Sozialversicherungspflicht von Nachtwachen in einem Pflegeheim; Bestimmtheit von Verwaltungsakten
Tatbestand
Streitgegenstand ist die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und der Umlage U2 nach dem seit 1. Januar 2006
geltenden Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) für das Jahr 2006 in Höhe von insgesamt EUR 58.696,50 für die Beigeladenen zu 1) und 3) sowie die während des Rechtsstreits
am 13. Juli 2010 verstorbene Mutter des Beigeladenen zu 2), - im Folgenden: Beigeladene zu 2) - für jeweils unterschiedliche
Zeiträume zwischen dem 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006.
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in H., der laut Selbstauskunft im Internet in Krankenhäusern, eigenen Alteneinrichtungen
und auf anderen Arbeitsfeldern weit über 1000 Mitarbeitende, hauptsächlich in der Kranken-, Alten- und Familienpflege, beschäftigt.
Unter anderem betreibt er das Altenpflegeheim "A. d. R." in K.-M. (im Folgenden Altenpflegeheim) mit 56 Pflegeplätzen, das
zuvor von dem Evangelischen Haus- und Landschwesternschaft e.V. (im Folgenden L-e.V.) betrieben wurde. Der Kläger ist dessen
Rechtsnachfolger infolge der durchgeführten Verschmelzung der beiden Vereine, die am 26. Mai 2007 im Vereinsregister eingetragen
worden ist. Mit dem Altenpflegeheim galt im streitigen Zeitraum einen Versorgungsvertrag nach §
73 Abs.
3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) als abgeschlossen.
Im Altenpflegeheim waren - neben festangestellten Mitarbeiterinnen - die Beigeladene zu 1) u.a. vom 1. Januar 2003 bis 30.
September 2006, die Beigeladene zu 2) vom 1. Juli bis 30. September 2006 und die Beigeladene zu 3) u.a. vom 1. Januar 2003
bis 31. Dezember 2006 als "Honorarkräfte" in den Nachtwachen tätig. Die Beigeladenen zu 1) und 3) sind, die Beigeladene zu
2) war staatlich anerkannte Altenpflegerin. Schriftliche Vereinbarungen zwischen dem L-e.V. und den Beigeladenen zu 1) bis
3) bestanden nicht. Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Beigeladenen zu 1) bis 3), führte der L-e.V. nicht ab. Die Beigeladene
zu 1) war nach ihren Angaben neben ihrer selbstständigen Tätigkeit seit 1. Januar 1991 zu 91 v.H. versicherungspflichtig beschäftigt
im Nachtdienst beim Wohnstift A. S. und führte als Altenpflegerin ein Einzelunternehmen, mit dem sie auch für weitere Pflegeeinrichtungen
tätig war. Die Beigeladene zu 2) war früher beim L-e.V. als angestellte Mitarbeiterin tätig.
Am 29. Januar und 12. Februar 2007 führte die Beklagte im Altenpflegeheim eine Betriebsprüfung über den Prüfzeitraum vom 1.
Januar 2003 bis 31. Dezember 2006 durch. Mit Schreiben vom 12. Februar 2007 hörte die Beklagte den L-e.V. zur beabsichtigten
Beitragsnachforderung aufgrund der versicherungsrechtlichen Beurteilung der Beigeladenen zu 1) bis 3) als abhängig Beschäftigte
an.
Mit dem Bescheid vom 13. April 2007 forderte die Beklagte vom L-e.V. Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen in Höhe
von EUR 58.696,50 (Beigeladene zu 1)) betreffend den Zeitraum 01. Januar 2003 bis 30. September 2006 in Höhe von EUR 37.388,85;
Beigeladene zu 2) betreffend den Zeitraum 01. Juli 2006 bis 30. September 2006 in Höhe von EUR 2.420,05 und Beigeladene zu
3) betreffend den Zeitraum 01. März 2003 bis 31. Dezember 2006 in Höhe von EUR 18.887,60) zuzüglich Säumniszuschlägen von
EUR 14.436,00, insgesamt EUR 73.132,50. Zur Begründung wurde ausgeführt, für die Beigeladenen zu 1) bis 3) seien keine Beiträge
entrichtet worden, obwohl sie abhängig beschäftigt gewesen seien. Der L-e.V. habe, um personelle Engpässe zu beheben, die
Beigeladenen zu 1) bis 3) beschäftigt und auf deren Wunsch sozialversicherungsrechtlich als freie Mitarbeiterinnen behandelt,
obwohl er für dieselbe Tätigkeit am Tage abhängig Beschäftigte eingesetzt habe. Die Beurteilung einer Tätigkeit als selbstständig
oder abhängig richte sich nicht nach dem Willen der Vertragsparteien, sondern nach dem Recht der Sozialversicherung. Für die
Beurteilung sei eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, bei der die vertragliche Ausgestaltung zurücktrete, wenn die tatsächlichen
Verhältnisse von ihr abwichen. Sie, die Beklagte, habe festgestellt, dass es sich bei der Beschäftigung der Beigeladenen zu
1) bis 3) um eine abhängige Beschäftigung handle, die grundsätzlich der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten-
und Arbeitslosenversicherung unterliege. Bei der Gesamtwürdigung aller Umstände überwögen bei den Beigeladenen zu 1) bis 3)
wertungsmäßig eindeutig diejenigen Gesichtspunkte, die für eine abhängige, versicherungspflichtige Beschäftigung sprechen.
Die Beigeladenen zu 1) bis 3) würden anstelle von abhängig Beschäftigten eingesetzt. Denn in den Nächten, in denen sie nicht
tätig würden, verrichte eine abhängig Beschäftigte dieselbe Arbeit. Der L-e.V. habe eingeräumt, dass z.B. die Beigeladene
zu 2) mit denselben Tätigkeitsinhalten bis 2005 abhängig beschäftigt gewesen sei. Ein Vertrag werde zwischen der zu pflegenden
oder zu betreuenden Person und dem L-e.V. geschlossen und nicht zwischen den zu pflegenden oder zu betreuenden Personen und
den Beigeladenen zu 1) bis 3). Die Bezahlung, die nach Tagen oder Arbeitsstunden und nicht nach dem Erfolg der Leistung vorgenommen
werde, erhielten die Beigeladenen zu 1) bis 3) von dem L-e.V. und nicht von den zu pflegenden oder betreuenden Personen. Das
Verfahren der Arbeitszuteilung und der Bezahlung unterscheide sich dem Grunde nach nicht von dem eines abhängig Beschäftigten
zu seinem Arbeitgeber. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) arbeiteten eigenverantwortlich. Bei einer Pflegetätigkeit werde die Weisungsgebundenheit
durch das hohe Maß an Eigenverantwortung reduziert, ohne damit der abhängigen Beschäftigung entgegenzustehen. Die Beigeladenen
zu 1) bis 3) hätten bei entsprechender Ableistung einer bestimmten Anzahl von Arbeitsstunden mit einem festen Betrag der Bezahlung
rechnen können. Eine unternehmerische Chance z.B. im Sinne einer Gewinnerzielung sei nicht möglich gewesen, denn bei schnellerer
Arbeit hätte sich der Betrag der Bezahlung nicht erhöht. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) hätten kein eigenes Material oder Kapital
eingesetzt. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, die Übernahme von Pflegefällen abzulehnen, mit der Konsequenz von Einnahmeverlusten.
