500 § 28 Nr 9, RdNr 24). Der Bedarf für Körperpflege und damit auch für Kosmetika wird durch den Regelsatz bereits nach dem Wortlaut des § 27a Abs 1 SGB XII erfasst, wie auch der Bedarf für Spielzeug und Hobbywaren, Bücher, Datenverarbeitungsgeräte sowie für Besuche von Kulturveranstaltungen
bei der Festsetzung regelbedarfsrelevanter Verbrauchsausgaben in dem Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (in der Fassung vom 24.3.2011 <BGBl I 453> - Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz <RBEG>) Berücksichtigung fanden (vgl BT-Drucks 17/3404 S 61). Bei der Frage, ob die Klägerin zu 1 Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen hat, handelt es sich damit um einen Einzelfall,
sodass dahinstehen kann, ob die Klägerin zu 1 solche Ansprüche überhaupt noch geltend macht. Die Frage, ob das LSG im Einzelfall
richtig entschieden hat, kann die Revision ohnehin nicht eröffnen.
Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen ebenso wenig. Gleiches gilt für den (im Wege der objektiven und subjektiven
Klagehäufung verbundenen) Anspruch auf Kfz-Hilfe des K. Das LSG hat die Klage insoweit zutreffend als unzulässig angesehen
(dazu sogleich), sodass vorliegend in der Sache nicht über einen Anspruch auf Kfz-Hilfe entschieden werden kann. Damit sind Fragen grundsätzlicher
Bedeutung wegen der Bewilligung von Kfz-Hilfe (zusammenfassend bereits BSG vom 8.3.2017 - B 8 SO 2/16 R - SozR 4-1500 § 55 Nr 20) hier nicht zu klären.
Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Insbesondere wegen der Ansprüche auf Kfz-Hilfe hat das LSG die Klage
zutreffend als unzulässig angesehen. Wegen solcher von K geltend gemachter Ansprüche liegt eine doppelte Rechtshängigkeit
vor, weil diese Ansprüche, die die Kläger zu 2 und 3 als Rechtsnachfolger des K zuletzt noch gegen den Beigeladenen gerichtet
haben, Gegenstand eines bereits seit 2012 anhängig gewesenen Rechtsstreits sind (dazu Beschluss des Senats vom 11.6.2021 - B 8 SO 10/20 B). Soweit nunmehr auch die Klägerin zu 1 solche Ansprüche geltend macht, ist ihre Klage schon deshalb unzulässig, weil ihr
gegenüber weder die Beklagte noch die Beigeladene eine anfechtbare Entscheidung wegen der Kfz-Hilfe getroffen haben und es
damit an einem überprüfbaren Verwaltungsakt als Sachurteilsvoraussetzung für eine Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl §
54 Abs
1, Abs
4 SGG) fehlt. Soweit die Kläger die Dauer des Verfahrens rügen und Entschädigung hierfür verlangen (§
198 Abs
3 Gerichtsverfassungsgesetz <GVG>), kann dies nur Gegenstand einer Entschädigungsklage nach §
198 Abs
5 GVG, nicht aber des vorliegenden Verfahrens sein.
Mit der Ablehnung der PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).
Die von den Klägern ohne zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegten Beschwerden entsprechen nicht den zwingenden gesetzlichen
Vorschriften. Sie müssen sich vor dem BSG gemäß §
73 Abs
4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Die Kläger können eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht
vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach §
73 Abs
4 Satz 2
SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach
§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.