Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII
Übernahme von Kosten für die Einlagerung selbst geschaffener Kunstwerke und eines Fernsehgeräts
Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Im Streit steht die Übernahme von Kosten für die Einlagerung selbst geschaffener Kunstwerke und eines Fernsehgeräts als Leistungen
der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Der Kläger bezieht neben einer Rente seit 2005 vom Beklagten Grundsicherungsleistungen. Nachdem seine Wohnung 2017 zwangsgeräumt
wurde, lebt er in verschiedenen Wohnheimen in B. Er lagerte selbst geschaffene Kunstwerke sowie ein Fernsehgerät bei einer
Umzugsfirma ein. Die Einlagerungskosten in Höhe von monatlich 154,70 Euro übernahm der Beklagte bis einschließlich April 2019,
teilte aber mit, dass ab 1.5.2019 keine Lagerkosten übernommen werden könnten, wenn der Kläger keinen Nachweis über eine intensive
Wohnungssuche vorlege. Einen Antrag auf Übernahme von Einlagerungskosten ab 1.5.2019 lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 29.4.2019; Widerspruchsbescheid vom 19.6.2019). Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.4.2021). Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat die Berufung durch Beschluss ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter
zurückgewiesen (Beschluss vom 30.3.2022). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, bei den eingelagerten Sachen handele es sich ganz überwiegend
nicht um Gegenstände mit Wohnbezug und damit bei den Lagerkosten nicht um Kosten der Unterkunft. Die Voraussetzungen einer
abweichenden Regelsatzfestsetzung nach § 27a Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB XII seien nicht erfüllt, weil sich die geltend gemachten Lagerkosten iHv insgesamt über 8000 Euro nicht als unausweichlich darstellten.
Der Beklagte sei nicht über die im Regelbedarf für Freizeit, Unterhaltung und Kultur vorgesehenen Anteile hinaus zur finanziellen
Unterstützung der Kunstausübung des Klägers im Wege der Übernahme der Einlagerungskosten verpflichtet. Ein solcher Anspruch
ergebe sich nicht aus der Kunstfreiheit nach Art
5 Abs
3 Satz 1
Grundgesetz (
GG). Der Anspruch ergebe sich schließlich nicht aus § 67 SGB XII. Jedenfalls sei die weitere Finanzierung des Lagerraums nicht zur Überwindung ggf beim Kläger bestehender sozialer Schwierigkeiten
geeignet.
Der Kläger beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts seiner Wahl für eine
beabsichtigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Beschluss.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§
73a Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz -
SGG - iVm §
114 Zivilprozessordnung -
ZPO -); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre zu bejahen, wenn einer der drei in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§
73 Abs
4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist nicht
der Fall.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Es stellen sich im vorliegenden Verfahren keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Übernahme
von Lagerkosten für Kunstwerke. Das BSG hat für den Anwendungsbereich des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch - SGB II - bereits entschieden, unter welchen Voraussetzungen Einlagerungskosten für Gegenstände aus dem persönlichen Lebensbereich
insbesondere bei Wohnungslosigkeit des Leistungsberechtigten erstattungsfähige Kosten der Unterkunft sein können (BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 1/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 14 RdNr 21). Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Auslegung von § 42 Nr 4 Buchst a, § 42a Abs 1, § 35 Abs 1 SGB XII in gleicher Weise vorzunehmen ist, weil sich in beiden Rechtskreisen das Grundbedürfnis des Wohnens, das mit Existenzsicherungsleistungen
zu schützen ist, im Ausgangspunkt gleich darstellt (zuletzt BSG vom 2.9.2021 - B 8 SO 13/19 R - RdNr 16, für SozR 4 vorgesehen). Damit wird nicht erkennbar, welche über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfragen sich in diesem Zusammenhang stellen könnten.
Das gilt auch, soweit das LSG einen Anspruch aus § 27a Abs 4 Nr 2 SGB XII verneint hat, weil der entstandene Bedarf für Lagerkosten im vorliegenden Fall nicht "unausweichlich" ist. Es ist nicht erkennbar,
weshalb der unbestimmte Rechtsbegriff der "Unausweichlichkeit" vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) zum Verhältnis von pauschaliertem Regelsatz zu unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfen,
die im Einzelfall für ein menschenwürdiges Existenzminimum erforderlich sind (vgl nur BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 260 = juris RdNr 206 ff), und der Rechtsprechung des BSG zu unabweisbaren Mehrbedarfen zur Existenzsicherung im Anwendungsbereich des § 21 Abs 6 SGB II (zuletzt BSG vom 26.1.2022 - B 4 AS 3/21 R - RdNr 16 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen) weiterer Ausformung in rechtlicher Hinsicht bedürfte. Schließlich liegt auch Rechtsprechung des Senats dazu vor, welche Voraussetzungen
für einen Anspruch auf Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§§ 67, 68 SGB XII) insbesondere in einer Mangelsituation an Wohnraum bestehen (BSG vom 12.12.2013 - B 8 SO 24/12 R - SozR 4-3500 § 67 Nr 1 RdNr 16). Die Frage nach der Richtigkeit der Entscheidung im Einzelfall kann die grundsätzliche Bedeutung aber nicht begründen. Zulässiger
Gegenstand eines Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das LSG im Einzelfall richtig entschieden hat (vgl nur BSG vom 14.4.2021 - B 8 SO 86/20 B - RdNr 6; BSG vom 14.10.2021 - B 8 SO 3/21 B RdNr 10; BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).
Nach dem Vorstehenden ist auch nicht erkennbar, dass eine Divergenzrüge (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.
Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Zutreffend hat das LSG ausgeführt, dass die Klage lediglich bezogen
auf Leistungszeiträume von Mai 2019 bis Februar 2020 zulässig war, und wegen der übrigen Zeiten nicht in der Sache entschieden.
Ferner ist nicht ersichtlich, dass ein Verstoß gegen §
153 Abs
4 SGG mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Nach §
153 Abs
4 Satz 1
SGG kann das LSG, außer in den Fällen, in denen das SG durch Gerichtsbescheid (§
105 Abs
2 Satz 1
SGG) entschieden hat, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung
nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind gemäß §
153 Abs
4 Satz 2
SGG vorher zu hören, was hier geschehen ist. Die Entscheidung, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß
§
153 Abs
4 Satz 1
SGG zurückzuweisen, steht in pflichtgemäßem Ermessen des Berufungsgerichts und kann nur auf fehlerhaften Gebrauch, dh sachfremde
Erwägungen und grobe Fehleinschätzung, überprüft werden (BSG vom 30.3.2021 - B 8 SO 73/20 B - juris RdNr 8; BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13; BSG vom 12.2.2009 - B 5 R 386/07 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 7). Für einen Ermessensfehlgebrauch ist hier nach Lage der Akten aber nichts erkennbar.
Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§
73a Abs
1 SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).