Auch ein abhängig Beschäftigter könne die Übernahme eines Pflegefalles ablehnen und trage dabei ein ähnliches Risiko, den
Verlust des Arbeitsplatzes. Die Beigeladenen zu 1) und 3) seien im Prüfzeitraum auch bei einem anderen Arbeitgeber in vergleichbarer
Tätigkeit abhängig beschäftigt gewesen. Die Beitragsberechnung erfolge ausgehend von den im Rahmen der Betriebsprüfung zur
Verfügung gestellten Rechnungssummen. Säumniszuschläge seien zu erheben, weil der L-e.V. nicht unverschuldet keine Kenntnis
von der Zahlungspflicht gehabt habe. Da deshalb grobe Fahrlässigkeit vorliege, seien auch die Voraussetzungen des §
7b Nr. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) nicht gegeben.
Mit ebenfalls auf den 13. April 2007 datierten Bescheiden stellte die Beklagte gegenüber den Beigeladenen zu 1) bis 3) fest,
dass für sie als Nachtwache im Pflegebereich bei dem L-e.V. ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt nach §
7 Abs.
1 SGB IV bestehe. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) erhoben jeweils Widerspruch. Die Beigeladenen zu 1) und 2) begründeten ihre Widersprüche
damit, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) mit Bescheid vom 8. Juni 2007 (Beigeladene zu 2)) und 28. Juni
2007 (Beigeladene zu 1)) ihre selbstständige Tätigkeit als Altenpflegerin mit mehr als einem Auftraggeber als selbstständige
anerkannt habe, die nicht zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung führe. Im Gegensatz zu Krankenpflegern,
die stets nach Weisung des Arztes arbeiteten, arbeiteten Altenpfleger nämlich weisungsfrei. Zwischen ihnen und ihren Auftraggebern
gebe es keine Verträge, sie erhielten die Aufträge telefonisch, sei es von Privatpersonen, Seniorenstiften, -wohngemeinschaften,
Pflegeheimen oder ambulanten Pflegediensten. Beide Parteien könnten den Auftrag nach Belieben ändern, ohne rechtliche Handhabe.
Sie erbrächten ihre Leistung zu den von ihnen bestimmten Stundensätzen auf eigene Rechnung. Sie könnten über die Anzahl der
Aufträge ihre Gewinnerzielung steuern. Im Unterschied zu abhängig Beschäftigten stünden sie nicht in einer Hierarchie, sie
übten keine organisatorischen Aufgaben aus, wie Bestellungen, Kontaktpflege, nähmen nicht an Schulungen, Fortbildungen, Weihnachtsfeiern,
Ausflügen, teil. Sie seien nicht mit den Pflegeplanungen befasst, sie müssten keine Bezugsperson übernehmen und deren Dokumentationsmappe
überwachen und nähmen nicht an Dienstbesprechungen teil. Sie könnten einen Pflegefall nicht ablehnen, da der Auftrag die gesamte
Einrichtung umfasse. Sie würden nicht in einem Dienstplan geführt. Ein eigener Materialeinsatz entfalle, weil die Pflegebedürftigen
einen gesetzlichen Anspruch gegen die jeweilige Kasse auf Pflegehilfsmittel hätten. Die Widersprüche der Beigeladenen zu 1)
und 2) wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2008). Hiergegen erhoben die
Beigeladene zu 1) Klage beim Sozialgericht Heilbronn (S 10 R 681/08), das mit Beschluss vom 28. Juli 2008 das Ruhen des Verfahrens anordnete, und die Beigeladene zu 2) beim Sozialgericht Stuttgart
(SG; S 16 R 1874/08).
Am 04. Juni 2007 beantragte die Beigeladene zu 1) ferner bei der DRV Bund die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen
Status. Mit Bescheid vom 02. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2008 in der Fassung des
Änderungsbescheids vom 13. April 2010 stellte die DRV Bund fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Nachtdienst
in der Wohngemeinschaft für Senioren in Filderstadt als abhängige Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterliege.
Das SG hob mit Urteil vom 26. April 2012 die Bescheide auf und stellte fest, dass keine Sozialversicherungspflicht bestanden habe.
Die Berufung der DRV Bund ist beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) unter dem Aktenzeichen L 11 R 2599/12 anhängig.
Der L-e. V. erhob Widerspruch, legte Unterlagen über Honorarkräfte und Fremdfirmen, von den Beigeladenen zu 1) bis 3) gestellte
Rechnungen und Kontenauflistungen der an diese gezahlten Honorare vor. Zur Begründung des Widerspruchs gab er an, die Beigeladenen
zu 1) bis 3) seien nicht weisungsgebunden und nicht in den Betrieb eingegliedert gewesen. Auch habe er auf die Beigeladenen
zu 1) bis 3) nicht wie auf Festangestellte zugreifen können, jeder Einsatz habe einzeln abgestimmt werden müssen. Die Beigeladenen
zu 1) bis 3) hätten jederzeit - auch kurzfristig - absagen können. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) seien jeweils von Monat zu
Monat in sehr unterschiedlichem Umfang tätig gewesen. Sie hätten lediglich Informationen zu den Gegebenheiten im Haus sowie
zur Gewährleistung der Versorgung und Betreuung der Hausbewohner insgesamt, z.B. Berichte bei der Übergabe der Dienste, erhalten.
Die Nachtwachen seien grundsätzlich allein im Dienst gewesen und hätten in Notfällen auf einen Hintergrunddienst zurückgreifen
können. Die Einsätze der Angestellten würden spätestens vier Wochen vor Beginn des Einsatzmonats durch Dienstplan eingeteilt,
ohne dass die Angestellten widersprechen könnten. Der Einsatz der Honorarkräfte würde erst ca. drei Wochen vor dem konkreten
Einsatz mit den Honorarkräften telefonisch für die Nächte abgestimmt, für die der Dienstplan eine Lücke aufweise. Die Honorarkräfte
würden damit die lückenlose Beaufsichtigung der Heimbewohner gewährleisten. Im Fall der Ablehnung eines Einsatzes durch alle
drei Honorarkräfte kämen Fremdfirmen zum Einsatz. Die Honorarkräfte seien auch für andere Auftraggeber tätig gewesen. Sie
hätten einen Pool gebildet, auf den bei Bedarf zurückgegriffen worden sei. Ein Arbeitgeber dürfe Bedarfslücken durch Honorarkräfte
ausfüllen. Dass die von diesen verrichteten Tätigkeiten auch von Festangestellten verrichtet würden, sei unerheblich. Altenpfleger
zählten zu den Pflegepersonen, die nach dem
Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) selbstständig sein könnten. Die Vertragspartner hätten sich vorliegend für eine Ausgestaltung als selbstständige Tätigkeit
entschieden; es liege in der Macht der Beteiligten, das Rechtsverhältnis nach ihrem Willen als Beschäftigungsverhältnis oder
abhängige Tätigkeit auszugestalten. Die Nachtwachen trügen ein unternehmerisches Risiko, denn sie seien selbst für ihre Einkünfte
verantwortlich gewesen. Im Fall von Krankheit oder Urlaub hätten sie keine Einkünfte erzielt, bei viel Arbeit hohe Einkünfte.
