Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich aG
Verfahrensrüge
Warnfunktion eines Beweisantrages
Übergehen eines Beweisantrages
Rechtskundig vertretene Beteiligte
1. Ein Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren eine Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der
Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen
wird.
2. Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt, so ist er dann nicht i.S. des §
160 Abs.
2 Nr.
3 Halbs. 2
SGG übergangen worden, wenn den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er in der maßgebenden mündlichen Verhandlung nicht weiterverfolgt
wurde.
3. Dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten regelmäßig anzunehmen, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung nur
noch ein Sachantrag gestellt und der Beweisantrag nicht wenigstens hilfsweise wiederholt wird.
Gründe:
I
Das LSG hat mit Urteil vom 11.8.2017 einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für
den Nachteilsausgleich "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) und "H" (Hilflosigkeit) verneint, weil deren Voraussetzungen
beim Kläger nach den medizinischen Feststellungen nicht vorlägen. Anlass zu weiteren Ermittlungen bestehe nicht, der medizinisch
festgestellte Sachverhalt biete die Basis für die vorzunehmende rechtliche Bewertung der Voraussetzungen der Merkzeichen "aG"
und "H". Das sich aus der Einsetzung des Stents erhebliche Mobilitätsbeeinträchtigungen ergäben, sei weder vorgetragen noch
sonst ersichtlich.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt, mit der er einen Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) geltend macht.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung vom 9.12.2017 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen,
weil die behauptete grundsätzliche Bedeutung sowie ein Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl §
160a Abs
2 S 3
SGG).
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des
Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch
nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin,
um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit
(Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog
Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diese Voraussetzungen werden von der Beschwerdebegründung nicht erfüllt. Der Kläger hat bereits keine Rechtsfrage
dargelegt.
Soweit der Kläger der Frage grundsätzliche Bedeutung beimisst, "inwieweit hirnorganische Schäden auch das Merkzeichen 'aG'
begründen können," fehlt es bereits an der Angabe des konkreten Tatbestandsmerkmals einer gesetzlichen bzw einer untergesetzlichen
Norm des Bundesrechts, deren Bedeutungsgehalt grundsätzlich klärungsbedürftig sein soll (s hierzu die Darstellung ab S 7 ff
des angefochtenen Urteils). Mit der aufgeworfenen Fragestellung zielt die Beschwerde vielmehr im Kern auf die Art und Weise
von Beweisführung und -würdigung bei der Feststellung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG"
ab. Dies ist indes Aufgabe des Tatsachengerichts (vgl BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 18 RdNr
11 mwN) und kann insoweit gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht überprüft werden.
2. Ferner gelingt es der Beschwerde nicht, den behaupteten Verfahrensmangel ordnungsgemäß darzulegen. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde
darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Insoweit hat der Kläger bereits nicht aufgezeigt, dass er einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bis zum Ende der
mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 11.8.2017 gestellt und aufrechterhalten habe. Ein Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen
Verfahren eine Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche
Aufklärungspflicht von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen wird. Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden
Schriftsatz gestellt, so ist er dann nicht iS des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG übergangen worden, wenn den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er in der maßgebenden mündlichen Verhandlung nicht weiterverfolgt
wurde. Dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten regelmäßig anzunehmen, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung
nur noch ein Sachantrag gestellt und der Beweisantrag nicht wenigstens hilfsweise wiederholt wird (BSG Beschluss vom 5.3.2002 - B 13 RJ 193/01 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 35 S 73 mwN). Der vor dem LSG bereits rechtskundig vertretene Kläger trägt lediglich vor, einen
Beweisantrag mit Schriftsatz vom 9.3.2017, 28.3.2017 sowie durch Vorlage des neurootologischen Gutachtens von PD Dr. S. vom
22.5.2008 gestellt zu haben. Dabei behauptet er selbst allerdings nicht, dass er diese Anträge zumindest hilfsweise zu Protokoll
der mündlichen Verhandlung des LSG am 11.8.2017 gestellt bzw aufrechterhalten habe. Bloße Angriffe auf die Beweiswürdigung
des LSG können - wie oben ausgeführt - nicht zur Zulassung der Revision führen, auch wenn sie in die Gestalt einer Sachaufklärungsrüge
gekleidet sind. Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse oder unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen gehört
wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten
für überzeugend, so darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Bei einer derartigen Fallgestaltung
ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 8).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2, §
169 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.