Sie hätten keine festen Betrag zu einem festen Zeitpunkt bekommen, sondern je nach in Rechnung gestellter Leistung Zahlungen
in variierender Höhe. Nach dem Wesen der Dienstleistung habe diese nur nach Stunden abgerechnet werden können. Auch die höchstpersönliche
Erbringung spreche nicht gegen eine selbstständige Tätigkeit. Zum einen müssten aufgrund der gesetzlichen Vorgaben ausgebildete
Altenpflegerinnen oder Krankenpflegerinnen zum Einsatz kommen, so dass beliebiger Ersatz nicht möglich sei, zum anderen seien
intime Verrichtungen an den zu Pflegenden vorzunehmen, so dass die Heimleitung in ihrer Verantwortung akzeptablen Ersatz organisieren
müsse. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) seien auch steuerrechtlich als Selbstständige eingeordnet worden. Die Tätigkeit der Nachtwachen
unterschieden sich erheblich von denen der Angestellten im Tagdienst, die zahlreiche zusätzliche Aufgaben zu erfüllen hätten.
Zudem sei die Festsetzung von Säumniszuschlägen rechtswidrig, weil der Arbeitgeber unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht
gehabt habe.
Mit Änderungsbescheid vom 10. August 2007 änderte die Beklagte den Bescheid vom 13. April 2007 dahin ab, dass keine Säumniszuschläge
festgesetzt wurden. Den aufrecht erhaltenen Widerspruch des L-e. V. wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsauschuss
mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2008, ebenso wie der Änderungsbescheid adressiert an den L-e.V. und an die Prozessbevollmächtigten
übersandt, zurück und entschied, dass die Kosten des Verfahrens zu einem Fünftel erstattet würden. Zur Begründung wurde ausgeführt,
die versicherungsrechtliche Beurteilung von Nachtwachen und Pflegepersonal sei bereits mehrmals Gegenstand von Sozialgerichtsverfahren
gewesen. Diese hätten in der Regel zu einer Beurteilung als abhängige Beschäftigung geführt. Bei regelmäßiger Erbringung von
Pflegeleistungen für einen anderen Vertragspartner als den Patienten bestehe ein Beschäftigungsverhältnis, wenn nicht besondere
Umstände hinzuträten, die die Abhängigkeit der Pflegekraft im Einzelfall aufheben würden. Bei der Erbringung von Pflegeleistungen
in einer stationären Einrichtung stehe der Leistende in aller Regel in einem Beschäftigungsverhältnis. Im vorliegenden Fall
hätten die Beigeladenen zu 1) bis 3) nur über die Annahme des Auftrages entscheiden können, alles weitere sei durch das Heim
festgelegt gewesen. Sie seien in die Organisation des Heimes eingebunden gewesen und hätten die dortigen Arbeitsmittel genutzt.
Die Ablehnungsmöglichkeit führe nicht zur selbstständigen Tätigkeit, da derartige Vertragsgestaltungen auch im Rahmen abhängiger
Beschäftigungsverhältnisse nicht unüblich seien. Auch im Grundsatz versicherungspflichtige, aber geringfügig oder kurzzeitig
Beschäftigte bildeten häufig einen Pool, aus dem der Arbeitgeber kurzfristig auftretenden Personalbedarf decke. Dass Pflegekräfte
Aufträge ablehnen könnten oder umgekehrt auf die Akzeptanz durch die Patienten angewiesen seien, spiele für die Einstufung
als selbstständige Unternehmer keine Rolle. Die eigenverantwortliche Ausübung der Tätigkeit werde auch bei vielen abhängig
Beschäftigten vorausgesetzt. Auch der Beginn der Versicherungspflicht rückwirkend mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis
sei im Ausgangsbescheid zutreffend festgestellt worden, weil der L-e.V. grob fahrlässig gewesen sei. Von grober Fahrlässigkeit
nach §
7b SGB IV sei auszugehen, wenn die ausgeführten Arbeiten normalerweise von Arbeitnehmern erbracht würden, ein anderer Auftragnehmer
mit ähnlichem Vertrag bei demselben Auftraggeber als Beschäftigter behandelt werde und weder der Auftraggeber noch der Auftragnehmer
ein Anfrageverfahren nach §
7a Abs.
1 Satz 1
SGB IV bei der DRV Bund zur Statusfeststellung eingeleitet hätten. Die Beigeladene zu 2) sei zuvor bis 2005 als abhängig beschäftigte
Pflegekraft bei dem L-e.V. tätig gewesen. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) hätten Tätigkeiten verrichtet, die auch von Angestellten
verrichtet worden seien. Der Arbeitgeber habe folglich nicht davon ausgehen können, dass die eingesetzten Pflegekräfte oder
Nachtwachen im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit eingesetzt worden seien. Daran ändere der vorgelegte Bescheid betreffend
eine Statusbeurteilung für eine nicht bei dem L-e.V. beschäftigte Pflegekraft als selbstständig nichts. Hinsichtlich der Beigeladenen
zu 1) bis 3) sei nichts unternommen worden, um eine Statusbeurteilung herbeizuführen.
Der Kläger erhob am 27. Februar 2008 Klage zum Sozialgericht Heilbronn. Das Sozialgericht Heilbronn verwies den Rechtsstreit
nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 19. März 2008 an das örtlich zuständige SG. Zur Begründung der Klage wiederholte der Kläger das Vorbringen des L-e.V. im Widerspruchsverfahren. Darüber hinaus rügte
er, dass Kosten des Widerspruchsverfahrens nicht erstattet worden seien, obwohl der Änderungsbescheid eine Teilabhilfe in
Form des Entfallens der Säumniszuschläge darstelle. Die Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit setzte sich über den Parteiwillen
hinweg und missachte die Privatautonomie.
Die Beklagte wiederholte die Ausführungen aus den angegriffenen Bescheiden.
Das SG lud durch Beschluss vom 30. Juli 2009 die Beigeladenen zu 1) bis 8) bei. Am 13. Juli 2010 verstarb die Beigeladene zu 2).
Ihr Alleinerbe ist gemäß Erbschein des Notariats W. II - Nachlassgericht - vom 07. Oktober 2010 ihr Sohn. Die Beigeladenen
zu 1) und zu 2) bezogen sich auf ihre Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren. Die Beigeladenen zu 3) bis 8) äußerten sich
nicht.
Das SG befragte in der mündlichen Verhandlung am 22. November 2010 die Beigeladene zu 1) und den Verwaltungsdirektor des Klägers,
Herrn Schneider. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 22. November 2010 verwiesen.
Mit Urteil vom 22. November 2010 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klage sei zulässig. Der Kläger sei prozessführungsbefugt, obwohl er nicht
Adressat der angegriffenen Bescheide sei, weil er als Rechtsnachfolger des L-e.V. nach der Eintragung der Verschmelzung nunmehr
eigene Rechte geltend mache. Denn er sei durch die Gesamtrechtsnachfolge in vollem Umfang in die Rechte und Pflichten des
Rechtsvorgängers eingetreten, mithin auch in das durch den Beitragsnachforderungsbescheid begründete Rechtsverhältnis. Die
Klage sei jedoch unbegründet, die angegriffenen Bescheide seien rechtmäßig. Sie seien nicht deswegen rechtswidrig, weil der
Änderungsbescheid vom 10. August 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2008 nach der Eintragung der Verschmelzung
des L-e.V. auf den Kläger am 26. Mai 2007 erlassen worden seien. Der Kläger sei Beitragsschuldner, weil er als Gesamtrechtsnachfolger
des L-e.V. in dessen Beitragspflicht eingetreten sei. Damit sei als Adressat zwar unzutreffend der L-e.V. genannt, der Adressat
sei vorliegend aber durch Auslegung zu ermitteln. Der Kläger habe den Bescheid erhalten und sei gegen ihn vorgegangen. Die
Beklagte habe zu Recht die Beitragsnachforderung erhoben. Die Gesamtwürdigung aller Umstände der Tätigkeit der Beigeladenen
zu 1) bis 3) bei dem L-e.V. ergebe ein Überwiegen der Merkmale einer abhängigen Beschäftigung. Die Beigeladenen zu 1) bis
3) seien in den Betrieb eingegliedert gewesen und hätten den Weisungen unterstanden. Sie seien zu einer höchstpersönlichen
Dienstleistung verpflichtet gewesen, hätten kein eigenes Kapital eingesetzt und nur ein geringes Unternehmerrisiko getragen.
Sie hätten keine eigene Betriebsstätte gehabt und die Arbeitszeit nicht frei gestalten können. Sie hätten in den Räumen des
Arbeitgebers gearbeitet, die Schichtzeiten seien durch Beginn und Ende des Nachtwacheneinsatzes durch den L-e.V. vorgegeben.
Sie seien damit in die Dienstpläne eingebunden gewesen. Weitere Weisungen hätten darin bestanden, dass auch Ort und zu betreuende
Personen vorgegeben worden seien. Allein die Möglichkeit der Ablehnung des Auftrages führe nicht zur Annahme einer selbstständigen
Tätigkeit, wenn nach dessen Annahme persönliche Abhängigkeit und Eingliederung in den Betrieb vorlägen. Nach der Einteilung
der Einsatzpläne seien die Beigeladenen zu 1) bis 3) nicht frei in der Einteilung ihrer Arbeitszeit gewesen. Gewichtiges Indiz
für das Vorliegen abhängiger Beschäftigung sei die höchstpersönliche Erbringung des Dienstes. Die Beigeladenen zu 1) bis 3)
hätten sich nicht ohne vorherige Absprache und Zustimmung des L-e.V. vertreten lassen dürfen. Die Vertretung durch dritte
Altenpfleger sei tatsächlich nie erfolgt. Die Vertretung der Beigeladenen zu 1) und 2) untereinander stelle keine Vertretung
dar, denn beide seien Mitarbeiterinnen des L-e.V. gewesen. Die Möglichkeit, eigene Mitarbeiter zur Ausführung der geschuldeten
Dienste einzusetzen, sei aber gerade die unternehmerische Chance des Selbstständigen, mehr Aufträge zu übernehmen, als er
selbst ausführen könne und durch den Einsatz von Mitarbeitern seinen Gewinn zu erhöhen. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) hätten
sich keiner eigenen Betriebsmittel bedient. Sie hätten zwar keine unmittelbaren Weisungen erhalten, weil in der Nacht nur
eine Nachtwache anwesend gewesen sei, jedoch seien vorab Anweisungen, z.B. betreffend die Betreuung kranker Personen in der
Nachtschicht, erteilt worden. Schließlich spreche auch das äußere Erscheinungsbild gegen eine selbstständige Tätigkeit, denn
die Beigeladenen zu 1) bis 3) seien gegenüber den zu Pflegenden nicht als Leistungserbringer im eigenen Namen und auf eigene
Rechnung, sondern wie Angestellte des L-e.V. aufgetreten. Weder die steuerrechtliche Einordnung der Tätigkeit, der allenfalls
indizielle Bedeutung zukomme, noch die Bezahlung nach Rechnungsstellung stehe der Annahme einer abhängigen Beschäftigung entgegen.
Wesentliche Unterschiede zwischen der Leistung von Nachtwachen durch abhängig Beschäftigte zu den von den Beigeladenen zu
1) bis 3) erbrachten Leistungen seien nicht erkennbar geworden. Die von der DRV Bund erlassenen Bescheide gegenüber den Beigeladenen
zu 1) und 2) über das Nichtbestehen einer Versicherungspflicht zur Rentenversicherung für eine selbstständige Tätigkeit als
Altenpflegerin mit mehreren Auftraggebern stehe der Beitragsnachforderung nicht entgegen. Anders als die streitgegenständlichen
Bescheide beträfen die Bescheide über die Rentenversicherungspflicht kein konkretes Verhältnis zu einem bestimmten Auftraggeber.
Ein späterer Eintritt der Beitragspflicht nach §
7b SGB IV sei schon mangels Zustimmung der Beigeladenen zu 1) bis 3) nicht in Betracht gekommen. Gegen die Höhe der Beitragsforderung
seien im Übrigen keine Einwendungen erhoben worden. Auch die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid sei nicht zu beanstanden,
weil die Übernahme von einem Fünftel der Kosten dem Ausmaß der Abhilfe entspräche.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 26. Januar 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Februar 2011 Berufung eingelegt.
Zur Begründung trägt er vor, die Bescheide seien aufzuheben, weil sie an den falschen Rechtsträger gerichtet seien. Da der
Änderungsbescheid vom 10. August 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2008 nach Eintragung der Verschmelzung des
L-e.V. auf ihn am 26. Mai 2007 erlassen worden seien, hätte er als Adressat genannt sein müssen. Nach verschiedenen Urteilen,
unter anderem auch des Bundesfinanzhofes - BFH - (Urteil vom 15. April 2010 - IV R 67/07 - [...]), sei der Adressat nicht durch Auslegung zu ermitteln. Das SG setze sich geradezu leichtfertig über den erklärten Parteiwillen, dem ein Mehr an Bedeutung zukomme, hinweg und deklariere
die freien Mitarbeiterverhältnisse in Arbeitsverhältnisse um. Ein Einsatz nach Dienstplänen sei nicht erfolgt, so dass dies
nicht als Kriterium für eine Weisungsgebundenheit heranzuziehen sei. Vielmehr habe er die Beigeladenen zu 1) bis 3) nach deren
Vorgaben eingesetzt. Zu.U.nrecht habe das SG der Tatsache keine Bedeutung zugemessen, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) sanktionslos vereinbarte Einsatztermine hätten
absagen können. Entgegen der Auffassung des SG seien auch vorab keine Anweisungen erfolgt. Die zu pflegenden Menschen hätten aufgrund gegebener, nicht veränderbarer äußerer
Umstände versorgt werden müssen. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) hätten ersatzweise eine andere Pflegekraft stellen können.
Der Tatsache, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) in die Organisation der Einrichtung eingebunden gewesen seien, könne keine
entscheidende, sondern nur eine untergeordnete Bedeutung zukommen, weil sie ihren Dienst autonom ungeachtet des Betriebs der
Einrichtung gestalteten. Sie hätten ein unternehmerisches Risiko getragen, weil sie nur für die tatsächlich geleisteten und
erforderlichen Dienste vergütet worden seien. Auch die Bekundungen der Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor
dem SG hätte ergeben, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) selbstständig tätig gewesen seien. Der Tendenz in der sozialgerichtlichen
Rechtsprechung, als (mit-)entscheidende Kriterien für die Frage, ob ein abhängiges oder ein freies Dienstverhältnis vorliege,
nicht mehr die Weisungsgebundenheit, sondern die Begründung oder Aufrechterhaltung eines eigenen Betriebs, die Eingliederung
in den fremden Betrieb und das Tragen unternehmerischer Risiken anzusehen, sei wegen unauflösbarer innerer Widersprüche die
Gefolgschaft zu versagen. Im Übrigen verweist er auf Urteile der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit betreffend Statusfeststellungen
sowie auf das nicht rechtskräftige Urteil des SG vom 26. April 2012 (S 19 R 2067/08) betreffend die Feststellung des Status der Beigeladenen zu 1) für eine Tätigkeit in einer anderen Pflegeeinrichtungen (Berufung
anhängig L 11 R 2599/12), wonach die Beigeladene zu 1) nicht abhängig beschäftigt gewesen sei.
Die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung des Senats am 19. Oktober 2012 bereit erklärt, hinsichtlich der Beigeladenen
zu 2) die Höhe der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung mit dem Beitragssatz 1,7 v.H. statt 1,95 v.H. neu zu berechnen.
Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. November 2010 aufzuheben und den Bescheid vom 13. April 2007 in der Gestalt
des Änderungsbescheides vom 10. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2008 in der Fassung des
Teilanerkenntnisses vom 19. Oktober 2012 aufzuheben,
hilfsweise, festzustellen, dass die die streitgegenständlichen Bescheide für den Kläger gegenstandslos sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend und bezieht sich im Übrigen auf die angegriffenen Bescheide.
Der Senat hat mit Beschlüssen vom 12. Oktober 2012 die Beigeladenen zu 9) bis 12) beigeladen.
Die Beigeladene zu 4) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die übrigen Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beigeladene zu 1) hat darauf verwiesen, dass sie seit 1998 ihr Unternehmen in der Rechtsform eines Einzelunternehmens
führe, und ihr unternehmerisches Handeln dargelegt. Die weiteren Beigeladenen haben keine Stellungnahme abgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakten, die Gerichtakten der ersten Instanz und die von der Beklagten vorgelegte
Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die gemäß §
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Die Berufung ist statthaft, ein Ausschlussgrund gemäß §
144 Abs.
1 SGG ist nicht gegeben. Streitig ist eine Beitragsnachforderung von EUR 58.696,50.
Der Kläger ist klagebefugt, denn er behauptet im Sinne von §
54 Abs.
1 Satz 2
SGG, durch den angegriffenen Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein. Da eine Beitragsnachforderung gegenüber dem L-e.V.
durch die Verschmelzung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf ihn übergegangen wäre, ist er befugt, sich gegen diese Nachforderung
im Klageverfahren zu wenden.
II.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat mit dem angefochtenen Urteil vom 22. November 2010 die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 13. April 2007 in
der Fassung des Änderungsbescheides vom 10. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2008 in der
Fassung des Teilanerkenntnisses vom 19. Oktober 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beigeladenen
zu 1) bis 3) haben ihre Tätigkeit im Altenpflegeheim des Klägers im jeweils streitgegenständlichen Zeitraum als gesamtsozialversicherungspflichtig
Beschäftigte ausgeübt, weshalb die Beklagte zu Recht Gesamtsozialversicherungsbeiträge und die Umlage U 2 fordert.
1.
Die genannten Bescheide sind formell rechtmäßig. Insbesondere sind der Änderungsbescheid vom 10. August 2007 und der Widerspruchsbescheid
vom 29. Januar 2008 gemäß § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) inhaltlich hinreichend bestimmt, obwohl als Adressat dieser Bescheide der L-e.V. benannt ist, der zum Zeitpunkt des Erlasses
dieser Bescheide nicht mehr existierte.
Nach § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dieses Erfordernis bezieht auch auf den Adressaten eines Verwaltungsaktes
(Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16. Mai 2012 - B 4 AS 154/11 R - in [...]). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist bei unrichtiger Angabe des Adressaten eine
Auslegung nach dem objektiven Verständnishorizont des Empfängers (§§
133,
157 Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB -) möglich. Eine Nichtigkeit eines Bescheides wegen Unbestimmtheit scheidet danach aus, wenn die Auslegung des Bescheides
etwaige Zweifel an der Bestimmtheit beseitigt (zuletzt: BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 - 9 C 7/11; [...]; Urteil vom 25. Februar 1994 - 8 C 2.92 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 68 S. 4; Beschlüsse vom 25. März 1996 a.a.O. S. 53 f. und vom 6. September 2008
- 7 B 10.08; [...]). In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerwG geht der BFH davon aus, dass konstituierender Bestandteil jedes
Verwaltungsakts die Angabe des Inhaltsadressaten ist, d.h. desjenigen, dem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll,
der Adressat sich allerdings auch durch Auslegung ermitteln lässt (BFH, Urteil vom 13. Dezember 2007 - IV R 91/05 und Urteil vom 15. April 2010 - IV R 67/07 -; beide in [...]). Das BSG (Urteil vom 21. Februar 1985 - 11 RA 6/84 - SozR 1300 § 37 Nr. 1) hat unter Anschluss an die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 17. Mai 1974 - VI R 197/71 -, BFHE 112, 452 mit weiteren Hinweisen) entschieden, dass zwar der "Adressat" des Verwaltungsaktes nicht unbedingt im Anschriftenfeld des
Bescheides bezeichnet werden muss; werde dort nur der Bevollmächtigte genannt, genüge es, dass der Adressat jedenfalls aus
dem sonstigen Inhalt des Bescheides mit einer jeden Zweifel ausschließenden Sicherheit entnommen werden könne.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Nennung des L-e.V. im Bescheid vom 10. August 2007 und im Widerspruchsbescheid vom
29. Januar 2008 als Adressat unschädlich. Die Auslegung ergibt, dass der Kläger Adressat der beiden Bescheide war und die
geforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschließlich der Umlage U 2 zahlen sollte und dies auch für den Kläger erkennbar
war. Beide Bescheide übersandte die Beklagte den Prozessbevollmächtigten des Klägers. Diese konnten aufgrund des Inhalts der
Bescheide eindeutig entnehmen, dass diese die Nachforderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge wegen der Tätigkeit der
Beigeladenen zu 1) bis 3) betrafen, insbesondere der Änderungsbescheid vom 10. August 2007 den ordnungsgemäß adressierten
vorangegangenen Bescheid vom 13. April 2007 abänderte. Dies wird dadurch bestätigt, dass der Kläger die Klage unter seinem
Namen erhob und dadurch zum Ausdruck brachte, sich auch nach Aufhebung der Forderung von Säumniszuschlägen als Schuldner der
von der Beklagten nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge anzusehen. Nicht entscheidend ist, dass der Sachbearbeiter
der Beklagten in Unkenntnis der erfolgten Verschmelzung des L-e.V. auf den Kläger bewusst und gewollt den L-e.V. als Adressaten
bezeichnet hat.
Dass der Bescheid über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen Grundlage für die Zwangsvollstreckung gegen
den Beitragsschuldner ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Auch im Zivilrecht können Umstände außerhalb des Titels berücksichtigt
werden können, wenn dem nicht berechtigte Schutzinteressen des Vollstreckungsschuldners entgegenstehen. Solche verneint der
BGH dann, wenn Prozess- und Vollstreckungsgericht identisch sind und daher auch das Vollstreckungsgericht über die für die
Auslegung des Titels erforderlichen Kenntnisse verfügt (Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02 - BGHZ 156, 339). Hiermit vergleichbar ist die Situation bei der zwangsweisen Durchsetzung von Beiträgen durch die den Beitragsbescheid erlassende
Behörde, die zudem bei der Vollstreckung weitergehenden rechtlichen Bindungen als ein privater Gläubiger unterworfen ist.
2.
Die genannten Bescheide sind materiell rechtmäßig.
Die Beklagte ist nach § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV für die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zuständig. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung
im Rahmen von Prüfungen bei den Arbeitgebern nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und
Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der
Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen
Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach §
253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V), §
174 Abs.
1 SGB VI sowie §
60 Abs.
1 SGB XI die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r
SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §
1 Abs.
1 Satz 2
SGB IV, §
348 Abs.
1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) auch für die Arbeitslosenversicherung bzw. Arbeitsförderung. Nach §
28e Abs.
1 Satz 1
SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden nach §
28d Satz 1
SGB IV die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden
sowie der Beitrag des Arbeitnehmers und der Anteil des Beitrags des Arbeitgebers zur Bundesagentur für Arbeit, der sich nach
der Grundlage für die Bemessung des Beitrags des Arbeitnehmers richtet, gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung
für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§
28d Satz 2
SGB IV). Die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen der Lohnfortzahlung werden - die Beklagte
fordert die Umlage nur für das Jahr 2006 nach - nach dem seit 1. Januar 2006 geltenden § 7 Abs. 1 AAG durch eine Umlage von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht.
Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V, in der Rentenversicherung nach §
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung nach §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB III und in der Pflegeversicherung nach §
20 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB XI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach §
7 Abs.
1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer in einem Verhältnis persönlicher Abhängigkeit
zum Arbeitgeber steht. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb
eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.
Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden
Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko,
das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen
frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt
davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 - B 12 KR 28/03 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 5 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung BVerfG,
Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 7).
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich
relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2009 - B 12 KR 21/07 R; [...]). Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des
rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten,
so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.
Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende
Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine
- formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange
diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig
von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. August 1990 - 11 RAr 77/89 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; Urteil vom 8. Dezember 1994 - 11 RAr 49/94 - SozR 3-4100 § 168 Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von
Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 - 12/3/12 RK 39/74 - SozR 2200 § 1227 Nr. 8; Urteil vom 4. Juni 1998 - B 12 KR 5/97 R - SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; Urteil vom 10. August 2000 - B 12 KR 21/98 R - SozR 3-2400 § 7 Nr. 15; jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte
Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - a.a.O.).
Ausgehend hiervon haben die Beklagte und das SG zutreffend die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 3) bei dem L-e.V., als abhängige Beschäftigung angesehen. Auch nach Auffassung
des Senats überwiegen bei einer Gesamtbetrachtung die Umstände, die im hier streitigen Zeitraum für ein abhängiges und dem
Grunde nach sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1) bis 3) bei dem Kläger sprechen.
Da schriftliche Vereinbarungen zwischen dem L-e.V., und den Beigeladenen zu 1) bis 3) nicht geschlossen worden sind, richtet
sich die Beurteilung der Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1) bis 3) nach dem zwischen ihnen und dem L-e.V., praktizierten Ablauf.
Dieser gestaltete sich bei den Beigeladenen zu 1) bis 3) gleich. Der Senat stützt sich hierbei insbesondere auf die Ausführungen
des Verwaltungsleiters des Klägers, Herrn Schneider, im Verwaltungsverfahren, die schriftlichen Stellungnahmen der Beigeladenen
zu 1) und 2) sowie die Anhörung der Beigeladenen zu 1) und des Verwaltungsleiters der Klägerin durch das SG im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 22. November 2010.
Die Beigeladenen zu 1) bis 3) waren in die Betriebsorganisation des L-e.V. eingegliedert. Dies ergibt sich bereits aus den
gesetzlichen Regelungen über die Beziehungen der Pflegekassen zu den Pflegeeinrichtungen, insbesondere aus den Vorschriften
über die Zulassung zur Pflege durch einen Versorgungsvertrag nach §
72 SGB XI. Nach §
71 Abs.
2 Nr.
1 SGB XI sind stationäre Pflegeeinrichtungen (Pflegeheime) im Sinne des
SGB XI selbstständig wirtschaftsende Einrichtungen, in denen Pflegebedürftige:
1.
unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft gepflegt werden,
2.
ganztägig (vollstationär) oder nur tagsüber oder nur nachts (Teil stationär) untergebracht und verpflegt werden können.
Nach §
72 Abs.
3 Satz 1
SGB XI - in der bis 30. Juni 2008 und damit im Prüfungszeitraum vom 01. Januar 2003 bis 31. Dezember 2006 geltenden Fassung des
Gesetzes zur Qualitätssicherung und zur Stärkung des Verbraucherschutzes in der Pflege (Pflege-Qualitätssicherungsgesetz -
PQsG -) vom 9. September 2001 (BGBl. I, S. 2320) - dürfen Versorgungsverträge nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die
1.
den Anforderungen des §
71 SGB XI genügen,
2.
die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten,
3.
sich verpflichten, nach Maßgabe der Vereinbarungen nach § 80
SGB XI einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln;
ein Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages besteht, soweit und solange die Pflegeeinrichtung diese Voraussetzungen
erfüllt. Auch die Pflegeeinrichtungen, die wie der L-e.V. keinen Versorgungsvertrag hatten, sondern aufgrund des Bestandsschutzes
nach §
73 Abs.
3 SGB XI zugelassen waren, müssen die Anforderungen nach Paragraph 72 Abs.
3 Satz 1
SGB XI erfüllen (§
73 Abs.
3 Satz 2
SGB XI). Allein diese gesetzlichen Regelungen im
SGB XI für die Zulassung von stationären Pflegeeinrichtungen (Pflegeheimen) zeigen, dass alle in Pflegeheimen tätigen Pflegekräfte
sich an den Vorgaben des jeweiligen Pflegeheimes ausrichten und diese bei ihrer Tätigkeit beachten müssen. Der L-e.V. musste
deshalb darauf achten, dass alle im Altenheim tägigen Pflegekräfte sich auch an die Vorgaben, die für den Abschluss des Versorgungsvertrages
notwendig sind, halten. Er hatte damit die Rechtsmacht, die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 3) vorzugeben. Auch konnten
die Beigeladene zu 1) bis 3) - wie alle anderen im Altenheim tätigen Pflegekräfte - nur unter der ständigen Verantwortung
einer ausgebildeten Pflegefachkraft tätig sein. Unter ständiger Verantwortung im Sinne von §
71 Abs.
2 Nr.
1 SGB XI steht die Versorgung nur, wenn eine verantwortliche Pflegefachkraft die den einzelnen Heimbewohnern zukommenden Pflegeleistungen
zumindest in den Grundzügen selbst festlegt, ihre Durchführung organisiert und ihre Umsetzung angemessen kontrolliert. Das
Pflegegeschehen muss grundsätzlich in seiner Gesamtheit von verantwortlichen Pflegefachkräften angeleitet und überwacht werden.
Zwar verlangt dies keine Rund-um-die-Uhr-Präsenz der verantwortlichen Pflegefachkraft. Jedoch würde eine nur partielle Befassung
mit dem Pflegebedarf der Heimbewohner dem Auftrag der "ständigen" Verantwortung bereits dem Wortsinne nach nicht gerecht.
§
71 Abs.
2 Nr.
1 SGB XI bezweckt eine weitere Verbesserung der Pflegequalität durch ein zusätzliches personales Element (zum Ganzen: BSG, Urteil vom 22. April 2009 - B 3 P 14/07 R - SozR 4-3300 § 71 Nr. 1).
Der Aufgabenbereich der Beigeladenen zu 1) bis 3) konnte sich damit nicht von dem der abhängig beschäftigten Mitarbeiter unterscheiden.
Dass auch tatsächlich kein Unterschied bestand, ergibt sich für den Senat aus den übereinstimmenden Bekundungen der Beigeladenen
zu 1) bis 3) und des Verwaltungsleiters des Klägers. Vielmehr hatte der Dienst als Nachtwache als solcher ein besonderes Gepräge,
unabhängig, ob er von den Beigeladenen zu 1) bis 3) oder, wie von der Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor
dem SG bekundet, von der fest angestellten Teilzeitkraft versehen wurde. Die erhöhte Selbstständigkeit der Nachtwache resultierte
nur daraus, dass diese allein mit den zu Pflegenden im Heim war und nach den Bekundungen des Verwaltungsleiters des Klägers
für den Notfall ein Hintergrunddienst benachrichtigt werden konnte. Darin wird deutlich, dass letztlich der L-e.V. gegenüber
den zu Pflegenden zuständig blieb. Auch dass von der Nachtwache keine Pflegedokumentation, sondern nur eine Verlaufsdokumentation
zu führen gewesen sein soll, lag nach der Aussage des Verwaltungsleiters in der mündlichen Verhandlung vor dem SG an der Größe der Einrichtung und galt für alle Nachtwachen, unabhängig von der sozialversicherungsrechtlichen Handhabung,
gleichermaßen. Nach den Ausführungen der Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung des Senats vermag der Senat allerdings
keinen Unterschied in der Dokumentation zu erkennen. Danach wurden in die Dokumentation die außergewöhnlichen Ereignisse eingetragen,
wie z.B. Stürze oder Erbrechen. Diese Eintragungen haben auch in der normalen Pflegedokumentation zu erfolgen, ebenso wie
pflegerische Maßnahmen, die allerdings in der Nacht nicht regelmäßig anfallen.
Daraus ergibt sich dann auch, dass ein umfassendes Weisungsrecht des L-e.V. nach Art, Ort, Zeit und Dauer der Ausführung der
Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 3) bestand.
Der Senat wertet es weiter als maßgebliches Indiz für eine abhängige Beschäftigung, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) ihre
Tätigkeit in dem Altenpflegeheim nach Maßgabe des Miet- und Betreuungsvertrages zwischen dem L-e.V. und den Bewohnern erbracht
haben. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) traten den Bewohnern des Altenpflegeheims wie Bedienstete des L-e.V. gegenüber. Sie erbrachten
ihre Betreuungstätigkeit nicht im Auftrag und auf Rechnung der zu Pflegenden, sondern allein für den L-e.V.
Fehlende Einzelweisungen führen zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr ist die innerhalb eines vorgegebenen Rahmens frei gestaltete
Arbeitsleistung bei höher qualifizierten Tätigkeiten üblich, ohne Anhaltspunkt für eine Selbstständigkeit zu sein. Von daher
tritt in der Gesamtwürdigung für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung die Eingebundenheit der Beigeladenen zu 1) bis
3) in den Betrieb des L-e.V. und ihre "dienende Teilhabe" am Arbeitsprozess des L-e.V. in den Vordergrund. Die zu verrichtende
Tätigkeit ergab sich aus der Natur der Sache, in gewissem Umfang erfolgten Weisungen, indem bei der Übergabe durch den Tagesdienst
auf zu beachtende Besonderheiten hingewiesen wurde, zum Beispiel akut Erkrankte.
Die Übergaben vom Tagesdienst und nach der Nachtwache wiederum an den Tagesdienst bekräftigten eine Einbindung in den Betrieb.
Dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) an weiteren Aktivitäten, wie Ausflügen, Besprechungen, Pflegeplanungen nicht beteiligt
gewesen sein sollen, fällt hingegen nicht ins Gewicht, da sich dies aus der Eigenart der Tätigkeit (ausschließlich) als Nachtwache
ergibt.
Ein gewichtiges Indiz gegen eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 3) ist, dass sie - im Sinne dieses vom
Senat regelmäßig besonders gewichteten Kriteriums - kein wesentlich ins Gewicht fallendes Unternehmensrisiko trugen (dazu
und zum Folgenden z.B. Urteil des Senats vom 2. September 2011 - L 4 R 1036/10 - [...]). Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft
auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss
ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - [...]). Den Beigeladenen zu 1) bis 3) war für die Durchführung der jeweils übernommenen Nachtwachen eine Vergütung nach
Arbeitsstunden garantiert. Die Gefahr eines wirtschaftlichen Verlustes bestand nicht. Das Risiko, nicht durchgehend arbeiten
zu können, ist zunächst ein Risiko, das auch jeden Arbeitnehmer trifft, der nur Zeitverträge bekommt oder auf Abruf arbeitet
und nach Stunden bezahlt oder unständig Beschäftigter ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 23. Januar 2004 - L 4 KR 3083/02 -, [...]). Es muss deshalb ein Wagnis bestehen, das über dasjenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Zum echten Unternehmerrisiko
wird dieses Risiko deshalb regelmäßig erst, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen oder Entgelt aus Arbeit erzielt
wird, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen und/oder Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen
brach liegen (Urteil des erkennenden Senats vom 23. Januar 2004 - L 4 KR 3083/02 -, [...]; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Dezember 2009 - L 16 R 5/08 - [...]). Die Beigeladenen zu 1) bis 3) trugen auch kein Unternehmerrisiko, weil sie nicht eigenes Kapital oder die eigene
Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt hatten. Die Arbeitsmittel wurden vom L-e.V. bereitgestellt. Vorliegend
fehlen weitere typische Merkmale der unternehmerischen Tätigkeit. So mussten die Beigeladenen zu 1) bis 3) ihre Dienste höchstpersönlich
erbringen und durften nicht - wie typischerweise der Unternehmer - übernommene Aufträge delegieren (vgl. dazu BSG, Urteil vom 11. März 2009 - B 12 KR 21/07 R; [...]). Die Verpflichtung, Dienste persönlich zu erbringen, ist ein wesentliches Merkmal abhängiger Tätigkeit. Andererseits
trugen sie auch nicht die Verantwortung für die Durchführung der übernommenen Aufträge, die sie im Verhinderungsfall absagen
konnten, mit der Folge, dass der L-e.V. selbst für Ersatz sorgte. Das Risiko der Insolvenz des Klägers ist ebenfalls nicht
als typisches Unternehmerrisiko zu bewerten, da es nicht wesentlich vom Risiko einer Arbeitgeberinsolvenz für den Arbeitnehmer
abweicht. Ein "Kundeninsolvenzrisiko" wie im vom BSG entschiedenen Fall der Familienbetreuerin (BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R; [...]) bestand hier nicht. Ebenso wenig bestand hier ein Kapitalrisiko für den vorzeitigen Abbruch des Auftrags.
Schließlich kann auch das Fehlen eines vertraglichen Urlaubsanspruchs oder eines vertraglichen Anspruchs auf Entgeltfortzahlung
nicht als Indiz für ein Unternehmerrisiko gewertet werden. Denn solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn
beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten. Letztlich ist dies ebenso wenig wie die Gewerbeanmeldung, die ebenfalls
auf der Tatsache beruht, dass eine selbstständige Tätigkeit gewollt war, nicht entscheidend. Vielmehr ist das Gesamtbild der
Arbeitsleistung nach den tatsächlichen Verhältnissen und nicht die von den Beteiligten gewählte vertragliche Beziehung maßgebend.
Solche Vereinbarungen sind im Übrigen eher typisch bei Scheinselbstständigkeit, die die Arbeitnehmerrechte wie die Lohnfortzahlung
im Krankheitsfall oder Ansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und nicht zuletzt die Beitragszahlung zur Sozialversicherung umgehen soll. Dem Arbeitnehmer werden dadurch sämtliche Schutzmöglichkeiten
genommen, ohne dass dies im Ergebnis durch unternehmerische Rechte oder gar Gewinne kompensiert wird (vgl. Urteile des erkennenden
Senats vom 12. Dezember 2008 - L 4 R 3542/05 - und vom 2. September 2011 - L 4 R 1036/10 - beide in [...]).
Soweit sich sowohl der Kläger als auch Beigeladene zu 1) darauf berufen, die Beigeladenen zu 1) bis 3) hätten Einsätze ablehnen
können, gibt dies für die Statusbeurteilung nichts her. Da im Falle der Ablehnung kein Anspruch auf weitere Aufträge bestand,
entspricht die Situation der einer angestellten Pflegekraft, die bei Ablehnung einer Arbeit ebenso dem Risiko des Arbeitsplatzverlustes
ausgesetzt ist (Urteil des Senats vom 17. Dezember 1999 - L 4 KR 2023/98; nicht veröffentlicht).
Die Feststellung der DRV Bund mit Bescheiden vom 08. Juni 2008 gegenüber der Beigeladenen zu 2) und vom 28. Juni 2008 gegenüber
der Beigeladenen zu 1), dass sie in ihrer Tätigkeit als selbstständige Altenpflegerinnen nicht kraft Gesetzes der Versicherungspflicht
zu Rentenversicherung unterliegen, steht der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Gesetzeszweck von §
2 SGB VI ist es, bestimmte Berufsgruppen trotz ihrer Selbstständigkeit in die Rentenversicherung aufzunehmen (vgl. Gürtner in: Kasseler
Kommentar, Stand April 2012, Rdnr. 2 zu §
2 SGB VI m.w.N.). Die vorgelegten Bescheide besagen nur, dass die Beigeladenen zu 1) und 2) nicht zu einer Berufsgruppe gehören, die
trotz selbstständiger Tätigkeit versicherungspflichtig in der Rentenversicherung ist. Ob eine selbstständige Tätigkeit vorliegt,
kann nur jeweils im Verhältnis zu dem einzelnen Auftraggeber geprüft werden, weshalb auch Bescheide betreffend die nicht am
hiesigen Verfahren beteiligten Frau Czyz bei einem ebenfalls nicht an diesem Verfahren beteiligten Auftraggeber keine Aussagekraft
für den hier zu beurteilenden Sachverhalt haben. Dies gilt gleichermaßen für das anhängige Berufungsverfahren L 11 R 2599/12 betreffend die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) in einer anderen Pflegeeinrichtung.
Die Beklagte ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass §
7b SGB IV in der vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung vorliegend keine Anwendung findet, so dass die Beschäftigungsverhältnisse
am 1. Januar 2003 (Beigeladene zu 1), am 1. Juli 2006 (Beigeladene zu 2) und 1. März 2003 (Beigeladene zu 3) begannen. §
7b SGB IV wurde durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. I 2000, S. 2) mit Wirkung vom 01. Januar 1999 (vgl. Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes) in das
SGB IV eingefügt und durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des
SGB IV und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007 (BGBl. I, S. 3024) wieder aufgehoben. Danach galt Folgendes: Stellt ein Versicherungsträger außerhalb des Verfahrens nach §
7a SGB IV - wie hier erfolgt - fest, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, tritt die Versicherungspflicht erst
mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn der Beschäftigte
1.
zustimmt,
2.
für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung einer Absicherung gegen das finanzielle Risiko von
Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und
der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht und
3.
er oder sein Arbeitgeber weder vorsätzlich noch grob fahrlässig von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen ist.
Mit dieser Regelung sollten insbesondere die Fälle der Arbeitgeberprüfung nach § 28p
SGB IV erfasst werden. Für die Arbeitgeber von Personen, deren Status als nichtselbstständig Beschäftigter festgestellt wurde, sollte
damit eine gewisse Erleichterung bei den allein von ihnen aufzubringenden rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträgen
geschaffen werden. Die Vorschrift diente also vorrangig dem Schutz der Arbeitgeber (Urteile des erkennenden Senats vom 12.
Dezember 2008 - L 4 R 3542/05 - und 02. September 2011 - L 4 R 1036/10 - a.a.O.).
§
7b SGB IV findet keine Anwendung, weil der L-e.V. grob fahrlässig von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen ist. Grobe Fahrlässigkeit
liegt vor, wenn die Beteiligten die gebotene Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt haben, wenn also außer Acht gelassen
worden ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Unter Berücksichtigung der individuellen Einsichts- und
Urteilsfähigkeit müssen die Sorgfaltspflichten in einem das gewöhnliche Maß an Fahrlässigkeit erheblich übersteigenden Ausmaß
verletzt worden sein. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die von der erwerbsmäßig tätigen Person auszuführenden Arbeiten
üblicherweise von im Betrieb des Arbeitgebers tätigen Arbeitnehmern verrichtet werden, sodass eher von einer Beschäftigung,
denn von einer selbstständigen Tätigkeit hätte ausgegangen werden dürfen (Urteile des erkennenden Senats vom 12. Dezember
2008 - L 4 R 3542/05 - und 2. September 2011 - L 4 R 1036/10 - a.a.O.; so auch Knospe in Hauck/Noftz, § 7b (alt) Rdnr. 14, Stand Juli 2008). Die Tatsache, dass die Beigeladene zu 2)
dieselbe Tätigkeit beim Kläger zuvor als abhängig Beschäftigte ausgeübt hatte, begründet grobe Fahrlässigkeit, ebenso wie
der Umstand, dass neben den Beigeladenen zu 1) bis 3) auch eine abhängig Beschäftigte für dieselbe Arbeitsleistung, nämlich
Nachtwachen, eingesetzt, wurde. Dies hätte den L-e.V. zumindest veranlassen müssen, den Status der Beigeladenen zu 1) bis
3) durch die Einzugsstelle oder durch die DRV Bund im Anfrageverfahren nach §
7a SGB IV prüfen zu lassen. Dem ist er jedoch nicht nachgekommen, weshalb ihn der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit trifft.
Die Höhe der nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge berechnete die Beklagte mit Ausnahme der Beiträge zur sozialen
Pflegeversicherung für die Beigeladene zu 2) (Beitragssatz von 1,95 v.H. statt 1,7 v.H.) - dem hat die Beklagte mit dem in
der mündlichen Verhandlung des Senats abgegebenen Teilanerkenntnis Rechnung getragen - zutreffend. Der Senat verweist insoweit
auf die dem Änderungsbescheid vom 10. August 2007 beigefügten Anlagen. Einwände hat der Kläger insoweit nicht erhoben.
3.
Der Hilfsantrag hat ebenfalls keinen Erfolg. Da die angegriffenen Bescheide formell rechtmäßig, insbesondere hinreichend bestimmt
sind, ist nicht erkennbar, woraus sich die Feststellung, diese seien gegenstandslos, ergeben sollte.
4.
6.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
7.
Der Streitwert für beide Rechtszüge wird endgültig auf EUR 58.696,50 festgesetzt. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf
§§ 63 Abs. 2 und 3, 52 Abs. 1 und 23, 47 Abs. 1 GKG.